DIE NEUE REICHSKANZLEI DIE NEUE REICHSKANZLEI ARCHITEKT ALBERT SPEER ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRANZ EHER NACHF., GMBH., MUNCHEN ALLE RECHTE VORBEHALTEN ■ PRINTED IN GERMANY • DRUCK: BUCHGEWERBEHAUS M.MULLER&SOHN, MUNCHEN WESTPORTAL AN DER VOSS-STRASSE BILD SEITE 5:TEILANSICHT VOSS-STRASSE MITTELBAU 6 DIE REICHSKANZLEI VON ADOLF HITLER Is sich Bismarck nach der Neugrundung des Reiches entschloG, das Reichskanzlerpalais - damals Palais Rad- ziwill - anzukaufen, lagen seine eigentlichen Dienstraume noch immer im Auswartigen Amt. Vielleicht war die Lage des neuen Reichskanzlerpalais neben dem Ministerium des AuGern sogar ein Hauptgrund fur die Erwerbung gerade dieses Objektes. Das Gebaude, das aus der ersten Halfte des 18. J ahrhunderts stammt, besaG so gut wie keine eigentlichen Buroraume. Ein alter Adelssitz, auGerlich mit anstandig gehaltenen Fassaden, im Inneren mit allerdings seitdem zum Teil sehr geschmacklosen Erneuerungen. Das Ende des 19. J ahrhunderts setzte diese Verschonerungen fort und verschandelte dabei den Bau allmahlich mit jener uberladenen Vornehmheit, bei der der prunkvolle Gips das Fehlen des echten Materials und der anstandigen Proportionen verbergen sollte. Auch der Saal, in dem einst der Berliner KongreG tagte, konntedieser „Verschonerung" nicht entgehen. Schlechte Wandarme und ein gigantischer Luster aus Blech wurden damals wohl als besondere Attraktionen angesehen. Soweit sich in dem Hause Bilder befanden, stammten sie als schlechte Leihgaben aus preuBischen Sammlungen, wahrend die Portrats der einzelnen Reichskanzler selbst - ausgenommen ein groGes Lenbachbild von Bismarck - uberhaupt keinen kunstlerischen Wert beanspruchen konnten. Der Park des Gebaudes begann allmahlich zu verwildern. Die Scheu davor, alte absterbende Baume durch neue zu ersetzen, fuhrte dahin, immer mehr diese verwitterten und ausgehohlten Baumstrunke erst mit Ziegeln und spater mit Beton auszufullen. Bei langerer Fortdauer dieses Verfahrens ware statt eines Parks nur mehr eine Anlage geblieben etwa in der Art des Houthulster Waldes nach drei J ahren BeschieGung durch die Englander. Wenn die Reichskanzler vor 1918 nun das Gebaude mehr oder weniger geschmackvoll erganzten, so begann nach der Revolution 1918 das Haus allmahlich zu verkommen. Als ich mich 1934 entschloB, das Gebaude trotzdem zu beziehen, waren nicht nur der Dachstuhl in groGen Teilen durchgefault, sondern auch die Boden vollkommen vermorscht. Fur den KongreGsaal, in dem die diplomatischen Empfange stattfinden sollten, wurde von der Polizei eine Beschrankung der Personenzahl, die zu gleicher Zeit den Raum betreten durfte, auf hochstens 60 Menschen vorgenommen, da sonst die Gefahr des Durchbrechens bestand. Wenige Monate vorher allerdings waren anlaGlich eines Empfanges des Herrn Reichsprasidenten von Hindenburg noch rund 100 Gaste und Diener in einem Saale, bei dem sich dann anlaBlich des HerausreiGens der Boden herausstellte, daB samtliche Tragbalken nur mehr aus morschem Zunder bestanden, der mit der bloGen Hand zerrieben werden konnte. Bei Wolkenbruchen kam das Wasser nicht nur von oben, sondern auch von unten. Von der WilhelmstraGe ergoG sich ein Bach in die Parterreraume, der noch verstarkt wurde durch einen ZufluG, der aus samtlichen vorhandenen Offnungen herauszuquellen begann, einschlieGlich des Klosetts. Da meine Vorganger im allgemeinen an sich nur mit einer Amtsdauer von drei, vier oder funf Monaten rechnen konnten, sahen sie sich weder veranlaGt, den Schmutz derer wegzuraumen, die vor ihnen in diesem Hause wohnten, noch dafur zu sorgen, daB der nach ihnen Kommende es besser haben wurde als sie selber. Representative Verpflichtungen dem Ausland gegenuber besaBen sie nicht, da dieses von ihnen ohnehin wenig Notiz nahm. So war das Gebaude 1934 im vollen Verfall begriffen, Decken und Boden vermodert, Tapeten und FuRboden verfault, das ganze von einem kaum ertraglichen ublen Geruch erfullt. Der unterdes erfolgte Neubau der Reichskanzlei als Buro- bau am Wilhelmplatz, der von auGen den Eindruck eines Warenspeichers oder eines stadtischen Feuerwehrgebaudes macht, glich im Inneren einem Sanatorium etwa fur Lungenkranke, was allerdings auch wieder nicht zur Krankheit derer palate, die in diesem Hause damals ihre Tatigkeit ausubten. Um nun das Gebaude uberhaupt erst wieder verwenden zu konnen, habe ich mich 1934 entschlossen, es einer allgemeinen Renovierung zu unterziehen. Dieser erste Umbau wurde nicht aus Mitteln des Staates, sondern von mir selbst gedeckt. Er geht zuruck noch auf Arbeiten Professor Troosts und hatte das Ziel, 1. die Wohn- und Empfangsraume, so gut es eben ging, in dasTiefparterrezu verlegen, 2. den ersten Stock fur die praktischen Aufgaben der Reichskanzlei einzurichten. Denn mein Arbeitszimmer als Reichskanzler befand sich bis dorthin in einem Raum, der nach dem Wilhelmplatz zu gelegen war und in GroGe und Gestaltung etwa dem geschmacklosen Zimmer eines Generalvertreters fur Zigaretten und Tabakwaren in einem mittleren Unternehmen entsprach. Bei geschlossenen Fenstern war in diesem Raum nicht zu arbeiten vor Hitze, bei offenem nicht wegen des Larms. Da bis dorthin die Empfange des Reichskanzlers und in der Zeit, da der alte Herr Reichsprasident wahrend des Umbaues des Reichsprasidentenpalais ebenfalls dort wohnte, auch die Empfange des Reichsprasidenten in der Reichskanzlei 7 stattfanden, waren die oberen Raume an sich fur diese Zwecke belegt. Sie standen damit aber naturlich die groGte Zeit des J ahres leer, ohne jede praktische Verwendung. Dies war der Grund fur mich, die Empfangsraume nunmehr in das ErdgeschoG zu verlegen und die dadurch frei werdenden, nach dem Garten hin gelegenen Raume im ersten Stock fur Arbeitszwecke auszubauen. Der ebenfalls sonst das ganze J ahr uber nicht verwendete KongreGsaal wurdezum Kabinettssitzungssaal bestimmt. Da ein Raum fur die groGen notwendigen diplomatischen und Staatsempfange uberhaupt fehlte, entschloG ich mich, dem Architekten Professor Gall den Auftrag zu gehen, einen groGen, fur den Empfang von 200 Personen geeigneten Saal zu erbauen. Er gab die Moglichkeit, mit der fortschreitenden Neugestaltung der unteren Raume wenigstens bescheidenen Anforderungen in dieser Richtung genugen zu konnen. Nun zwang aber die seit dem J ahre 1934 eintretende Verschmelzung des Amtes des Reichsprasidenten mit dem des Reichskanzlers nicht nur neue Raume fur die Prasidialkanzlei und Wehrmachtsadjutantur zu schaffen, sondern daruber hinaus auch den Staatsempfangen einen entsprechenden Rahmen zu geben. Diese Notwendigkeit fuhrte zunachst zum Erwerb des Borsig-Palais, eines uns stilistisch heute vielleicht nicht zusagenden Baues, der aber immerhin turmhoch uber der miserablen I nnenausgestaltung der Reichskanzlei der 90er J ahresteht. Professor Speer erhielt damit seinen ersten Auftrag zum Ausbau der Reichskanzlei. In kurzer Zeit wurde ohne Veranderung der AuGenfassaden der vom Architekten Lucae hergestellte Bau in Verbindung mit dem Fabriksbau in der WilhelmstraGe gebracht und im Inneren groRzugig ausgestaltet. Wenigstens fur den Augenblick konnten darin nun die Prasidialkanzlei, die Wehrmachtsadjutantur und die Oberste SA.-Fuhrung eine Unterkunft finden. Auch die Parteikanzlei unter Fuhrung des Parteigenossen Bouhler erhielt einige Raume. Das fruhere Burogebaude der Reichskanzlei erhielt nach dem Wilhelmplatz zu einen Balkon und mit ihm das erste architektonisch anstandige Element. Trotzdem konnten naturlich diese Erweiterungen nur eine augenblickliche Losung sein, denn der wirklichen Not wurde dadurch nicht abgeholfen. Zwei Momente waren es nun, die mich imj anuar 1938 bestimmten, eine sofortige Losung herbeizufuhren. 1. I m Zug der Erleichterung des Verkehrs durch Berlin vom Osten nach Westen war beabsichtigt, die J agerstraBe zu verlangern, sie durch die M inistergarten und den Tiergarten durchzufuhren und damit weiter eine Verbindung zur TiergartenstraGe zu schaffen. Ich habe diese von der damaligen Berliner Stadtbaudirektion ausgearbeiteten Plane fur falsch gehalten und Professor Speer beauftragt, die notwendige Entlastung der Leipziger StraBe und der StraGe Unter den Linden dadurch sicherzustellen, daG vom Wilhelmplatz aus in direkter Linie ein Durchgang nach dem Westen geschaffen wird. Zu dem Zweck mulSte vor allem aber die VoGstraGe den Charakter eines Engpasses verlieren und den einer groGen DurchgangsstraGe erhalten. Da sich aus naheliegenden Grunden eine Erweiterung auf Kosten des Warenhauses Wertheim kaum erreichen lieG und auch nicht zweckmaGig zu sein schien, muGte dies auf der anderen, dem Park der Reichskanzlei zu gelegenen StraBenseite versucht werden. Damit ergab sich von selbst die Notwendigkeit, diese ganze Front abzubrechen und neu zu erstellen. 2. Ich hatte mich in den Dezember- und J anuartagen 1937/38 entschlossen, die osterreichische Frage zu losen und damit ein GroGdeutsches Reich aufzurichten. Sowohl fur die rein dienstlichen als aber auch reprasentativen Aufgaben, die damit zwangslaufig verbunden waren, konnte die alte Reichskanzlei nun unter keinen Umstanden mehr genugen. Ich beauftragte daher am 11. J anuar 1938 den General bauinspektor Professor Speer mit dem Neubau der Reichskanzlei in der VoGstraGe und setzte als Termin der Fertigstellung den 10. J anuar 1939 fest. An diesem Tage sol Ite das Gebaude ubergeben werden. Wenn wir auch in zahlreichen Besprechungen gedanklich die Aufgabe behandelt hatten, so war doch die Aufgabestellung selbst eine ungeheure, der Termin ein unvorstellbar kurzer, denn an diesem 11. J anuar 1938 konnteja nicht mit dem Neubau begonnen werden, sondern es muGten zunachst erst die Hauser der VoGstraGe abgebrochen werden, so daB mit dem eigentlichen Bau fruhestens Ende Marz angefangen werden konnte. Es stand mithin eine reine Bauzeit von knapp neun Monaten zur Verfugung. DaG und wie dieses Werk nun gelang, ist ausschlieGlich das Verdienst des genialen Architekten, seiner kunstlerischen Veranlagung und seiner unerhorten organisatorischen Befahigung sowiedes FleiGes seiner Mitarbeiter. Der Berliner Arbeiter hat sich gerade bei diesem Bau selbst ubertroffen. Ich glaube nicht, daG irgendwo in der Welt rein arbeitsmaGig eine solche Leistung denkbar ware. Ich brauche nicht hinzuzufugen, daB umgekehrt naturlich auch in der sozialen Fursorgefur die am Bau Beschaftigten nichts unterblieb, was getan werden konnte. Aber dennoch ist gerade unter Berucksichtigung des Winters und der spaten schweren Frosteinfalle die Fertigstellung dieses Baues nur verstandlich, wenn man - wie schon betont - die einzigartige Leistungsfahigkeit des Berliner Arbeiters berucksichtigt. Der GrundriR des Gebaudes ist unter Zugrundelegung des Zweckes und der gegebenen Bauflache klar und groGzugig. Die Losung der gesamten gewaltigen Langenausdehnung des Baues nach der VoGstraGe hin ist ebenso kunstlerisch hervorragend wie sachlich bedingt. Die Gruppierung der inneren Raume, angefangen vom Ehrenhof bis zum inneren Saal, ist nicht nur zweckentsprechend und befriedigend im Sinne der Berucksichtigung der praktischen Bedurfnisse, sondern auch wahrhaft prachtvoll im Effekt. Die kunstlerische Ausstattung der Raume im einzelnen ist dank der Mitarbeit hervorragender I nnenraumgestalter, Bildhauer, Maler usw. eine wahrhaft ausgezeichnete. Dem entsprechen auch die Leistungen des deutschen Kunstgewerbes. Die Ausgestaltung des Parkes ist fertig bis auf jenen Teil, der zur Zeit noch als Bauplatz verwendet werden muG. Die Kurze der Bauzeit ermoglichte es nicht, den am Ende der groGen Halle gelegenen Festsaal schon jetzt in seiner endgultigen GroGe und Gestalt herzustellen. Es ist daher dieser Saal zunachst ein Provisorium, um uberhaupt das Gebaude verwenden zu konnen. Der endgultige Raum wird erst in zwei J ahren fertig sein. Das Gebaude der Reichskanzlei - das vom J ahre 1950 ab ubrigens fur einen anderen Zweck vorgesehen ist - stellt damit nicht nur sachlich, sondern auch kunstlerisch eine Hochstlei stung dar. Es spricht fur seinen genialen Gestalter und Baumeister Albert Speer. 8 ANSICHT VOSS-STRASSE (SUDWESTEN) ADLER UBER DEN PORTALEN AN DER VOSS-STRASSE VON KURT SCHMID-EHMEN HERMANN GIESLER SYMBOL DES GROSSDE UTSCH E N REICHES Albert Speer hat des GroRdeutschen Reiches ersten Staatsbau errichtet, der in Bedeutung und Umfang die groRen Leistungen deutscher Baugeschichte fortsetzt. In einem Jahr, in dem die Welt voll Unruhe und Nervositat war, Europa mobilisierte und Nationen um Deutschland den friedlichen Gang des Lebens kaum noch kannten, wurde der Bau begonnen und vollendet. Die wundervolle Disziplin und die kraftvolle Spannung, die das deutsche Volk besonders im J ahr 1938 ausgezeichnet haben, sind in diesem Bauwerk sinnbildlich verewigt, das gleichzeitig die auReren Erfolge dieses J ahres widerspiegelt. So wurde der Bau eine Hochstleistung; er ist die Widerlegung der liberalistischen Vorstellung von der kulturellen Leistung als einem Produkt aus Ruhe und Reichtum: In einer Epoche, von der man glaubt, sie habe die ganze Kraft eines Volkes in Anspruch genommen, das willens ist, Geschichte zu machen, entsprang der wahrhaft monumentale Gedanke, dem sogleich die Durchfuhrung folgte. Das Bauwerk ist nach keinen materiellen Gesichtspunkten errichtet worden. Die Verwirklichung einer Idee war seine Bestimmung, und doch hat dieser Bau eine Nutzung von einem AusmaR, wie sie nie einem wirtschaftlich geplanten Projekt beschieden war. Schon durch die erste machtpolitische Begegnung in seinen Mauern, die der Vollendung des GroRdeutschen Reiches diente, ist dieses Bauwerk eingegangen in die Geschichte des Reiches. So wird auch der unerhorte Krafteinsatz verstandlich, der von alien Beteiligten, Architekt und Gefolgschaft, geleistet wurde. So erklart sich auch das Interesse an diesem Werk, das nicht nur Deutschland, sondern die Welt beschaftigt. Es gibt zwei Statten in Deutschland, die dem Wirken des Fuhrers fur sein Volk in besonderem MaRe dienen: der Fuhrerbau in Munchen und die neue Reichskanzlei in Berlin. Es ist aufschluRreich, heute die Bauten von Troost und Speer gegenuberzustellen, um sich an der Haltung zweier Meisterwerke des politischen Aufstieges der Bewegung und des Staates bewuRt zu werden. In Munchen wie in Berlin dokumentiert sich die Weltanschauung und die Kraft der Bewegung, beide Bauwerke sind in Zeiten groRten Dranges entstanden, beide sind sie Manifestierungen des Nationalsozialismus, dem die Welt bisher so fassungslos gegenuberstand und den sie, wenn ihr nicht dazu das Organ fehlt, besser als aus Reden aus dem „steingewordenen Wort" des Fuhrers erkennen kann. Der Fuhrerbau der NSDAP, ist ein Symbol des wiedergefundenen Glaubens an eine deutsche Zukunft. Er entstand noch ganz im Eindruck der weltanschaulichen Auseinandersetzung, des Kampfes um die innere Macht, und in dieser kompromiRlosen Alternative zeigt der 10 Bau von Troost mit dorischer Knappheit und Strenge das Gesicht der kampferischen Partei. Die weltanschaulich begrundete Forderung hatte ihre bauliche Formung gefunden und damit gleichzeitig Klarheit und Ausrichtung fur die kunstlerische Entwicklung gegeben. In Speers Reichskanzlei spricht sich dagegen die Hoheit und Fulle des zur GroRmacht gewordenen Reiches mit gemessener Representation aus, in einer Flaltung weltmannischer und universeller GroRe, ohne doch das Geringste aufzugeben, was nationalsozialistisches Empfinden kennzeichnet. Mit einer Aufgabe von so der Gemeinschaft verpflichteter Representation und derart imperialer Bedeutung tauchen — gegenuber der Zeit baulichen Materialismus — Probleme auf, deren Beweitigung von richtunggebender Bedeutung fur die Baugesinnung der Zukunft ist. Wie hat Albert Speer diese Aufgabe, die ihm vom Fuhrer in einem J ahr groRer Entscheidungen gestellt wurde, gelost? Bei den Gegebenheiten des Wilhelmplatzes lag der Gedanke nahe, das Bauwerk nach AbriB der vorhandenen ausdruckslosen Fassade der Kanzlei von 1930 als selbstendigen Organismus vom Wilhelmplatz Oder der VoGstraGe aus vollig neu zu orientieren. Die Speer eigene Besonnenheit und klare Uberlegung bestimmten die Losung: Ausrichtung vom Wilhelmplatz, ohne den kieglichen Bauversuch der Bruning-Zeit zu beseitigen, ohne aber auch das Borsig-Palais anzugreifen, das als letzter Zeuge guter burgerlicher Flaltung achtenswert ist. Auf diese Weise ist die anschauliche Demonstration der verschiedenen Welten erhalten worden, ohne der eigenen Entfallung Abbruch zu tun. Die langweilige Fassade der alten Reichskanzlei erhielt schon 1934 von Albert Speer einen Balkon, den heute jeder Deutsche kennt, sie wurde weiter noch bereichert durch das Doppeltor, das Speer hineingeschlagen hat. Beim Durchschreiten diesesTores offnet sich eineandere Welt — der Geist klassischer Ausgeglichenheit und meisterhaft ausgewogener Formbildung umfangt im Innenhof den Besucher, der nun erst dieFlachheit drauGen vergiBt. DiestarkePIastik der Wande, uber die sich der Flimmel wie ein Zelt spannt, atmet kraftvolle und gehaltene Wurde. In den zwei Figuren von Arno Breker „Partei" und „Wehrmacht" steigert sich sinnfallig der Rhythmus der Wande zum Portal. Die Bauidee der Reichskanzlei — das zeigt schon dieser Architekturhof — beruht auf dem Erlebnis der Raumfolge: In spannungsreichem Wechsel folgt Raum auf Raum in glucklichen Intervallen, jeder voll Eigenart in sich geschlossen und doch durch enge Beziehungen aneinandergeknupft Oder durch Gegensatzlichkeiten gesteigert. Flier zeigt sich die Uberlegenheit der durch Tradition gebotenen Er- schlieBung vom Wilhelmplatz: In uberraschend weiter Folge reihen sich auf zwei parallelen Fluchten die Raume aneinander. In diesen Salen und Flallen, die ganz der einen Idee dienen, den Weg zum Staatsoberhaupt des GroBdeutschen Reiches und Fuhrer des deut- schen Volkes wurdig zu gestalten, wird der Besucher vom Schlendern Oder Gehen zum Schreiten gezwungen. Es ist schlechthin die Wiedergeburt von Floheit und GroRe, die sich hier manifestiert und zu vollkommen neuen tektonischen GesetzmaRigkeiten kommt. Der MaBstab alter Furstenschlosser wird ubertroffen — nicht im Prunk und nicht in der raumlichen Ausdehnung, sondern durch die umfassendere geistige Flaltung. Flier herrscht die Idee, die mit groBter Kuhnheit alle Moglichkeiten der Gestaltung und des Materials ergreift und sich dienstbar macht. Die Uberlegung, mit welcher der kunstlerische Einsatz in jeder Form bedacht ist, die Reife der Werke von Bildhauern und Malern, die renaissancehafte Fulle und der Reichtum an Marmor und Mosaik, die Arbeiten der Mobelbauer, der Stoffwirker und Teppichknupfer, die Prazision der Metallarbeiter und Glasschleifer, das alles zeugt nicht nur von der Begeisterung fur den Fuhrer und die Aufgabe, son¬ dern von einer kunstlerischen Besessenheit und auch von organ i sat or ischer Fahigkeit, die bei der einzigartigen Bauzeit und den zahlreichen, ganz erstmaligen und neuartigen Problemen nicht unterschatzt 12 EIN GAN GSTU R VOSS-STRASSE LINKS: ANSICHT VOSS-STRASSE (SUDWESTEN) 13 EINGANGSTOR AM WILHELMPLATZ werden darf, zumal neben diesem Projekt noch zahlreiche andere Aufgaben der Bearbeitung durch den Generalbauinspektor harrten. Ich erinnere mich deutlich der Spannung, die uns alle beherrschte, als wir zwei Tage vor der Einweihung mit dem Fuhrer nach Berlin kamen — wir alle erwarteten fieberhaftes Arbeiten, den letzten Kampf mit der Zeit, und stellten staunend test, daG in aller Ruhe das Letzte getan war und Speer dem knappen Termin noch den entscheidenden Tag abgerungen hatte. DaG man diesen Bau organisatorisch durch- fuhren kann, scheint moglich, daG man ihn aber auch kunstlerisch bis zum letzten Detail bewaltigt hat, das zeichnet den jungen Speer und seine Mitarbeiter aus, den Nationalsozialisten Speer, der sich ganz einsetzt, wo er dem Fuhrer dienen kann und mit — ich mochte sagen — beinahe sportlichem Ehrgeiz und Zahigkeit das unmoglich Scheinende durchsetzt. So wurde Speer einer geschichtlichen Aufgabe gerecht: Deutschland ist wieder GroRmacht geworden; aus diesem Gefuhl heraus, das mit instinktiver Sicherheit seineFialtung der Welt gegenuber und damit auch die Form findet, in der das Staatsoberhaupt der Welt gegenubertritt, ist die neue Reichskanzlei gestaltet. Sie ist erfullt von einer Atmosphare weltoffener GroBzugigkeit, ohne die geraden Prinzipien deutscher Baugesinnung im mindesten zu verlassen. Auch die Fassaden kunden davon, obwohl ihnen in hohem MaBedie preuRische Knappheit eigen ist, die Berlin in den Bauten eines Gilly und Schinkel auszeichnet. Wie ein Brunellescoin Florenz in seinen Werken Gesetz gegen Willkur setzte und die Moglichkeit der Ausrichtung schuf, wie dadurch in einer wahrhaften Renaissance verschuttete Werte und MaBstabe wieder Geltung erhielten, so sollen dem Wunsch des Fuhrers gemaR seine Bauten fortwirken. Die Reichskanzlei erfullt diese Forderung des Fuhrers, der in seiner Kulturrede 1937 von der Autoritat sprach, die das deutsche Volk vor dem Zusammenbruch gerettet hat: „DieGegner werden es ahnen, aber vor allem die Anhanger mussen es wissen: zur Starkung dieser Autoritat entstehen unsere Bauten." 14 HAUPTGESIMS AM MITTELBAU DER VOSS-STRASSE 15 16 zsrMSBf 17 19 BUCK IN DEN EHRENHOF VON OSTEN UND (OBEN) WESTEN EHRENHOF, BUCK AUF DAS WESTPORTAL 20 BRONZEPLASTIK »DIE PARTEI«VON ARNO BREKER 23 24 NEUGESTALTUNG BERLINS NACH DER PLANUNG DES GENERALBAUINSPEKTORS FUR DIE REICHSHAUPTSTADT • DIE UMGEBUNG DER NEUEN REICHSKANZLEI • LINKS OBEN: DER RUNDE PLATZ, DIE BAUGRUPPE DES OBERKOMMANDOS DES HEERES UND DIE VERLANGERUNG DER VOSS- STRASSE • IM VORDERGRUND DER GENDARMENMARKT • BILD LINKS: BRONZEPLASTI K >OIE WEHRMACHT«VON ARNO BREKER 25 WILHELM LOTZ DIE ERRICHTUNG DER NEUEN REICHSKANZLEI Beginn des J ahres 1938 beschloG der Fuhrer, den bereits geplanten Neubau der Reichskanzlei sofort in Angriff zu nehmen und im gleichen J ahre noch zu Ende zu fuhren. So wurde der Bau begonnen und vollendet in dem groGen J ahr der deutschen Geschichte, in dem die Ostmark und das Sudetenland wieder fur das Reich zuruckgewonnen wurden und in dem das gewaltige Bollwerk des deutschen Westwalls errichtet wurde. Bei der Ubergabe des Neubaus am 9. J anuar 1939 hat der Fuhrer in seiner Rede auf die gewaltigen Anstrengungen und Erfolge des J ahres hingewiesen und diesen Bau als die Bekronung des GroGdeutschen politischen Reiches, der dasj ahr 1938 abgeschlossen hat, bezeichnet. Zwei Griinde sind maGgebend gewesen, um diesen ersten groGen reprasentativen Bau des neuen Staates in der Hauptstadt des Deut¬ schen Reiches zu errichten. Einmal genugte die alte Kanzlei in der WilhelmstraGe mit ihrem E rweiterungsbau am Wilhelmplatz den Er- fordernissen des neuzeitlichen Dienstbetriebes der Kanzlei des GroG- deutschen Reiches nicht mehr. Es muGte eine zentrale Arbeitsstatte geschaffen werden, die genugend Raum fur die Unterbringung der vielen Verwaltungsstellen bietet, die in der Reichskanzlei ihren Sitz haben miissen. Die notwendigen Buroraume, Sitzungszimmer, Warte- raume mit den dazugehorigen Einrichtungen, sollten in einem Hause Platz linden, das in der auGeren baulichen Form wie in der Schonheit der Durchgestaltung des Inneren der hohen Aufgabe wurdig ist, die erste und wichtigste Arbeitsstatte des Reiches zu sein. Zum anderen aber verlangt es das Ansehen des deutschen Volkes und des Deutschen Reiches, daG dem Fuhrer als dem Reprasentanten des deutschen Volkes fur den Empfang der Staatsoberhaupter und fremden ERWEITERUNG DER ALTEN REICHSKANZLEI • BAUJ AHR 1929/30 Diplomaten ein Haus zur Verfugung steht, das in jeder Beziehung dieser groGen Aufgabe wurdig ist. Denn hier tritt der Fuhrer, wie er selbst in seiner Rede vor den Bauarbeitern dargelegt hat, den Besuchern nicht als Privatmann entgegen, sondern als der Fuhrer der deutschen Nation. Es ist daher das deutsche Volk selbst, das in diesem Bau in seiner Person den Gasten gegenubertritt und sie empfangt. Es war der Wunsch des Bauherrn, daG dieses Haus mit der Erfullung beider Aufgaben nicht nur ein besonders edles Beispiel deutscher neuzeitlicher Baukunst und Innenraumgestaltung darstellen, sondern auch in seiner monumentalen baulichen Haltung zu einer Verkorperung der Macht und GroGe des neuen Reiches werden sollte. Es ist die gleiche Verantwortung des groGen Staatsmannes vor der Geschichte, die den Fuhrer auch bewog, den Auftrag zu geben, Berlin zu einer wurdigen und reprasentativen Reichshauptstadt auszubauen. Bei der Ubergabe der Reichskanzlei hat der Fuhrer erlautert, warum er immer wieder diese groGen Aufgaben stellt und warum das GroGte und das Schonste fur uns gerade gut genug ist: namlich damit der Deutsche stolz auf sein Vaterland sein kann und damit ihm das SelbstbewuGt- sein wiedergegeben wird, das er in den unseligen Geschehnissen der vergangenen Zeit verlieren muGte. Der Fuhrer beauftragte den Archi- tekten Albert Speer, den Planer und Erbauer des Reichsparteitag- gelandes in Nurnberg und General bauinspektor fur die Reichshauptstadt, mit Planung, Entwurf und Durchfuhrung dieses groGen Bauvorhabens. Als Gelande fur den Neubau wurde die Nordseite der VoGstraGe zwi- schen Wilhelm- und Hermann-Goring-StraGe bestimmt, so daG das geschichtliche Viertel der Ministerien mit ihren Garten nach Suden hin einen wurdigen AbschluG finden kann. Mit der Wahl dieses Ortes ist eine besondere Berucksichtigung der geschichtlichen Gegebenheiten und der stadtebau lichen Entwicklung notwendig gewesen; denn die starke, in sich ruhende Geschlossenheit des neuen Baukorpers sollte es nicht ausschlieGen, daG eine innerliche und auGerliche Angliederung an die bestehenden Teile vorgenommen wurde und sichtbar blieb. Die Achtung vor den Bauten, denen ein geschichtlicher Erinnerungswert anhaftet, und die stadtebaulich be¬ sondere Lage geboten diese Rucksichtnahme. Es sei daher die stadte- bauliche Entwicklung der naheren Umgebung der Baustelle kurz dar- gestellt. Die heutigen Ministergarten bildeten den westlichen AbschluG der groGen Stadterweiterung des Soldatenkonigs Friedrich Wilhelm I. Die Stadtmauer verlief damals im Zuge der heutigen Hermann-Goring- und SaarlandstraGe. Aus dieser Zeit stammt die Anlage der groGen StraGenzuge der Wilhelm-, Friedrich- und LindenstraGe, die, von Norden kommend, sich im Suden zum Rondell, dem heutigen Belle- All iance-Platz, zusammenziehen. Das rechtwinklig sich schneidende StraGensystem, das Nehring an- legte, ergab von selbst eine verkehrsmaGig starkere Betonung der beiden Ost-West-StraGen Unter den Linden und Leipziger StraGe, die auf die beiden Westtore, das Brandenburger und Potsdamer Tor, stieGen. Sie sind noch heute die einzigen VerbindungsstraGen der Innenstadt mit dem Westen. Wenn so die ganze stadtebau I iche Umgebung der Reichskanzlei noch die Zuge tragt, die der Soldatenkonig ihr aufgepragt hat, dann gilt das gleiche auch von dem stadtebaulichen Bild der naheren Umgebung. Der Konig hat das Gelande zwischen Linden- und Leipziger StraGe, das sein Eigentum war und das damals zum Tiergarten gehorte, in groGeren Parzellen als Baustellen seinen ersten Beamten verliehen und hat ihnen Hilfe in der Beschaffung von Baumaterial 26 UMGESTALTUNG DER ALTEN REICHSKANZLEI • TEILANSICHT VOM WILHELMPLATZ • LINKS ANSCHLIESSEND DAS BORSIG-PALAIS und sonstige Erleichterungen zukommen lassen. So entstanden die Palais, die noch heute der Westseite der Wilhelmstral?e ihren beson- deren Charakter geben. Unter ihnen auch das Palais des General- majors Schulenburg, das spater dem Fursten Radziwill gehorte und 1875 in den Besitz des Reiches ubergegangen ist. In diesem Hause wohnte Bismarck bis zu seinem Abschied aus dem Amt. Spater wurde es zur Reichskanzlei. Der Durchbruch der Vol?stral?e, der im J ahre 1872 vorgenommen wurde, ist weniger eine verkehrstechnische Mal?- nahme gewesen als eine Erschlielking zur Schaffung neuer Bau- stellen. Bismarck hat damals vergeblich zu verhindern versucht, dal? die Vol?stral?e mit Mietshausern bebaut wurde, in der richtigen Erkenntnis, dal? eine solche Bebauung nicht in den Charakter des M inisterviertels pal?t. Durch den Neubau der Reichskanzlei, der die gesamte Lange der Vol?stral?e zwischen Wilhelmplatz und Hermann-G6ring-Stral?e ein- nimmt, ist dieser Makel getilgt worden, und die Vol?stral?e bildet eine wurdige Weiterfuhrung und Steigerung des schonen alten Viertels der Ministerien. Sie hat nicht nur eine raumliche Ausweitung er- fahren, sondern auch eine stadtebauliche Betonung durch den repra- sentativen Charakter des Baues. Der Bau der neuen Reichskanzlei stellte den Architekten vor die Losung einer Aufgabe, fur diees seit uber einemj ahrhundert in der 27 28 29 BAUSTELLE ERWEITERUNGSBAU DER NEUEN REICHSKANZLEI BERLIN • AQUARELLE VON PAUL HERRMANN 31 TEILANSICHTEN DER GARTENFRONT VON NORDOSTEN TEILANSICHT VOM MITTELBAU DER GARTENFRONT 32 TEI LANSICHT DER GARTENFRONT VON NORDWESTEN 33 Hrrj Geschichte der Baukunst kaum ein Vorbild gegeben hat, namlich einen reprasentativen groGen Bau aufzufuhren, der im AuGeren wie im Inneren Macht und Willen des Staates verkorpert. Aber nicht nur die Losung der Planungs- und Gestaltungsaufgaben, von denen noch zu sprechen sein wird, bedarf bei diesem Bau einer eingehenden Dar- stellung, sondern auch die ungewohnlich schnelle Durchfuhrung der Bauarbeiten, mit denen die planende und entwerfende Tatigkeit des Architekten standig Schritt halten muGte. Als der Fuhrer dem Architekten Albert Speer im J anuar des J ahres 1938 den Auftrag gab, den geplanten Bau bis zum 10. J anuar des J ahres 1939 fertigzustellen, an dem der Neujahrsempfang der Diplo- maten in dem neuen Hause stattfinden sollte, nannte ihm der Archi- tekt nach einigen Stunden Bedenkzeit die Termine fur den Bauvor- gang. Sie lauteten, daG am 15. Marz der Abbruch der Hauser beendet, am 1. August der Rohbau vollendet und das Richtfest gefeiert und am 9. J anuar 1939 die Fertigstellung gemeldet werden konne. Die Termine wurden dann auch genau eingehalten, so daG sich der Aufbau dieses GroGbaues mit seinem umbauten Raum von 360000 Kubikmeter auf einer FI ache von 16 300 Quadratmeter in einer Zeit von neun Monaten vollzog. Der Fuhrer hat fur diese gewaltige Gemeinschaftsarbeit von Architekt, Baufuhrung, Baufirmen, Kunstlern, Handwerkern und Arbeitern beim Richtfest wie bei der 0 bergabe Worte hoher Anerkennung gefunden. Um diese Leistung ermbglichen zu konnen, wurden alle Mittel der neuzeitlichen Bautechnik eingesetzt. So waren bei den Maurer- und Versetzarbeiten 17 hohe Krane aufgestellt, die die Steine zu den Ar- beitsstellen auf den Bau brachten. Wahrend der strengen Kalte des Winters, die in der letzten Bauperiode einsetzte, wurde mit Luft- erhitzern warme Luft in den Bau hineingeblasen, und die Beton- mischer wurden ebenso wie die Rustungen mit Zelten und Matten abgedichtet. Das Ungewohnliche und Erstmalige der Leistung wird noch dadurch besonders deutlich, wenn man berucksichtigt, daG die hochsten Anforderungen an Leistung und werklicher Durcharbeitung gestellt wurden, denn nur die beste und wertvollste Arbeit war fur diesen Bau gerade gut genug. Der Einsatz der Mittel an Arbeit und Material aber erscheint, bei Berucksichtigung der besonderen An- forderung, verglichen mit dem Einsatz in der gesamten Bautatigkeit, nur gering. Gegenuber einer MilliardeZiegelsteine, die in einemj ahr in Berlin verbaut werden, sind bei der Reichskanzlei nur 20 Millionen Ziegel verwendet worden. Und von den in Berlin vorhandenen, selbst- verstandlich restlos beschaftigten 40 000 Bauarbeitern war nur ein Zehntel auf der Baustelle der Reichskanzlei beschaftigt. Gegenuber dem ungeheuren und gar nicht in Zahlen zu fassenden Wert, den dieser Bau fur das Ansehen und die Bedeutung unseres neuen Deut- schen Reiches bereits gewonnen hat und immer mehr gewinnt, muG dieser Bruchteil, den die Erstellung im gesamten J ahresbauprogramm einnimmt, ein sehr kleiner genannt werden. Der Fuhrer hat Planung, Entstehung und Vollendung dieses Baues mit besonders lebhafter Anteilnahme verfolgt. Oft ist er auf der Bau¬ stelle erschienen, um sich davon zu uberzeugen, wie jeder einzelne sein Bestes zum Gelingen dieses Werkes hergab. Wie er beim Richt¬ fest erklart hat, erlebt er diese Bauten personlich mit, zumal es sich um die Tatigkeit des Beruf es handelt, dem er selbst entstammt. Immer wieder besprach er die Plane in alien Einzelheiten mit dem Architekten, immer wieder hat er neue Anregungen gegeben und Ratschlage erteilt. Der Entwurf des Architekten Speer fur diesen groBen Bau — groG in seinen AusmaGen und groG in seiner Bestimmung — stellt ein Werk dar, das als raumliche und bauliche Gestaltung einer echten stadte- baulichen Schopferkraft entsprungen ist. Denn der Bau ist nicht nur charaktervoll als eine fur sich bestehende Raumschopfung, sondern er ist in klare, organische Beziehung zu seiner Umgebung gebracht. StraGe, Platz und Bau sind aufeinander abgestimmt. Daruber hinaus aber formt und bestimmt der Bau auch seineUmgebung; er pragt ihr 36 GARTENSEITE, BUCK IN DEN BOGENGANG AM SPEISESAAL • LINKS: GARTENFRONT, BOGENGANG VOR DEM SPEISESAAL 37 BRONZEPLASTIK AM MITTELBAU DER GARTENSEITE VON J OSEF THORAK 38 GEWACHSHAUS IM GARTEN DER REICHSKANZLEI seinen Stempel auf. Aus einer SeitenstraRe mit unbestimmtem Cha- rakter ist die VoRstraRe nunmehr zu einer StraRe geworden, die als Tragerin des reprasentativen Bauwerks ein vollig neues Gesicht be- kommen hat, weil sie in harmonischer Beziehung zum Baukorper steht. Vor allem durch die platzartige Verbreiterung vor dem Mittel- teil des Baues ist ein schoner stadtebaulicher Raum entstanden, ohne daR die StraRe ihren Charakter als StraRe einbuRt. Das wird noch starker zum Ausdruck kommen, wenn, wie es in der Planung des Generalbauinspektors fur die Reichshauptstadt vorgesehen ist, die VoRstraRe in gerader Linie bis zur TiergartenstraRe fortgesetzt wird und damit eine geradlinige und unmittelbare Verbindung zur Nord-Sud-Achse erhalt. Die beiden Wohnhausbauten, die zur Reichskanzlei gehoren und die an der Hermann-Goring-StraRe liegen, werden dann den Anlagen des Tiergartens gegenuberliegen. Denn das Dreieck zwischen der neuen VoRstraRe, der TiergartenstraRe und der Hermann-Goring-StraRe, das jetzt wenig schone Wohn- und Geschaftsbauten enthalt, wird niedergelegt und in den Tiergarten einbezogen werden. Der Neubau umfaRt ein groRes trapezformiges Gelande, dessen Grundlinie die Nordseite der VoRstraRe mit einer Gesamtlange von 421 Meter einnimmt. Die westliche Seitenlinie bildet der anschlieRende Teil der Hermann- Goring-StraRe mit einer Lange von 402 Meter. Die ostliche Seitenlinie wird von der alten Reichskanzlei abgegrenzt. Zu der neuen baulichen Gestaltung gehoren der etwa 20 Meter hohe Hauptbau an der VoRstraRe, die beiden Wohnbauten an der Her¬ mann-Goring-StraRe fur die Begleitmannschaften des Fuhrers, die Gestaltung des Gartens und das Gewachshaus. Die Gesamtaufteilung des Neubaus und die GrundriRlosung stellen eine geniale Verbindung einer symmetrischen Aufteilung der ganzen Bauanlage mit einer von Osten nach Westen sich erstreckenden raumlichen AufschlieRung und Anordnung der groRen Reprasentationsraume dar. Die symmetrische Aufteilung gruppiert sich um eine nordsudliche Achse, die durch die zentrale Lage des Arbeitszimmers des Fuhrers, den groRen Gartenweg und das Gewachshaus festgelegt ist. Die senkrecht dazu verlaufende, geradlinige Reihung der Reprasentationsraume beginnt bei dem Portal am Wilhelmplatz und setzt sich uber den Ehrenhof, den Mosaiksaal, den Runden Saal und die Marmorgalerie fort. Die symmetrische Aufteilung bestimmt die auRere Gestaltung des Baukorpers sowohl nach der VoRstraRe zu wie nach der Gartenseite. I hr unterliegt auch die Gruppierung der Wohnhausbauten an der Hermann-Goring-StraRe und die Gestaltung des Gartens. Die Gestaltung der groRen Reprasentationsraume unterliegt der I dee der rhythmischen Reihung auf dem eben dargestellten Weg. Dieser Weg trifft die Achse der symmetrischen Anlage in der Marmorgalerie vor dem Zugang zum Fuhrerzimmer. Der wesentlichste und nach auRen hin am starksten in Erscheinung tretendeTeil des Neubaus ist der Hauptbau an der VoRstraRe. Er ist ein vollig einheitlicher Organismus, der mit der alten Reichskanzlei zwar zusammenhangt, aber in GroRe und Raumordnung als ein eigener groRer Baukorper anzusehen ist. Er besteht aus einem west- lichen Teil, der an der Hermann-Goring-StraRe beginnt und, um einen Lichthof herum gruppiert, im wesentlichen Verwaltungsraume enthalt. Der Mittelteil, der von der StraRe aus gegen den Garten zu 39 TEILANSICHTEN DES GEWACHSHAUSES IM GARTEN zuruckgesetzt ist, umfaRt das Arbeitszimmer des Fuhrers und seiner Adjutanten, den Reichskabinettssaal und den GroRen Empfangssaal, ferner die groRe Marmorgalerie, die als breiter, reprasentativer Flur vor diesen Raumen verlauft. Der Ostteil umfaRt nach der StraRe zu Buroraume und Arbeitszimmer, im ubrigen wird dieser Abschnitt von den groRen Representations^ men und dem Ehrenhof in Anspruch genommen. Vom Wilhelmplatz aus gesehen sind die Veranderungen durch den Neubau sehr gering. Denn die alte Reichskanzlei wurde ebenso er- halten wie der Anbau am Wilhelmplatz, der im J ahre 1934 den durch Albert Speer entworfenen Balkon erhielt, von dem aus der Fuhrer den Vorbeimarsch der Formationen in der WilhelmstraBeabnimmt. Die Grunde fur die Erhaltung des im J ahre 1930 der alten Reichs¬ kanzlei angefugten Erweiterungsbaus sind historischer, vielmehr dokumentarischer Art; denn er stellt den einzigen Versuch der Systemzeit dar, ein staatliches representatives Gebaudezu errichten. Es ist ein Versuch, der keinen starken baulichen Ausdruck zeitigen konnte, denn nur in starken und groRen Zeiten konnen groRe und representative Bauten entstehen. Auch die Fassade des Eckhauses an der Wilhelm- und VoRstraRe, das Borsig-Palais, wurde erhalten. Im Zuge des Neubaus erwies es sich als notwendig, am Wilhelmplatz ein groRes Doppelportal in die Front des Erweiterungsbaus einzufugen, um die Zufahrt in den Ehrenhof der neuen Reichskanzlei zu ermoglichen. 40 BRONZEPLASTIK VON TUAILLON Nach auGen hin kommt der representative Charakter des Neubaus in der Fassade der VoGstraGezur Geltung. Hier erkennt man deutlich die drei Teile, die auch im Charakter der drei Fassadenabschnitte ihre Bestimmung zeigen. Ost- und Westteil liegen vorn an der StraGenfront, wahrend der Mittelteil um 16 Meter zuruckgesetzt ist. So entstehen an der StraGe, wenn man die Fassade des Borsig-Palais ausnimmt, drei ungefahr gleich lange Abschnitte von je 100 bis 120 Meter. Am Borsig-Palais, das mit einem Stuck in die VoGstraGe hineingreift, setzt die neue Fassade in der gleichen GeschoGhohe wie das Palais an. Die Uberleitung zu dem dreigeschossigen Teil erfolgt durch Einfugen eines Portals. Auch zwischen der alten Fassade des Borsig-Palais und der neuen zwei geschossi gen Fassade ist ein Portal eingefugt. Ein drittes Portal befindet sich in der Mitte des ebenfalls drei- geschossigen Westteils. Die neuen Portale sind aus I Meter starken und 9 Meter hohen Muschelkalkpfeilern gebildet, die die aus gleichem Material gebildeten Deckbalken mit dem Floheitszeichen nach dem Entwurf von Professor Schmid-Ehmen tragen. Die Spannweite der Adler betragt 7,75 Meter. Einige Stufen fuhren durch das Portal zu der Tur, die in dem Muschelkalkgewande der Portalnische sitzt. DieTuren munden in die Eingangshallen, die den Zugang zu den Fluren und Treppenhausern der Burogeschosse ermoglichen. So nimmt die Gestaltung der Portale die gesamte Flohe der Fassade ein, sie sind nicht in die Fassade hinein- geschnitteneTore, sondern sie sind Teile der Fassade, so daG sie 41 mit ihrer klaren und edlen Haltung zur vollen Geltung kommen. Sie stellen mit den kannelierten Pfeilern, dem Aufgang und dem Nischenraum eine raumliche und plastische Schopfung dar; sie sind gebaut im besten Sinne des Wortes. Sie seien hier als eines der vielen Beispiele baulicher Einzelgestaltung an diesem Bau erwahnt, mit denen ein vollig neuer Weg beschritten wird und die als Vorbilder fur ahnliche Aufgaben gelten konnen. Die Fassaden des Ost- und des Westteiles sind in einer Gliederung aus Muschelkalk aufgefuhrt, die die Sockel, die Fensterumrahmungen, die Stockwerkgesimse und das Hauptgesims umfaGt. Die Mauerflachen zwischen dieser Gliederung sind in gelblicher Farbe verputzt. So zeigen diese beiden Seitenteile, die in ihrem Innern die Arbeitsraume und Amtszimmer enthalten, schon nach auGen hin den Charakter eines Verwaltungshauses, dem aber durch die meisterhafte Fassaden- gestaltung mit der sorgfaltigen Ausfuhrung jedes Einzelprofils eine besondere Wurde und eine im besten Sinne preuGische Haltung gegeben ist. Der von diesen vorspringenden Seitenfassaden begrenzte Mittelbau erhebt sich bei einer Lange von 120 Meter zu einer Hohe von 22,2 Meter. Er ist um 2,8 Meter hoher als die Seitenbauten. Diese geringe Uberhohung bewirkt, daG er dem Beschauer, von der StraGe aus gesehen, genau so hoch wie die Seitenteile erscheint, weil er von der StraGenfront um 16 Meter zuruckgesetzt ist. Es ist das ein Mittel der optischen Ausgleichung, das in der Antike in ahnlicher Weise bei den Bauten angewandt wurde. Die Fassade dieses Mittelteils ist in der Sparsamkeit der architektonischen Mittel ein besonderer Hohepunkt der baulichen Gestaltung. Die Uberleitung zu den Seitenteilen wird durch zuruckgesetzte Verbindungsmauern hergestellt, so daG die eigentliche Fassade noch einmal geschlossen in sich heraustritt und eine eindrucksvolle Front aus 19 Fensterachsen zeigt. Diese aus groGen Muschelkalkquadern erbaute Fassade mit der klaren Gliederung der Fenster kann mit den besten Fassaden italienischer Renaissancebauten verglichen werden. Dennoch wahrt sie ihren eigenen deutschen Charakter. Mit der knappen Strenge verbindet die Gestaltung die feierliche und gemessene Bewegtheit, die sowohl in dem Rhythmus der 6 Meter hohen Fenster mit der kraftigen Werksteinprofilierung der Umrahmung zur Geltung kommt wie in dem Ausklingen der MaBe in den kleineren Fenstern nach oben, die von dem weit vorspringenden Hauptgesims wieder gefaGt werden. Wenn man in der VoGstraGe von der Seite her die Gesamtfassade uberblickt, so tritt durch die groGen Langenabmessungen immer dieser Mittelteil als das wichtigste Glied des Baues in Erscheinung. Dazu tragt auch der Abstand von der StraGe bei und der Platz, der dadurch gebildet wird. Eine niedrige Balustrade grenzt diesen Platz von der StraGe ab, so daG immer ein bestimmter Abstand von diesem Bauteil gegeben ist, der auch keinen Eingang von der StraGe enthalt. Hinter den groGen Fenstern verlauft im Innern die groGe Galerie, und so wird im AuGern schon die representative Be- stimmung gezeigt. Wahrend die StraGenseite mit der strengen Gliederung die monumentale Haltung zum Ausdruck bringt, zeigt die Gartenseite einen anderen Charakter, der durch das Zusammenspiel von Bau und Garten bestimmt wird. In Angleichung an die alte Reichskanzlei ist hier fur den Mittelbau und den Ostteil ein gebrochenes Dach gewahlt worden. Das Dach senkt sich vom First aus in geringer Neigung gegen die StraGe hin, so daG es von der StraGe aus nicht zu sehen ist, zumal die Aufsatzmauer der Fassade uber den DachabschluG hinaussteht. Nach dem Garten zu zeigt das mit Ziegeln gedeckte Dach im unteren Drittel eine leichte Brechung. Auf der Gartenseile beherrscht der Mittelteil das Bild, der hier eine Lange von 189 Meter einnimmt. Ihm ist eine Terrasse von 190 Meter Lange und 9,5 Meter Tiefe vorgelagert, die den Ubergang zum Garten vermittelt und von der die Stufen an den Seiten der gegen den Garten vorgeschobenen Mittelrampe herabfuhren. Die Fassade ist mit einer Gliederung aus Muschelkalkpfeilern versehen, die die gelb verputzten Flachen einrahmen. Das besondere architektonische Schmuckstuck dieser Seite des Gartens bildet der Saulenvorbau vor dem Arbeitszimmer des Fuhrers. Edel geformte Saulen aus Lahnmarmor sind in Paaren geordnet und tragen Bronzekapitelle, deren Struktur durch teilweise Vergoldung hervorgehoben wird. Das Gebalk, die starken Eckpfeiler und die Attika dieses 18 Meter hohen und 30,8 Meter langen Vorbaus sind aus Muschelkalk gebildet. Dieschonen Formen dieser Saulengruppe in dem kraftvoll aus der Front heraustretenden Vorbau mit der vorgelagerten Terrasse sind eine glanzvolle Bereicherung in dem schonen Bild, das in der ruhigen Abgeschlossenheit des Gartens entstanden ist, den die Bauten wie ein groGer kostbarer Rahmen umgeben. Rechts und links von dem Vorbau sind auf der Terrasse zwei groGe Pferdeskulpturen von Professor Thorak aufgestellt worden, deren kraftig modellierte, bewegte Formen auGerordentlich glucklich vor der Fassadestehen. An die Terrasse schlieGt nach der Ostseite hin ein mit Kreuzgewolben gedeckter Bogengang aus groGen Muschelkalksteinen an. Er verlauft vor dem Speisesaal, der sich in hohen rundbogigen Turen nach dem Gang offnet, und bildet nach dem Garten zu das ErdgeschoG des ostlichen Seitenteils, in dessen ObergeschoG die Bibliothek liegt, deren Fenster sich nach dem Garten offnen. An der anderen Seite vor dem Westteil setzt am Ende der Terrasse eine Pergola an, die den Garten gegen die Wohnhauser abschlieGt und zu dem Gewachshaus uberleitet. Dieses Gewachshaus, das aus Gonninger Tuff errichtet ist, liegt dem Arbeitszimmer des Fuhrers gegenuber. Die Vorderseite ist in groGen Fensterturen mit schoner Sprossenteilung aufgelost. Auf dem Verbindungsweg von der Terrasse zu diesem Gewachshaus ist ein Wasserbecken mit Brunnen aufgestellt, das mit Skulpturen des Wiener Bildhauers Ambrosi geschmuckt wird. So ist es gel ungen, dem Hauptbau trotz der selbstverstandlichen einheitlichen baulichen Gestaltung nach der StraGenseite eine strenge und groGe Haltung zu geben, wahrend nach der Gartenseite zu der gleiche Baukorper sich dem stilleren und abgeschlosseneren Charakter des Gartens einfugt. Es ist zwar der gleiche gemessene Rhythmus der Gliederung, es ist die gleiche architektonische Haltung, und dennoch ein anderer Charakter in der StraGen- und in der Gartenfassade. Das beherrschende Motiv aber ist die Hervorhebung des Mittelbaus, die nach der StraGe zu durch die geschlossene Muschelkalksteinfront erreicht wird und auf der Gartenseite durch den Saulenvorbau, der sich vor dem Arbeitszimmer des Fuhrers zur Terrasse und zu dem Garten offnet. Wir begeben uns nun nach dem neuen Doppelportal in der Wilhelm- straGe, um in der Folge der vorher erwahnten ostwestlichen Auf- reihung der Reprasentationsraume mit der Betrachtung zu beginnen. Die groGen Innenraume werden an anderer Stelle in diesem Buch beschrieben werden. Durch das Portal fuhren schwere Bronzeturen in den Ehrenhof. Er miGt 68 Meter in der Lange und 26 Meter in der Breite. Die Wandung des Hofes ist aus J ura-Dolomit ausgefuhrt. Die Seitenwande, die die Fenster zu den umliegenden Raumen enthalten, sind in einer sechsfachen Aufteilung versetzt, daG sie je drei Nischen bilden, die von Saulen aus dem gleichen Stein eingefaGt sind. Durch das in feinen grauen Tonen spielende Material und die edle Gliederung wird hier der Eindruck feierlicher Ruhe erreicht. Man empfindet, wie schon ein so einheitlich gestalteter Hof wirkt und wie er die Stimmung der Eintretenden vorbereitet. Gegenuber dem Eingang vom Wilhelmplatz befindet sich ein Stufenaufgang, der zu der Portalnische fuhrt, die die Bronzetur als Zugang zu den Innenraumen enthalt. Vier groGe Saulen fassen diesen Zugang, der auGen von den zwei Bronzefiguren „Partei" und „Wehrmacht" begleitet wird, Arbeiten von Professor Breker, von denen der Fuhrer gesagt hat, daG siezu dem Schonsten gehoren, was in Deutschland je geschaffen wurde. Innen in der Portalnische ist ein bronzenes Hoheitszeichen von Professor Schmid-Ehmen 42 INNENANSICHT DES GEWACHSHAUSES 43 WOHNGEBAUDE AN DER HERMANN-GORI NG-STRASSE DEN BAUTEN GEGEN0BER WlRD NACH DEM DURCHBRUCH DER VOSS-STRASSE DER ERWEITERTE TIERGARTEN LIEGEN angebracht, und in den Feldern der Decke befinden sich Mosaik- ornamente nach dem Entwurf von Professor Kaspar. Fur die abendliche Beleuchtung sind in den Nischen der Wand Lichtkasten eingebaut, die die Nischen bestrahlen und somit durch kunstliches Licht die bauliche Struktur unterstreichen. Auch die Fassade der VoRstraRe wird am Abend durch Scheinwerfer, die gegenuber in die Hausfassaden eingebaut wurden, in der Weise angestrahlt, daR jede Blendung der Vorbeifahrenden vermieden wird. So sehen wir auch hier wieder, wie Albert Speer das kunstliche Licht als Bauelement heranzieht, als ein Mittel, die bauliche Struktur auch am Abend stark und eindringlich zur Geltung zu bringen. Wir alle kennen die neuen Wege, die er bei der Beleuchtung des Zeppelinfeldes in Nurnberg mit dem von ihm erfundenen Lichtdom und bei der Beleuchtung der Ost-West-Achse beschritten hat. Wenn wir bisher von der baulichen Gestaltung des AuReren und dem beherrschenden EinfluR des Baues auf die Umgebung gesprochen haben, so mussen wir noch auf ein Element hinweisen, das hier in besonders schoner und neuartiger Weise mit dazu beigetragen hat, dem Bau eine ganz neue, in die Zukunft weisende Bedeutung zugeben. Es ist die sorgfaltige und kunstlerisch vollendete Weise, wie die Farbe und vor allem die naturliche Farbe des edlen Materials in den Dienst der baulichen Schopfung gestellt wurde. Es ist aber immer die dem Material zugehorige Farbe, die den Grundton angibt. Im Spiel seiner Struktur zeigt es immer andereTone. Das feine Grau in alien moglichen Abstufungen gibt den ubrigen Farben den groRen Rahmen. So entstanden die gelblichen Putzflachen der Wandfullungen im Grau des Muschelkalks. Man kann dann immer wieder neue farbige Reize entdecken, wie das zarte Braun der Fensterrahmen in den Nischen steht, Oder der schone Bronzeton der Bildwerkevor dem Stein. Aufs beste abgewogen erscheinen dazu die Mosaikfelder in den Decken- feldern. Und wie die Farbe ihren Platz erhielt, den der Architekt sorgsam vorgeschrieben hat, so erhalten auch die Kunstwerke ihren vorgezeichneten Platz. Die Hoheitszeichen und der bildhauerische Schmuck, sie konnen gar keinen anderen Platz erhalten, sie sind eng und lebendig mit der Architektur verbunden. Der Neubau der Reichskanzlei ist heute schon zu einem Begriff ge- worden, der mitbestimmend ist fur das Bild, das dem Besucher der Reichshauptstadt vermittelt wird. Er ist der erste GroRbau, der im Rahmen der Neugestaltung Berlins vollendet wurde, und seine ein- drucksvolle Fassade laRt ermessen, wie groRartig und schon das Bild der Reichshauptstadt spater sein wird. Den Architekten ist mit diesem Bau ein Vorbild erstellt worden, das zeigt, wie die Aufgabe, einen staatlichen, reprasentativen Bau zu gestalten, zu meistern ist. Die neue Reichskanzlei wird der Ausgangspunkt fur die kommende bauliche Entwicklung auf dem Gebiet des reprasentativen Bauens sein. Der Bau ist in der kurzen Zeit von einem J ahr bereits der Schauplatz groRer geschichtlicher Ereignisse gewesen. Befreundete Staatsmanner und Vertreter europaischer Lander haben hier Vertrage und Pakte unterschrieben, die dem Aufbau und dem Frieden Europas dienen. So erfullt dieser Bau stetig seine hohe Aufgabe, eine Statte der politischen Arbeit zu sein zum Wohl der deutschen Nation und zur Sicherung des Lebens des deutschen Volkes. So wiefruher die WilhelmstraRe der Begriff fur diedeutsche Politik fur die ganze Welt gewesen ist, so wird in Zukunft dieser Bau immer mehr auch im Ausland der I nbegriff und das Symbol der neuen konstruktiven Politik des Dritten Reiches werden. 46 VORHALLE ZUM MOSAI KSAAL, GESAMTANSICHT RUDOLF WOLTERS WERK UND SCHOPFER I n noch starkerem MaGe, als es bei den Fassaden der Reichskanzlei in Erscheinung tritt, ist dieser Bau in seinem Innern von jener be- zwingenden Kraft und GroGe, die nur eine starke und selbstbewuGte Zeit hervorzubringen vermag. Die schwierigen stadtebaulichen Gegebenheiten, die das Bauwerk in seiner auGeren Gestalt maGgebend mitbestimmten: der langgestreckte Bauplatz, eng begrenzt durch VoGstraGe und Park, die historischen Gebaude am Wilhelmplatz, das Fehlen jeder baulich monumentalen Beziehung in der naheren Umgebung — alle diese Gegebenheiten konnten eine groGe raumliche Komposition des Innern nicht beeintrachtigen. Ein souveraner Gestaltungswille hat sich vielmehr diese Schwierigkeiten dienstbar gemacht und ein Raumgebilde geschaffen, das in Gesamtform und Aufeinanderfolge der raumlichen Elemente ohne Beispiel ist. Das GrundriGbild zeigt bereits klar das raumliche Gerust des Ganzen: die vom Wilhelmplatz bis zur Hermann-Goring-StraGe durchlaufende representative Achse, der sich alles ubrige wie selbstverstandlich zuordnet und an der sich auch die auGere Gestalt des Gebaudes orientiert. Dem Beschauer, der durch das hohe Bronzetor am Wilhelmplatz das Haus betritt und diefunf aufeinanderfolgenden Raume durchschreitet, bietet sich ein Erlebnis dar, ahnlich dem eines test lichen Schauspieles, dessen einzelneAkte der Reihe nach Szenen beleuchten, die einem gesetzerfullten kunstlerischen Gesamten zugehoren. J eder dieser einzelnen Raume ist von geschlossener Eigenart; sie steigern einander zum vollendeten Ganzen: Der vorbereitende, zur Sammlung zwingende steinerne Ehrenhof, uber dem sich der Himmel wolbt! Ausgeglichene Ruhe geht von den in baumeisterlich strenger Ordnung gegliederten Wanden aus, deren grauer Stein nur wenig Farbe zeigt. Die beiden klaren Bildwerke Brekers flankieren ein Portal, das, um einige Stufen erhoht, von kannelierten Steinpfeilern gerahmt ist. Ein marmorumkleideter heller Vorraum trennt den Ehrenhof vom Mosaiksaal. Dieser machtige Raum strahlt festliches Rot von Wanden und Boden. Die groGen Mosaikflachen von Hermann Kaspar, durch kaum vortretende polierte Marmorbander streng zerteilt, bedecken die hohen Wande, Marmorplatten mit Mosaikstreifen den Boden. Ein weit ausladendes, reichgegliedertes Gesims hebt sich hell ab vom Rot der Wande und laGt die lichtdurchlassendeGlasdecke leicht uber 47 48 Ml 49 MOSAIKSAAL- OBEN: BUCK VOM OSTPORTAL, GESAMTANSICHT- UNTEN: TEILANSICHT DES FUSSBODENS MIT DEN 1,8 QUADRATMETER GROSSEN MARMORPLATTEN MOSAI KSAAL, WANDAUSSCHNITT- MOSAI KENTWURF VON HERMANN KASPAR 50 MOSAI KSAAL, MOSAI KAUSSCH NITT 51 dem Raum schweben. Von romisch groBem Format sind die steiner- nen Turnischen an den Schmalseiten des Raumes. Zwischen den roten Doppelpfeilern sitzen in tiefer Nische hohe, mit Goldleisten abgesetzte Mahagonituren, umrahmt von groBflachig geaderten, grungrauen Marmorgewanden. Aus dem gedampften Licht dieses hohen Saales tritt man wenige Stufen hinauf in die Helle des kleineren runden Raumes, der aus der Offnung seiner Kuppel gleichmaBiges Licht empfangt. Mit seinen vielfaltigen Farben auf den marmorinkrustierten Wanden, mit den flachen, matt aus dem geschliffenen Grund herauswachsenden Reliefs uber den Turen — in seiner ganzen Form ist dieser dritte Saal ein Raum von besonders eigenartigem Reiz und Charakter, das Ganze der Raumfolge ebenso bereichernd wie notwendig erganzend. Kaum merkt der Unterrichtete, daft dieser RundeSaal als Gelenk in den Bau eingefugt ist, den leichten Knick vermittelnd, den die VoBstraBean dieser Stellemacht. Vom Kuppelsaal fuhrt der Weg in die Marmorgalerie, jenen hohen Langraum, dessen auBere Fassade als Mittelbau auch an der VoG- straRe groR und reprasentativ in Erscheinung tritt. Die Galerie ist Durchgangsraum und als solcher gestaltet. Zur linken Hand der Gleichklang von neunzehn hohen, in tiefen Marmornischen liegenden Fenstern; dem wechselnden Hell-Dunkel dieser Wand gegenuber in groGerem Rhythmus funf hohe Turen. Die rot-grun- grauen Marmorgewande beherrschen unterteilend die lange Wand, deren hell gel b polierte FI ache im vollen Licht der Fensterwand steht. Hier werden spater die groBen Wandteppiche hangen, mit deren Herstellung Professor Peiner beauftragt ist. Wahrend die mittlere der groRen Mahagonituren in den Arbeitsraum des Fuhrers geht, weist die am Endeder Halle, an der Schmalseite befindliche Tur in den Empfangssaal, das raumliche Endglied der Achse. Dieser Saal, der vorlaufig nur provisorisch hergerichtet ist, wird in kommenden J ahren so ausgebaut, daB er in GroRe und Ausstattung der Hohepunkt der ganzen Komposition wird. Dieser Bau ist in neun Monaten aufgerichtet, in neun Monaten zum fertigen Haus geworden; ein Haus, das wenige Wochen nach der Fertigstellung bereits Hintergrund weltgeschichtlicher Ereignisse und damit historisch wurde. Wenn wir heute die Raume dieses Gebaudes betrachten, ihre selbstverstandliche Schonheit und GroRe, das bis ins letzte durchgearbeitete Detail der baulichen Formen und der gesamten Einrichtung, die Arbeiten der Maler, Bildhauer und Kunst- handwerker, die hier mitgewirkt haben, deren Werk mit dem Ge¬ samten in eins verschmolzen dasteht, so ist fur uns weniger die organisatorische Bauleistung ein erstaunliches Phanomen als die geradezu instinktive Sicherheit des Architekten, der das Gesamtwerk schuf, eines Menschen, dessen kunstlerischer Fanatismus ebenso groR ist wie seine Phantasie und die Sicherheit seines Formgefuhls. Die Leistung, die Albert Speer mit diesem Bau vollbracht hat, kann nicht nur erklart werden mit der GroRe und Selbstsicherheit der Zeit, in die der Heutige gestellt ist, es ist die Leistung einer Personlichkeit, die den Auftrag ihres obersten Bauherrn restloszu erfullen vermochte. Als Architekt kommt Speer aus der Bewegung. Seine ersten groGeren Arbeiten sind die Gestaltungen der Kundgebungen der Partei. Tempelhofer Feld und Buckeberg stehen am Anfang. Fahnentucher, Masten, Tribunen und das kunstliche Licht sind die Elemente, mit denen der Architekt seine ersten groBen Raume formt. Erstmalig nahmen auf dem Reichsparteitaggelande diese Raume eine steinerne Form an. Die Reichskanzlei, der erste groBe vollendete Steinbau Speers, ist die konsequente Fortsetzung dieser vorhergehenden Arbeiten. Hier im Innern des Gebaudes, in der reprasentativen Raumfolge ist der Marschtritt der Bewegung spurbar. Der Architekt fand jene neue Form, die unser GroBdeutsches Reich symbolisiert. Darin allein liegt das Geheimnis der Kraft, die jeden anfaGt, der dieses Haus betritt. Die Reichskanzlei ist der erste Staatsbau des GroGdeutschen Reiches, ein Bau, der zu Beginn einer Bauepoche steht, die mit den groGten der Geschichte den Vergleich aushalten will und wird. Die Formen, in denen dieses neueBauen sich vollziehen, von denen ausgehend es sich entwickeln wird, sind vorgezeichnet. MARMOR- UND MOSAIKAUSSCHNITT 52 BUCK IN DEN MOSAI KSAAL AUS DER OSTLICHEN PORTALNISCHE 53 54 RUNDER SAAL, TEI LANSICHT MIT DERTUR ZUR M ARM ORGALERI E ■ RELIEF VON ARNO BREKER LINKS: MOSAI KSAAL, PORTAL AN DER WESTWAND- H OH EITSZEICH E N VON KURT SCHMID-EHMEN 55 5i RUNDER SAAL, TEI LANSICHT MIT DERTUR ZUR M ARM ORGALE Rl E • LINKS: BUCK IN DIE KUPPEL FUSSBODENMOSAIK UND DECKENBEMALUNG NACH ENTWURFEN VON HERMANN KASPAR 57 ARNO BREKER ZUM BAU DER NEUEN REICHSKANZLEI 1^1 it der Fertigstellung der neuen Reichskanzlei ist ein endgultiges Wort nicht nur fur die Baugesinnung und Ausrichtung unserer Gegenwart, sondern auch fur die Zukunft ausgesprochen. Ein machtvoller Anfang, ein grower MaRstab, ein uberwaltigendes Resultat beweist, daB sich der besessene Wille, das national sozialistische Deutschland in arteigenen Kulturschopfungen zu verewigen, in grandioser Weise realisiert. Mit elementarer Wucht entwickelt sich der Weg von der Vorstellung zur Form. Die Ereignisse brechen sich mit der Vehemenz eines wolkenlos strahlenden Sonnenaufgangs Bahn. Das Bauwerk ist nicht nur der Rahmen der Representation und der gestalteten Geschichte des Dritten Reiches, sondern ist schlechthin ein Symbol unserer politischen und weltanschaulichen Situation. Eine kurze Epoche voll leidenschaftlichen geistigen Bemuhens findet hier seine eherne und steinerneSprache. Wir stehen heute im Anfang eines der umfassendsten Abschnitte deutscher schopferischer Kulturgeschichte, deren AusmaB und Spannweite nur durch den Hinweis verstandlich gemacht werden kann, daB der Bau der neuen Reichskanzlei nur ein Steinchen des bereits in der Planung fertiggestellten uberwaltigenden Mosaiks ist. Ein Praludium der Meistergesange zukunftiger groBer Architektur und ihrer Schwesterkunste. Allein die Aufnahmen vermitteln ein umfassendes Bild der AuGen- architektur. Besonders der groGartige, von tiefem Ernst beseelte Mittelbau aus Muschelkalk ist eine Hymne des Glaubens und der Zuversicht. 58 RELIEFS »GEN I US« U N D »KAM PFE R« I M RUNDEN SAAL VON ARNO BREKER So verhalten die AuRenarchitektur ist, so machtvoll erklingen die Akkorde im Innern. Meisterwerke unserer Epoche sind die Konzep- tion der Raume — Oder besser — die Abwicklung des Raumvolumens in ihrer gegenseitigen Steigerung. Hier spricht die Symbolik ihre uberzeugendste Sprache. Keine Pathetik fand hier Platz. Die Raume — sei es der Ehrenhof, der Mosaiksaal, der RundeSaal, dieMarmor- galerie Oder das Arbeitszimmer des Fuhrers — sind von macht- politischem Feuer durchgluht; darum sind sie in ihrer Weihe ohne Vorbild und einmalig; sie entwickeln das Gesetz einer neuen Wurde, das in seinen Grundelementen diesseitig, klar und klassisch ist — klassisch — das heiRt: in Harmonie zu sich selbst, aus Fulle am Dasein. In der Architektur Speers lebt der Wilie zum AuRer- gewohnlichen, zum Erlauchten, lebt der ungebrochene Mut zum hoheren, unablassig fortschreitenden und sich selbst ubergipfelnden Dasein. Die Arbeit an der Reichskanzlei bestatigt uns eine wichtige Erkennt- nis, namlich, daR die kulturelle Erneuerung nur eine Folge der poli- tisch geistigen Wiedergeburt sein kann. I n den letzten anderthalb J ahrhunderten entstanden viele Werke bedeutenden Formats, aber es blieben Einzelganger. In Ermangelung der politisch weltanschau- lichen Voraussetzungen, die allein das Signum der umfassenden schopferischen Kraft als heiligstes Vermachtnis begrunden, blieben die Werke der Architektur, Malerei, Plastik ohne stilbildendes Erbe. Ein Beweis meiner Auffassung ist die Vollkommenheit gegenseitiger Erganzung, die den Architekten Speer und seine Mitarbeiter aus- zeichnet. Es ist mein jungstes tiefes Erlebnis. Keine Diskussion, keine Versuche sind der gemeinsamen Arbeit vorausgegangen. Speer gab auf preuRische Art die Marschroute an, wir trafen uns wieder, als unsere Resultate in den fast fertiggestellten Organismus eingefugt wurden. In diesem kompromiRlosen Miteinandergehen sehe ich die ersten elementaren und energiegeladenen HerzstoRe eines neuen Stils, der nur in der unzerstorbaren Gemeinschaft gleicher Naturen Wirklich- keit wird, einig im Marsch, den der groRte Erneuerer und Vollender deutschen Wesens vorzeigt, Kunder unseres nationalen Lebens und Stolzes. 59 MODELLE AUS DER »GROSSEN DEUTSCHEN KUNSTAUSSTELLUNG 1939«I M HAUS DER DEUTSCHEN KUNST IN MUNCHEN 60 PLASTIKEN »WAGER«UND »WAGER«FUR DEN RUNDEN SAAL VON ARNO BREKER 61 HERMANN KASPAR WESEN UND AUFGABEN DER ARCHITEKTURMALEREI K unstler, die sich gerne theoretisch uber Kunst verbreiten, nennt man Kunstadvokaten. Nimmt man zu dieser abfallig gemeinten, aber treffenden Bezeichnung noch den allgemein bekannten Rat, den Goethe in der Frage der kunstlerischen Beredsamkeit den Kunstlern erteilt hat: „Bilde Kunstler, rede nicht!" — so ist eigentlich kein rechter Grund einzusehen, warum beispielsweiseein Maler Richtlinien uber Kunst im allgemeinen wie im besonderen aufstellen soil. Ganz auRergewohnliche Umstande mussen obwalten, die es dem bildenden Kunstler erlauben, fur einen Augenblick seine Ausdrucksmittel mit denen des Redners zu vertauschen und um Gehor zu bitten, statt dem AugedieFreude der Betrachtung zu vermitteln. Eine Frage ist es, deren Beantwortung versucht werden muR, deren Berechtigung und Dringlichkeit niemand anzweifeln kann und die klar und eindeutig in unserer Zeit steht: Findet die Umgestaltung unserer Zeit und unseres Volkes in der deutschen Malerei der Gegenwart einen lebendigen Ausdruck? Werden kommende Geschlechter bei der Betrachtung unserer Malerei unserer Zeit etwas von dem spuren, was sich in unserem Volk vollzogen hat? Die Beantwortung dieser Frage kann durch eine Betrachtung jenes Zweiges der Malerei erfolgen, der als Bindeglied zwischen der Architektur, dem unmittelbarsten kunstlerischen Ausdruck einer monumentalen Zeit, und der feinen Tafelmalerei, der Architekturmalerei, steht. Die Architektur ist die Lehrmeisterin der Kunste. Von ihr muR die Befruchtung fur die Malerei kommen. Sie wird dort zuerst sichtbar werden, wo sie ihr am nachsten ist, namlich an den Malereien, die sie am eigenen Korper tragt, bei der Wandmalerei in alien ihren Formen, dem Mosaik, dem Fresko, dem Gobelin. Ihr ubertragt die Architektur ihre Elemente, MaRe und Verhaltnisse, und dieFarbe des Bauwerks ist bereits der ersteTon des Akkords, den die Malerei aufnehmen und weiter ausbilden muR. An den geeigneten Stellen ihres Gefuges muR die Malerei stehen wie die Blute am Baum, die Sprache des Bauwerkes abwandelnd und begleitend. Aus dieser allgemeinen Feststellung laRt sich ohne weiteres ableiten, daR die Darstellung einer solchen Malerei, sei es Ornament Oder Figur, ihr Ruckgrat von der Architektur erhalten, ihre Formen von den Zufalligkeiten der Natur befreien und dem abstrakteren Wesen der Architektur angleichen musse. Diese Forderung ist eine ewig alte, fur unsere Zeit aber junge Grundlage der Malerei. Die Sprache der Architekturmalerei kann nicht wie die zwanglose Rede zweier Menschen unter sich sein, sondern muR die gesteigerte Form der getragenen Sprechweise annehmen, weil sie, wie die Architektur unserer Zeit, dem Ausdruckswillen groRer Menschenlenkung dient. DaR sie hierbei nicht in ein falsches Pathos gerat, wird die Sorge des einzelnen Kunstlers sein. Ein Korper, der auf die Wand gemalt ist, darf nicht das Abbild e i n e s Modells, sondern muR die Synthese von unendlich vielen sein; die Korper mussen aus der Welt der Vorstellung, nicht der zufalligen Begegnung stammen, ahnlich den Geschopfen des Dichters. Ein Kopf sei die Zusammenfassung von hundert Kopfen, ein Bein der Extrakt von hundert Beinen. Die Bewegung dieser Menschen auf der Wand sei weder eine photographisch erfaRte noch kunstlich gestellte, sondern diejenige, die die ortliche Situation verlangt, eine statuarische Oder leidenschaftlich bewegte, eine strenge Oder eine lockere. Ebenso konnen die Draperien nicht gelegt und abgemalt sein, sondern sie mussen die rhythmischen Bewegungen der Figur in dem Sinn unterstutzen, wie die FI ache, die bemalt werden soil, es verlangt. Die Farben konnen nicht beliebig sein, sondern nehmen ihren Klang von der Farbe des Raumes und mussen ihn in ver- wandter Oder gegensatzlicher Beziehung steigern. Wie der autoritare Staat unabhangig sein muR von den Rucksichten auf belanglose Einzelinteressen und einem hoheren Ideal dient, so muR auch die monumentale Malerei — zwar ein Sinnbild der Natur — frei sein von ihren Zufalligkeiten. Diese Unabhangigkeit spricht aus jedem Teilstuck alter Werke monumentaler Kunst und wird gerne als Stilisierung und Idealisierung bezeichnet, in Wirklichkeit ist dies aber der Ausdruck einer aufs Ganze und auf Einordnung gerichteten Kunstanschauung. So wird die Malerei der Gegenwart als Ausdruck unseres heutigen Lebens empfunden werden, wenn ihr die Steigerung ins Monumen¬ tale gelingt. Das Monumentale braucht nicht immer in der GroRe zu liegen, sondern in der Flauptsache kennzeichnet es sich durch seine Entstehung aus der Vorstellung und seine souverane Beherrschung aller Formen, Licht- und Farbenerscheinungen der Natur. Mit dem Aufbluhen der Architektur muR naturlich und selbstverstandlich auch die monumentale Malerei wachsen und sich in Form und Farbe festigen. Die Architekturmalerei wird dann wiederum der Tafelmalerei neue Impulse geben. Denn auch in fruheren Zeiten war es so, daR das gerahmte, nicht an einen bestimmten Platz gebundene Bild die Festigkeit und die klingende Farbgebung der monumentalen Malerei sein eigen nennen konnte, daR uberhaupt der Unterschied zwischen beiden Arten nicht so wesentlich war. Wenn dann die Malerei sich in ihrer Struktur gewandelt hat, wird sich die Frage des neuen Themas von selbst losen. Es muR aber darauf hingewiesen werden, daR die groRe Wandmalerei im Reichtum ihrer Vorwurfe ahnlichen Beschrankungen unterliegt wie groRe Architekturen bezuglich ihrer Grundrisse. MuR diese in der Flauptsache von den drei Formen: Quadrat, Rechteck und Kreis, ausgehen, wird jene in den einfachsten Formen des Lebens ihre Themen suchen mussen, im Fleroischen, in den Darstellungen des friedlichen Lebens, die sich vom Patriarchalischen bis zum Bacchantischen erstrecken konnen, und schlieRlich noch imThema der Arbeit. Die Arbeit aber wird niediesen groRen Raum alsThema fur die bildende Kunst einnehmen konnen, wie viele erwarten, besonders nicht in groRfigurigen Kompositionen. Die Kunst der vergangenen Kulturen ist verhaltnismaRig arm an Darstellungen dieser Art, obwohl die Arbeit neben dem Kampf seit Bestehen der Menschheit der Ausgangspunkt alles Lebens und der Vater aller Dinge war. Dies hat seinen Grund darin, daR die Kunst mehr dazu da ist, dem Gottlichen, dem Fleroischen und der Freudezu dienen, und es ist eigentlich nicht einzusehen, warum man etwa die Erholungsraume der Arbeiter mit Darstellungen dessen schmucken soil, von dem sie sich erholen sollen. Eine groRe Rolle wird weiterhin in der Themafrage das Symbol spielen, das in seiner Ubertragung realer Vorstellungen als geistiger Inhalt des Raumschmuckes sehr will kommen sein muR. Auf ein Merkmal sei noch hingewiesen, das sich in Zukunft starker als in den zuruckliegenden J ahrzehnten zeigen wird: das ist die Bauhutte als Zelle der Kultur. Die in der FI and eines Architekten liegenden groRen Bauten mit den aus ihnen sich ergebenden umfangreichen Ausschmuckungen verbinden Maler und Bildhauer dauernder mit dem Architekten als bisher. Es ist nur naturlich, daR die Festigung des Arbeitsverhaltnisses die Verbindung der an einem Bauwerk mitschaffenden Kunstler nach anderen Seiten hin einschranken muR. In noch viel umfangreicherem MaRe als die Dombauhutten im Mittelalter werden sich bestimmte Kreise bilden, die in naturlichster Weise unterscheidende Merkmale ganz von selbst entwickeln. So wird in Balde an der Malerei das Gluck des Zusammenhangs mit den groRen Planungen offenbar werden. 62 WILHELM LOTZ DIE INNENRAUME DER NEUEN REICHSKANZLEI 1^1 it der Betrachtung der auGeren Gestaltung der neuen Reichs- kanzlei haben wir zu verdeutlichen versucht, wie dieser Bau eine zielsichere und uberlegene Losung der architektonischen und stadtebaulichen Gesetze darstellt, vor allem im Hinblick auf die besonderen Aufgaben, die ihm durch seine einmalige Bestimmung und durch seine Lage in der geschichtlichen Umgebung erwachsen sind. Als eine wahrhaft kunstlerische Schopfung laBt er erst mit seiner Vollendung erkennen, wie vielfaltig und reich die Aufgaben sind, die er zu erfullen vermag. Denn das Werk des Kunstlers ist nicht errechnet aus der Summe der Losungen all der gestellten Aufgaben, sondern es ist die geniale und schopferische Vollendung, die in der Erfullung erst die Problemezeigt, die gemeistert wurden. So ist auch die Harmonievon Baukorper und Innenraum nicht das Ergebnis des Ausgleichs aller Anspruche, sondern eine organische Einheit, die aus der Gestaltungskraft geboren ist. Die groBe Folge der reprasentativen Raume, die den Baukorper wie ein abgeschlossener Weg durchzieht, von dem Hermann Giesler treffend gesagt hat, daB er den Besucher „wie durch einen geheimnisvollen Zauber zu einem ruhigen und gemessenen Schreiten zwingt", verlauft nahezu ohne eine Verbindung mit der AuGenwelt der StraRe. Diese Abgeschlossenheit, diesich rein auGerlich darin zeigt, daB der Mosaiksaal und der Runde Saal allein durch Oberlichte er- hellt werden, wird nach der StraRe durch den vorgelagerten Westteil bewirkt, der lediglich Arbeitsraume enthalt. Nach dem Garten zu sind der Speisesaal, die Flure mit den Zimmern der Adjutanten und das Arbeitszimmer des Fuhrers vorgelagert. Diese somit im Innern des Baus verlaufende geradlinige Folge setzt bereits mit dem Ehrenhof ein, der durch seine Abgeschlossenheit und Strenge auf die Innenraume vorbereitet; sie erhalt durch die hohen Fenster der Marmorgalerie eine Verbindung mit der AuGenwelt, die die Geschlossenheit des inneren Raumeindrucks nicht beeintrachtigt. Denn die lange Reihung der hohen Fenster in der tiefen Lei bung verleiht dieser Halle den ihr eigenen gemessenen Rhythmus, der sich als Fortsetzung und Steigerung der axialen Reihung der Reprasentationsraume vollig einfugt. Nach auGen hin wirkt sich an dieser Stelle die raumliche Gliederung in der Gestaltung der eindrucksvollen Fassade des M ittelteils aus, der durch die platzartige Erweiterung einen gemessenen Abstand von der StraRe erhalt. Man mul? sich vergegenwartigen, dal? diese geradlinige Reihung der langen Raume vom Doppelportal am Wilhelmplatz his zur Eingangstur des grol?en Empfangssaals am Westende der Marmorgalerie eine Lange von uber 300 Meter einnimmt. Nahezu die Halfte dieser Strecke wird von der Marmorgalerie in Anspruch genommen. Eine Schilderung dieses Weges, den die offiziellen Besucher nehmen mussen, wenn sie nach der Einfahrt in den Ehrenhof zum Empfangssaal gelangen wollen, kann den nachhaltigen Eindruck der Raume in ihrer reichen und wechselvollen Gestaltung kaum wiedergeben. So viel mul? aber gesagt werden, dal? diese grol?artige Reihung der Raume zu dem Schonsten und Reifsten gehort, was die deutsche Innenraumgestaltung je geschaffen hat. Es sind nicht die ungewohnlichen Abmessungen und der Reichtum schonster und edelster Materialien, die diesen Eindruck hervorrufen, sondern es ist die vom Sinn und Wesen des Raumes ausgehende Durchformung der Elemente, die diese Raume bilden. Die hohen Anspruche, die sich der Architekt Albert Speer mit der Bewaltigung seiner Aufgabe gestellt hat, forderten die Verwendung des edlen Materials. Und wiederum stellen auch diese Materialien an die Gestaltung die hochsten Anspruche, wenn sie in ihrem Charakter voll zur Geltung kommen sollen. Vom Ehrenhof gelangt man durch das Portal in die Vorhalle: einen rechteckigen Raum, von kleinerem Ausmal? und geringerer Hohe als die anschliel?enden Sale. Immerhin mil?t er bei einer Hohe von 7,50 Meter 17 Meter in der Breite und 10 Meter in der Ost-West-Rich- tung. In der Raumfolge ist er breitgelagert eingefugt; die kurzere Seite erstreckt sich in der Hauptrichtung. Von diesem Raum aus fuhren seitlich Turen zu den nordlich und sudlich angrenzenden Raumen: nordlich zum Speisesaal, sudlich zu den Fluren, die die Arbeitszimmer des Ostteils verbinden und zu denen das neue Portal an der Vol?stral?e fuhrt. Die Turen sind verhaltnismal?ig klein, sie treten in diesem Raum, der als Vorraum zu der grol?en Mosaikhalle gedacht ist, wenig hervor. Wesentlich sind daher die bei den hohen schmalen Turen, die die Vorhalle mit dem Ehrenhof und dem Mosaiksaal verbinden. Sie sind aus Bronzeplatten in kraftiger, handfester Schlosserarbeit gefugt. Solche Vor- und Zwischenraume, die in dem Raumorganismus die Querverbindungen herstellen, finden wir an verschiedenen Stellen des Baus. So die Halle hinter dem Osteingang in der Vol?stral?e als Ausgangsstelle fur verschiedene Richtungen und der Raum am Ostende des grol?en Flurs des Westteils, der, wie aus dem Grundril? ersichtlich ist, im Erdgeschol? den Westteil mit der Marmorgalerie verbindet. Diese Raume sind ganz bewul?t nicht als Zwischenraume Oder als Schnittpunkte des Verkehrs ausgebildet, sondern haben einen raumlich geschlossenen Charakter erhalten, der sich der Hauptrichtung unterordnet, die bei alien Raumfolgen in diesem Haus von Ost nach West verlauft. Wohl kommt dieser Vorhalle als Glied in der Reihung der grol?en Reprasentationsraume eine ganz besondere Bedeutung zu, die sich auch in ihrer Ausstattung zeigt. Fur die Bekleidung und Gliederung der Wande ist der be- ruhmte hell rote Untersberger M armor verwendet worden, der bei Salzburg gebrochen wird. Seine zarten Farben bedingen eine sehr zuruckhaltende Profilierung, so dal? die Wande in einer Art Rahmen und Fullwerk gehalten sind, mit sehr fein gegliedertem Ubergang zwischen den beiden Elementen und einer entsprechenden Profilie¬ rung der Gesimse. Der Ful?boden besteht aus dunkelrotem Saal- burger Marmor, auf dem ein stark farbiger Teppich liegt. In dem Raum befinden sich, seinem Charakter entsprechend, nur wenige Mobel: Stuhle mit hellem Damastbezug, ein grol?er Tisch mit schoner Marmorplatte. Die kunstliche Beleuchtung erfolgt durch vergoldete Bronzewandarme, wahrend das Tageslicht durch die beiden Fenster rechts und links des Tores zum Ehrenhof eintritt. Der nun folgende Mosaiksaal ist eine Innenraumschopfung, die im reinsten Sinne architektonisch ist, weil hier die Wirkung lediglich durch den Raum, durch Wand, Boden und Decke erreicht wird, ohne jedeZutat durch dekorative Elemente, wie Mobel und Stoffe. Gerade das Mobel ist ein Element der I nnenraumgestaltung, das die Verbindung zwischen Raum und Mensch sowohl mal?stablich wie gefuhlsmal?ig herstellt. Darauf ist in diesem Raum ganz bewul?t verzichtet worden, weil seine Ausmal?e so grol? gehalten sind, dal? sie nur in den ureigenen architektonischen Elementen untereinander harmonieren konnen. Dem Menschen, der diesen Raum betritt, steht der Raum immer als grol?es Bild vor den Augen, er wahrt den Abstand und fuhrt als Raum sein grol?es gesetzmal?iges Eigenleben. Diese allein in sich ruhende Kraft der raumlichen Verhaltnisse verleiht dem Mosaiksaal im wahren Sinne das, was wir als monumental und erhaben bezeichnen. Denn erhaben heil?t, dal? eine grol?e Form so gesteigert ist, dal? sie sich uber den Menschen erhebt, sich von jeder korperlichen Beziehung zu ihm loslost und allein in sich ruht. Die wirklich gemessenen Ausmal?e spielen dabei nicht die ausschlaggebende Rolle, jedenfalls sind sie nicht mal?gebend dafur, ob eine Form Oder ein Raum monumental ist. Wesentlich ist die Beziehung der Mal?stabe zueinander. Trotzdem ist eine gewisse Ubersteigerung der Dimen- sionen notwendig. Der Mosaiksaal erhebt sich uber einer Grundflache von 46,2 Meter und 19,2 Meter zu einer Hohe von 16 Meter bis zum Oberlicht. Die Wande sind bis zu einer Hohe von 13,5 Meter mit einer flachigen Marmorgliederung versehen. Daruber springt das Deckengesims vor, das in mehrfacher Auskehlung das Oberlicht tragt. In die Schmalwande sind tiefe Nischen eingeschnitten, die von zwei Pfeilerpaaren flankiert werden. So erhalten die beiden grol?en Turen eine besondere raumliche Umrahmung und Hervorhebung. Die Turnischen, Pfeilerstellungen und Wandflachen sind aus dem gleichen ostmarkischen Marmor ausgefuhrt, dem „Rotgrau Schnoll", der in der Nahe von Salzburg gefunden wird. Es ist ein Stein, der sich durch die schone dunkelrote Farbe, vermischt mit hellgrauen Einschlussen, auszeichnet. Das besondere Geprage aber erhalt der Saal durch die grol?zugige und • i 'iW tit HipfiwnlaribMluw ^■fc'-iE'jimiiirr dtr* t&lir-i-f* mill M-idp-d U(iiirl-> i»f i .ii> ^ 1 UIKl IM'lpi** hjjjjj IllJH ««tnJ Tn-|>j«-ii GRUNDRISS-SCHEMA DES HAUPTGESCHOSSES- M. 1:2000- BILD SEITE 63: RUNDER SAAL, TEI LANSICHT 64 r - ' 66 SITZBANK IN DER M ARMORGALERI E • ENTWURF: ALBERT SPEER • GOBELIN AUS DEM KUNSTHISTORISCHEN MUSEUM, WIEN neuartige Verwendung der Mosaiktechnik. Diese Technik, die im vorigen J ahrhundert in Deutschland FuR gefaRt hat, ist in den letzten J ahrzehnten fast ganz vergessen worden, weil es an geeigneten Auftragen fehlte, und vor allem, weil der Sinn fur eine besonders haltbare Veredlung der Wand- und Mauerflachen bei einer Architektur nicht vorhanden sein konnte, die keinen Glauben an ihre Kraft und Dauer besaR. Der Architekt Albert Speer hat den besonderen Wert dieser alten Technik erkannt und ihr im Rahmen seines Baus an dieser Stelle eine Aufgabe zugewiesen, die vollig dem Charakter des Mosaiks entspricht. Professor Kaspar hat die zehn groRen Flachen von 2,70 Meter zu 8,40 Meter und die schmalen Streifen zwischen der Marmorgliederung mit einem ornamental en Mosaikgrund versehen, der sich der architektonischen Wirkung und der Bindung der Marmorgliederung in glucklicher Weise einordnet. Der Mosaikgrund spielt in ver- schiedenen dunkelroten Tonen und erhalt durch die kleinen Glas- steine eine lebhafte Wirkung. Daruber spannen sich in hellgrauen Tonen mit Goldsteinchen und anderen Farbsteinchen die Ornamente, die aus Ranken und Adlern gebildet sind. Die farbig lebendige Wirkung beruht vor alien Dingen darauf, daR die Tone aus den verschiedenartigsten Farben der kleinen Steinchen gebildet werden, so daR jeder kleinsteTeil von farbigem Leben erf u 111 ist. Der FuRboden ist mit groRen Platten aus Saalburger Marmor aus- gelegt, zwischen denen ornamentale Streifen aus Marmormosaik mit Goldmosaik eingelegt sind. Auch die Beleuchtung ist der archi¬ tektonischen Form vollig eingegliedert worden. Der Raum erhalt eine naturliche Beleuchtung durch das Oberlicht, wahrend die kunstliche Beleuchtung durch Strahler uber dem Oberlicht erfolgt. Ferner sind in den Hohlkehlen der groRen Deckenprofile die Lichtquellen indirekt hinter Bronzegitterstreifen angebracht, so daR dadurch eine ornamentale Aufhellung der das Oberlicht tragenden Profilierung erfolgt. Hoheitszeichen aus Bronze von Kurt Schmid- Ehmen bekronen die beiden groRen Turen. Ost- und Westtor gleichen sich, es ist die gleiche Portalausbildung in Form einer Nische, jedoch fuhren zu dem Westtor einige Stufen mit seitlichen Podesten empor. Wir erkennen also, genau wie im Ehrenhof, bei aller Angleichung der Ost- und Westseite doch eine geringe, aber merkliche Betonung der Westseite. So wird das Wesen dieser Raumfolge, die in ihrer Reihung den Weg von Osten nach Westen betont, in diesem Raum spurbar. 68 ' w iniinnfm t HhilHiP! rUULiuU'J niyuiiuinp KOMMODE IN DER MARMORGALERIE ENTWURF: ALBERT SPEER PLASTIK VON ARNO BREKER RECHTS: MARMORGALERl E TURDURCHBLICK ZUM RUNDEN SAAL M ARM ORGAL ERIE, H El ZKORPE RVERKLEI DUNG w 1 be* * Jl m T T * a .3 71 Eine sehr gluckliche gestalterische MaRnahme ist die Einfugung eines runden Kuppelraums in den Ablauf dieser Reihenfolge. Nach dem Erlebnis der beiden groRen rechteckigen Raume, dem offenen Ehrenhof und dem geschlossenen Mosaiksaal, zwischen denen als ausgleichendes Element der Vorsaal liegt, ladet der Runde Saal den Besucher zum Verweilen und zur Sammlung. Bis zu einer Hohe von 10,5 Meter sind die Wande mit einer Marmorverkleidung versehen. Die Kuppel ist von Hermann Kaspar mit einer sehr hellen, farbigen Bemalung belebt worden, so daG sie sich sehr licht und frei, als Kuppel kaum empfunden, uber den Marmorwanden erhebt. Das Oberlicht, das in der Hohe von 16 Meter die Kuppel abschlieBt, ist von einem breiten Bronzering gefaBt. Die kunstliche Beleuchtung erfolgt indirekt durch Strahler, die in der Hohlkehle uber dem Gewande eingebaut sind und die helIe Kuppelwolbung anstrahlen. AuRerdem befinden sich Strahler uber dem Oberlicht, so daG am Abend das Licht wie im Mosaiksaal aus der gleichen Richtung erstrahlt wie das Tageslicht. Die abendliche Wirkung der Architektur ist daher die gleiche wie am Tage. Diese Festlegung des Lichteinfalls verhindert die bekannten Uberraschungen, die man erleben kann, wenn ein Raum bei abendlicher Beleuchtung ein ganz anderes Gesicht erhalt als bei Tage. Das Licht, als ein die plastischen und architektonischen Wirkungen bestimmendes Element, wird damit hier im Runden Saal in die Gestaltung einbezogen. Die Wandung des Raums wird durch Lisenen und Gesims in acht Felder geteilt, in zwei dieser Felder fugen sich die beiden Turen, die in der Langsachse liegen, ein weiteres Feld enthalt eine kleinereTur mit dem Zugang zum Flur im Verwaltungsflugel. Vor den funf verbleibenden Feldern werden Statuen von Arno Breker aufgestellt. Der in diesem Raum zur Verwendung gekommene Marmor besteht aus zwei verschiedenfarbigen Materialien, dem dunkleren Rottropf und dem helleren Kirchbruch, die in Adnet in der Ostmark in engster Nachbarschaft vorkommen. Hier ist eine besondereTechnik, namlich das Einlegen der einen Marmorart in die andere, angewendet worden: die I nkrustation. Der FuGboden des im Durchmesser 14,25 Meter messenden Raumes besteht aus einem Marmormosaik, das von Hermann Kaspar entworfen wurde. Die Gestaltung dieses Raumes wird noch eine Steigerung erfahren, wenn die Skulpturen von Arno Breker aufgestellt sind, denn die Plastik ist im Werk des Architekten auch in den Innenraumen ein Bestandteil der Gestaltung, nicht eine Zutat, die man auch entbehren kann. Es ist kein Zufall, auch keine Laune des Architekten, daG gerade dieser Runde Saal eine besonders reiche Ausgestaltung mit TISCH IN DER M ARM ORGALE Rl E • OBEN: SESSEL I N El N E M VERBI N DU NGSFLU R • ENTWURF: ALBERT SPEER 72 73 DER GROSSE EMPFANGSSAAL (VORLAUFIGER ZUSTAND) plastischen Arbeiten erfahren wird. Denn die geschlossene und kon- zentrierte Wirkung eines runden Kuppelraumes eignet sich vorzug- lich zur Aufstellung von Werken, zu deren Betrachtung Sammlung und innere Einstellung notwendig sind. Vorerst geben die beiden von Breker geschaffenen Reliefs, die uber den Turen angebracht sind, eine Vorstellung von den Bildhauer- arbeiten, die spater diesen Raum beherrschen werden. Sie sind in feinfuhliger Einordnung in die Gestaltung des Raums im gleichen Material gehalten wie die Wandflachen: in dem helltonigen „Kirch- bruch". Die lebhafte Bewegung der beiden Figuren, des „Kampfers" mit dem Schwert, auf der anderen Seite des weiblichen „Genius" mit dem romischen Feldzeichen, wird durch die schone Modellierung der Korper und der Gewandfalten zu starker Wirkung gebracht, die sich in der Bindung an dieGesetzedes Reliefs abspielt. Wir betreten nun die Marmorgalerie, welche die Folge der Reprasentationsraume in der Ost-West-Richtung fortsetzt. Mit der Einfugung dieser GroGen Galerie hat Albert Speer ein architektonisches Motiv wieder zu neuem Leben und neuer Bedeutung erweckt, fur das in unserem Bauschaffen kein Platz mehr zu sein schien. Wenn vorher davon gesprochen wurde, daf5 in diesem Bau gerade den Verbindungs- und Vorraumen eine besondere Beachtung geschenkt wurde, so bedeutet die Schaffung dieser Galerie die Steigerung eines solchen Raumes bis zu hochster und bedeutendster Wirkung. Im Grunde handelt es sich um einen Verbindungsflur, aber dieser Flur ist zuerst eine weitere Steigerung der mit den groGen Reprasentationsraumen eingeleiteten Raumfolge, es ist der Flur vor dem Arbeitszimmer des Fuhrers, und weiter fuhrt er zum GroGen Empfangssaal. In den Zeiten, die einen Sinn fur Representation und groGzugige Raumgestaltung hatten, wurde auch den Treppenhausern, Fluren und Galerien eine besondere Beachtung und Ausgestaltung zuteil, denn uberall da, wo der Mensch nicht als Privatmann, sondern als Vertreter von Staat und Macht in Erscheinung trat, wurde der bauliche Rahmen weit gespannt, und der Saal und die Halle wurden wichtiger als Zimmer und Gemacher. Die Marmorgalerie der neuen Reichskanzlei ist der an baulicher GroGzugigkeit eindrucksvollste Raum. Auf 146 Meter verlauft er bei einer Breite von 12 Meter und einer Hohe von 9,5 Meter zwischen dem Runden Saal und dem groGen Empfangssaal, hinter der gesam- ten Lange des MittelteiIs der Fassade. Ein spiegelglafter FuGboden aus dem „Saalburger Altrot-Marmor" erstreckt sich uber die weite FI ache. Die Wande sind in hellem Stuckmarmor gehalten; er ver- leiht der Galerie eine freie und schone Helligkeit und bildet einen wirkungsvollen Hintergrund fur die lebhaften Farben der Mobel und Gobelins. 74 Nach der StraGenseite hin wird der Raum durch neunzehn hohe Fensterumrahmungen gegliedert, die in kraftiger Profilierung aus „Deutschrot", einem dunkelroten Marmor, gebildet sind. Die Lei- bungstiefe der Fenster betragt 2,1 Meter, so daf5 die tiefen Fenster- nischen mit den Umrahmungen eine kraftvolle Begleitung in der ganzen Lange der Galerie bilden. Die 6 Meter hohen und 2,35 Meter breiten Fenster bestehen aus matten geschliffenen Scheiben, die in Flolzrahmen mit eingelegten Bronzestaben sitzen. Auf der anderen Seite sind funf Turen eingeschnitten, deren Einfassungen aus dem gleichen Marmor bestehen. Die mittlereTur fuhrt in das Arbeits- zimmer des Fuhrers und wird von einer Kartusche mit den I nitialen bekront. Die anderen Turen, diezu den Fluren vor den Zimmern der Adjutanten fuhren, tragen die gleichen Kartuschen mit Wappen- zeichen. Die Kartuschen sind Arbeiten des Bildhauers Flans Vogel. Uber den in gleicher Weise profilierten Turen an den Querseiten, die zu dem Runden Saal und dem GroGen Empfangssaal fuhren, sind Floheitszeichen von Kurt Schmid-Ehmen angebracht. Am Abend geben die an den Wanden verteilten, von vergoldeten Bronzeleuchtern getragenen Lampen dem Raum ein festliches Bild, wahrend in den Fenstern eingebaute Strahler weiteres Licht in den Raum auf dem gleichen Weg senden, auf dem das Tageslicht eintritt. Die GroBe Galerie bietet ein besonders lebhaftes, schones farbiges Bild durch dieGruppen von Mobeln, die auf Teppichen zwischen den Turen der Langswand angeordnet sind. Auf die Wande sind Gobelins gespannt, vorlaufig sind die beruhmten Alexanderteppiche des Wiener Kunsthistorischen Staatsmuseums gewahlt, spater werden Teppiche nach Entwurfen von Werner Peiner hier Platz finden. Die nach Entwurfen von Albert Speer angefertigten Mobel sind Glanzstucke der deutschen Mobelbaukunst, mit schonen Intarsien und kostbaren Bezugen. Die prachtige Farbwirkung des Raumes wird noch gesteigert durch dieerlesenen Blumen und Pflanzen. Das schone Spiel der Farben, das in der GroGen Galerie ein besonders lebhaftes und vielfaltiges ist, wird erreicht durch die naturliche Farbigkeit der Materialien. Das verschiedene Rot des Marmors im FuRboden und in der Umrahmung der Fenster und Turen vor dem hellen Ton der Wand gibt die groBen Akzente in dem farbigen Klang. Der Goldton der Wandleuchter, die Flolztone der Mobel und vor allem die lebhaften Farben der Bezuge bilden das farbige Filigran, das uber den Raum hinwegspielt. GROSSER EMPFANGSSAAL, MITTELTEIL DER OSTWAND 75 LX ■ | J _ m ^M KRONLEUCHTER IM GROSSEN EMPFANGSSAAL • ENTWURF: ALBERT SPEER 77 EINLEGE- ARBEIT AN EINER TRUHE ENTWURF: HERMANN KASPAR HEIZKORPER- VERKLEI DUNG IM GROSSEN EMPFANGS- SAAL 78 MOBELGRUPPE IM GROSSEN EMPFANGSSAAL - ENTWURF: ALBERT SPEER Das Arbeitszimmer des Fuhrers, zu dem die Mitteltur in der GroGen Galerie fuhrt, offnet sich mit funf Fensterturen von 6 Meter Flohe und 2 Meter Breite nach dem Saulenvorbau auf der Gartenterrasse hin. Die gleichen funf Felder, wie sie durch die Fensterturen gebildet werden, wiederholen sich auf der anderen Langsseite in Form von Wandfeldern aus schonen Wurzelholzplatten mit Einlegearbeit. Im Mittelfeld auf dieser Seiteist die Eingangstur, die von der Marmorgalerie hereinfuhrt, angeordnet. An den Schmalseiten sind je zwei weitere Turen eingefugt, die zum Reichskabinettsaal und zu den Fluren mit den Zimmern der Adjutanten fuhren. So erhalt der Raum, der eine Lange von 27 Meter und eine Breite von 14,5 Meter einnimmt, durch diese Felderteilung eine klare und ruhige Gliederung. Die Wande bestehen aus einem dunkelroten M armor der Ostmark, dem „Limbacher". In der Flohe von 9,75 Meter tragt der Raum eine Kassettendecke aus Palisanderholz mit Einlagen aus anderen Edelholzern. Die Felder sind aus hellerem, die Balken aus dunklerem Holz in wundervoller Tischlerarbeit gefertigt. Uber dem FuGboden aus Ruhpoldinger Marmor liegt ein einziger groGer Teppich. Den farbigen Grundton dieses Raumes bilden die schonen braunen Tone des Holzes im Einklang mit dem Rotbraun des Marmors. Durch dieedlen Materialien wird eineernste, aber mit verhaltener Kraft erfullte Farbenstimmung erzeugt, wie sie der Fuhrer bei seiner Arbeit liebt. GroGe Gedanken entstehen hier, entscheidende Gesprache im engsten Kreis finden statt, und man wird dieses Zimmer mit einem Gefuhl der Ehrfurcht betreten, denn der groGeschopferischeGeist des Mannes, der hier arbeitet, verleiht der raumlichen Gestaltung die Weihe. Moblierung und Ausstattung sind so gehalten, daG sie sich der groGen raumlichen Wirkung vollends unterordnen. An der ostlichen Schmalseite ist zwischen den Turfeldern ein 2,7 Meter hoher und 3,25 Meter breiter Kamin aus dem gleichen Marmor, in dem die Wande gehalten sind, eingebaut. Richard Klein hat dafur schone Kaminplatten aus Eisen- guG mit figurlichen Reliefdarstellungen geschaffen. Auch die Kar- tuschen uber den Seitenturen stellen Arbeiten von Richard Klein dar, wahrend das Floheitszeichen uber der Eingangstur, das in FHolz geschnitzt und vergoldet ist, von Kurt Schmid-Ehmen entworfen wurde. Albert Speer hat fur diesen Raum die neuen Mobel geschaffen, den groGen Schreibtisch des Fuhrers, die Kommode an der Westwand und den groGen Kartentisch vor der Mitte der Fensterseite, dessen Tischplatte aus einem besonders schonen Marmor aus der Ostmark besteht, die aus einem Stuck in der GroGe von 5 auf 1,60 Meter gebrochen und geschliffen wurde. Die Vorlagen zu den Einlegearbeiten zeichnete Flermann Kaspar. 79 Vor dem Kamin, uber dem das beruhmte Bismarck-Bild von Lenbach hangt, ist eine Gruppe von Sitzmobeln aufgestellt. Die Wandarme zwischen den Feldern geben dem Raum am Abend eine milde Beleuchtung. Der Schreibtisch und die Sitzgruppe am Kamin sind mit Stehlampen versehen. Vom Fuhrerzimmer aus fuhrt ein Verbindungsflur nach Westen vor den Zimmern der Adjutanten zum Reichskabinettsaal, dessen Fenster nach dem Garten blicken. Auch dieser Raum, dessen Grundflache 19 und 13,5 Meter — bei einer Hohevon 6,5 Meter — milSt, ist ernster Arbeit gewidmet. Die Wande bestehen aus NuBbaumholz mit Wurzelholz, die Decke ist als Kassettendecke ausgebildet. Ein ParkettfuBboden mit eingelegten Mustern erganzt die einheitliche Geschlossenheit des Raumes, dem das Flolz in der verschiedenen Art und Verwendung den Charakter des reprasentativen undwurdigen Beratungsraums verleiht. Ein langer Sitzungstisch fullt die Mitte des Raumes. Die schweren Sessel mit weinroten, mit dem Floheitszeichen geschmuckten Bezugen sind nach Entwurfen von Paul Ludwig Troost gefertigt und aus der alten Reichskanzlei ubernommen. An jedem Platz liegt die Schreibmappe des Kabinettsmitgliedes mit eingepragter Dienstbezeichnung. Wandarme mit Schalen beleuchten den Raum am Abend, ein wertvoller Gobelin und verschiedene Bilder sind als Raumschmuck angebracht. Der Saal, der einen vollig anderen Charakter als die groRen Reprasentationsraume hat, erinnert daran, daft in diesem FHausedie Arbeit fur das Wohl unseres Volkes einen wichtigen und hervorragenden Raum einnimmt. In den Flugeln, die fur die Verwaltung bestimmt sind, befindet sich eine ganze Reihe von Sitzungs- und Beratungszimmern. Aber dieser Kabinettsitzungssaal ist der hervorragendste und wichtigste Beratungsraum. Seine Ausstattung in schlichten und doch so edlen For men bezeugt den hohen Stand deutscher Flandwerkskultur. Wie der Fuhrer in seinem Aufsatz dargelegt hat, handelt es sich bei dem Empfangssaal am Ende der GroGen Galerie um ein Pro- visorium. Der Saal hat in der jetzigen Gestalt eine Lange von 24,5 Meter bei einer Breite von 16,5 Meter und einer Hohe von 11,6 Meter. Flier empfing der Fuhrer unmittelbar nach der Ubergabe am 11. J anuar das Diplomatische Korps. Der Saal ist in der Behandlung der Wande in Schleiflack auf Edelputz in sehr hellen Tonen gehalten. Ein groGer geknupfter Teppich bedeckt den ParkettfuRboden. Besondere Prachtstucke dieses Raumes stellen die beiden Lusterkronen dar, die aus geschliffenen Glasteilen hergestellt sind. Nach einem Entwurf von Albert Speer sind die Glaser bei dem Wiener Glasschleifer Lobmeyr angefertigt worden. Die Reihung der kerzenartigen Lampentrager gibt dem glitzernden Gefuge der Glas- REICFISKABI NETTSAAL, BLICK VOM GROSSEN EMPFANGSSAAL 80 REICHSKABI NETTSAAL, TEI LANSICHT 81 lit* teile eine schone Bindung, und die festliche Wirkung dieser riesen- haften Kronen in dem hellen Raum nimmt die Besucher und Gaste gefangen. Wenn dieser Raum schon in seiner heutigen Gestalt einen so prachtigen Eindruck gibt, vor allem dann, wenn die Menschen mit ihren Uniformen das Bild beleben, dann wird man der endgultigen Gestaltung dieses Festraumes mit besonderer und berechtigter Erwartung entgegensehen mussen. In der gleichen Richtung wie die Reprasentationsraume verlauft unmittelbar neben der Vorhalle, dem Mosaiksaal und dem Runden Saal eine langgestreckte Raumgruppe, die aus dem Speisesaal und der Gesellschaftshalle besteht. Die Gesellschaftshalle liegt nach dem Garten zu in der Flucht des MittelteiIs der Fassade, dem die Terrasse vorgelagert ist, der Speisesaal mit dem davorliegenden Bogengang befindet sich im Ostteil, der gegen den Garten hin vorspringt, so daR der Bogengang auf die Terrasse mundet. Zur Gesellschaftshalle gelangt man durch den Ostflur, der an einen Warteraum neben dem Fuhrerzimmer anschlieBt und vor den Adjutantenzimmern verlauft. Die breiten Flure nehmen einzelne Tische und Sitzmobel auf und enthalten schone und wertvolle Gobelins. Das groGe Treppenhaus in der Gesellschaftshalle fuhrt zum Modellsaal und zur Bibliothek. Der unter der Treppe liegende Raumteil bildet den eigentlichen Vorraum fur den Speisesaal. Treppenhaus und Vorraum sind mit einer Kassettendecke versehen, mit der das kraftige Holzgelander der Treppe und die Wandvertafelung des Vorraums gut zusammenpassen. Dieser Raum ist eine Schopfung des Architekten Casar Pinnau unter der Leitung von Albert Speer. Der Speisesaal dffnet sich nach dem Bogengang mit funfzehn Fensterturen, die im rechteckigen Mauerausschnitt rundbogige Fenster enthalten. Die leichteSprossenteilung nimmt dem Ausblick auf den Garten durch die kraftigen Quaderpfeiler des Bogengangs die Schwere und verleiht dem Raum den einem Gartensaal ahnlichen Charakter, dem sich auch die mit hellgrunem Schleiflack versehene Holzvertafelung einfugt. Die Lange von 48 Meter bei einer Breite von 10,20 Meter und einer Hohe von 5 Meter ermbglicht die Unterbringung von einer groGen Anzahl von runden Tischen und Sesseln, ohne daft der Eindruck einer groBen Fulle entsteht. Von den einmundenden Turen fuhren Treppenstufen in den tiefer liegenden Raum. Der FuRboden ist ganz mit einem leicht gemusterten Teppich ausgelegt, der sich der hellen Grundfarbe des Raumes anpaRt. Auf der den Fensterturen gegenuberliegenden Seite sind groBe Nischen eingebaut, die Tische enthalten. Auch dadurch wird wiederum eine Auflosung der Gruppierung der Teilnehmer ermoglicht. Durch das vorher erwahnte Treppenhaus gelangt man in den uber dem Speisesaal befindlichen Modellsaal, in dem die Architektur- modelle aufgestellt werden, die der Fuhrer besichtigt und begut- achtet. Die Bibliothek, die an diesen Raum anschlieBt, ist 55,5 Meter lang und 7,4 Meter breit. Die Bucherschranke sind in die 5 Meter hohe Holzvertafelung der Wande eingebaut. Sie besteht aus Zedernholz mit eingelegten Bronzestaben. Die Einbauten sind durch Nischen unterbrochen, in denen groRe Porzellanvasen der Staatlichen Porzel- lanmanufaktur Nymphenburg aufgestellt sind. Uber die Holzvertafe¬ lung wolbt sich eine Tonnendecke mit einer Scheitelhohe von 7,35 Meter, die mit Fresken von Hermann Kaspar versehen wird. Der Teppich, mit dem der Boden ausgelegt ist, ist nach einem Entwurf des Ateliers Troost angefertigt worden. So wird der Raum in seiner Gestaltung vollig bestimmt durch dieReihung und Gliederung der 82 REICHSKABI NETTSAAL TUR ZUM GROSSEN EMPFANGSSAAL LINKS: MOBEL IM REICHSKABI NETTSAAL ENTWURF: PAUL LUDWIG TROSTt 83 84 REICHSKABI NETTSAAL, GESAMTANSICHT 85 DAS ARBEITSZIMMER DES FUHRERS 86 87 DAS ARBEITSZIMMER DES FUHRERS, GESAMTANSICHTEN 88 89 DAS ARBEITSZIMMER DES FUHRERS, DER SCHREIBTISCH DES FUHRERS - QBEN: SITZGRUPPE AM KAMIN - ENTWURF: ALBERT SPEER El NLEGEARBEIT AM SCHREIBTISCH DES FUHRERS • ENTWURF: HERMANN KASPAR Schranke, deren Gruppierung und Unterbrechung durch die Nischen dem langen Raum seine Eigenart gibt. AuRerordentlich wirkungsvoll ist die feingliedrige Profilierung der Holzer, die die Glasturen der Schranke einrahmen. Uber dem beherrschenden Eindruck, den die groRen Hallen und Sale vermitteln, darf nicht vergessen werden, daR es sich bei diesem Bau auch um die Schaffung und Erstellung von Arbeitsraumen gehandelt hat. In dem Westteil liegen die Verwaltungsraume der eigentlichen Reichskanzlei, hier sind die Arbeitszimmer des Reichsministers Dr. Lammers und seiner Mitarbeiter. Im ObergeschoR des Mittelteils liegen die Bums der Abteilungen des Reichsleiters Bouhler, wahrend Staatsminister Dr. MeiRner mit seinen Mitarbeitern den Ostteil bezogen hat, in dem auch die militarischen Adjutanten ihre Arbeitsraume erhalten haben. Selbstverstandlich wurde auf die Mobel und Ausstattungen der Arbeitsraume der groRte Wert gelegt. J edes Treppenhaus, jeder Flur, jeder Raum ist mit der gleichen baulichen Sorgfalt erstellt und eingerichtet worden. Es gibt in diesem groRen Bau keine vernachlassigten Winkel und Ecken. Uberall geben die schonen deutschen Marmor- und Kalksteine als FuRboden, Wande, Tur- und Fenstereinfassungen den groRen Fluren und Treppenhausern das Geprage. Steine aus alien deutschen Gauen wurden verwendet. Man findet den Marmor von der Lahn, vom Bayerischen Wald, aus Thuringen, aus der Gegend von Kelheim, aus den J uragebieten und vor allem aus der wiedergewonnenen Ost- mark. Dort liegt bei Salzburg der Untersberger Marmor, der in der VorhalIe verwendet wurde. Aus der Nahevon Adnet kamen schone 90 DAS ARBEITSZI MMER DES FUH RERS, TEI LANSICHT MIT DEM SCHREIBTISCH 91 KOMMODE IM ARBEITSZI M M ER DES FUHRERS • ENTWURF: ALBERT SPEER El NLEGEARBEIT NACH ENTWURFEN VON HERMANN KASPAR 92 DAS ARBEITSZIMMER DES FUHRERS, MITTELFENSTER MIT KARTENTISCH ENTWURF: ALBERT SPEER KARTENTISCH IM ARBEITS- Zl M M E R DES FUHRERS ENTWURF: ALBERT SPEER UNTEN: EINLEGE- ARBEIT AN EINER KOMMODE IM ARBEITS- Zl M M E R ENTWURF: HERMANN KASPAR 94 DAS ARBE ITSZI MMER DES FUHRERS, TUR ZUR M ARM ORGALE Rl E • H OH EITSZE I CH E N VON KURT SCHMID-EHMEN 95 i DAS ARBEITSZI MMER DES FUHRERS, AUSSCHNITT VON DER TUR ZUR M ARM ORGAL E Rl E 96 ■4MB KAMIN IM ARBE ITSZI MMER DES FUHRERS • Bl SM ARCKBI LDN I S VON F. LENBACH 97 ARBEITSZIMMER DES FUHRERS, GUSSEISERNE KAMINPLATTEN • ENTWURF: RICHARD KLEIN • SEITE 99:TEILANSICHT DES SPEISESAALES Steine in alien Spielarten, wie der Stein im Runden Saal. Dort in Adnet war langst der Wald uber die Bruche hinubergewachsen. In der Verarbeitung waren gerade noch sieben Mann damit beschaftigt, aus dem Marmorsand Kunststein herzustellen. Die Bruche wurden wieder erschlossen, und in kurzer Zeit waren 300 Mann an der Arbeit, um wieder Marmor zu brechen, und die Steinmetzen fanden wieder Brot und Arbeit. Ahnlich war es an der Lahn. Dort wurden die Steinarbeiter, die in andere Industrien abgewandert waren, wieder in die Bruche zu ihrem erlernten Beruf geholt. Man darf auch nicht vergessen, was dieser Bau in seiner hochwertigen Ausgestaltung fur die Wiederbelebung des deutschen Bau- und Kunsthandwerks bedeutet. Denn die besonderen Fahigkeiten unserer Mobelbauer, unserer Weber, Kunstschmiede, Mosaiksetzer und Glasschleifer drohten mit den noch lebenden Meistern dahinzuschwinden, weil kein Bedarf und kein Verstandnis fur edle Arbeit in edlem Rahmen mehr vorhanden zu sein schien. Hier ist nun das deutsche Kunsthandwerk in einem MaRe und in einem Rahmen zur Geltung und Auswirkung gekommen, wie sie schoner nicht erdacht werden konnen. J eder erhielt seine besondere Aufgabe, dieihm Spielraum zum eigenen Schaffen und Gestalten lieR, aber uber allem wachte der fur all die Einzelheiten verantwortliche Architekt. Unter seiner Leitung vereinigten sich die Kunstler und Handwerker zu einer freudig schaffenden Gemeinschaft. Das Neue und GroRean diesem Bau ist, dal? endlich einmal wieder in der Geschichte der deutschen Architektur Raume wirklich gebaut sind. Es ist ein Unterschied, ob sich die Raume aus einer mehr Oder minder geschickten GrundriRlosung ergeben und ob man diese dann vielleicht geschmackvoll einrichtet, Oder ob man, wie es hier geschehen ist, die Raume aus ihrer Bestimmung heraus mit den wirklich echten Mitteln der Architektur gestaltet. Diese Raume sind ebenso zuchtvoll und sauber gebaut, wie der Bau in seinem AuReren gestaltet ist. Der GrundriR in seiner klaren und geradezu bildhaften Schonheit ist ein Beweis fur die echt architektonische Losung. Die Raume dieses Hauses zeigen je nach ihrer Bestimmung in Material und Form immer wieder andere und neue Losungen. Immer aber sind sie in dem harmonischen Zusammenklang der Elemente zu einem schonen Organismus geformt worden, der sich nicht im einzelnen Raum erschopft, sondern die Raume zueinanderordnet und in Beziehung setzt. 98 99 4 BIBLIOTHEK, NISCHE IN DER WAND 100 Bl BLIOTH EK, TUR ZUM MODELLSAAL 101 102 TEI LANSICHT DES SPEISESAALES 103 BIBLIOTHEK, OSTLICHE STIRNWAND (OHNE DECKENBEMALUNG) EINGANGSHALLE IM OSTLICHEN VERWALTUNGSBAU (VOSS-STRASSE 4) 104 OSTLICHER VERWALTUNGSBAU (VOSS-STRASSE 2) • VERBI N DU NGSH ALLEN IM H AUPTGESCH OSS 105 EINGANGSHALLE IM OSTLICHEN VERWALTUNGSBAU • TE I LAN SI CHT 106 OSTLICHER VERWALTUNGSBAU, FLURMUNDUNG 107 / j, 109 VERBINDUNGSHALLEN IM WESTLICHEN VERWALTUNGSBAU (VOSS-STRASSE 6) SITZUNGSSAAL IM OSTL. VERWALTUNGSBAU U.(OBEN)ARBEITSZIMMER DES STAATSMINISTERS DR. MEISSNER • ENTW.: C. PINNAU 110 ?! f V- Ml AN DER ERRICHTUNG DER NEUEN REICHSKANZLEI BETEILIGTE MITARBEITER ALBERT SPEERS: OTTO APEL • HANS PETER KLINKE • ALBERT DIEFFENBACH FRITZ RAAB • HANS RUSSWURM • GERHARD WINTER BAULEITER: CARL PIEPENBURG • WALTER KUHNELL Zusammenstellung des Buches: Rudolf Wolters und Heinrich Wolff / Berlin Die Farbbilder sind von Muller & Sohn, Berlin und Miinchen, die iibrigen Lichtbilder von: Hain, Potsdam: Seite 15, 19, 21, 22, 23, 30, 31, 32, 34, 36, 38, 39, 49, 70, 82, 83, 107 / Kaufmann, Miinchen: Seite 60, 61 / Kiister, Berlin: Seite 25, 44 / Muller & Sohn, Berlin: Seite 10, 37, 40, 45, 58, 59, 70, 72, 90, 92, 94, 102, 105, 110, 111 / Sandalo, Berlin: Seite 6 / Staatliche Bildstelle Berlin: Seite 5, 11, 14, 18, 20, 27, 35, 41, 43, 46, 47, 52, 53, 56, 57, 63, 65, 67, 68, 69, 72-75, 78-81, 86, 87, 89, 93, 94-98, 100, 101, 103, 104, 106, 108, 109 112 PLANE it lii'Il^nSsIssiMUlKS! U-llHssls^ i!s:::ssSi»!ss! mmsB VI. ARBEtTSZIMMER DES fl’HRERS VII. XEICHivKABtXErTSSAAt. VIII. CROSSER EMMARCSSAAL IX. SPEISESAAL X. EIRCARC VOS8-STRASSE t I. EHRERIIOF II. VORIIALLE , III. MOSAIKSAAL IV. RCRDER SAAL V. MVHMORC.AI.EHIK Ltllfi’ - M il iw% LltSSf* ^B a'timfiiiiKi nits' i \\ JBlt 'll ***!!****! 1 iwBv«;'TP ialaBmHw BERLIN, NEUE REICHSKANZLEI . ARC.HITEKT ALBERT SPEER . ANSICHTVON DER VOSS-STRASSE (StDEN) UND CRUNDRISS DKS HACPTGESCHOSSE! ANSICHT VOM WILHELMPLAT7. (OSTEN): BORSIG-PALAIS UND ERWEITERUNGSBAU VON 1930 -n—n- n—n- fifllTlIfllQlhrallliniTJftlltJltlnlmltliniflltJ E D3-D3 E EE E E E E E E E E E E E E E E E f E E ■E E E E — E E E E E E E E E E E j B| E E E'E E EE E E E'E E EE E E E^E P! E j Q E E EE W EE E E E j E B[ E-E E ANSICHT VON DER HERMANN-GORING-STRASSE (WESTEN) ANSICHT VON NORDEN (GARTEN SEITE), LINKS DER ALTBAIJ F-'55g a Tuuo U ~ to 0 m HAIPTI.ANGSSCHNITT IN WESTOSTRICHTUNG DER EMPFANGSSAAL AM ENDS OES MITTEI.ltAUS IN DER VORLAUFIGEN GESTALTUNG DIE NEUE REICHSKANZLEI . ANSICHTEN UND SCHNITT I.M. 1:500 ipf firagstfSal ' st4s | D l T n -jk ■ H p—ji. | 1 1 1 L ^ gKJt 1§ I, AC E!'L A Pi M, li'lOdO 119 PORTAL AN DER VOSS-STRASSE: ANSICHT, GRUNDRISS UND SCHNITT OBEN: MITTELBAU DER GARTEN FRONT : ANSICHT UND GRUNDRISS M. 1:160 ft ■■ Si ■■H , g| i tm ■ 11 HI ■ !■ m s ai ■■ m nm 1 J lilil isasi m I ini T iij CKH-H.HSII a r S- tNAICHT USD Gil UN DEtTSS* M L. ISO .25 |E R E,1 EFS VM) PL^fiTIKKN VQN liLVO It It E V C R ■ t'lr.S S A 0 D C > M OSA.IK UMJ HECKE N 13 E SI ALl/MG NACH EjNTWDHFEN VQtf HERMANN KASPaK l-m l''i i-nif ? ucn huti.j id it iii..u um.hii.i 4 .il] DER RUN|>E SUL GRl S LUU4SE. sell KITT E SD fAJiD A UK'ICK l,IMM I l3fl hJitTE 127 HAIL M(JIICAU5 HI E. TTJl /I'M CROSSES EM PEANCfiiiAAL, AMSICIIT L MIQ FI IJM>R|SS, Jt l:33'j ilomilTSi! E EC|1E\ VO|N Kl? ftT SCI! HID-EIE M FA ■“fa M ! I'll ! 1 1 1 !■ 1 E F A f f 1 t 1 1: ■ - ■ ! ■ ■ ! ■ ■ i ■ ■ HI ;■ AltMOUCAl.EfilE TE1LANSICHT L'JS [1 SCIIMTt. M 1 S, SI. 1 s 100, Ufl l \JJUlSS. 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