Atlan in Not Sein Haß kennt keine Grenzen – und die Revolte gegen Arkon ist ihm nur ein Mittel zum Zweck... von KURT BRAND Als bei der Entdeckung des auf dem Mond gestrandeten arkonidischen Forschungsraumers der Grundstein zur Vereinigung der irdischen Menschheit und dem aus dieser Vereinigung erwachsenden Solaren Imperium gelegt wurde, ahnte noch niemand - auch nicht Perry Rhodan, der Begründer des terranischen Sternenreiches - welche Anstrengungen und Nervenkraft es im Laufe der Jahre kosten würde, dieses Reich gegenüber Angriffen von innen und außen zu erhalten. Die bisher gefährlichste Bedrohung der Menschheit, die in der "Schlacht um Terra" kulminierte, konnte dank arkonidischer Hilfe gebannt werden, ebenso wie die durch die von Thomas Cardif entfachte innenpolitische Gefahr durch Guckys Alleingang entschärft werden konnte. Die Springerflotte ist aus dem Sol-System abgezogen, und Perry Rhodan hat wieder einen unblutigen Sieg errungen, doch dafür ist das inzwischen von Atlan, dem Unsterblichen, geleitete Arkon-Reich in höchste Bedrängnis geraten, als in der Galaxis bekannt wird, daß der unerbittlich zuschlagende Robotregent, der bisherige Herrscher, keine Befehle mehr erteilen kann! ATLAN gerät IN NOT - und Perry Rhodan muß eingreifen... 1. Frank Lemmon besaß eine seinem Charakter entsprechende Dienstauffassung, und seit zwei Stunden stellte er sie unmißverständlich unter Beweis: Er faulenzte! Er hatte die dickleibige TERRANIA POST gelesen, sogar die politischen Artikel zur Kenntnis genommen, den Wirtschaftsteil studiert und das nun vor einer Stunde auch als Anstrengung betrachtet, obwohl es keineswegs zu seinem Aufgabenbereich gehörte, im Dienst Zeitung zu lesen. Frank Lemmon war gebürtiger Nordamerikaner, seine Heimatstadt hieß Klondike. Vor drei Jahren war er von Klondike nach Terrania gekommen, hatte hier die letzte Eignungsprüfung mit Auszeichnung bestanden, und war ein halbes Jahr später schon Chef der Abteilung F-1 im Solaren Geheimdienst. F-1 befaßte sich mit der Beobachtung der politischen Verhältnisse auf der Erde. Bei Frank Lemmon liefen alle Meldungen ein. Er, der Mann, der manchmal nicht seines Charakterfehlers Herr werden konnte, gehörte aber zu den wenigen Männern in Terrania die darauf verzichteten, einen Computer als vorgeschaltete Auswertungsstelle zu benutzen. Frank Lemmon verließ sich lieber auf seinen Instinkt, oder - wie es in seinen Papieren stand: Parasinn? Eigenschaft ist nicht zu klassifizieren. Überdurchschnittliche Kombinationsgabe verbunden mit seherischem Sinn für scheinbar unbedeutende, in Wirklichkeit aber äußerst wichtige Meldungen. Frank Lemmon hatte heute seinen Dienst mit einstündiger Verspätung angetreten, weil ihm beim Erwachen schon vor dem langweiligen Tag graute. Erhob er sich aus dem Bett mit diesem Gefühl, dann brachte der gesamte Arbeitstag keine Beschäftigung für ihn, und er trat dann regelmäßig dieser Tatsache mit Faulenzen entgegen, indem er auch die weniger wichtigen Arbeiten nicht erledigte. Trotzdem machte Solarmarschall Allan D. Mercant, Chef des Sicherheitsdienstes, seinem Abteilungsleiter Frank Lemmon deswegen nie Vorwürfe. Mercant ve rstand Vorzüge und Nachteile seiner Mitarbeiter gegeneinander gut abzuwägen, und bei Lemmon wog dessen Fähigkeit, einlaufende Meldungen auf einen Blick hin auf ihre Bedeutung festzulegen, weit mehr als seine Faulheit. Lemmon schlürfte gerade mit Genuß den starken, heißen Kaffee, als die Bildscheibe der Verständigung aufleuchtete. Der 24jährige, schlanke Abteilungschef sah kaum auf. Meldungen aus Washington, Peking und Lahore. "Große Milchstraße", rief Lemmon stöhnend aus, "der Agent in Lahore schreibt ja einen ganzen Roman!" Als die Bildscheibe, erlosch, hatte er alle Meldungen schon wieder vergessen. Gerade wollte er erneut nach der TERRANIA POST greifen, um unter dem Strich eine Kurzgeschichte mit dem ihn interessierenden Titel: Ghanu, Spiegelbild einer Seele zu lesen, als er sich ruckartig aufrecht in seinen Sessel setzte und die Füße vom Schreibtisch nahm. Sein gelangweiltes Gesicht hatte schlagartig einen anderen Ausdruck. "Rabintorge? Wo habe ich diesen Namen schon einmal gehört oder gelesen? Rabintorge ... ist das nicht der Inder, der Unterlagen über den Druufschen Linearhyperantrieb lieferte, die ein so raffinierter Schwindel waren, daß die gesamte Abwehr sich damit blamierte und...?" Die Sprechphase der Interkomverbindung, die vorhin bei der Bildübermittlung ausgeschaltet war, wurde jetzt von Lemmon in Betrieb gesetzt. "Manners, bringen Sie mir sofort alle Unterlagen über Rabintorge, diesen Bluffer aus Lahore. Es eilt, Manners!" Wenn Frank Lemmon diesen Nachsatz benutzte, dann eilte es tatsächlich. Er mußte nicht lange warten. Manners, ein untersetzter Vierziger, legte ihm einen Stoß Archivaufnahmen auf den Schreibtisch. "Ist das alles?" vergewisserte sich Lemmon. "Alles. Ich habe unseren Bestand mit dem des Hauptarchivs verglichen und..." Frank Lemmon winkte ab. Er wollte allein sein. Er las die Stanzstreifen mit ihren Schlüsselzeichen, wie andere ein Buch lesen. Drei Berichte sortierte er aus. Er steckte sie ein, erhob sich und sagte im Vorzimmer Bescheid, daß er eine Besprechung mit Solarmarschall Mercant hätte. Die Führungsspitze der Solaren Abwehr befand sich achtzehn Kilometer entfernt in dem gewaltigen Verwaltungshochhaus, das Terranias Wahrzeichen geworden war. Aber gemessen an den Aufgaben, welche das Solare Imperium zu bewältigen hatte, war dies er Büroapparat kein Wasserkopf, in dem einige tausend Mitarbeiter ein bequemes Leben führten. Frank Lemmon mit seinen unregelmäßig wiederkehrenden Faulenzerstunden stellte eine seltene Ausnahme dar, doch aufgrund seiner phänomenalen Leistungen, mit denen er manchmal aufzuwarten beliebte, ersetzte er ein sechsköpfiges, eingespieltes Team. In Mercants Vorzimmer mußte er eine gute halbe Stunde warten. "Der Chef ist drin!" hatte ihm die stupsnasige, ständig gut gelaunte erste Sekretärin gesagt. Dann wird der Chef mich anhören müssen, dachte Lemmon. Es kam ihm dabei nicht zu Bewußtsein, daß er seine Person sehr hoch einschätzte. Als die dreißig Minuten Wartezeit vorüber waren und noch nichts auf ein Ende der Konferenz hinter der schweren Tür schließen ließ, macht e sich Frank Lemmon bei der stupsnasigen Sekretärin noch einmal bemerkbar. "Geben Sie bitte sofort an den Solarmarschall durch, daß es sich um den LH-Antrieb handelt!" Die Abkürzung LH war seine eigene Erfindung und ihm gerade blitzartig durch den Kopf geschossen. Weder Mercant noch Perry Rhodan kannten sie, beide waren auch vielleicht nicht in der Lage, ihre Bedeutung zu erraten, aber wenn Lemmon auf der einen Seite damit das Kardinalgebot der Geheimhaltung beachtet hatte, so konnte er andererseits Rhodan vielleicht beeinflussen, zu bleiben und zu hören, was er, Lemmon, dem Marschall zu sagen hatte. "Ist es wirklich so wichtig, Lemmon?" fragte die Sekretärin zweifelnd. Sie war es gewohnt, daß man immer wieder unter Vorgabe einer dringenden Angelegenheit versuchte, Mercants wertvolle Zeit in Anspruch zu nehmen. Ruhig erwiderte Frank Lemmon: "Ich betrachte es als sehr wichtig. Betonen Sie bei der Durchsage LH-Antrieb, ja?" Von Allan D. Mercant kam sofort das Echo. "Was? LH-Antrieb? Wer wartet? Lemmon? Soll hereinkommen!" Langsam zog Frank Lemmon hinter sich die schwere Tür zu. Am Rauchtisch saßen sich Perry Rhodan, der Administrator des Solaren Imperiums, und sein Abwehrchef Allan D. Mercant gegenüber. Beide blickten ihn erwartungsvoll an. Mit einer flüchtigen Handbewegung forderte Mercant seinen Abteilungsleiter auf, Platz zu nehmen. Keiner der beiden fragte nach der Bedeutung der Abkürzung LH. Lemmon zog die drei Stanzstreifen aus der Tasche und legte sie vor sich hin. Als er aufsah, blickte er in Rhodans graue Augen, in denen sich leichte Spannung widerspiegelte. "Sir ... Marschall", Lemmon sprach beide an und übersah, daß er seinen direkten Chef in der Anrede degradiert hatte. Rhodans Schmunzeln begriff er nicht, auch machte er sich keine Gedanken darüber. Seine Konzentration galt dem Bericht, den er jetzt abzugeben hatte. Er sprach von dem indischen Studenten Rabintorge, der, durch bis heute unaufgedeckte Kanäle, etwas über den geheimnisvollen Linearhyperantrieb der Druuf gehört hatte. Frank Lemmon sprach davon, welche Aufregung der vier Seiten lange, formelgespickte Artikel in der Studentenzeitung Ars stellaris der Universität Lahore bei der Solaren Abwehr ausgelöst hatte. "... und erst zwei Wochen später konnten uns unsere Wissenschaftler sagen, daß wir einem Studentenulk zum Opfer gefallen waren. Das hier ..." und er schob die drei Stanzstreifen mitten auf den Rauchtisch, um es Rhodan und Mercant zu überlassen, wer sie zuerst an sich nahm "... sind die wichtigsten Meldungen aus letzter Zeit." Lemmon legte eine kleine Pause ein, um abzuwarten, wer denn nun die Stanzstreifen las. Statt dessen sagte Perry Rhodan ihm: "Weiter, Lemmon." "Nun ... vor einer Stunde habe ich einen Bericht unseres Agenten aus Lahore erhalten. Einen Roman voller Nichtigkeiten, aber eine Meldung daraus dürfte bemerkenswert sein: Dieser Student Rabintorge, der uns mit seinem Linearhyperantrieb-Ulk hat auflaufen lassen, soll mit der GHC Company in Verhandlung stehen, um dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig zu werden. Wollen wir wirklich solch einen Mann zur Konkurrenz abwandern lassen?" Frank Lemmon hatte schon mehrere Male mit Perry Rhodan gesprochen, und er glaubte, den Administrator etwas zu kennen, aber jetzt wurde es ihm unter dem scharfen Blick aus den grauen Augen doch leicht ungemütlich. Auch Allan D. Mercant sah ihn durchdringend an. Beide Männer hüllten sich vorerst in Schweigen, das immer stärker an Lemmons Nerven zerrte. Jetzt lehnte sich Perry Rhodan zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Allan D. Mercant griff nach den Stanzstreifen und sah sie an, ohne sie zu lesen. Im spartanisch eingerichteten Arbeitszimmer des Abwehrchefs herrschte nur Stille. Lemmon durchbrach sie mit seinem Räuspern, zum Sprechen jedoch kam er nicht mehr. "Lemmon, wie kommen Sie zu Ihrem Vorschlag?" fragte Perry Rhodan. In Frank Lemmon wurde wieder dieser nicht zu klassifizierende Parasinn wach. Seine Gegenfrage entstand aus dieser Veranlagung. "Sir, ist mein Vorschlag nicht das Ergebnis einer logischen Folgerung?" Rhodan überging sie. "Was wissen Sie über den Linearhyperantrieb der Druuf, Lemmon?" "Nichts, bis auf die Tatsache, daß die Druuf einen überlichtschnellen Antrieb besitzen sollen, und daß bei Erreichen der Überlichtgeschwindigkeit ein Verlassen uns eres Raum-Zeit-Gefüges nicht erforderlich sein soll. Aber ob diese Version richtig ist, das ..." "Sie ist richtig, Lemmon!" unterbrach ihn Rhodan. "Woher haben Sie Ihre Erfahrungen bezogen?" Ohne zu überlegen, antwortete Frank Lemmon: "Vom wissenschaftlichen Team 065-Antrieb. Bei der Verfolgung des Falles Rabintorge arbeiteten wir eine Woche lang zusammen." "Danke!" sagte Rhodan kurz und blickte dann Allan D. Mercant an. Der sah in diesem Blick eine Aufforderung, sich zu äußern. "Sir, wir sollten gerade jetzt uns keine Chance entgehen lassen ..." Besonders klar war Mercants Stellungnahme nicht; Lemmon faßte sie wenigstens so auf, aber Rhodan mußte sie anders verstanden haben, denn er nickte seinem Solarmarschall zu und sagte abschließend: "Veranlassen Sie alles weitere." "Über diesen Rabintorge sind wir besser informiert, als er über sich Bescheid weiß, Sir", machte nun Mercant seine Angaben zu dem eigentümlichen Fall. "Der Student ist nie mit extrasolaren intelligenten Wesen in Verbindung gekommen. Seine physikalisch-mathematischen Fähigkeiten, die überall Anklänge an die Hypermathematik der Arkoniden zeigen, sind unerklärlich. Noch verblüffender ist die Tatsache, daß er erst mit fünfzehn Jahren lesen und schreiben gelernt hat." "Und dieser Student kann kein Arkonide sein, Mercant, oder Ära oder Ekhonide?" "Nein. Ausgeschlossen. Rabintorge ist Terraner und ein physikalisch-mathematischer Theoretiker der Superklasse!" Rhodan sah Mercant lächelnd an. "Ich bin nicht gewöhnt, von Ihnen Superlative zu hören. Aber gut! Schaffen Sie mir diesen Mann heran, und lassen Sie ihn unter unauffälliger Bewachung an die Arbeit gehen. Ihnen, Lemmon, möchte ich aber jetzt schon für Ihre Arbeit danken" Rhodan war aufgestanden und reichte ihm die Hand. "Sir, es war keine besondere Leistung", wehrte Lemmon ab, weil er ein Lob in dieser Form nie erwartet hatte. "Natürlich nicht ..." ging Rhodan darauf ein und lachte. "Wer so gut schlafen kann wie Sie, der merkt oft gar nicht, daß er sich angestrengt hat, weil überschüssige Kräfte einfach zur Betätigung drängen. Hatten Sie heute auch gut geschlafen ...?" Die schwere Tür fiel schon hinter Rhodan ins Schloß, als Allan D. Mercants dröhnendes Lachen immer noch das Arbeitszimmer erfüllte. Frank Lemmon aber war der Ansicht, daß es jetzt besser wäre, in das Lachen einzustimmen, als auf Perry Rhodans Bemerkung noch einmal zurückzukommen. Der feste Vorsatz, anders zu werden, war nach zwei Tagen bereits wieder vergessen. An dem Tag, an dem der Inder Rabintorge in Terrania eintraf, um für das Solare Imperium an einer Spezialaufgabe zu arbeiten, betrat Frank Lemmon erst um elf Uhr sein Arbeitszimmer. Er war mit dem Gefühl wach geworden, daß der heutige Tag doch keine wichtigen Neuigkeiten bringen würde. Ihn erreichten auch nur alltägliche Meldungen, aber Perry Rhodan wurde durch eine Hyperfunkmeldung von Arkon erschüttert. Sein Sohn, Thomas Cardif, Deserteur der Solaren Flotte und sein erbittertster Feind, hatte der Fahnenflucht eine neue Tat folgen lassen und vom Planeten Archetz im Rusuma-System, 44 Lichtjahre von Arkon entfernt, der aufhorchenden Galaxis verraten, daß das Robotgehirn auf Arkon III durch Admiral Atlan ausgeschaltet worden wäre und nur noch nach Atlans Befehlen handelte. 2. Ein galaktischer Erdrutsch bereitete sich vor. Das Arkonidenreich, schon vor 10000 Jahren ein gewaltiges Sternenreich mit dem Kugelsternhaufen M13 als Herz, war jetzt durch den Schachzug eines desertierten Offiziers des Solaren Imperiums davon bedroht, in viele einzelne Kleinstaaten auseinanderzufallen. Atlan, der Einsame in der Riesenkuppel der Mammutpositronik auf Arkon III, war jetzt schwächer als Perry Rhodan, denn die Gefahren aus dem Arkonidischen Staatsgebilde heraus waren millionenfach größer als die Gefahren für das Solsystem. Atlan sprac h von Arkon aus mit Perry Rhodan auf der Erde: "Ich brauche Zeit, Perry! Ich benötige jetzt deine Hilfe, Barbar. Ich muß mit dem Nimbus deines Namens operieren. Wer kennt schon Atlan, den Admiral, der vor zehntausend Jahren eine Rolle gespielt hat? Wer kennt mein Geschlecht noch? Aber warum sagst du nichts?" "Was soll ich dir sagen, Freund?" erwiderte Rhodan äußerlich unerschüttert, während sich innerlich alles in ihm verkrampfte. "Rufe mich in acht Erdstunden wieder an. Ich muß erst selbst mit den neuen Tatsachen fertig werden, obwohl wir beide ja gar nichts anderes erwartet hatten. Du hast den Namen Thomas Cardif genannt und ..." über eine Entfernung von 32000 Lichtjahren hinweg unterbrach ihn Atlan. "Ob ich Thomas Cardif sage oder Galaktische Händler, darin liegt nicht der Unterschied, sondern in der Tatsache, daß Cardif und die Springer vom Planeten Rusuma aus versuchen, das Imperium auseinanderzubrechen! Du hast verlangt, ich soll dich in acht Erdstunden wieder anrufen, aber weißt du denn, was bis dahin alles geschehen sein kann?" Perry horchte auf. Wurde Atlan von Panik beherrscht, Atlan, der Zeitlose, der Unsterbliche? Perry Rhodan studierte auf seinem Bildschirm das Gesicht des Arkoniden, aber von Panik war da nichts zu sehen. Dennoch mußte den Admiral eine unabwendbare Gefahr bedrücken. Aber warum sagte er dann nicht, woraus diese Gefahr bestand? "Admiral, was verschweigst du uns?" fragte Rhodan über Raum und Zeit hinweg. Er sah, wie Atlan aufhorchte, sich straffte und zu lachen versuchte. "Ich verschw eige nichts, Perry, aber in dieser Sekunde habe ich dich zum erstenmal ganz begriffen! Zum erstenmal bin ich in einer Lage, in der du dich schon über siebzig Jahre befindest! Versteh mich richtig! Ich muß mich erst daran gewöhnen, daß das Große Imperium nicht mehr meinen Befehlen folgen will und ich jetzt nicht mehr Macht besitze, als du! Wie alt bin ich? Mehr als zehntausend Jahre? Daran stimmt nur die Zahl, denn ich bin trotzdem jünger als du, Barbar. Du bist mir mit deinen Erfahrungen in Situationen wie dieser weit voraus! Ich muß umlernen, Barbar! Ich muß mir dich zum Beispiel nehmen und ..." "Atlan!" rief Rhodan ihm laut zu, und er verbarg sein Erschrecken vor dem Gefühlsausbruch des Arkoniden. "Atlan, bitte, rufe mich in acht Erdstunden wieder an!" Er l ieß den Admiral nicht mehr zu Wort kommen. Die Telekomverbindung nach Arkon III bestand nicht mehr. Perry Rhodan hatte abgeschaltet. Stumm lehnte er sich in seinem Sessel zurück. Immer noch sah er auf den grau gewordenen Bildschirm. Langsam hob er beide Hände hoch, und mit den Fingerspitzen massierte er sich die Schläfen. Reginald Bull, der ihn stumm beobachtete, kannte diese Geste. Sie verriet die tiefe Erschütterung des Freundes. Atlan hatte zum Schluß nur noch sein Herz sprechen lassen. Es war eins von den seltenen Gesprächen gewesen, in dem zwei Männer erkennen, daß ihre Freundschaft sie bis zum Tode aneinander gebunden hat. Rhodan wandte sich jetzt an Bully. Ohne jede Erregung sagte er: "Ich benötige sofort die neuesten Unterlagen über das Rusuma-System, speziell über Archetz, den fünften Planeten. Veranlasse bitte, daß ich in einer halben Stunde darüber verfüge. Du kümmerst dich um das Team 065-Antrieb." Bully hatte mehr erwartet, deshalb sah er Rhodan jetzt fragend an. Aber dieser gab keine weiteren Einzelheiten an. Irgendwie fand Bully den Freund unkonzentriert. "Hör mal ..." begann er vorsichtig, "war es von unserer Seite kein Fehler, der fast überstürzt abfliegenden Springerflotte keinen einzigen Agenten nachzuschicken?" Perry Rhodans graue Augen weiteten sich etwas. "Warum sprichst du nicht klar und offen von Cardif, Bully? Aber wo soll unser Fehler liegen? In dem Augenblick, in dem der Patriarch Cokaze durch einen Mann unseres abgeschossenen Zerstörers erfuhr, daß Atlan das Große Imperium regiert und nicht mehr das Robotgehirn, wußte es auch die gesamte Cokazesippe, und damit war uns jede Möglichkeit genommen, diese Tatsache noch länger zu verheimlichen. Doch wenn wir uns jetzt nicht vollständig und sofort auf die neue Lage einstellen - dasselbe trifft auch für Atlan zu - dann brennt in spätestens einem Jahr die gesamte Galaxis, und wir erleben Zustände, die mit keinem Beispiel aus der Geschichte verglichen werden können! Doch wie wir der Situation entgegentreten sollen, das weiß ich im Augenblick auch noch nicht. Mein Vorhaben, mich über das Rusuma-System genau zu informieren und dich zum Team 065-Antrieb zu schicken, damit die Herren nicht bis zum Jüngsten Tag hin theoretische Mathematik betreiben, ist alles nur ein Herantasten." "Ein Herantasten an was?" Perry Rhodan war ratlos. "Ich weiß es nicht, Bully!" Es klang verärgert, aber der Ärger traf nicht den fragenden Freund, sondern er war aus dem Gefühl geboren, mitten in einer Katastrophe zu stehen und nirgendwo einen Weg oder eine Möglichkeit zu entdecken, diesem galaktischen Erdrutsch zu entkommen. Der untersetzte Reginald Bull erhob sich. "Okay, dann will ich das eine veranlassen und das andere tun. Wenn ich dich richtig verstanden habe, dann erwartest du vom 065-Team bald handfeste Unterlagen?" "Sehr bald!" erwiderte Rhodan. Bully schnitt Grimassen. "Die werden sich freuen!" wagte er zu prophezeien. "Druufsche Linearhypertriebwerk -Technik mit Hilfe arkonidischer Supermathematik uns armen Terranern verständlich zu machen ... und das auch noch sehr bald!" Rhodan blickte ihn erstaunt an. "Noch besitzen wir diesen Antrieb nicht, Bully. Solltest du es vergessen haben?" Der rothaarige Mann lachte trocken. "Keineswegs, ich bin mir im Augenblick nur selbst untreu geworden und habe meine rechte Daumenkuppe vergessen wollen. Schreiben wir heute nicht den ersten Juli 2044? Nun, von diesem verflixten Jahr ist die erste Hälfte mit Ach und Krach überstanden, vielleicht überstehen wir auch den Rest... mit oder ohne Linearhyperantrieb, aber im stillen habe ich doc h gehofft, unser Team könnte ihm dabei auf die Spur kommen." "Bully.." Rhodan sah ihn zurechtweisend an. "Seit der letzten Silvesternacht bist du mit deinem an unzerbrechlichem Glas aufgeschnittenen Daumen zum personifizierten Pessimisten geworden, aber gerade dort, wo wir gar nichts zu erhoffen haben, glaubst du an ein Wunder." "Perry, ist das nicht auch eine Art von verdrehtem Pessimismus?" fragte Bully zurück, als er den Griff der Tür schon in der Hand hatte und schleunigst den Raum verließ. "Unverbesserlich ..." stellte Rhodan im Selbstgespräch fest und schmunzelte, denn immer wieder war es Bully, der in seiner unnachahmlichen Art in Augenblicken der Niedergeschlagenheit für bessere Stimmung sorgte., daß Reginald Bull in Wirklichkeit auch voller Sorgen steckte, wußte niemand besser als Rhodan. Währenddessen hatte Bully veranlaßt, daß dem Chef die Unterlagen über das Rusuma-System hereingereicht wurden und flog selbst mit dem Gleiter zum Forschungstrakt 18 hinüber. In der Abteilung 065-Antrieb traf er etwas an, was er ein gemischtes Doppel nannte, obwohl dieses Doppel aus fast dreißig Spezialisten bestand, die zum Teil Theoretiker, zum Teil Techniker waren. Von seinem Eintritt nahm man kaum Kenntnis. Diese Sitte hatte sich überall in Terrania eingebürgert. Bully überflog das in mehrere Gruppen aufgeteilte Team und wurde auf einen jungen Inder aufmerksam, der beim Sprechen Arme und Beine zu Hilfe nahm. "Bradley, wer ist das?" fragte Bully den leitenden Professor der Gruppe 065-Antrieb. "Ach ... Rabintorge, ein Neuer. Ich werde mit ihm nicht fertig. Dieser Inder besteht ja nur aus Widerspruch!" erklärte Professor Bradley sichtlich verärgert. Bully liebte alles, was Widerspruch zeigte. Er dankte dem Professor für die Auskunft und näherte sich unauffällig der Gruppe, wo Rabintorge immer noch armeschwenkend versuchte, seine Ansicht durchzusetzen. Ein Kollege argumentierte: "Woher wollen Sie das denn wissen? Sie haben ja noch nicht einmal Zeit gehabt, sich einen Gesamtüberblick zu verschaffen, und was Sie behaupten, ist und bleibt Unsinn!" Der Inder mit seinen braunen Augen und der dunkel getönten Haut kreuzte die Hände vor der Brust und verbeugte sich vor seinem Mitarbeiter, der ihn so massiv angegriffen hatte. "Na also!" sagte dieser und lächelte. Doch noch im glei chen Augenblick fiel der Inder ein: "Sie irren. Meine Behauptung ist kein Unsinn! Das Raum-Zeit-Gefüge wird durch den Linearhyperantrieb nur auf einer Konstante erschüttert, sobald der Raumer, der damit fliegt, Lichtgeschwindigkeit erreicht. Im Gegensatz zum Hypersprung, wo beim Verlassen des Normalraumes und beim Wiedereintreten die Struktur des Universums an diesen Stellen auf allen Konstanten zu Bruch geht und dadurch die Gefügeerschütterungen ausgelöst werden, drückt der Linearhyperantrieb bei Überschreiten der Lichtgeschwindigkeit nur eine Konstante aus ihrer natürlichen Bettung, und der Antrieb tut dies so lange, wie das Raumschiff mit dem Linearhyperantrieb schneller als das Licht ist! Woher sollten sonst diese konstant bleibenden Mißweisungen bei Anmessung der Raumspannung kommen?" Bully hatte keine Ahnung, was unter natürlicher Bettung einer Konstante im Raum-Zeit-Gefüge zu verstehen war. Sein Ehrgeiz, es zu erfahren, war auch nicht besonders groß, aber er konnte sich nicht des Eindrucks erwehren, daß dieser blutjunge Inder eine schwer zu behandelnde physikalische Angelegenheit mit wenigen Worten anschaulich machte. Drei Kollegen sprachen jetzt gleichzeitig auf den Inder ein, der sich aber nicht aus der Ruhe bringen ließ. Bully hörte etwas von Meßergebnissen der Hadesstation, er hörte den Inder Ernst Ellerts Namen nennen und auf dessen Angaben verweisen. Der junge Mann verstieg sich sogar zu der Behauptung, die Meßwerte der im Druuf-Universum befindlichen terranischen Station wie auch Ellerts Angaben auswendig zu wissen. Bully wartete noch so lange, bis Rabintorge den Beweis antrat, dann hatte er es plötzlich eilig, die Abteilung 065-Antrieb zu verlassen. Perry Rhodan blickte verärgert auf, als Bully hereinplatzte. "Gibt es etwas Neues?" fragte er. "Ich habe in der nächsten Stunde drei Besprechungen und ..." "Laß sie warten!" rief Bully. "Hör mir jetzt einmal zu, und dann sag du mir, was du davon hältst ..." Der untersetzte Mann zwang sich, ruhig zu berichten. Er vergaß dabei nicht die kleinste Einzelheit. Und er schloß mit dem Satz: "Sollte dieser Inder Rabintorge kein verkappter Arkonide oder Galaktischer Händler sein?" "Die gleiche Frage habe ich vor ein paar Tagen schon Mercant gestellt. Mercant hat mit nein darauf geantwortet." "Dann setze Gucky auf Rabintorge an!" Rhodan winkte ab. "Gucky ist auch nicht unfehlbar. Denke an den arkonidischen Dackelspion, dem wir alle, der Mausbiber eingeschlossen, auf den Leim gekrochen sind." "Aber der Inder ist kein Inder, Perry! Der Bursche macht mit seinen Widersprüchen die Abteilung 065-Antrieb konfus! Auch Professor Bradley kommt nicht mit ihm aus ... Ja, wen rufst du denn jetzt an, Perry?" Er hatte bemerkt, daß Rhodan einen Knopf gedrückt hatte, aber nicht sehen können, welchen . "Nebensächlich, Bully. Du hast gerade Bradley erwähnt. Wenn die Berichte über ihn stimmen, dann werden wir ihn für das nächste halbe Jahr ins Sanatorium stecken. Der Professor hat sich an der Aufgabe, ein Ortungsgerät für Linearhyperstruktur-Erschütterungen zu entwickeln, verbraucht." Die Tür zu Rhodans Arbeitszimmer öffnete sich, und John Marshall, Chef der Mutantengruppe und einer der besten Telepathen, trat ein. "Sir, ich sollte ..." Rhodan winkte ab. "Marshall, nehmen Sie Platz. In ein paar Minuten sind Mister Bull und ich fertig." Er wandte sich wieder Bully zu. "Dieser junge Inder, der erst vor einer Woche sein Examen abgelegt hat, muß auf mathematisch-physikalischem Gebiet ein Mutant sein. Rabintorge ist derselbe, der uns mit seinem Bluff..." In diesem Moment drehte sich Bully abrupt zu Marshall herum. Plötzlich war ihm etwas nicht geheuer. Er sah Marshall aufstehen, und er hörte ihn sagen: "Chef, ja!" Im nächsten Augenblick hatte Perry zu seinem Abwehrchef Verbindung aufgenommen: "Hier Rhodan! Mercant, setzen Sie vier oder fünf Ihrer besten Leute nach Abteilung 065-Antrieb in Marsch. In 065 befindet sich ein starker Suggestor! Ihre Männer treffen dort auf den Mutanten Kitai Ishibashi. Ishibashi leitet die Aktion. Ende!" Verblüfft, erschreckt sah Bully seinen Freund an. Er wollte einfach nicht glauben, was sein Verstand ihm sagte und was er aus Perrys Worten herausgehört hatte. "Perry, das soll doch nicht heißen, daß ich ..., daß ich ...?" Rhodan nickte, und John Marshall, der neben ihn getreten war, bestätigte die Vermutung. "Ja, Sir", sagte er nun. "Sie stehen unter einem derartig starken Suggestiv-Einfluß, daß ich bei Ihnen nicht durchkomme." "Marshall, sagen Sie das noch einmal .." Bull y wagte einen letzten Versuch. Aber wenn John Marshall eine solche Behauptung aufstellte, dann stimmte sie auch. "Aber wo ist das denn mit mir passiert? In der Abteilung 065-Antrieb? Dann ist ja doch dieser Inder ein Agent von der anderen Seite! Habe ich es nicht gesagt ...?" Der Interkom sprach dazwischen. Mercant befand sich an der Gegenstation. "Sir, die Aktion läuft!" "Danke!" erwiderte Rhodan, und dazwischen verriet das Knacken, daß die Verbindung zur Abwehrzentrale wieder unterbrochen war. "Dieser Inder ..." rief Bully wütend. Er wandte sich dann Marshall zu und fragte: "Stehe ich denn noch immer unter Suggestion, unter ständiger Willensbeeinflussung?" "Nein, Sir. Der Block, der Ihnen mitgegeben worden ist, ist stark genug. Wie gesagt, ich komme bei Ihnen nicht durch." "Wo kommen Sie nicht durch? Sagen Sie mir doch endlich, wo ...?" "Sir, ich bin nicht in der Lage, Ihre Gedanken mitzulesen, wenn Sie von dem Inder Rabintorge sprechen oder..." "Dieser Kerl mit den Rehaugen!" fluchte Bully und ließ sich in seinen Sessel fallen. "Aber wie werde ich diesen Block nun wieder los? Und Perry, bist du nicht auch auf den Gedanken gekommen, mit mir wäre etwas angestellt worden?" "Eine Kleinigkeit fiel mir an dir auf, Bully. Du stehst fast immer Widersprüchlern sympathisierend gegenüber, aber an Rabintorge hast du kaum ein gutes Haar gelassen. Das kam weniger in deinen Worten zum Ausdruck als in deiner Stimme. Sie war voller Haß gegen den jungen Mann aus Lahore, und das paßte nun wirklich nicht zu dir. Das machte mich stutzig, und deshalb rief ich telepathisch John herein. Er sollte dich testen." "Wenn ich den Burschen erwische, der sich mit mir so etwas erlaubt hat..." "Mich interessiert jetzt viel mehr, wer hinter dem bei uns eingeschleusten Suggestor steckt", sagte Rhodan ablenkend. "Und gerade heute muß dieser Vorfall offenkundig werden, wo ich tausend andere Dinge zu tun hätte. Die Zeit rinnt nur so dahin, und bald ist die Acht -Stunden-Frist herum, und Atlan wird sich wieder melden." "Was habe ich seit Silvester von diesem Jahr 2044 gesagt?" rief Bully erregt und streckte dabei seinen Daumen aus. Seit der Silvesterfeier zum neuen Jahr 2044 war Reginald Bulls rechte Daumenkuppe zum Schreckgespenst für seine nächsten Mitarbeiter geworden. Auf der Feier hatte er einen Kognakschwenker aus unzerbrechlichem Glas versehentlich vom Tisch gestoßen. Das Glas war zersprungen. Bully sammelte die Scherben auf und war es schon ein Widerspruch, daß unzerbrechliches Glas zerspringen konnte, so vergrößerte er sich noch durch die Tatsache, daß Bully sich an den Scherben die rechte Daumenkuppe aufschnitt. Von diesem Augenblick an war Reginald Bull zum abergläubischen Pessimisten geworden, und ohne darauf Rücksicht zu nehmen, ob man es wissen wollte oder nicht, ließ er hören, daß das Jahr 2044 für das Solare Imperium zu einem Katastrophenjahr werden würde. Bis jetzt hatte er leider recht behalten. Und er hielt Perry Rhodan demonstrativ seinen Daumen entgegen. In dessen grauen Augen blitzte es zornig auf. "Darf ich dich nochmals bitten, endlich diese Anspielung aufzugeben, Bully. Sie langweilt mich." "Okay! Du bist der Chef, Perry, aber recht behalte ich doch! Jetzt steht Atlan das Wasser bis zum Hals, und wir sollen ihm helfen. Wir mit unseren paar Raumern. Dabei dürfen wir nicht vergessen, daß auch noch dreitausend Druuf-Kampfschiffe in unserem Universum kreuzen. Gnade uns Gott, wenn sie eines Tages wieder über der Erde stehen wie schon einmal. Dann kommen aber keine Arkon-Robotschiffe und eine Springersippe, um uns herauszupauken. Warum muß denn nur immer alles Unangenehme auf einen Schlag von allen Seiten auf uns einstürzen!" Perry Rhodan ließ Bully reden. Er kannte ihn wie kein zweiter. Es war die billigste, einfachste und wirksamste Methode, ihn poltern zu lassen. Er kam anschließend von ganz allein wieder zur Ruhe. Atlans Notruf lag Perry Rhodan wie ein Alpdruck auf der Seele, und der beunruhigende Vorgang in der Abteilung 065-Antrieb hatte ihm eindringlich klargemacht, daß das Solare Imperium auch von innen heraus verwundbar war und die besten Sicherheitsvorkehrungen immer wieder untergraben werden konnten. Bully blickte von einem zum anderen, weil er von keiner Seite ein Echo auf seine Bemerkungen hörte. "Das dauert aber lange mit der Aktion bei 065-Antrieb!" "Wunder benötigen auch im Solaren Imperium eine gewisse Zeit!" erwiderte Rhodan in ungewöhnlich scharfem Ton, so daß es Bully vorzog, zu schweigen. Das lange Warten begann. Rhodan hatte Anweisung gegeben, unter keinen Umständen zu stören. Alarmmeldungen bildeten natürlich die Ausnahme. Doch was sonst so oft geschah, daß die große Hyperfunkstelle Terranias sich mit einer Hiobsbotschaft einschaltete, blieb jetzt aus. 45 Minuten nach dem Alarm meldete sich Mercant wieder über Interkom. "Sir, der Mutant Ishibashi. hat den Techniker Elvis Artun als Hypno überführt. Elvis Artun ist kurz nach der Springerinvasion von der GHC Company zu uns gekommen." Rhodan fiel sofort der Widerspruch auf, der zwischen Marshalls Angaben und Mercants Bericht lag. "Eine Gegenfrage, Mercant: Was ist dieser Artun nun ... Hypno oder Suggestor? Das muß unter allen Umständen sofort festgestellt werden, denn wenn Artun einwandfrei als Hypno identifiziert ist, dann haben wir den Suggestor in 065-Antrieb ja immer noch nicht entdeckt! Mercant, setzen Sie Kitai Ishibashi. unter Druck. Er kann feststellen, welche Fähigkeiten Artun besitzt. Mercant, uns bleibt wenig Zeit." Bully wagte keine Bemerkung zu machen. Er sah, daß Rhodan den Telepathen Marshall konzentriert anblickte. Marshall las in Rhodans Gedanken. "Okay, Sir! Ich habe Gucky erreicht, der Ma usbiber ist schon nach 065-Antrieb unterwegs!" sagte Marshall jetzt, damit jedermann unterrichtet war. Fast gleichzeitig sprach Rhodans Mikrokom am linken Armgelenk an. Der Mausbiber meldete sich über diese Verständigung. "Perry, ich habe eben zwei Burschen ausgemacht. Wenn sie könnten, würden sie mich fressen. Aber sie können es nicht, sie kleben an der Decke. Dürfen sie dort hängen bleiben, bis Mercants Leute sie in Empfang nehmen?" Der Mausbiber redete jeden mit "Du" an, der Administrator des Solaren Imperiums bildete keine Ausnahme, aber es paßte so gar nicht zu Gucky, daß er Rhodan um Genehmigung bat, zwei entdeckte Fremdagenten kraft seiner Telekinese unter der Decke hängen zu lassen. "Gucky, machst du auch keinen Unsinn?" fragte Rhodan streng zurück. "Chef", piepste der Mausbiber über den Mikrokom, "habe ich das schon jemals getan?" Darauf wollte Rhodan sich nicht einlassen. Guckys Streiche waren im gesamten System bekannt. "Leutnant, wer ist es? Bitte, die Namen!" Das war eine offizielle Anfrage. Der Mausbiber verstand sie gut. Wenn Rhodan ihn mit seinem Dienstgrad ansprach, dann hatte jeder Witz zu unterbleiben. Gucky vergalt Gleiches mit Gleichem: "Erster Administrator, die beiden Suggestoren heißen Tom Sharkey und Pierre Rochard. Im Augenblick verfluchen sie mich, aber zwischendurch verfluchen sie auch die GHC Company in Kapstadt, und besonders herzlich den Dritten Direktor Horace Edwards ... aber ... aber ..." Es kam selten vor, daß der Mausbiber vor Erstaunen stammelte, jetzt verstummte er sogar. Der Mikrokom übertrug nur sein erregtes Atmen. "Gucky, was gibt es in 065 -Antrieb?" Rhodan verzichtete darauf, ihn noch einmal mit Leutnant anzusprechen. "Du, Perry .." Guckys Piepsstimme flüsterte, "Sharkey und Rochard sind nie und nimmer echte Suggestoren. Mit ihren Gehirnwellenmustern stimmt etwas nicht ... Perry später ... jetzt nicht ..." "Nanu", stellte Rhodan erstaunt fest und ließ seinen linken Arm wieder sinken, an dem er den Mikrokom trug, "Gucky hat abgeschaltet? Und wie klang zum Schluß sein Sprechen? Marshall, Ihre Meinung?" Der hatte nicht nur über Mikrokom mitgehört, sondern sich telepathisch mit dem Mausbiber in Verbindung gesetzt, deshalb wußte er mehr. Aber was er zu berichten hatte, klang nicht beruhigend. "Gucky hat seine letzten Reserven einsetzen müssen, um sich vor dem Suggestiveinfluß der beiden entdeckten Agenten zu schützen!" In diesem Moment flimmerte die Luft, und der Mausbiber materialisierte. Er war im Teleportersprung von 065-Antrieb in Rhodans Arbeitszimmer gekommen. "Denen habe ich es gegeben, Perry!" meldete er stolz, aber auch erschöpft. Nach diesem Satz sah er Bully an. "Dicker, was hat man denn mit dir gemacht?" Rhodan lenkte ab. "Laß Bully aus dem Spiel, Gucky. Er steht unter starkem Suggestiveinfluß. Was hast du herausbekommen?" Gucky entblößte seinen einzigen Nagezahn und deutete damit Lachen an. "Viel, Chef! Wenigstens so viel, wie Sharkey und Rochard selbst wissen. Das genügt, um die GHC Company auf den Kopf zu stellen und dort nach einem Springer-Telekomgerät zu suchen! Und zu Rochards Appartement habe ich schon einen Abwehrmann geschickt." "Warum?" fragte Rhodan. "Weil dort drei Ampullen eines Ara-Toxikums zu finden sind. Was damit los ist, weiß ich nicht. Rochard hat einmal ganz kurz daran gedacht und Angst gehabt, wir könnten es finden." Rhodan beugte sich vor. "Ara-Toxikum, so hast du doch gesagt, Gucky, nicht wahr?" "GHC Company, Springer-Telekom, Ara-Toxikum; und Sharkey und Rochard sind keine Suggestoren, sondern nur medikamentös behandelt. Und ich möchte wetten, daß dieser Elvis Artun auch kein echter Hypno ist, denn Wellenmuster dieser Art, wie die beiden Fremdagenten abgestrahlt haben, sind nicht normal, Perry. Aber Marshall wird mich besser verstehen..." Er drehte sich nach John Marshall um und fragte: "John, hast du schon einmal ein Gehirnwellenmuster gesehen, bei dem der Suggestorstrang kaum entwickelt war, der Betreffende aber, zu dem das Muster gehörte, über unwahrscheinliche Suggestivkräfte verfügte?" Teilweise entstammten Guckys Worten einer Spezialsprache, nur Telepathen konnten verstehen, was ein Gehirnwellenmuster und ein Suggestorstrang sein sollten. Daß Marshall den Mausbiber verstanden hatte, bewies sein Gesicht, das unverhüllt Unglauben zeigte. Gucky war darüber befriedigt. "Genauso dumm, wie du mich jetzt ansiehst, muß ich vorhin bei 065-Antrieb auch ausgesehen haben, als ich plötzlich diese Entdeckung machte. Und dann wollten mich die Burschen in ihre Suggestivzange nehmen ..." Er wandte sich wieder Rhodan zu und tat bescheiden, was ihm gar nicht stand: "Perry, ich mußte ... ich konnte nicht anders ... aber wenn du gleich Mercant anrufst, dann richte ihm doch aus, daß die Ärzte sich vor drei Stunden nicht um Rochard und Sharkey zu bemühen brauchen. Früher erwachen sie aus meiner Hypnose bestimmt nicht!" "Leutnant Guck ..." begann Rhodan, ohne sich etwas bei dieser Anrede zu denken, zuckte aber leicht zusammen, als der Mausbiber dazwischen piepste und versuchte, seiner Stimme militärische Klangfärbung zu geben: "Bitte, Erster Administrator des Solaren Imperiums ...?" Rhodans ernstes Gesicht hellte sich auf, und der Chef blickte den Mausbiber schmunzelnd an. "Danke, Gucky, das hast du mir gut zurückgezahlt, aber ich habe noch eine Aufgabe für dich: Teleportiere in Rochards Appartement, suche das Ara-Toxikum und bringe es her!" "Okay, Boß!" Und der Mausbiber war aus Rhodans Zimmer verschwunden. Bully atmete schwer. "Marshall, beeinflußt der Suggestivblock auch meine übrigen Geistesfunktionen?" "Nein, Sir! Nur Ihr Erlebnis bei 065-Antrieb ist verfälscht worden." "Ein schwacher Trost, Perry, ich möchte Frank Lemmon, den Abteilungsleiter von F-1, aufsuchen. Ich habe einige Fragen an ihn zu stellen." "Und wann willst du dich in Behandlung begeben, damit der Suggestivblock bei dir aufgehoben werden kann, Bully?" fragte Rhodan verblüfft. "Wenn wir Zeit dazu haben. Nur diesem Inder Rabintorge muß ich weit aus dem Weg gehen, sonst könnte mich dieser junge Mann am Ende noch für überaus dumm halten." Die Tür fiel hinter ihm zu. Rhodan und Marshall waren allein. Sie warteten noch auf Guckys Rückkehr. In der Zwischenzeit informierte Rhodan seinen Abwehrchef. Mercants Gesicht auf dem Bildschirm zeigte weder Erstaunen noch Verwunderung; er, der in der Abwehr groß geworden war, hatte in seinem langen Leben noch viel unwahrscheinlicheren Tatsachen gegenübergestanden. "Sir, von meiner Seite aus wird alles Erforderliche veranlaßt!" Mehr hatte Allan D. Mercant dazu nicht zu sagen. "Das Mutantenkorps wird dabei sein, wenn die Direktionsgebäude der GHC Company in Kapstadt durchsucht werden, Mercant. Stellen Sie den Einsatz darauf ab." "Ja!" Der Bildschirm der Verständigungsanlage wurde wieder grau. Rhodan blickte zur Uhr. In drei Stunden würde Atlan wieder anrufen, und er hatte kaum Zeit gefunden, sich mit der neuen Situation, der der Admiral in seinem Imperium gegenüberstand, zu beschäftigen. "Marshall..." John Marshall sah seinen Chef an. Perry Rhodan war mit seinem Blick jenseits des Sonnensystems - irgendwo. "Marshall, können Sie meinen Sohn verstehen?" "Chef ..." John Marshall griff zur Zigarettenpackung, nahm ein Stäbchen heraus und setzte es in Brand. Drei tiefe Züge folgten. Alles war nur darauf abgestellt, Zeit zu gewinnen. Aber der Zeitpunkt kam, da er auf Rhodans private Frage antworten mußte. "Ja, Sir, ich kann Thomas Cardif verstehen, aber ich kann trotzdem nicht billigen, was er getan ..." "Das letztere wollte ich nicht wissen, John. Aber jetzt müssen Sie mir auch erklären, warum Ihnen sein Handeln verständlich ist. Das heißt: wenn Sie wollen." Bevor Marshall sich äußerte, inhalierte er erst wieder einige Male, dann klopfte er die Asche ab und setzte sich zurecht. Endlich begann er zu sprechen: "Ihr Sohn hat keine Eltern gehabt. Als er erfuhr, wer seine Eltern waren, trafen ihn völlig unvorbereitet die Auswirkungen eines Risikos, das Perry Rhodan und die Arkonidin Thora mit ihrer Heirat eingegangen waren. Ich darf doch so sprechen, Chef?" Rhodan machte eine müde Geste. "Thomas Cardif fühlte nur Zuneigung zu Ihrer Frau - also zu seiner Mutter. Doch nur tropfenweise erlebte er Mutterliebe. Sein Dienst ließ ihn nicht zur Mutter kommen. Für Thomas Cardif mußte das Wort Pflicht zum Fluch geworden sein, denn er war weder Terraner noch Arkonide. Das versuche ich bei meiner Beurteilung nie zu vergessen. Als er erlebte, was Mutterliebe bedeutete, starb seine Mutter, und Thomas Cardif war von dieser Minute an allein. Haß und Liebe - ist beides nicht miteinander verwandt? Sie haben am Grabe Ihrer Frau und seiner Mutter ihm die Hand geboten. Wäre ich Thomas Cardif gewesen, ich hätte sie auch nicht angenommen, und..." "John!" Rhodan war entsetzt. "Ja, Chef, ich hätte die Hand auch nicht angenommen... und dann kam das niederträchtige Gerücht, Sie hätten Ihre sterbenskranke Frau entgegen dem Rat der Ärzte nach Arkon zu Verhandlungen geschickt. Von uns, hier in Terrania, hat es kein Mensch geglaubt, aber was muß in Thomas Cardif vorgegangen sein, als ihm dieses Gerücht zu Ohren kam? Nur Lumpen werden eidbrüchig und Verräter. Ja, Chef, und was soll ich jetzt noch sagen? Was haben Sie davon, wenn Sie erfahren, daß ich Thomas Cardif weder für einen Lumpen noch für einen Verräter halte? Doch was er in meinen Augen ist, weiß ich nicht zu sagen. Ich fühle nur, daß Thomas Cardif zu bedauern ist und vor die Hunde geht, wenn er nicht zu sich selbst findet." "Wollen Sie übersehen, daß er auch Atlan verraten hat?" fragte Rhodan eisig. "Wenn ich meinen Vater vernichten wollte, weil ich glauben müßte, er hätte die Mutter ermordet, mir wäre jedes Mittel recht. Chef, wenn man so glaubt, dann fragt man nicht nach Recht und Unrecht, dann überlegt man auch nicht." "Man hat aber die Pflicht, zu überlegen!" "Pflicht, Pflicht, Chef! Da ist dieses Wort schon wieder! Seine Pflicht zu tun, erfordert Kraft. Kraft kommt aus der Liebe der Eltern! Und hat Thomas Cardif nicht vorbildlich seine Pflicht getan bis zu der Minute, in der er erfuhr, wer seine Eltern waren? Verzeihung, Chef, das hätte ich nicht sagen sollen. Bitte, vergessen Sie es!" John Marshall widerstand der Versuchung, mittels seiner stark entwickelten telepathischen Fähigkeiten Perry Rhodans Gedanken zu lesen; er blieb sitzen, wie er saß, und er sah Rhodans Blick, der in die Tiefen des Universums zu sehen schien - und Rhodan schwieg. Doch da kam der Mausbiber von seinem Einsatz zurück. "Boß", begann er, um sofort zu verstummen. Der Blick aus seinen Mausaugen wanderte zwischen dem Chef und Marshall hin und her, bis er Marshalls telepathischen Befehl empfing: Frag hier nicht, was los ist! Berichte von deinem Einsatz. Je mehr, desto besser! Gucky verstand sofort. "Hier!" sagte er und reichte Perry Rhodan drei Ampullen, die in ihrer Form schon verrieten, daß sie ein Erzeugnis der Galaktischen Mediziner waren, jener Aras, die von Rhodan mehrfach zurechtgewiesen worden waren. "Aber ich komme nicht direkt aus Rochards Appartement, Perry. Ich war bei unseren Medizinmännern. Drei kannten das Präparat. Sie hatten davon einmal gehört. Sie sagten, es sei ein Toxikum mit sedativem Charakter. Das Wort sedativ habe ich mir übersetzen lassen. Es heißt: beruhigend. Und das wiederum beunruhigte mich. Ich sprang zur großen Positronik, aber die kannte das Präparat nicht. Da fielen mir die Swoon, unsere lieben Gurkenmänner ein, und Chef, die verstehen sogar etwas von Aramedizin! Weißt du, was du in der Hand hältst? Oguralas! Das stammt aus der Medizinersprache der Aras. Der Name besagt nichts, aber die Swoon haben sich geschüttelt!" "Gucky", unterbrach Rhodan den Redeschwall des Mausbibers, "kannst du dich auch kürzer fassen, mein Lieber? Was redest du für einen Unsinn? Was ist in den Ampullen?" Gucky schluckte die Zurechtweisung, ohne zu murren. John Marshall hatte ihn gebeten, möglichst viel zu erzählen, und das bedeutete für ihn, daß Marshall für irgend etwas Zeit gewinnen wollte. "Chef, die Swoon ..." Plötzlich wurde Rhodans Blick stahlhart. "Leutnant Guck!" Das Ypsilon an Guckys Namen fehlte. Was das bedeutete, wußte der Mausbiber nur allzu gut. Nun konnte er Marshall nicht länger helfen. Er straffte sich leicht, als er antwortete: "Der Inhalt der Ampullen wirkt auf Arkoniden tödlich. Warum, das wissen die Aras auch nicht. Sie haben bis heute nicht entdecken können, welcher Stoff in dem Extrakt die Gehirntätigkeit außer Funktion setzt, aber sie haben herausgefunden, daß einige intelligente Tierrassen bis zur Stufe C und wir Terraner damit zu Suggestoren werden!" "Dann könnten wir unter glücklichen Umständen in Mister Artuns Appartement vielleicht ein Ara-Toxikum finden, das nach Injektion aus einem Menschen einen Hypno macht Gucky, an deiner Stelle würde ich in Artuns Wohnung einmal nachsehen." "Okay, Boß. Ich soll hier verschwinden. Gut, schon geschehen." Der letzte Piepston des Mausbibers verklang noch, als er selbst schon teleportiert war. Rhodan war mit Marshall wieder allein. "John", fragte er, "sehen Sie noch eine Chance für meinen Sohn?" Marshall spürte, daß er jetzt nicht mit dem Administrator des Solaren Imperiums zusammen war, sondern mit dem Menschen Rhodan - mit Thomas Cardifs Vater. "John, sagen Sie mir jetzt das, was Sie im Augenblick gedacht haben, bitte!" Während dieser Worte hatte Rhodan sich erhoben und war vor den Chef seines Mutantenkorps getreten. "Sagen Sie es, John, ohne Rücksicht auf mich. Ich besitze nicht die Fähigkeit, Ihre Gedanken zu lesen." John Marshall atmete schwer. "Mister Rhodan ..." Eine Pause kam auf, und dabei schoß dem Telepathen blitzartig die Frage durch den Kopf, wieviel Jahrzehnte es her war, daß er Rhodan mit "Mister" angesprochen hatte. Aber er beantwortete sich diese Frage nicht, Rhodans Bitte wischte sie hinweg. "Ob Thomas Cardif noch eine Chance hat, sich aus den unglückseligen Verstrickungen zu befreien? Wenn er nicht Perry Rhodan zum Vater hätte, dann würde ich ja sagen!" "Marshall, ich hasse ihn doch nicht wie er mich!" machte Rhodan verzweifelt geltend. "Das weiß ich, Sir", erwiderte Marshall zögernd, aber mit fester Stimme. Er wich dem stahlharten Blick aus den grauen Augen seines Chefs nicht aus. "Perry Rhodan, Sie sind immer hart gegen sich selbst gewesen; Sie mußten es sein, um vor sich selbst bestehen zu können, und Sie werden es auch in Zukunft sein müssen, sonst..." "Sonst, Marshall ...? Sagen Sie es! Sie müssen es jetzt sagen!" Der Mensch Perry Rhodan bat und befahl zu gleicher Zeit. "Ich sage es, Chef, aber dann werde ich in dieser Form nie mehr über Thomas Cardif mit Ihnen sprechen. Nie mehr. Sie werden auch in Zukunft hart sein müssen, sonst sind Sie nicht der Perry Rhodan, der der Menschheit den Weg weisen kann. Und darin liegt die Tragik für Sie und Thomas Cardif. Sie beide haben den höchsten Preis zu zahlen." John Marshall erhob sich. Langsam wandte er sich ab. Langsam ging er zur Tür. Hinter sich ließ er Perry Rhodan zurück, den einsamsten Menschen des Solaren Imperiums. Leise fiel die Tür ins Schloß. 3. Cokaze, Patriarch einer Springersippe und der einzige Galaktische Händler, der Perry Rhodan noch zu Zeiten der DRITTEN MACHT erlebt hatte, war zum Politiker geworden. Nur erkannte er es nicht, er hielt sich immer noch für einen Kaufmann, dessen gesamtes Handeln darauf ausgerichtet war, den Reichtum und die wirtschaftliche Macht seiner Sippe innerhalb des Springervolks zu vergrößern. Cokaze war mit dem größten Geheimnis des arkonidischen Weltreiches auf Archetz, dem fünften Planeten des Rusuma-Systems, gelandet, und seine mehr als tausend Walzenschiffe umfassende Flotte beanspruchte ein Drittel des Raumhafens von Titon, der Hauptstadt der Springerwelt. Nur vierundvierzig Lichtjahre von Arkon entfernt, gehörte dieses System auch zum Zentrum des Kugelsternhaufen M13 dem Grundstock des Arkonidenreiches. Aber zwischen Arkoniden und Springern hatte sich schon seit Jahrtausenden eine gewaltige Kluft aufgetan; nicht nur, daß der Degenerationsprozeß der Arkoniden unaufhaltsam weiterging, sondern allein schon in der Tatsache, daß die Springer sich fast ausschließlich der Intergalaktischen Sprache bedienten und des Arkonidischen kaum noch Herr waren, zeigte sich die Trennung. Ebenso kam sie darin zum Ausdruck, daß ein Galaktischer Händler auf einem Raumschiff geboren wurde und dort auch sein Leben beendete. Sie waren Sternenwanderer, während die Arkoniden Planetenbewohner waren und Boden unter ihren Füßen haben mußten. Deshalb war die Springerwelt Archetz trotzdem kein Widerspruch zu den Lebensgewohnheiten der Händler. Der Planet Archetz war vor vielen tausend Jahren das Sprungbrett dieses dynamischen Volkes gewesen und es hatte nie vergessen, daß es von dort ausgezogen war, um in der Galaxis sich ein unumschränktes Handelsmonopol zu schaffen. Archetz, eine erdähnliche Sauerstoffwelt mit 1,19 Gravo Schwerkraft, im Durchmesser nicht ganz tausend Kilometer größer als die Erde, unter dem Licht der gelben Rusumasonne, konnte fast mit dem Kriegsplaneten Arkon III verglichen werden. Auf Archetz gab es keine Stadt an der Oberfläche mehr. Auch Titon, das Häusermeer, das zwölf Millionen Bewohner in sich barg, lag in dreitausend Metern Tiefe und war durch ein verwirrendes Netz modernster Verkehrsadern von allen Punkten des Planeten innerhalb einer halben Stunde zu erreichen. Die Oberfläche dieser Welt stellte ein einziges Industriegebiet dar, aber auch dieser Eindruck trog, denn fast vier Fünftel der Schwerindustrie lagen ebenfalls unter dem Boden, und die neuesten Werke waren gerade in der Elftausend-Meter-Schicht fertiggestellt worden. Archetz war eine Welt der Superlative und der Sammelpunkt der hunderttausend walzenförmigen Springerraumer, die, wenn es nur irgendwie möglich zu machen war, Archetz mit letzter Kraft anflogen, um hier die notwendigen Reparaturen durchführen zu lassen. Was Arkon in den letzten zehntausend Jahren an raumfahrttechnischen Dingen erfunden hatte, war wenig später immer wieder auch im Besitz der Springer. Sie hatten sich einen eigenen Moralkodex geschaffen, der stark auf ihre Interessen zugeschnitten war, und mittels unerbittlichem Durchgreifen auf den Welten der Galaxis hatten sie ohne Rücksicht auf Blut und Tränen überall ihre Macht mehr und mehr gefestigt. Doch auf ihrer Seite stand ein Plus, das das harte, unnachgiebige Gebaren der Galaktischen Händler weit überwog: Gewollt oder nicht - sie, die nur an Handel, Gewinn und wirtschaftliche Macht dachten, waren auch zum Kulturbringer geworden, und mit ihrer Ausbreitung über die Galaxis hatten sie für das arkonidische Imperium überall die erste Spur auf neuentdeckten Planeten getreten. Aber Archetz war ihr Ausgangspunkt, nach Archetz kamen sie immer wieder zurück, und Archetz bot ihnen alles, wonach hunderttausend Walzenraumer mit ihren Besatzungen verlangten. Diese Welt, seltsamerweise von Schiffen anderer Völker kaum angeflogen, war außerhalb des Galaktischen Händlervolkes kaum bekannt; welch ein machtvolles Industriepotential der Planet darstellte, war unbekannt; und gänzlich ahnungslos war die Milchstraße über den Finanzgiganten Archetz. Die Springer sprachen nur, wenn von Geld und Konten die Rede war, von der Bank. Niemand fiel es ein, zu sagen: Bank der Galaktischen Händler in Titon auf Archetz. Es gab nur dieses Institut, nicht einmal Arkon hatte Ähnliches aufzuweisen, aber Arkon wußte davon, nur sprach es nie darüber, weil das starke Arkon sich selbst zur Zeit seiner größten Macht insgeheim vor diesem Finanzgiganten gefürchtet hatte. Patriarch Cokaze, mit der COK II dicht vor dem wuchtigen Empfangsgebäude des Raumhafens gelandet, während seine Sippenflotte im Norden aufgesetzt hatte, betrat mit seinen nächsten Familienangehörigen und Thomas Cardif die Bank der Galaktischen Händler. Schweigend bahnte sich die Gruppe durch die große Menschenmenge in der Vorhalle ihren Weg. Cokaze kannte sich hier aus. Er hielt auf den kleinen Antigravlift zu, der vom Publikum kaum benutzt wurde. Acht Springer und ein desertierter Offizier der Solaren Raumflotte wurden abwärts getragen. In einem pompös eingerichtet en Raum mußten sie warten. Der Bankangestellte, der nach den Wünschen des Patriarchen Cokaze gefragt hatte, war mit der Bemerkung gegangen, daß Atual und Ortece wohl kaum Zeit haben dürften, sie zu empfangen. Die Springer warteten mit Gelassenheit und unheimlich wirkender Ruhe. Thomas Cardif, der nichts von innerlicher Erregung verspürte, bewunderte diese schweigenden Menschen. Eine Tür in der Seitenwand öffnete sich lautlos, und ein in seinem Aussehen typischer Springer, in ein togaähnliches, gelbes Gewand gekleidet, trat auf Cokaze zu. "Patriarch?" sagte der Springer fragend und beugte leicht den Kopf. "Atual?" entgegnete Cokaze in fragendem Ton und machte dazu dieselbe Kopfbewegung. "Ortece erwartet uns!" Cokaze nickte, als hätte er nichts anderes erwartet. Aber so konnte nur der reichste Sippenchef unter den Galaktischen Händlern denken. Er folgte Atual, drehte sich bei den ersten Schritten um, sah Thomas Cardif an und winkte ihn zu sich. "Bleib an meiner Seite, Arkonide!" Atual hatte es gehört. Überrascht wandte er sich um. Bei der Begrüßung hatte er sich nur an Cokaze gewandt, aber jetzt sah er neben dem Patriarchen - Perry Rhodan! "Das ist ja Rhodan, Springer!" Der Patriarch lachte dröhnend und schob Thomas Cardif auf Atual zu. "Mit Rhodan hat er schon etwas zu tun, Atual! Hier, sehen Sie sich Rhodans Sohn an, dessen Mutter eine Fürstin von Arkon war!" Atual, noch einen Kopf größer als der Patriarch, glatzköpfig, was bei den Springern selten zu beobachten war, musterte den Terraner scharf. "Rhodans Sohn?" sagte er, und nun sah er Cokaze abwägend an. "Ich glaube, Ortece und ich werden heute unseren Tagesplan nicht einhalten können." "Das weiß man bei euch Bankleuten nie", entgegnete Cokaze. Atual, seit einunddreißig Jahren mit Ortece gemeinsam Chef der Bank, erwiderte nichts auf diese Anspielung des Patriarchen. Wenig später saßen die Springer und Cardif diesen beiden mächtigen Männern gegenüber. "Wir haben Ihre gefährliche Meldung auch gehört, Patriarch, und uns nur gewundert, daß Sie sich auf dieses Spiel einlassen konnten", hielt Ortece, der im Gegensatz zu Atual zierlich gebaut war, dem Sippenchef vor. "Deswegen bin ich zu Ihnen gekommen", fiel Cokaze ihm ins Wort. "Neben mir sitzt Rhodans Sohn. Das sollte Ihnen zu denken geben. Sie wissen auch, daß ich direkt aus dem Solaren System komme. Ich habe es bedingungslos geräumt, bevor mir Arkons Robotraumer Schwierigkeiten machen konnten, die plötzlich wieder in Rhodans Machtbereich auftauchten." "Cokaze, Sie verschwenden viele Worte. Dafür haben wir keine Zeit!" machte ihn der unauffällig aussehende Ortece aufmerksam. "Sie werden gleich sehr viel Zeit für mich haben, ich bin meiner Sache sicher, Ortece!" entgegnete Cokaze mit leichter Schärfe in der Stimme. "Es dürfte Ihnen entgangen sein, was ich gerade sagte: Ich habe Rhodans Machtbereich mit all meinen Schiffen geräumt, bevor mir Arkons Robotraumer Schwierigkeiten bereiten konnten! Ortece, die Sippe des Patriarchen Cokaze hat noch nie eine Welt, die von ihren Schiffen besetzt war, freiwillig geräumt! Arkons Schiffe, die plötzlich im Solaren System auftauchten, hatten aber als Kommandanten Terraner an Bord..." Ortece unterbrach ihn abermals. "Sie haben schon besser gesprochen, Patriarch! Wir werden uns bald verabschieden müssen, um mit dem Ausschuß über eine Anleihe der Gutha-Welt zu verhandeln ..." Cokaze beugte sich zu Ortece vor. "Sie werden absagen. Sie werden mit Atual hierbleiben. Wollen Sie wegen einiger lumpiger Milliarden die Gelegenheit verpassen, uns Springer an die Stelle der Arkoniden treten zu lassen? Der Große Koordinator hat nichts mehr zu sagen. Ein gewisser Atlan beherrscht das Imperium! Wer konnte diesem unbekannten Usurpator schon behilflich sein, den Großen Koordinator zu überlisten und auszuschalten? Bedarf es dieser Frage noch? Da sitzt der Sohn dieses Mannes - Perry Rhodans Sohn - und mit einer Handvoll Männern brachte Rhodan es fertig, diesen Atlan zum Herrscher über uns alle einzusetzen." Cokaze stutzte und sah Ortece scharf an. "Bitte?" fragte er dann kurz. Ortece spreizte gelangweilt die Hände. "Wir sind Finanzleute, Patriarch. Jedesmal, wenn wir in eine Verhandlung treten und Geld geben sollen, legt man uns Unterlagen vor, aber man speist uns nicht mit Worten ab. Ich glaube, daß wir uns nichts mehr zu sagen haben." Eiskalt erwiderte der Sippenchef: "Ich glaube, es ist vor allen Dingen angebracht, daß Sie sich mit den letzten Meldungen vertraut machen, Ortece!" Das klang wie ein Ultimatum. Atual zuckte leicht zusammen und sah seinen Kollegen vielsagend an. Ortece blieb sachlich. Ruhig entgegnete er: "Diese Nachrichten, auf die Sie anspielen, sind uns bekannt. Ist es Ihnen etwas Neues, daß der Geldmarkt auf jede politische Erschütterung sofort reagiert, Cokaze?" "Ist Ihnen bekannt, daß mich die Aras aufgefordert haben, mich morgen auf Aralon mit dem Rat der Zehn zusammenzusetzen? Nun gut, wenn Sie nicht bereit sind, als Galaktische Händler für ein großes Händlerimperium etwas einzusetzen, dann muß ich mich mit den Aras liieren. Aber ich glaube, jetzt haben wir wirklich genug gesprochen!" Eine Stunde später befand sich die Springergruppe mit Cardif wieder einmal auf der COK II. Zu der ergebnislosen Unterredung in der Bank hatte sich der Patriarch nicht geäußert. Die inzwischen eingelaufenen Meldungen las der Alte und schob sie Thomas Cardif zu. Er hatte inzwischen erkannt, daß er diesen jungen Terraner nicht als Mittel zum Zweck benutzen konnte. Dieser Deserteur der Solaren Raumflotte war auch nicht der Mann, der sich mißbrauchen ließ. Von ihm stammte der Vorschlag, per Hyperfunk die gesamte Milchstraße von dem Regierungswechsel auf Arkon zu unterrichten, nachdem er begriffen hatte, welche Chancen der Patriarch für die Galaktischen Händler in diesem heimlichen Umsturz sah. Cokaze hatte gezögert. Da s Risiko war zu groß erschienen. Aber Cardifs Argumente waren bestechend. "Funken Sie ununterbrochen diese Neuigkeit über Hyperkom hinaus!" hatte Thomas Cardif fanatisch verlangt. "Wiederholen Sie die Meldung immer wieder, daß ein Atlan der neue Herrscher über das Große Imperium ist. Hämmern Sie es der Milchstraße ein, Cokaze! Fliegen Sie nicht sofort nach Archetz. Bleiben Sie mit Ihrer Flotte im Raum und schüren Sie von dort aus das Feuer! Sie werden einen Weltraumorkan auslösen, und die Galaktischen Händler werden aufstehen gegen diesen Usurpator Atlan und ihn hinwegfegen! Aber warten Sie auch nicht zu lange, denn Sie wollen ja keinen Torso besitzen. Sie wollen anstelle der Arkoniden das Sternenreich in seiner vollen Ausdehnung in Ihre Macht bekommen! Darum müssen Sie zuschlagen können, wenn die ersten Kolonialvölker versuchen, sich aus dem Verband des Großen Imperiums zu lösen! Atlan wird Ihnen den Beweis liefern, daß er der neue Herrscher ist! Und er wird Ihnen damit den Beweis liefern, gezwungen durch die sich entwickelnden Katastrophenverhältnisse, daß er an Stelle des Großen Koordinators steht. Und tut er das, dann, Cokaze, dann sind die Galaktischen Händler auch Arkons Herrscher!" Cokaze der reichste Sippenchef der Springer - Cokaze, alt und erfahren, geschäftstüchtig und gerissen, skrupellos und verschlagen, wenn es sein mußte - Cokaze erschrak vor dem dämonischen Haß dieses jungen Terraners. Er durchschaute ihn. Cokaze begann sich plötzlich vor diesem Thomas Cardif zu fürchten. Der Alte, der sich nie ein Gewissen daraus gemacht hatte, neu entdeckten Welten mit intelligenter Bevölkerung seinen Willen aufzuzwingen, damit sie mit seiner Sippe einen Handelsvertrag abschlössen - derselbe Mann erkannte jetzt erst, wer Thomas Cardif war, und er mußte dazu auch einsehen, daß es für die Galaktischen Händler jetzt kein Zurück mehr gab. Thomas Cardif hatte sie alle vor seinen Wagen gespannt, um über eine Revolution im Arkonreich seinen Vater Perry Rhodan zu vernichten. Und Cokaze hatte den jungen Mann voller Grauen gefragt: "Thomas Cardif, wer sind Sie?" Und was hatte er gehört? Was hatte er gesehen? Er hatte ihn lachen hören und sich aufrichten sehen. Er hatte die stolze Erwiderung vernommen: "Ich bin Arkonide, Springer!" Damals, das alles war erst vor ein paar Tagen gewesen, hatte Cokaze den Kopf geschüttelt. "Sie sind kein Arkonide! So wie Sie ist noch nie ein Arkonide gewesen. Gäbe es im Großen Imperium nur tausend von Ihrer Sorte, ihr würdet uns zu Paaren bis in die Sternenhöllen jagen. Aber Sie sind auch kein Terraner, Cardif! Sie spielen ja mit Welten, mit Weltenreichen, um ... Cardif, Sie tun dies um Rhodan zu vernichten! Nur deshalb! Gehen Sie mir jetzt aus den Augen. Ich kann Sie nicht mehr sehen, Sie Ungeheuer." Aber dann war der Patriarch aus eigenem Antrieb zu dem jungen Mann in die Kabine getreten, den er in einer Minute tiefster Erschütterung Ungeheuer genannt hatte. Das ist ja Rhodan, hatte Cokaze gedacht, als er bei Cardif eintrat und ihn der gleiche durchdringende Blick traf, wie damals bei der Unterredung mit Perry Rhodan in Terrania. "Nun, wird aus dem Sturm schon ein Orkan, Springer?" hatte Cardif ihn wie beiläufig gefragt. "Noch nicht, aber die Aras haben schon zum drittenmal angerufen und dringend nach meinem Frachtraum verlangt. Das ist so ungewöhnlich, daß es nur bedeuten kann, daß sie mich sprechen wollen." "Cokaze, Sie werden bei diesem Geschäft um das Große Imperium nicht verdienen, wenn Sie Ihre schwache Position nicht nach allen Seiten absichern! Was sind schon Ihre viertausend Schiffe, von denen ihnen im Augenblick ohnehin nur eintausend zur Verfügung stehen? Was zählt schon Ihr Bankkonto? Was bedeutet schon Ihr Wissen, daß das Positronengehirn durch Admiral Atlan abgelöst ist? Nichts, nichts, alles nichts, so lange es nur hintereinander aufgeführt wird. Schlagen Sie Kapital daraus! Nehmen Sie mit den unzuverlässigen Kolonialvölkern Kontakt auf. Verhandeln Sie mit allen über alles, aber riskieren Sie dabei nicht Ihren Kopf. In der Politik sitzt er besonders locker, und vergessen Sie nicht, daß direkt hinter dem Sturm der Orkan kommen muß, sonst zieht dieser Atlan doch noch die Kampfflotte von der Druuf-Front ab, und ihr habt den Krieg, den ihr doch gar nicht gebrauchen könnt. Ihr wollt doch kein brennendes Imperium, ihr wollt eine reife Frucht in die Tasche stecken. Springer, dann sorgen Sie vor allen Dingen dafür, daß die Tasche für die Frucht auch groß genug ist. Haben Sie mich verstanden?" Für Cokaze war der Eindruck entstanden, daß Cardif ohne Überlegung gesprochen hatte, aber dann wieder allein in der eigenen Kabine hatte er erkannt, daß in Cardifs Ratschlägen kein Widerspruch lag. Cokaze hatte die COK III und COK IV herbeigerufen. Beide Schiffe legten längsseits an. Eine Verbindung wurde geschaffen, die ein Hinüberwechseln auf das andere Schiff ohne Raumanzug ermöglichte. Die drei starken Hyperkomstationen arbeiteten ununterbrochen. Cokaze begann, sein Netz zu spinnen. Er bemerkte nicht, daß er genau das tat, was Cardif ihm vorgeschlagen hatte, und Macht sammelte - politische Macht! Als der dritte Tag zu Ende ging, hatte der Patriarch überall seine Minen gelegt. Mehr als neunhundert Springersippen standen hinter ihm, die Aras verlangten immer noch dringend nach dem Frachtraum seiner Flotte. Über Patriarchen anderer Sippen oder durch Handelsniederlassungen der Händler auf Kolonialwelten hatte er mit diesen ebenfalls Verbindungen aufgenommen. "Nicht sich so stark exponieren!" hatte Cardif immer wieder gewarnt, und es war Cokaze manchmal unverständlich, warum er auf die Ratschläge des jungen Mannes hörte. Er begriff sich selbst nicht, aber er wußte, daß ihm Rhodans Sohn auf diesem Gebiet weit überlegen war. Jetzt saßen sie in der großen Kabine der COK II, und Cokaze schob Cardif die letzte Meldung zu. Deutlich zeichnete sich der aufkommende Sturm ab. Immer näher rückte die Stunde, in der von Arkon III aus Admiral Atlan zum Großen Imperium sprechen mußte, wollte er nicht tatenlos dem Untergang seines gewaltigen Sternenreiches zusehen. Aber die Bank der Galaktischen Händler in Titon auf Archetz meldete sich nicht. Doch Cokaze blinzelte Thomas Cardif vergnügt an. Die Minen waren gelegt, sie brauchten nur noch gezündet zu werden! Der Patriarch besaß den Zünder, und wiederum verdankte er es Cardif, jetzt im Besitz dieser Macht zu sein, die Ortece und Atual von der Bank auf die Knie zwingen mußte. Neue Meldungen kamen. Weizen war schon von Spreu geschieden. Nur Cokaze und Cardif lasen sie. Die ältesten Söhne des Patriarchen waren nur Statisten. Wie sie über ihre aufgezwungenen Rollen dachten, ließen sie sich nicht anmerken, aber, daß Thomas Cardif nicht ihr Freund war, war ein offenes Geheimnis in der Cokazesippe. Einer machte sich nichts daraus: Perry Rhodans Sohn. Er wußte, daß er noch der Stärkere war, aber er war klug genug, seine Stärke nicht auszuspielen. Immer wieder ließ er erkennen, nur des Patriarchen Ratgeber zu sein, und jeder Rat deutete auch nur darauf hin. Nach strengster Prüfung verbot es sich von selbst, Cardif andere als uneigennützige Motive zu unterschieben. Aber er war nicht umsonst Perry Rhodans Sohn. Besaß er auch nicht den untadeligen Charakter seines Vaters, so besaß er aber jenes intuitive Können, eine Entwicklung von ihrem ersten Atemzug an bis zum Finale zu übersehen und dabei nicht zu vergessen, auch jene unwägbaren Zwischenfälle mit einzukalkulieren. Er handelte tatsächlich ohne Überlegung, er handelte rein intuitiv. "Springer, sollten wir nicht Atual und Ortece jetzt mit den neuen Tatsachen bekannt machen, denn die Aras sind nach euch Springern die zweitgrößte Völkerfamilie im Arkonreich, und der Rat der Zehn fragt in einer dieser Meldungen wieder an, wann Sie auf Aralon eintreffen." "Ist es dafür nicht noch zu früh?" wagte Cokazes ältester Sohn zu fragen, unverzüglich wurde er hart zurechtgewiesen. Im nächsten Augenblick verlangte Cokaze eine Verbindung mit den beiden Leitern der Bank. Viele Minuten vergingen, bis Atuals Gesicht auf dem Bildschirm in Cokazes Kabine erschien. Der Sippenchef hielt sich mit keiner Vorrede auf. "Atual, ich spreche jetzt im Namen von achthundertsiebenundfünfzig Patriarchen, im Namen von einhundertsechsundzwanzig verschiedenen Werften, der Schwerindustrie und der Waffenfertigung. Ich spreche für alle Chefs der Überschweren. Ich sende nach dieser Durchsage einen Boten mit den erforderlichen Dokumenten ab, denen zufolge alle oben Genannten ihre gesamten Konten kündigen. Wohin die Mittel zu überweisen sind, ist aus den Dokumenten..." "Wie Sie wünschen, Patriarch", unterbrach Atual ihn ohne Erschütterung. "Wir erwarten die Dokumente!" Er nickte leicht und schaltete ab. Hinter Cokazes Rücken entstand unter seinen Söhnen Unruhe. Niemand hatte mit diesem Mißerfolg gerechnet. Springer-Bankiers schienen eben Naturen mit besonderen Eigenarten zu sein. Der Patriarch war außer sich. Thomas Cardif rauchte mit Genuß. In dieser Minute war er Perry Rhodan, wären nicht seine gelblichen Arkonidenaugen gewesen. Er lächelte amüsiert. "Wollen Sie die Dokumente nicht zur Bank bringen lassen, Springer?" Fast im gleichen Atemzug meinte er: "Wir sollten dem Rat der Zehn auf Aralon von unserer Ankunft Mitteilung machen." Vollständig im Fahrwasser des jungen Cardif schwamm der lebenserfahrene Sippenchef doch nicht. "Wir lassen Ortece und Atual bis zum Abend warten! Sie sollen an den Bluff glauben. Um so eher sind sie dann bereit, aus ihrer Reserve zu treten, und ich ... ich könnte bis dahin noch einige Verbindungen aufnehmen!" Cokaze bewies sein Format, mit Recht der reichste Patriarch des arkonidischen Imperiums zu sein. Verhandlungen verstand er zu führen; seinen Worten den Anstrich unbedingter Glaubwürdigkeit zu verleihen, mußte ihm wohl angeboren sein. Immer wieder hatte er früher schon seine Söhne darauf hingewiesen, daß man mit taktischen Lügen alles verspielen, aber nie Reichtum gewinnen könnte. Cokaze schaffte es, vier Großindustrielle an einem vereinbarten Ort zu treffen. Er verhandelte mit ihnen. Als er drei Stunden später wieder auf der COK II eintraf, reichte er Thomas Cardif neun weitere Dokumente zur Einsichtnahme. "Cokaze, zum erstenmal in meinem Leben bewundere ich einen Galaktischen Händler!" sagte Thomas Cardif impulsiv und streckte ihm nach Terranersitte die Hand entgegen. Der Patriarch hatte diesen Brauch auf der Erde erlebt und oft darüber gespottet, doch jetzt ergriff er, ohne zu zögern, Cardifs Hand und erwiderte den festen Druck. Cokazes Gesicht strahlte. Er freute sich über Cardifs ehrliche Begeisterung. * Zur selben Zeit zuckten Telekom-Kurzimpulse zwischen Arkon und Terra hin und her. Diesen Funkverkehr zu belauschen und die Kurzimpulse auf ihre normale Zeitlänge zu strecken, war unmöglich. Dazu strahlten die Antennen sie auch noch zerhackt und verschlüsselt ab. Aber ohne merkbaren Zeitverlust kamen sie bei Rhodan und Atlan im Klartext aus dem Hyperfunklautsprecher. "Aber das ist noch nicht alles, Admiral", sagte Rhodan ins Rillenmikrophon. "Ich sehe es dir an. Also?" Über die Entfernung von 32000 Lichtjahren blickte Atlan den Freund an. "Stimmt, Perry! Ich habe dir noch nicht alles mitgeteilt, und jetzt tut es mir leid, daß ich es gerade dir sagen muß: Hinter all diesen Machenschaften steckt Thomas Cardif. Er ist der Stratege!" "Thomas Cardif?" unterbrach Rhodan den Arkoniden scharf und auch ungläubig. "Er ist gerade erwachsen und..." Von Arkon, aus dem riesigen Kuppelsaal der Mammutpositronik, kam schweres Atmen. Der farbige Bildschirm vor Rhodan zeigte einen kopfschüttelnden Atlan. Jetzt ging das Kopfschütteln in Nicken über. "Perry, du hättest recht, wenn Thomas Cardif nicht dein Sohn wäre! Weißt du, welche Antwort mir die Riesenpositronik gegeben hat, als ich sie fragte: Wer steckt hinter den Umsturzbewegungen? Sie nannte deinen Namen, sie sagte: Rhodan! Aber sie sagte nicht, welcher Rhodan!" "Und du glaubst es?" fragte der Administrator schärfer, als er gewollt hatte. "Du nicht, Barbar? Im Grunde genommen dürftest du auf deinen Sohn stolz sein, wenn er nicht über den Umweg, mich davonzujagen, dich vernichten wollte! Das, Freund, wollte ich dir verschweigen, aber wir beide kennen uns wohl zu gut, als, daß der eine dem anderen etwas vorenthalten kann! Rhodan gegen Rhodan ... wer hätte das je gedacht!" Eine Pause trat ein. Schweigen herrschte. Nur das Bild blieb. Diese Funkverbindung von Arkon war angemeldet gewesen. Rhodan hatte Zeit gehabt, seine engsten Mitarbeiter kommen zu lassen. Jetzt saßen sie hinter ihm, hatten Blickfreiheit zum Schirm des Telekoms und jedes Wort gehört. Rhodan gegen Rhodan - wer hätte das je gedacht! Dieser letzte Satz klang allen in den Ohren nach, und das Erschrecken steckte noch in jedem über Atlans Information, nach der das größte Positronensystem der Galaxis den Initiator der Umsturzbewegungen im arkonidischen Imperium als einen Rhodan identifiziert hatte. Mercant, Freyt, Deringhouse, Marshall und Reginald Bull wollten es nicht wahrhaben, sie wollten nicht glauben, daß Rhodans Sohn gerade diese Fähigkeiten von seinem Vater geerbt hatte. "Perry", sagte Atlan wieder in der großen Kuppelhalle der Mammutpositronik auf Arkon III, "ich ziehe alle Kampfraumer, die immer noch unter Robotbesatzungen fliegen, von der Druuf-Front ab." "Admiral, ich an deiner Stelle würde diesmal nicht dem Rat des Computers folgen. Greifst du selbst ein, oder sei es durch Robotschiffe, dann entfachst du den Brand in deinem Imperium, der dann nicht mehr zu löschen ist. Ich habe seit deinem ersten Anruf eine Idee, aber ich muß noch warten, bis meine Wissenschaftler mit einem Teilproblem des Gesamtproblems Linearhyperantrieb fertig sind. Verstehst du mich jetzt?" Rhodan hatte sich bewußt nicht klar ausgedrückt. Er verließ sich nicht allzu sehr auf die Behauptung der Hyperfunkspezialisten, daß Sendungen dieser Art unmöglich abzuhören wären. "Verstanden, Perry", erwi derte Atlan nach kurzem Nachdenken, "aber für mich wird immer noch keine Idee daraus. Hat sie etwas mit mir und den Springern zu tun?" Rhodan lächelte nur. "Ich hoffe, eine Fliegenpatsche zu besitzen!" Von Arkon kam ein Stöhnen herüber. "Perry, ich danke in dieser Minute unseren Göttern, dir, Barbar, begegnet zu sein, doch wenn du annimmst, ich sei ein Über-Arkonide, dann danke ich dir für deinen Glauben, nur ich bin keiner. Zehntausend Jahre Erdaufenthalt scheinen mir sogar menschliche Schwächen mitgegeben zu haben: Ich beginne nämlich, schwarz zu sehen und an Bullys Daumenkuppe zu denken, und deine Fliegenpatsche ..." Im gleichen Moment wurden seine Arkonidenaugen groß. "Das...? Ewige Götter! Perry!" Jetzt sah es so aus, als versuchte Atlan über 32000 Lichtjahre hinweg Rhodan die Hände auf die Schultern zu legen. "Deine Fliegenpatsche sollen die..." Rhodan fiel ihm ins Wort. "Wir haben uns verstanden, Admiral!" "Nein, wir haben uns nicht verstanden, Barbar! Willst du den Teufel mit dem Beelzebub austreiben?" Ungewöhnlich scharf kam die Gegenfrage. Betont ruhig erwiderte Rhodan: "Ich habe von einer Fliegenpatsche gesprochen, nicht aber vom Teufel und vom Beelzebub. Mit einer Fliegenpatsche kann man unter Umständen auch zwei Fliegen zu gleicher Zeit erwischen!" "Das verstehe ich jetzt wieder nicht, Barbar. Verdammt noch mal!" "Hast du über längere Zeit mit Bully Kontakt gehabt?" fragte Rhodan gespielt harmlos zurück und erhielt dafür von Bully einen Rippenstoß. Über den Bildschirm kam Atlans Lachen. "Mein Kraftwort? Es war keins, Perry. Doch deine Idee begreife ich immer noch nicht ganz. Aber welch ein Glück für uns, daß Thomas Cardif wenigstens nicht deine Erfahrungen besitzt!" Das Gespräch zwischen Erde und Arkon ging zu Ende. Für Perry Rhodan und seine Männer begann die Arbeit. Nur Allan D. Mercant, der Chef der Solaren Abwehr, kannte den waghalsigen Plan des Administrators. Das Unternehmen Fliegenpatsche mußte aber so lange eine Idee bleiben, wie das Team 065 -Antrieb noch an der gestellten Aufgabe arbeitete. Der Mann, der dieser Arbeit so plötzlich Auftrieb gab, hieß Rabintorge, der Inder aus Lahore. 4. Vierundzwanzig Stunden später schalteten sich die Großsender des Robotgehirns auf Arkon III in die wichtigsten Hyperfunk-Nachrichtenphasen ein. Im gesamten Bereich des großen Imperiums erschien auf den Bildschirmen das typische Ankündigungszeichen der Mammutpositronik, machte dann jenem bekannten Bild des Kuppelgebäudes Platz, und danach klang die metallische Stimme des Gehirns auf. Die Stimme drohte; sie drohte nicht im Ton, nicht in ihrem Ausdruck, sie drohte mit ihrer seelenlosen Logik, in der sie sich nicht scheute, offen über die Pläne der Springer, Aras, Ekhoniden und weiterer fünfzig großer Völker innerhalb des arkonidischen Imperiums zu sprechen. Der Computer warnte nicht vor dem Chaos, die Positronik deutete es nicht einmal an. Aber sie sprach von der Druuf-Front, das jedoch in ultimativer Form, ohne eine Zeitangabe zu setzen. "... wir werden die Flotten zurückziehen. Wir werden nichts mehr tun, um den Druuf den Einflug in unser Universum zu verwehren. Wir werden unsere Flotten so auffällig langsam zurückziehen, daß die Druuf-Kampfschiffe den Weg ins Große Imperium finden müssen. Ein Imper ium, das aus sich heraus nicht mehr bereit ist, sich zu erhalten, hat jede Existenzberechtigung verloren!" Als Abschluß war dann auf allen Bildschirmen wieder die große Kuppel der Mammutpositronik zu sehen und danach das Wellenmuster. Für viele Intelligenzen im Arkonreich war es ein Menetekel! * Auf dem Rückflug von Aralon, nach der erfolgreichen Besprechung mit dem Rat der Zehn, hatten Cokaze und Thomas Cardif diese Sendung auch gehört. Sie beeindruckte wohl den Patriarchen, aber sie hinterließ in Cardif nicht einmal den Anklang einer Warnung. "Bluff!" Das war seine Meinung. "Atlan schiebt immer noch das Gehirn vor, Cokaze! Ja, hätte das Gehirn aus eigenem Impuls jetzt gesprochen, dann würde ich euch Händlern keine Chance geben. Aber heute ist das Gehirn ja nicht mehr das, was es gewesen war. Hat Atlan jetzt nicht den Beweis geliefert, daß ich Sie richtig beraten habe, als ich Ihnen vorschlug, mit den Geschwaderkommandanten an der Druuf-Front unbedingt Kontakt aufzunehmen?" Eiskalt klang seine Stimme, die Rhodans Stimme zum Verwechseln ähnlich war. Aber so kalt, so unberührt von jedem Gefühl, hatte der Vater dieses jungen Mannes noch nie gesprochen. Instinktive Abwehr zwang den Patriarchen, sich zurückzulehnen. Cardif erkannte die Bedeutung dieser Bewegung. "Ich ... das Ungeheuer, nicht wahr, Springer? Das denken Sie jetzt wieder, aber haben Sie übersehen, daß in meinem Plan keine kriegerischen Verwicklungen enthalten sind? Ich will nicht zum Ungeheuer werden, das Blut und Tränen über das Große Imperium bringt, ich will Rhodan vernichten, seinen Namen auslöschen, daß in zehn Jahren kein Mensch mehr von ihm spricht, und ich werde danach untertauchen und auch vergessen werden und bis an das Ende meiner Tage wissen, daß mein Leben einen Sinn gehabt hat. Bis jetzt ist es sinnlos." "Cardif, ist Rhodan wie Sie?" Patriarch Cokaze mußte einfach diese Frage stellen. Ein innerlicher, unwiderstehlicher Drang trieb ihn dazu. "Rhodan soll sein wie ich? Nein, Springer! Nur das Gesicht, das ich von ihm mitbekommen habe, macht uns ähnlich. Er ist Terraner, ein Konglomerat an Gefühlen, die im ständigen Widerspruch zu seinen Erkenntnissen stehen. Ich aber fühle und bin wie ein Arkonide!" Der Kaufmann sprach nun aus Cokaze. "Wollen Sie denn gar keinen Vorteil aus Rhodans Untergang ziehen?" Verständnislos blickte Cardif ihn an. "Vorteile? Für mich? Ich spiele nicht einmal mehr mit dem Gedanken, im Solarsystem sein Nachfolger zu werden. Vernichten will ich ihn, bestrafen für den Mord an meiner Mutter. Dann bin ich zufrieden, und das Wissen, daß er das erhalten hat, was er verdiente, ist mir genug. Nur, warum zwingen Sie mich immer wieder, daß ich über Rhodan und mich spreche?" "Weil Sie mir manchmal unheimlich vorkommen, und weil ich Sie, ob ich will oder nicht, manchmal bewundern muß. Sie können nicht leugnen, Rhodans Sohn zu sein, und ich, ich wäre stolz, einen Vater gehabt zu haben wie Rhodan!" Thomas Cardif sagte sarkastisch: "Für einen Galaktischen Händler sind Sie auffallend gefühlsbetont!" Lauter als sonst unterbrach die Bordverständigung das Gespräch. Der Anruf kam aus der Funkzentrale der COK II. "Herr, hören Sie sich das bitte an", gab der Funker aufgeregt durch. Die Hyperfunknachrichtenspeicherung, ein winziger Teil in der Bordpositronik, gab eine Arkonmeldung wieder. 1529 Lichtjahre von Arkon entfernt, im Dartolsystem, das aus zwei Sonnen und 36 Planeten bestand, hatten sich die intelligenten Amphibienwesen, die Rasis, wie sie sich nannten, vom Arkonidenreich getrennt. Vor einer Stunde waren über den drei von Rasis bewohnten Planeten zweihundert Arkon-Robotraumer erschienen und hatten ohne Warnung über jedem Planeten einen der vielen kleinen Monde in Gaswolken verwandelt. Ungerührt erklärte die Mammutpositronik: "Die starke Kernstrahlung hat die Amphibienwesen auf den drei Rasiswelten gezwungen, die Meere aufzusuchen und sich in ihre unterseeischen Schutzkuppeln zurückzuziehen. In einem der letzten Funksprüche erklärte die Dreibund-Regierung von Rasis, daß sie ein treuer Vasall des Großen Imperiums sei!" "Arkon schlägt zu!" stellte Cokaze mit Erschrecken fest. Cardif widersprach. "Arkon nicht, aber Atlan! Der Große Koordinator hätte die Rasiswelten zu Sonnen gemacht und damit dem Imperium gezeigt, wie unerbittlich er bestraft. Atlan jedoch hat drei winzige Monde vergasen lassen und auf die Planeten keinen Schuß abgegeben." Er beugte sich vor und sagte leiser als bisher, fast wie ein dämonischer Verführer: "Cokaze, müßte man die Galaktischen Händler nicht auf diesen Unterschied aufmerksam machen?" Als die COK II wieder auf Titons Raumhafen landete, warteten Atual und Ortece darauf, daß die Schleuse des Walzenraumers sich öffnete und die Rampe ausgefahren wurde. Atual und Ortece kamen zum Patriarchen Cokaze, der Sippenchef hatte ihnen bewiesen, daß er der stärkere war, und mit dem Generaldokument in der Tasche, nach der Aralon, die Hauptwelt der Galaktischen Mediziner, auch bereit war, alle Konten aufzuheben, hatte sich seine Position noch mehr verbessert. Ortece und Atual betrachteten das Dokument. Orteces Hände zitterten leicht, als er es an den Patriarchen zurückgab. Schwer sagte er: "Wir haben alle Vorbereitungen getroffen, Cokaze, aber wir kommen nicht umhin, noch einmal zu warnen." "Warum?" Cardif hatte diese Frage mit eisigem Unterton in der Stimme gestellt. Ortece und Atual, selbst Patriarchen zweier Sippen, die seit Jahrtausenden die Bank besaßen, zuckten zusammen und blickten verblüfft und verärgert zu dem jungen Mann. Dann sahen sie Cokaze auffordernd an. "Cardif redet und fragt für mich!" erklärte Cokaze kalt. Es war zugleich die Aufforderung, Cardifs Frage zu beantworten. Achtzehn Springer und Cardif saßen den beiden Finanzexperten gegenüber. Achtzehn Springer wagten nicht, den Argumenten dieser erfahrenen Bankiers zu widersprechen, aber ein junger Mann, der wie Perry Rhodan aussah, zerpflückte ihnen ein Argument nach dem anderen und trieb sie zum Schluß derartig in die Enge, bis Atual kleinlaut zugeben mußte, daß Cardif mit seiner Auffassung genauso gut recht haben könnte wie sie. "Also dann ist alles nur eine Frage des Risikos!" trumpfte jetzt Cardif auf, doch seine Stimme blieb beherrscht. "Die Bank kann gar kein Geld verdienen, wenn Sie die Inflation im Arkonidenreich auslösen! Doch Arkon geht darüber bankrott! Und ein wirtschaftlicher Tiefschlag wiegt schwerer als eine verlorene Schlacht! Wann lösen Sie die Inflation aus? Entscheiden Sie sich jetzt, oder wir machen von allen Dokumenten Gebrauch, und die Bank der Galaktischen Händler in Titon auf Archetz ist in einer Stunde pleite!" Seit Bestehen der Bank war noch nie in einem derartig erpresserischen Ton mit den beiden Besitzern gesprochen worden. Seit vielen Generationen rühmten sich die Sippen der Atual und Ortece, daß ihnen nur Achtung entgegengebracht worden wäre. Ein Mensch aber, der Perry Rhodans Sohn war und eine arkonidische Fürstin zur Mutter gehabt hatte, stellte sie vor die Alternative, entweder auf seinen Plan einzugehen und innerhalb des Großen Imperiums eine Inflation auszulösen oder in einer Stunde den Bankrott zu erklären. Achtzehn Springer und Atual und Ortece hatten den Schweiß auf der Stirn stehen; Thomas Cardif saß neben Cokaze und rauchte mit Genuß. Er sah dem Rauch seiner Zigarette nach. Ortece, der zierliche Springer, räusperte sich. "Morgen, Terraner! Morgen, drei Zeiteinheiten spät er, nachdem von Arkon die neuen Kurse durchgekommen sind, Terraner!" Der Ausdruck Terraner klang wie ein Fluch. Orteces Stimme bebte in ohnmächtiger Wut. Thomas Cardif drückte seine Zigarette aus. "Danke", sagte er und lächelte beide an, und er verstand di e beiden Bankiers gut, weil sie grußlos gingen. Achtzehn Springer betrachteten ihn wie eine tödliche Gefahr. Mit brüchiger Stimme fragte ihn Cokaze: "Cardif, woher haben Sie diese Kenntnisse über finanztechnische Zusammenhänge?" "Was soll ich haben?" fragte Cardif erstaunt zurück. "Ich soll Kenntnisse über Finanzdinge besitzen? Darauf kann ich keine Antwort geben, denn darüber habe ich mir bis zu den Verhandlungen mit Atual und Ortece noch nie Gedanken gemacht!" * Die GHC Company in Kapstadt war kein Schwerindustriezentrum der Afrikanischen Föderation mehr. Kraft des erweiterten Notstandsgesetzes hatte Perry Rhodan den Komplex von der Solaren Abwehr beschlagnahmen lassen. Die Durchsuchungsaktion hatte so viele Beweise verräterischer Beziehungen zu der Springersippe Cokaze erbracht, daß nicht einmal die Oppositionsgazetten der Afrikanischen Föderation wagten, gegen die Beschlagnahme zu polemisieren. Die bei Rochard, Artun und Sharkey gefundenen Ara-Toxika waren in medizinischen Labors als bisher unbekannte Gifte analysiert worden, die nach Injektion beim Menschen hypnotische oder suggestive Fähigkeiten von phänomenaler Stärke hervorriefen. Ihre besonders große Gefährlichkeit lag nicht im Toxischen, sondern in der über einem halben Jahr lang anhaltenden Wirkung. Das Solare System, in der ersten Hälfte des Jahres 2044 durch das plötzliche Auftauchen von Druuf-Raumern aus seiner trügerischen Ruhe aufgeschreckt, hatte danach die Invasion einer großen arkonidischen Robotflotte erlebt und auch Bekanntschaft mit den walzenförmigen Schiffen der Galaktischen Händler gemacht. Plötzlich vor diesen Tatsachen zu stehen und zu begreifen, daß es mit der gigantischen Macht des Solaren Imperiums doch nicht so weit her war, hatte die Menschen erregt und zu innenpolitischen Spannungen schwerster Art geführt. Rhodan war ihrer Herr geworden, die Springerflotte des Patriarchen Cokaze hatte das System wieder verlassen. Dank Atlans Großzügigkeit waren die Solaren Kampfverbände stärker denn je, aber nichts konnte darüber hinwegtäuschen, daß es innerhalb des Arkonidenreiches gefährlich laut knisterte und ein Zusammenbruch des Großen Imperiums auch den Untergang des Solaren Systems zur Folge haben mußte. Wieder lag das Schicksal der Menschen in einer Hand, und wieder wußten nur wenige davo n. Nicht einmal die Männer des Teams 065-Antrieb ahnten, warum Perry Rhodan seit Tagen drängte, daß sie mit der gestellten Aufgabe fertig wurden. Der von Frank Lemmon - dem Abteilungsleiter von F-1 in der Solaren Abwehr - entdeckte Inder Rabintorge war zum Motor des Teams geworden. Ihn selbst peitschte der Ehrgeiz zu beweisen, daß seine gewagte Hypothese richtig war. Man widersprach ihm längst nicht mehr so oft wie in den ersten Tagen. Eins der größten Computersysteme Terranias, das er angefordert hatte, gab ihm immer wieder recht, aber bevor die Positronik mit diesen einzigartigen Werten gefüttert werden konnte, mußten sie erst erarbeitet werden. Strukturerschütterungen durch Linearhyperantrieb, das war das Grundproblem, und deshalb doppelt schwer zu lösen, weil den Wissenschaftlern der Antrieb selbst bis auf einige Hinweise unbekannt war. Mitten in der Nacht wurde Perry Rhodan aus dem Schlaf gerissen. Neben seinem Bett leuchtete die Bildscheibe des Interkoms. Das dunkelhäutige Gesicht des Inders Rabintorge blickte ihn an - das Gesicht eines alten Mannes - eines Menschen kurz vor dem Zusammenbruch. "Sir, das Ortungsgerät ist fertig ..." Und Rhodan sah den jungen Inder langsam zusammenbrechen und sein Gesicht vom Bildschirm verschwinden. Einen Augenblick später hatte er Verbindung mit dem großen Krankenhaus. "Hier Rhodan! Ärztliche Alarmbereitschaft sofort mit allen Mitteln zu Trakt 18, Abteilung 065-Antrieb! Alle Männer, die dort angetroffen werden, gehören in ärztliche Behandlung. Totale Erschöpfung. Ende!" Dann wurde Bully durch Rhodans Anruf geweckt. Reginald Bulls verschlafenes Gesicht war auf der Bildscheibe sichtbar. "Du...?" sagte er mißmutig. "Willst du vielleicht wissen, wie spät es ist?" "Bully, das Ort ungsgerät für Strukturerschütterung durch Linearhyperantrieb ist fertig!" Bully war noch nicht völlig wach. "Linearhyperantrieb .." Rhodan sah über den Bildschirm, wie Bully die Augen krampfhaft schloß, sich einmal mit der Hand durch das Gesicht wischte, dabei herzhaft gähnte und dann schlagartig wach wurde. "Fertig hast du gesagt? Wer sagt mir, wie das Gerät arbeitet ...?" Hastig unterbrach ihn Rhodan. "Ich rufe gleich wieder durch." Er hatte einen Fehler gemacht. Erneute Verbindung mit der Ärztlichen Alarmbereitschaft. Er bekam zu hören, daß sie schon nach Trakt 18 unterwegs wäre. "Dann verbinden Sie mich damit!" verlangte Rhodan scharf. Einen Augenblick später meldete sich der Schweber Aeskul -6 der Ärztlichen Bereitschaft. "Hören Sie", sprach Rhodan über den Interkom hastig auf den Arzt ein. "Sie finden in 065 einen Inder zusammengebrochen. Machen Sie ihn für eine halbe Stunde wieder fit, aber nur dann wenn Sie es verantworten können. Er hat Mister Bull einige Erklärungen abzugeben!" In Rhodans Lautsprecher knackte es. Er hatte schon wieder zu Bully durchgeschaltet, aber der Bildschirm zeigte ihn nicht. "Bully ...!" rief er verärgert. Ohne Bild, über den Lautsprecher hörte er: "Perry, mach die Augen zu! Ich stehe unter der Dusche!" Rhodan wappnete sich mit Geduld. Es entspannte, und die menschliche Note, die durch Bullys Bemerkung aufgekommen war, wirkte wie eine erfrischende Brise. "Ja, und .." Reginald Bulls Gesicht kam auf den Schirm. Er war schon vollständig angekleidet. "In 065-Antrieb informiert dich Rabintorge über den neuen Orter!" * Vier Stunden später funkte Bully von der CALIFORNIA, mit der er in den Raum vorgestoßen war, nur ein Wort: Fliegenpatsche. Noch in derselben Minute startete von Terrania die DRUSUS, das 1500 Meter durchmessende Superschlachtschiff, mit Perry Rhodan, Mercant Freyt und dem größten Teil des Mutantenkorps an Bord. Weitere zweihundert Spezialisten der verschiedensten Wissensgebiete gehörten auch zu diesem Sondereinsatz, der den befremdlichen Namen Fliegenpatsche trug. Weit vor der Plutobahn warnte die DRUSUS die Meßstationen vor der Strukturerschütterung und gab zugleich die Zeit der bevorstehenden Transition durch. Nur Notfälle erlaubten eine Transition innerhalb des Systems, Perry Rhodan lachte bitter auf, als er daran dachte. Wieder einmal ging es um alles oder nichts! Dreihunderttausend Kilometer von der CALIFORNIA entfernt kam die DRUSUS wieder aus dem Hyperraum in das normale Weltall zurück. Fünf Minuten später schwebte Reginald Bull mit einigen Begleitern und einem Arbeiterrobot zur DRUSUS herüber, die längsseits lag. Der Arbeiterrobot trug das neue Spezialortungsgerät. Bully hatte nicht einmal gewagt, es selbst zu nehmen. Es wog nur einige Kilo, es war leicht und sicher zu transportieren, aber es war zur Zeit das einzige Gerät, und darum hielt Bully es für seine Pflicht, es nur einem Robot anzuvertrauen. Von der Schleuse der DRUSUS bis zur gigantischen Steuerzentrale des Superriesen benötigte er mit seiner Gruppe zehn Minuten. Im Augenblick lag kein Grund vor, besondere Eile an den Tag zu legen. Noch in der Schleuse des gewaltigen Kugelraumers hatte er über seinen Mikrokom Perry benachrichtigt und gesagt: "1625/F 13/S 27, arkonidischer Sternenkatalog!" Die Bordpositronik hatte mitgehört und eine Sekunde später schon den Stanzstreifen in den Auffangschlitz gestoßen. Die dreifache Buchstaben -Zahlengruppe war die arkonidische Bezeichnung für eine winzige, dunkelrot leuchtende Sonne, 8136 Lichtjahre von der Erde entfernt, die zwei ebenso kleine wie unbewohnte Planeten besaß. In diesem System, das in Richtung des sogenannten Korkenziehers lag, einem Arm der Galaxisspirale mit dem Aussehen eines Korkenziehers, hatte Reginald Bull mit Hilfe des neuentwickelten Spezialortungsgerätes für Strukturerschütterungen bei Anwendung des Druufschen Linearhyperantriebs jene dreitausend Druuf-Raumer geortet, die nach ihrer Flucht aus dem Solaren System bis jetzt in den Tiefen der Milchstraße verschwunden waren. Der Stanzstreifen, den Perry Rhodan nachdenklich in der Hand hielt, gab über alles Auskunft, was erforderlich war, um diese kleine, dunkelrot leuchtende Sonne, die nur ein Achtel der Größe von Sol besaß, anzufliegen. Im Augenblick befanden sich die DRUSUS und die CALIFORNIA vier Lichtjahre von der Erde entfernt. Auch das war von der Bordpositronik schon bei ihren Angaben berücksichtigt worden. Militärische Perfektion begann, sich in der großen Schiffszentrale zu entwickeln. Knapp formulierte, unmißverständliche Befehle gab Rhodan, nahm Bestätigungen von allen Seiten in Empfang und ließ sich auch nicht durch Rückfragen aus der Ruhe bringen. Als Bully mit seiner Gruppe und dem Robot, der das Spezialgerät trug, die Zentrale erreichte, befand sich die CALIFORNIA, ein hundert Meter durchmessendes Schiff der Staatenklasse, schon wieder auf dem Rückflug zur Erde. Die DRUSUS jedoch bereitete sich auf die Transition vor, die sie über 8100 Lichtjahre hinweg in die Nähe des bedeutungslosen, aber für Rhodan jetzt doppelt wichtigen kleinen Sonnensystems bringen sollte. Das Superschlachtschiff begann zu beschleunigen. Die Bordpositronik hatte den Sprung durch den Hyperraum in der einunddreißigsten Minute festgesetzt. Perry Rhodan verließ mit Bull, Mercant und John Marshall die Zentrale. Er hatte Deringhouse mit der Leitung des Kugelriesen beauftragt. Lagebesprechungen in Rhodans Kabine waren immer das Signal dafür gewesen, daß bedeutungsvolle Einsätze bevorstanden. Nur Allan D. Mercant war bisher in den Plan Fliegenpatsche vollständig eingeweiht. Lange Vorreden gab es bei dem Administrator nie. "Um Mitternacht landet die CALIFORNIA wieder in Terrania. Zu diesem Zeitpunkt haben wir uns mit der DRUSUS bis auf zehn fünfzehn Lichtjahre dem System genähert, in das sich die Druuf-Flotte zurückgezogen hat. In Terrania wartet ein Kurierboot auf unsere Nachricht, daß wir uns den beiden Planeten, auf dem die Druuf-Schiffe gelandet sind, nähern. Mit Erhalt unserer Nachricht startet der Kurier nach Arkon III zu Atlan. Der Kurier weiß nicht welche Meldungen er dem Admiral überbringt. Die Schiffspositronik enthält auch darüber nichts. Ich hoffe aber, daß Atlan sich erinnert, was ich einmal in der Zentrale eines Kugelraumers mit Ring der Nibelungen bezeichnet habe. Nur dieses Stichwort hat der Kurier zu überbringen" Rhodan sah Bully tief Luft holen. "Hast du Atemnot, Dicker?" "Komplizierter ging es nicht, Perry?" fragte er genauso freundlich zurück und schüttelte den Kopf. "Kompliziert?" wiederholte Rhodan verwundert. "Keineswegs, nur ich bin nicht gewillt, bei diesem Einsatz das kleinste Risiko einzugehen. Atlan wird sich den Ring der Nibelungen aus der Zentrale des Kurierbootes bringen lassen. Er wird dann sofort wissen, was ich ihm übersandt habe. Der Kurier fliegt danach nicht zur Erde zurück, sondern hinter uns her und wartet an einem Koordinatenpunkt, der ihm noch angegeben wird. Wir haben unterdessen mit den Druuf Verbindung aufzunehmen ..." Bully und Marshall wollten sich erheben, beide unterließen es. Bully betrachtete nachdenklich seinen Daumen. In Rhodans grauen Augen blitzte es kurz auf, dann jedoch überging er Bullys Anspielung. "Wir werden mit dem Druuf-Kommandanten zu einer Einigung kommen!" Plötzlich hatte Rhodans Stimme einen anderen Klang erhalten. Seine Behauptung, die sich unglaubwürdig anhörte, verlor auf Grund seiner suggestiven Zuversicht ihren unglaubwürdigen Charakter. Bully erinnerte sich in dieser Sekunde der vielen Freundlichkeiten, die sie von den Druuf am eigenen Leibe erfahren hatten und nie mehr vergessen würden. Er hatte sie in unguter Erinnerung, und er war auch nicht der Mann, damit hinter dem Berg zu halten. "Perry, wir kommen nur dann mit dem Druuf-Chef zu einer Einigung, wenn er keine Chance mehr sieht, die nächste Sekunde noch zu erleben!" "Wie gut du die Situation der Druuf erkannt hast", sagte Rhodan mit mildem Spott, "denn die Druuf haben keine Chance mehr, jemals wieder ihr eigenes Universum zu erreichen. Die Überlappungszone zwischen ihrem Universum und unserem Einstein-Universum ist derart unstabil geworden, daß ein einfaches Hinüberwechseln von Raum zu Raum von Tag zu Tag schwieriger wird. Das wissen wir, und das weiß Atlan, aber kein anderer Mensch im Arkon-Imperium und auch ein gewisser Thomas Cardif wissen hiervon. Daß es die Kapitäne der dreitausend Druuf-Schiffe wissen, ist unser Kapital. Sie müssen inzwischen festgestellt haben, daß ihnen ihre phantastischen Hypertriebwerke nichts nützen, denn über die Geschwindigkeit führt kein Weg von unserem Raum in ihr Universum, und unsere Linsenfeldprojektoren besitzen sie auch nicht. Dazu kommt die zweite, ebenfalls für sie ungünstige Tatsache , daß sie infolge ihrer mitgenommenen Eigenzeit nur halb so schnell sind wie wir, und auch beim normalen Raumflug nur bis auf fünfzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit kommen. Die Druuf werden eines Tages errechnet haben, wo der stabile Entladungsspalt unserer beiden aneinander vorbeigleitenden Universen zu finden ist. Aber ich möchte mit dir, Bully, wetten, daß die Druuf ebenso gut wie wir heute schon wissen, in welch ferner Zukunft dieser Tag liegt, an dem sie den Punkt finden, um nach Hause zu können. Wenn dieser Tag kommt, dann ist auch der am längsten lebende Druuf schon viele Jahrzehnte vermodert." "Perry", fragte Bully in der für ihn typischen Art, "hast du nicht auch schon einmal von einem Verzweifelten gehört, der aus seiner panischen Not heraus wie ein Verrückter handelt und genau das Entgegengesetzte von dem tut, was alle erwarten. Perry Rhodan nickte ihm bestätigend zu, fragte aber dann: "Und hast du schon einmal etwas von einem Strohhalm gehört, Bully?" "Wenn wir es nicht mit Druuf zu tun hätten, dann müßte ich sagen: du hast recht. Aber die Druuf mit ihrer uns unbegreiflichen Mentalität..." "Wenn es um das Sterben geht... wenn die Angst von dem Sterben kommt, dann sind sich alle Wesen gleich, Bully. Davon gehe ich aus, wenn ich an unsere Verhandlungen mit den Druuf denke." Der Interkom wurde von der Funkzentrale eingeblendet, der aufflackernde Bildschirm zwang Rhodan, ihm seine Aufmerksamkeit zuzuwenden. "Sir, Nachrichten vom Admiral!" meldete der diensttuende Offizier der großen Funkzentrale der DRUSUS. Atlans grimmiges Gesicht sah die Männer in Rhodans Kabine an. "Perry, ich gratuliere dir zu deinem Sohn, und du wärest stolz auf ihn, wenn er auf unserer Seite stünde!" Das war die Ankündigung. Rhodan verfärbte sich leicht. "Barbar, die größte Bank des Arkonidenreiches, die Bank der Galaktischen Händlerin Titon auf Archetz hat unter Druck eines gewissen Thomas Cardif im Großen Imperium die Inflation ausgelöst! Wir haben ja auch eine Einrichtung, die eurer Börse ähnlich ist: Seit drei Stunden ist sie der Versammlungsort Verrückter, denn die stürzenden Kurse habe ich mit den Mitteln der Staatsbank nicht halten können. Mein Robotgehirn hat mir den Rat gegeben, nichts dagegen zu tun! Unsere lieben Freunde, die Aras, haben unter fadenscheinigen Gründen vorübergehend alle Medikamentenlieferungen eingestellt! Ich aber habe erfahren, daß Thomas Cardif und Cokaze mehrere Stunden lang auf Aralon, der Hauptwelt der Galaktischen Mediziner, mit dem Rat der Zehn verhandelt haben! Aus allen Sektoren des Imperiums treffen Meldungen ein, daß nirgendwo mehr ein Springerschiff landet und Waren bringt. Auf den Raumhäfen der einzelnen Welten liegen nur flugunfähige Walzenschiffe! Drei Kreuzerverbände an der Druuf-Front, die von Galaktischen Händlern geflogen wurden, haben versucht, sich nach M13 abzusetzen. Als ich davon erfuhr, hatte der automatische Robotschutz schon eingegriffen und die drei Verbände bis auf das letzte Schiff vernichtet ... dreihundertzweiundsechzig Einheiten! Nach einwandfreien Nachrichten fliegen die Überschweren Sicherungsschutz um Archetz. Die einzigen Welten, auf denen noch nicht die Revolution gärt, sind Arkon l, II und III. Die Zuverlässigkeit der Kampfschiff-Kommandanten an der Druuf-Front wird vom Robotgehirn mit 47,3 Prozent bewertet Jetzt kommt es wie ein Bumerang auf uns zurück, daß die Riesenpositronik die Robotbesatzungen an der Druuf-Front größtenteils gegen Menschen ausgetauscht hat. Wenn die Situation in den nächsten zehn Stunden sich in dem gleichen Maß verschlechtert wie bisher, dann lasse ich nach letzter Warnung den Planeten Archetz in die Luft fliegen, und schreckt das nicht ab, dann sollen sie das bekommen, was sie sich ..." Jetzt unterbrach ihn Rhodan. "Atlan, ich möchte dir raten, nicht früher etwas zu tun, als bis du von mir hörst." "Unterschätze aber deinen Sohn nicht, Perry! Ich könnte ihn bewundern. Gut, ich warte, vorausgesetzt, daß Cardif mir dazu Zeit läßt!" Rhodan konnte sich auch später nie erklären, wie er dazu gekommen war, Atlan diese Antwort zu geben: "Admiral, er läßt dir Zeit dazu!" Und Atlan auf Arkon III, allein in der Riesenkuppel der Mammutpositronik, blickte erstaunt auf und sagte nach kurzem Nachdenken: "Rhodan gegen Rhodan, Freund! Kennt er dich auch so gut, wie du ihn kennst? Und kenne ich dich so gut, daß ich das Reich meiner Väter oder Nachfahren für Stunden in deine Hände legen darf? Hast du nicht begriffen, daß unsere Freundschaft durch dich einer unvorstellbaren Belastung ausgesetzt worden ist? Was hast du mir gesagt? Admiral, Cardif läßt dir Zeit dazu! Bedenke, was ich dahinter vermuten könnte, und vergiß nicht, was das Robotsystem mir auf meine Frage geantwortet hat, wer hinter den Umsturzbewegungen stünde. Es nannte den Namen Rhodan, nur vergaß es auch den Vornamen zu erwähnen. Es hätte den Namen Thomas Rhodan alias Cardif nennen müssen! Und Bully soll mir seinen Daumen halten, aber nicht den verletzten!" Von Arkon aus war abgeschaltet worden. Perry Rhodan, der immer ein Sofortumschalter gewesen war und die Fähigkeit besaß, sich blitzschnell jeder neuen Situation anzupassen, versagte jetzt. Er blieb vor dem grau gewordenen Bildschirm stehen, um den anderen sein Gesicht nicht zu zeigen, das den Sturm in seinem Innern widerspiegelte. Ja, er hatte ihre Freundschaft der schwersten Belastungsprobe ausgesetzt! Er hatte sich mit seinem Satz, Cardif läßt dir Zeit dazu, verdächtig gemacht, mit Thomas Cardif insgeheim zusammenzuarbeiten! Jeder andere in Atlans Situation hätte auch diesen Schluß daraus gezogen, Atlan jedoch hatte nur die Frage dafür übrig: Kennt Cardif dich auch so gut, wie du ihn kennst? Aber wie war er nur dazu gekommen, diesen Satz zu sagen? Rhodan, der mächtigste Mann des Solaren Imperiums, versuchte, sich zu zwingen, an etwas anderes zu denken, aber die Gefühle in ihm waren diesmal stärker. Sie riefen nach Thomas. Der Vater rief nach seinem einzigen Sohn. Aber Thomas Cardif stand auf der anderen Seite. Es gab für ihn keinen Vater, der Perry Rhodan hieß. 5. Die dunkelrote, kleine Sonne war nur als winziger Punkt auf dem gewaltigen Rundsichtschirm der DRUSUS zu erkennen. Rhodan hatte sich mit dem Superschlachtschiff bis auf acht Lichtjahre dem System genähert. Seit Minuten lief das Funkgerät, das er bei den Einsätzen im Druuf -Universum benutzt hatte, warm. Von der Feuerleitzentrale kam Klarmeldung. Die DRUSUS befand sich in höchster Gefechtsbereitschaft. Mehr als 2200 Menschen an Bord des Kugelriesen trugen Raumanzüge. Spannung knisterte im Schiff. Vor einer halben Stunde, kurz nach der Durchführung der Transition, hatte Rhodan seine Männer in kurzen Sätzen über den Einsatz und seine Gefahren informiert. Aus Rhodans Idee war das Unternehmen Fliegenpatsche geworden, aber nur Marshall, Mercant Freyt und Bully konnten sich darunter etwas vorstellen. Jene eiskalte Ruhe, die, aus Hunderten von Einsätzen resultierend, sich die Männer zu eigen gemacht hatten, war deutlich zu spüren. Perry Rhodan tat den entscheidenden Schritt: Er war im Begriff, den Kommandanten der dreitausend Schiffe großen Druuf-Flotte anzurufen. Neben ihm schwebte Harno, das rätselhafte Kugelwesen mit den unglaublichen Fernseheigenschaften. Bevor Rhodan den Mund zum ersten Wort seiner Botschaft an die Druuf öffnete, machte Harno den quadratisch klobigen Körper des über drei Meter großen Druuf-Kommandanten sichtbar. Aus dreitausend Schiffen mit ihren starken Besatzungen hatte er ihn scheinbar auf Anhieb gefunden. Braunschwarz leuchtete im Farbbild die lederartige Haut des Wesens, das ohne jeden Haarwuchs war. Vier Augen und der Dreieckmund machten den nasen- und ohrlosen Kugelkopf, der einen halben Meter durchmaß, nicht schöner. Aber Rhodan und seine Männer waren den fremdartigen Anblick der Druuf gewohnt. Perry zögerte mit seinem Anruf, als er durch Harno den Flottenchef der Druuf zu sehen bekam. Er fröstelte. Mit Hilfe dieses Wesens und seiner dreitausend Kampfschiffe wollte er einen gewagten Plan durchführen, aber was geschah, wenn dieser Druuf sich von einem bestimmten Punkt an nicht mehr an die Abmachungen hielt und auf eigene Faust handelte? Gründe für diese Möglichkeiten gab es Hunderte. Menschliche Beweggründe schieden von vornherein aus. Die Mentalität der Druuf war nicht menschlich, stammten sie doch selbst von Insekten ab. Nur Zweckmäßigkeit und Furcht vor den Terranern konnten sie vielleicht veranlassen, sich genau an die Abmachung zu halten - wenn es überhaupt dazu kam. "Ortung, Sir, auf Gelb achtzehn!" meldete der Leutnant, der am Raumtaster Dienst tat. "Achtzig bis hundert Schiffe im Anflug. Geschwindigkeit 0,4 Licht; Entfernung sieben Lichtminuten!" Rhodan drehte den Kopf nach rechts. Dort stand John Marshall, Chef der Mutanten; dreißig davon, ein Teil des Korps, befanden sich an Bord der DRUSUS, dem Flaggschiff des Solaren Imperiums. Marshall gab Rhodan ein Zeichen. Sie hatten sich gerade verständigt, und auf telepathischem Wege benachrichtigte Marshall jetzt seine Gruppe, indem er sich mit dem Hypno Andre Noir in Verbindung setzte. Die Teleporter machten sich zum Einsatz bereit, einer davon war nur einen Meter groß und stellte eine Mischung von Maus und Biber dar: Gucky. Er schnallte sich den kleinen Satz wirkungsvoller Spezialbomben um. Eine Bombe in einem Schiff gezündet genügte, um daraus eine strahlende Atomsonne zu machen. Der Satz, den er sich umgeschnallt hatte, enthielt zwanzig Stück. Die menschlichen Teleporter nahmen die doppelte Menge auf ihren Rücken. Sie warteten nur noch auf den Befehl, zu springen! Aber dieser Befehl ließ auf sich warten. Die Spezialortung, die auf den Linearhyperantrieb reagierte und ihn anmaß, kündigte eine bedrohliche Lage an. Bully stand am Gerät und meldete: "Vierhundert Druuf-Schiffe mit Überlichtgeschwindigkeit aus Gelb achtzehn. Distanz etwa drei Lichttage ... Oh! Verflixt, da steckt ja noch ein Hornissenschwarm, knapp zwei Lichtstunden entfernt, sechzig Schiffe stark!" "Dann wird es Zeit!" hatte Perry Rhodan dazu zu sagen. Er schob alle anderen Mikrophone zur Seite und ließ nur das Mikrophon für den Druuf-Sender stehen. "Rhodan an Flottenchef der Druuf! Bitte, melden ..." Zehnmal wiederholte er den Ruf, dann schwieg er. Außer dem Summen von Bildröhren, Spulen und Transformern war in der Zentrale kein Laut zu hören. Aber nun klang ein Rauschen auf, das immer lauter wurde. Von der Funkzentrale aus wurde der Druuf-Empfänger auf höchste Lautstärke geschaltet, doch nur das Rauschen der unstabilen Spannungsfelder zwischen den Sternen war zu hören. Nun auch Bullys Stimme: "Die Vierhunderter-Flotte fliegt jetzt mit etwa dreißigfacher Lichtgeschwindigkeit. Hübsch schnell ..." Etwas Neid klang mit, daß Terra diesen phantastischen Linearhyperantrieb nicht besaß, der es erlaubte, sich mit Überlichtgeschwindigkeit im eigenen Weltraum zu bewegen und diese Transitionsschocks die Menschen nie mehr erleben ließ. Über Interkom meldete sich die Feuerleitzentrale. "Sir, ich habe alle Reservekraftstationen auf die Waffentürme geschaltet!" Der Feuerleitoffizier hatte sich aufgrund von Bullys Meldungen ein Bild ihrer Lage gemacht und selbständig gehandelt. Seine Information an Perry Rhodan war Routine, die sich aber schon oft als Rettung aus verzweifelter Lage erwiesen hatte. "Okay!" sagte Rhodan. Über die Bordverständigung war es in der DRUSUS überall zu hören. "Die Druuf werden noch schneller!" Jetzt klang Bullys Stimme erregt. Rhodan horchte auf. "Wie schnell?" Mißtrauisch musterte Bully den neuartigen Orter für Struktur-Erschütterungen durch Linearhyperantrieb. "Das Ding ist kaputt!" "Sichtortung!" schrie ein Offizier in der Zentrale auf und wies auf den großen Rundsichtschirm des Flaggschiffes. Fast in derselben Sekunde sprangen die Teleporter zu dem anfliegenden Pulk der Druuf-Schiffe hinüber. Aber Rhodan wußte nur zu gut, daß diesem Einsatz kein durchgreifender Erfolg beschieden sein würde. Wohl konnten Verwirrung und Unruhe unter den Druuf durch die rätselhafte Vernichtung eines Teiles ihrer Raumschiffe hervorgerufen werden, nie aber würde man dieses Volk riesiger, quadratisch klotziger Wesen dadurch zu einer Flucht der Gesamtflotte zwingen können. Deshalb wiederholte Rhodan seinen Ruf an den Oberkommandierenden der Flotte aus dem anderen Universum abermals. "Rhodan an Flottenchef der Druuf! Bitte, melden! Rhodan an Flottenchef der Druuf. Bitte, melden ..." Das Gerät ging von Senden auf Empfang. Wieder war nur das starke Rauschen unstabiler Spannungsfelder zwischen den Sternen zu hören. "Sir, wir werden eingekreist!" Wieder kam eine alarmierende Meldung. Er nickte wie geistesabwesend. Alle Vorbereitungen zu einer Blitztransition waren getroffen. Doch daran dachte er in dieser Sekunde so wenig wie an die Gefahr, die unablässig näher kam. Zuviel stand auf dem Spiel! Er mußte alles einsetzen, um auch alles zu gewinnen. "Drei Minuten, Sir ...", gab Marshall flüsternd bekannt. Vor drei Minuten waren die Teleporter gesprungen. Nach Zeitplan sollten die ersten Bomben fünf Minuten nach dem Sprung gezündet werden. Dann verblieb immer noch eine Sicherheitsfrist von fünfundvierzig Sekunden für den Teleporter, das Schiff zu verlassen. "Rhodan an Flottenchef der Druuf! Bitte, melden! Rhodan an Flottenchef der..." Über Harno hatte er das Verhalten des druufschen Oberkommandierenden beobachtet und gesehen, wie dieser nun auf seinen stämmigen Säulenbeinen kehrtmachte und auf ein Gerät zuging, das Rhodan als Funkgerät erkannte. "Rhodan, hier Uongzterdsklighf, Oberkommandierender. Was wollen Sie?" Die Namen der Druuf waren alle Wortungeheuer - weder auszusprechen noch zu behalten. Diese Erfahrungen hatten die Menschen schon bei ihrem ersten Besuch im Druuf-Universum gemacht. Deshalb unternahm Rhodan auch nicht die geringste Anstrengung, sich den Namen des Druuf- Oberkommandierenden einzuprägen. Aber beim Aufklingen der durch vorgeschaltete Zusatzgeräte hörbar gemachten Stimme des Druuf-Chefs hatte Rhodan an Marshall einen höchstwichtigen Gedanken abgestrahlt: Rufen Sie die Teleporter zurück! Keine Bombe darf zünden! Marshall brauchte nicht auf seinen Chronometer zu sehen, um zu wissen, daß es ein Wettrennen mit der Zeit wurde. Sein Agenten-Raumanzug war mit derselben Perfektion ausgerüstet worden wie die Anzüge seiner aktiven Teleporter. Blitzschnell klappte John Marshall den Helm zu, hatte mit einem Griff den winzigen aber leistungsstarken Telekom Swoonscher Konstruktion eingeschaltet und rief seine bombenlegenden Teleporter an, sofort mit allen Bomben zur DRUSUS zurückzukommen. Er hetzte den Befehl noch über die Lippen, als eine piepsende Stimme fragte! "Und was mach ich mit meiner Bombe, an der der Zünder schon arbeitet, John?" "Tu, was du kannst, Gucky!" erwiderte Marshall dem Mausbiber scharf, und von einer unheimlichen Ahnung getrieben, fragte er noch: "Wo bist du?" "Im Flaggschiff der Druuf! Wo sonst?" "Gucky, um Himmels willen, gerade da darf nichts passieren ..." Dann konnte er sich jedes weitere Wort ersparen. Am leichten Prasseln hörte er, daß Gucky über sein Telekom nicht mehr zu erreichen war. Langsam klappte Marshall wieder den Helm auf und fühlte, daß ihm der Schweiß auf der Stirn stand. In der Zwischenzeit hatte sich zwischen Rhodan und dem Druuf-Chef eine flüssige Unterredung entwickelt. Komplizierte Zusatzgeräte auf beiden Seiten ermöglichten erst die Verständigung, denn die Druuf besaßen keine Sprechorgane in unserem Sinne, sie verständigten sich untereinander auf ultrahohen Frequenzen, die außerhalb des menschlichen Hörbereiches lagen und benutzten dazu körpereigene, organische Sender und Empfänger. Immer wieder fragte der Druuf nach Rhodans Flotte. Er konnte es nicht begreifen, daß er nur ein riesiges Kugelschiff entdeckt hatte. Es war klar, daß er an die gigantische Robotflotte dachte, die ihn gezwungen hatte, nicht nur von der Eroberung des Solaren Systems abzusehen, sondern nach hier in diese unwirtliche Region der Galaxis zu fliehen. Immer wieder gab Rhodan an: "Sie warten ab, was ich befehlen werde! Meine Flotte hört unsere Unterhaltung mit!" Das war ein Bluff. Rhodan konnte nicht feststellen, ob der Druuf auf den Bluff reagierte. Doch da blitzte es zwischen den beiden stehenden Fronten grell auf, und Rhodan und der Druuf fragten gleichzeitig: "Was war das?" Gucky hätte es ihnen ausführlich erzählen können. Es war die explodierende Bombe, die eigentlich das Flaggschiff der Druuf zerstören sollte und die, nach Marshalls letztem Gegenbefehl, von Gucky mit laufendem Zeitzünder wieder aus dem Schiff geschafft worden war, um sie nach einem Teleportersprung mitten im Raum schleunigst fallen zu lassen. Daß dabei um ein Haar etwas schiefgegangen wäre, bewies Guckys Spezialanzug, der an der rechten Seite deutliche Brandspuren aufwies. Noch deutlicher war der Mausbiber in seinen Ausdrücken, als er zum Ausgangspunkt zurückgekommen war. "Und dann reiste ich mit dem Ding los. Drei Sekunden hatte ich noch bis zur Zündung! Raus aus dem Druuf-Schiff, rein in den Raum, die Bombe fallen lassen! Und als ich zur DRUSUS teleportieren wollte, da ..." Über den in wilden Flüchen sich ergehenden Mausbiber lachte kein Mutant. Jeder hatte begriffen, was Gucky riskiert hatte, und mancher war ehrlich genug, sich zu fragen: Hättest du es auch gewagt? und ebenso ehrlich, um diese Frage mit nein zu beantworten. "Die Explosion der Bombe und mein Teleportersprung müssen etwa um eine tausendstel Sekunde auseinandergelegen haben. Na, es ist noch einmal gutgegangen, aber jetzt bin ich gespannt, wie es weitergeht. Seht euch doch nur einmal an, wie komplett wir von den Druuf eingekreist sind!" Die Einsatzzentrale der Mutanten war eine verkleinerte Wiedergabe des großen Kommandostandes der DRUSUS. An Ortungsgeräten und Bildschirmen mit stufenloser Vergrößerungsoptik herrschte hier kein Mangel. Gucky hatte nicht übertrieben. Wenn die Druuf nicht wollten, dann hatte die DRUSUS bald aufgehört zu existieren, denn über zweitausend Druuf-Schiffe beteiligten sich schon an der Einkreisung, und diese Massierung machte sogar eine Standtransition zum aussichtslosen Fluchtunternehmen. Perry Rhodan ließ sich nicht anmerken, wie er über die Lage dachte. "Oberkommandierender", sprach er ruhig auf den halsstarrigen Druuf ein. "Ihre Stärke ist Schwäche. Die Existenz Ihrer Schiffe ist nur noch eine Sache von wenigen Tagen. Sie können flüchten, wohin Sie wollen: Die Spur Ihrer Flucht ist für uns nicht zu verlieren. Ihre Aussichten, zu Ihrem Volk in Ihr Universum zurückzukommen, sind gleich null. Oberkommandierender, wieviel Schiffe haben Sie zur Front geschickt, damit diese erkunden sollten, an welcher Stelle der Überlappungszone Sie am besten durchbrochen könnten? Ich will die Zahl der Aufklärungs-Raumer nicht wissen, aber ich weiß, daß nicht ein einziger zurückgekommen ist. Und jede Stunde, die verstreicht, läßt den Entladungsspalt unstabiler werden, und proportional zu seiner wachsenden Unstabilität steigt die Kampfkraft der Kriegsflotte, die Ihre Schiffe bisher daran hindern konnte, in unser Universum einzubrechen." "Worte, nichts als Worte, Rhodan!" Damit war ihm der Druuf ins Wort gefallen. "Du hast mich sprechen wollen, du hast mit mir gesprochen, und damit ist unser Gespräch zu En de." "Und dein Schicksal und das deiner Besatzungen auch, Druuf!" Rhodan hatte die Form der Anrede gewechselt, die Stimmlage aber nicht. Die Nuancen wurden von dem Zusatzgerät doch nicht in die Ultrahochfrequenzen mit übertragen. Harno, das Kugelwesen, das genau in Rhodans Blickfeld schwebte, zeigte ihm jetzt den klotzige n Druuf, der seine zum massigen Körper völlig unproportionierten feingliedrigen Finger zusammenlegte. Der Druuf schien nachzudenken. "Rhodan, was hast du zu bieten?" Wie ein Blitz aus heiterem Himmel kam diese Frage. In der Zentrale unterdrückten einige Offiziere nur mühsam einen erstaunten Ausruf. "Druuf, was bist du bereit zu geben?" Das war Rhodans massive Konterfrage, und sie machte Eindruck auf den Chef der Druuf-Flotte, wenngleich er keine menschliche Regung zeigen konnte, aber er bedeutete seinem Stab, der sich hinter ihm versammelt hatte, durch eine impulsive Armbewegung, zu schweigen. "Welche Sicherheiten haben wir, die uns garantieren, daß du uns auch die Möglichkeit verschaffst, in unser Universum zurückzufinden?" Das war die Frage, auf die Rhodan gewartet hatte und die von dem Druuf gestellt werden mußte. "Ich stelle dir doppelte Sicherheiten zur Verfügung, Druuf!" erklärte Rhodan unbewegt. "Gib einem Schiff deiner Flotte den Auftrag, bis auf hundert Kilometer an meinen Kugelraumer heranzukommen. Über deinen Raumer weise ich das Schiff auf seine Position ein. Dieses Schiff, aber nur dieses eine, wird in dein Universum einfliegen können. Es hat sich dort zu überzeugen, daß es sich tatsächlich im eigenen Weltraum befindet, und es hat von dir den Befehl mitzubekommen, danach auf schnellstem Weg wieder in dieses Universum zurückzukehren! Ich mache es möglich, Druuf, und das ist meine erste Sicherheit!" Das hundertzwanzig Mann starke Team am großen Linsenfeldprojektor im größten Hangar der DRUSUS hörte mit. Hundertzwanzig Mann warteten auf den Einsatzbefehl, den Linsenfeldprojektor einzuschalten, der mittels seiner Kraft jenes Tor zum Druuf-Universum an all den Stellen öffnen konnte, die schon einmal in einer Überlappungszone gelegen hatten. Der Zeiten- und Orterfahrplan der Überschneidungsgebiete war in den letzten Monaten in einer unvorstellbar schwierigen Gemeinschaftsarbeit von Astronomen, Physikern und Mathematikern in Terrania erstellt worden. Der Kugelkopf des Druuf schien plötzlich starr mit dem qu adratischen Rumpf verbunden zu sein. Rhodan ahnte nur, was jetzt in diesem klugen Insektengehirn vor sich ging. "Druuf, ein Angriff auf mein Schiff ist sinnlos! Beim ersten Strahlschuß vernichtet sich automatisch das Gerät, das euch die Rückkehr in euer Universum ermöglicht." Der Kommodore der dreitausend Schiffe starken Flotte überhörte die Warnung. "Und was ist deine zweite Sicherheit, Rhodan?" "Ich schicke fünf meiner Männer als Faustpfand auf dein Schiff!" Für Druufsche Vorstellungen war dieses Angebot keine zusätzliche Sicherheit, aber die klugen Druuf hatten mittlerweile erkannt, daß in diesem Weltraum bei diesen kleinen Zweibeinern eine völlig anders ausgerichtete Ethik bestand, in der die Sicherheit und das Leben des Individuums hoch bewertet wurden. "Und was habe ich zu tun, Rhodan?" fragte der Druuf, ohne Zustimmung oder Ablehnung zu dem Vorschlag zu zeigen. "Du hast nichts anderes zu tun, als mit deiner Flotte blitzartig über einem bestimmten Planeten zu erscheinen. Du erhältst das Recht, dich durch eigene Aufklärungsschiffe zu überzeugen, daß ich dich und deine Flotte nicht in eine Falle locken will. Zwei von den fünf Männern, die ich deinen Befehlen unterstelle, sollen deine Aufklärungsschiffe ohne Umweg und unter Vermeidung aller Gefahrenmomente zum Zielstern bringen." "Und was soll das Ganze, Rhodan?" "Es handelt sich um einen Einschüchterungsversuch, mit dem ich den Ausbruch einer Revolution auf unblutige Weise verhindern will ..." Der Druuf sprach dazwischen. "Rhodan, wir haben festgestellt, daß es keinen allzu großen Unterschied zwischen unserer und eurer Intelligenz gibt, aber nimmst du jetzt tatsächlich an, das könnte ich dir glauben?" Jetzt war Rhodan gezwungen, einen gefährlichen Trumpf auszuspielen. "Druuf, Ihr seid für den minder gebildeten Bewohner der Milchstraße Monster, Schreckgespenster! Der einfache Mensch fürchtet sich vor euch. Eure Raumschiffe tragen das Grauen vor sich her. Und jene Welt, die mit ihrer Revolution ein Gefahrenherd ist, wird vor Angst kaum noch zu atmen wagen, wenn nach unserer Ankündigung tatsächlich eine riesige Flotte der Druuf-Raumer über ihr erscheint. Druuf, fliegt für uns eine Demonstration der Macht und der Einschüchterung, und so wahr ich Rhodan heiße, und bei allem, was mir heilig ist... ich schwöre, daß ich deine Flotte danach durch das Tor in euer Universum zurückkehren lasse!" "Zeige mir das Tor, Rhodan. Lasse eines meiner Schiffe hindurchfliegen, und es wird von mir den Befehl erhalten, zurückzukehren, sobald es sich überzeugt hat, im eigenen Weltraum angekommen zu sein. Über das andere unterhalten wir uns nach der Rückkehr des Raumers!" "Einverstanden!" erwiderte Rhodan. "Laß ein Schiff bis auf hundert Kilometer herankommen. Die genaue Position wird noch angegeben!" Er legte die Hand auf das Mikrophon und sah zu Bully hinüber. "Ist der Kurier von Atlan schon eingetroffen?" "Hat sich mit Kurzimpuls gemeldet und wartet an der vorgeschriebenen Position, Perry. Aber traust du diesen Druuf tatsächlich über den Weg?" "Darüber sprechen wir später! Marshall, wer hat vorhin die Bombe zwischen den Schiffen hochgehen lassen?" "Gucky! Er ist um ein Haar dabei umgekommen, Sir!" sagte Marshall und versuchte, mit der letzten Bemerkung den Mausbiber in Schutz zu nehmen. Aber Rhodans wunderbares Zeitgefühl war nicht zu täuschen. Er sah Marshall scharf an. "Demnach muß Gucky die Bombe vor der vereinbarten Zeit gezündet haben?" Marshall nickte nur. Rhodan schwieg. Dem Mausbiber stand Unangenehmes bevor. Dann hatte der Administrator seine Aufmerksamkeit wieder dem Druuf-Kommandanten zuzuwenden. "Rhodan, ich schicke mein schnellstes Schiff hinüber. Siehst du es auf deinen Geräten?" Es war schon deutlich zu erkennen, denn sämtliche Schiffsscheinwerfer strahlten, und als blauweiß leuchtender Sternpunkt kam der Raumer schnell heran. * Der wirtschaftliche Zusammenbruch des Großen Imperiums drohte, das gigantische Sternenreich im Kugelhaufen M13 auseinanderzureißen. Von Stunde zu Stunde nahm die Inflation erschreckendere Formen an. Auf Befehl Arkons waren auf allen Planeten die Börsen geschlossen worden, Kursnotierungen gab es nicht mehr. Sein Geld von der Bank zu holen, war sinnlos. Dort war es auch nichts mehr wert. Die Galaktischen Mediziner hatten jetzt noch einen weiteren Grund, keine Medikamente mehr zu liefe rn; sie waren dazu nicht mehr in der Lage, selbst wenn sie es gewollt hätten, denn die Springer mit ihren Milliarden Tonnen Frachtraum flogen keine Welten mehr an. In riesigen Pulks hatten sie sich zwischen den Sternen versammelt und warteten die weitere Entwicklung ab. Auf Arkon III kam es in der Bandstraßenfertigung schon nach der zwanzigsten Stunde zur ersten Panne, weil mehr als vierzig Spezialraumer, die wichtige Zubehörteile bringen sollten, leer zurückkamen. Die Vorratspolitik des Riesengehirns hatte auch in der Zubehörfrage nicht versagt, aber durch die Tatsache, daß die Schiffe ohne Ladung zurückkamen, mußte erstmalig der Bestand angegriffen werden, der auf drei Monate zugeschnitten war. Wie bisher steuerte die Positronik die gesamte Fertigung. Atlan dachte nicht daran, ihr die Kontrollen zu entziehen, er hatte genug damit zu tun, längst überholte, gespeicherte Anweisungen durch neue zu ersetzen, die auch mit der inzwischen weitergegangenen Entwicklung harmonierten. Aber selbst die Arbeit, die keinen Aufschub duldete, konnte jetzt nicht mehr getan werden. In jeder Minute machte ihn das Robotgehirn mit neuen gefährlichen Momenten im Bereich des Imperiums bekannt. Immer deutlicher zeichnete sich ab, daß Thomas Cardif mit Hufe des Springers Cokaze eine Lawine ausgelöst hatte - einen Erdrutsch von galaktischem Format. Nachdenklich sah er jetzt auf den Ring der Nibelungen hinab, der vor ihm lag. Er erinnerte sich, Rhodans Kurier erstaunt angesehen zu haben, als dieser ihn in der Schleuse seines Bootes begrüßte, während der Himmel zur anderen Seite hin von der gewaltigen Riesenkuppel der Mammutpositronik halb verdeckt wurde. "Ring der Nibelungen?" hatte er noch einmal wiederholt und sich jener Zeiten erinnert, in der ein Günther, Hagen und Siegfried lebten und kämpften. Er hatte sie alle drei gekannt, und ausgerechnet der finstere Hagen war sein Freund gewesen. Aber damals hatte es noch keinen Ring der Nibelungen gegeben; erst die Sage hatte ihn erfunden. "Ach!" hatte Atlan dann in diesem Augenblick ausgestoßen. Sein dazugeschaltetes Extragehirn hatte ihm die Erklärung gegeben. Er war an dem verblüfften Terraner vorbeigegangen, auf die kleine Bordpositronik zu und hatte sich den kleinen, runden Ring an der Verkleidung angesehen, der normalerweise keinen anderen Zweck hatte, als bei einem Einklemmen der Verkleidung als Zuggriff zu dienen. Einmal hatte Rhodan ihn auf einen ähnlichen Griff aufmerksam gemacht und im scherzenden Ton gesagt: "Ist das nicht der Ring der Nibelungen? Wenn die Verkleidung klemmt und es gäbe ihn nicht daran, wie wollte man an die Speicherschätze der Positronik kommen?" Rhodans Kurierboot war inzwischen schon wieder gestartet und hatte Kurs auf jenes unbedeutende Sonnensystem genommen, wo die Druuf-Flotte sich auf zwei Planeten versteckt hielt. Atlan nahm den Ring in die Hand. Es war eine Spezialanfertigung. Im Kurierboot hatte er ihn spielend leicht aus der Öse lösen können, aber trotzdem einige Minuten gebraucht, bis er den Öffnungsmechanismus am Ring gefunden hatte. "Warum dieser Umstand?" fragte er gereizt und unzufrieden. Ihm gefiel Rhodans Sicherheitskomplex nicht. Er drehte nun den Ring hin und her, ein Leichtmetall mit hoher Zerreißfestigkeit. Vor hundert Jahren hatten die Menschen nicht einmal gewagt, an so etwas zu denken, heute war dieser Stoff in jedem Terranerhaushalt zu finden. "Aber ja!" Erstaunt über sich selbst schüttelte Atlan den Kopf. Plötzlich wußte er, warum der Ring aus dieser Leichtmetallegierung bestand und warum er zugleich auch der Ring der Nibelungen sein sollte. "Perry, ich muß dir Abbitte leisten! Du bist doch kein großer Romantiker, sondern der alte, prachtvolle Realist mit kleinen romantischen Ambitionen..." Ein Schnellband trug ihn zur Laborabteilung der Mammutpositronik. Er betrat den für metallurgisch-photographische Untersuchungen eingerichteten Raum. Der Ring wurde vor den Sd-Entwickler gespannt, der mit gesteuerten Magnetfeldern arbeitete und das Metallstück schichtweise abtastete, um sich bei der ersten Spur einer metallurgisch-photographischen Belichtung als Sd-Entwickler umzuschalten. Atlan nahm im Sessel Platz und sah voller Erwartung auf den Bildschirm. Zur Seite summte leise das 3d-Gerät. Plötzlich flackerte der Bildschirm auf. Der Taster im Entwickler hatte die Schicht mit Rhodans Botschaft gefunden. Atlan, durch den Zellaktivator vor der Brust seit zehntausend Jahren jung geblieben, konnte trotz all seiner Lebenserfahrung doch noch überrascht werden. Rhodan teilte ihm mit, was das Unternehmen Fliegenpatsche zu bedeuten hatte. Atlan saß kerzengerade im Sessel. Immer wieder überflog er die Botschaft. "Wenn er das fertigbringt ..." sagte der Arkonide leise vor sich hin. Bewunderung für Rhodan hatte ihn gepackt. "Barbar, ich glaube, du bist deinem Herrn Sohn doch noch etwas voraus!" Er schaltete den Sd-Entwickler wieder ab, verließ den Raum, und das Schnellband brachte ihn zurück. Die Nachrichten, die in der Zwischenzeit eingelaufen waren, konnten ihn nicht mehr überraschen. Alles steuerte unaufhaltsam dem Zusammenbruch zu. * Wieder saßen Atual und Ortece in dem Walzenraumer COK II vor dem Patriarchen Cokaze und Thomas Cardif. Wieder beschworen die beiden Finanzexperten sie, ihnen die Möglichkeit zum Eingreifen zu geben. "Morgen ist es zu spät, Patriarch! Eine Inflation kennt keine Gesetze! Ein Zusammenbruch ist nicht auf ein Kommando aufzuhalten! Bei unseren Göttern, Cokaze, hören Sie nicht länger auf den Terraner! Hören Sie auf uns!" "Dann wären wir Galaktische Händler, nie so weit gekommen, wie wir jetzt schon sind!" erwiderte ihnen Cokaze eiskalt und mit Hohn. "Die Arkoniden haben abgewirtschaftet. Diese Figur Atlan wagt sich mit der Robotflotte an kleine Kolonialvölker heran, aber es gehört etwas mehr dazu, gegen uns Galaktische Händler vorzugehen, als Robotraumer zu schicken. Arkon weiß, daß unsere Walzenraumer keine Pilgerschiffe sind, die nur auf den Schutz der Götter vertrauen." Erregt fiel Atual dem Patriarchen ins Wort: "Patriarch, spotten Sie der Götter nicht, damit uns ihr Fluch nicht trifft! Noch ist Arkon eine Realität! Noch gibt es die Druuf-Gefahr, jene Monster aus dem anderen Weltall! Noch gibt es den Regenten, und wenn er auch durch Atlan abgeschaltet ist, und noch gibt es Rhodan! Rhodan..." Cokaze brach in schallendes Gelächter aus. "Rhodan! Natürlich. Rhodan! Im Großen Imperium braucht man nur den Namen Rhodan zu nennen, und jeder glaubt, die Sternenteufel stünden schon hinter der Tür. Ich habe ihn kennengelernt! Ich weiß, wie groß seine Macht ist! Uns, das Große Imperium, hat er Jahrzehnte zum Narren gehalten! Nur er selbst ist Macht!" "Sagte ich es nicht?" brauste Atual auf. Für einen Bankier legte er ein erstaunliches Temperament an den Tag. "Und wer sitzt neben mir, Atual?" fragte Cokaze voller Hohn. "Doch sind Sie gekommen, um uns zu sagen, daß Sie Angst haben?" Ortece, der zierliche Mitarbeiter der Bank der Galaktischen Händler in Titon auf Archetz, der sich bisher kaum geäußert hatte, mischte sich nun ein: "Das Imperium, und das sind auch wir. Sie, Patriarch und der ärmste Springer, hat bis jetzt über ein Drittel seines Vermögens verloren!" Langsam erhob sich Thomas Cardif. Seine Arkonidenaugen strahlten in gelblichem Feuer, aber das Strahlen verbreitete Kälte. Ein spöttisches Lachen gab seinem Mund einen befremdenden Zug. "Sie haben heute schon so viel geredet, aber kein einziges Mal die Frage angeschnitten, warum die Staatsbank von Arkon keinen Versuch gemacht hat, die fallenden Kurse durch Ankäufe zu stützen. Beantworten Sie mir diese Frage präzise, Ortece, und wir geben Ihnen die Erlaubnis, noch in dieser Stunde den wirtschaftlichen Zusammenbruch abzustoppen! Wir besitzen auch dafür Vollmachten und Dokumente!" Ortece glaubte, ein Wesen aus einer anderen Welt vor sich zu haben. Der zierlich gebaute Springer blickte hilfeheischend den Patriarchen an. In dessen Augen gab es weder Mitleid noch Hilfe zu finden. "Das kann ich nicht. Atual und mir ist das völlig passive Verhalten der Staatsbank von Arkon ein Rätsel." Cokazes Spott breitete sich auf seinem Gesicht immer weiter aus. Der Patriarch deutete triumphierend auf Thomas Cardif, der mit Genuß eine Zigarette rauchte und zusah, wie die Glut sich langsam am Tabak weiterfraß. "Ortece, warum war denn Cardif vor Einsetzen der Inflation in der Lage, uns, den Springerpatriarchen und dem Rat der Zehn vorauszusagen, daß die Staatsbank von Arkon nicht eingreifen würde? Wie erklären Sie sich das?" Zorn blitzte in Orteces Augen auf. "Wir sind keine Hellseher, Cokaze! Wir sind Bankiers, die ihren Beruf ernst nehmen, und keine Scharlatane." Gelassen mischte Cardif sich mit seiner Frage ein: "Wieviel verdient denn Ihre Bank, wenn Sie heute noch den Versuch machen, die Inflation abzustoppen, die Werke wieder zu arbeiten beginnen, die Springerflotten von einem Planeten zum anderen Ware schaffen? Wieviel Billionen?" "Können wir den Gewinn uns nicht teilen?" fragte Cokaze sarkastisch und sah die beiden Männer eindringlich an. Zwei Minuten später waren sie allein. Fast fluchtartig hatten die reichsten und einflußreichsten Bankiers des Großen Imperiums Cokazes Walzenraumer verlassen. "Diese Sc hurken ..." rief der Patriarch hinter ihnen her und schüttelte den Kopf. Fragend blickte er Cardif an. "Ich weiß mit Geld umzugehen, und ich weiß auch, was ich tun muß, um es zu mehren, aber wie kann man bei einer Inflation riesige Vermögen verdienen, wenn alle anderen ihr letztes Geld verlieren?" "Das macht man so ...” begann Cardif zu erklären, als der Interkom der COK II sich einschaltete. "Herr", rief der Springerfunker seinem Patriarchen zu, "die Großsender von Arkon III melden für die nächsten Minuten eine wichtige Durchsage an. Alle Hyperfunkwellen ..." "Gib die Sendung herein, wenn sie da ist, und rede nicht so viel, wenn ich dich nicht gefragt habe. Merke dir das!" 6. Zwischen dem Druuf-Kommandanten und Perry Rhodan fand die zweite Unterredung über Funk statt. Wieder sorgte das Kugelwesen Harno dafür, daß Rhodan das quadratische Fremdwesen in seiner Schiffszentrale bei diesem Gespräch auch beobachten konnte, während der Druuf davon nichts ahnte. Der ins Druuf-Universum ausgesandte Raumer war durch das Tor, das vom Linsenfeldprojektor im größten Hangar der DRUSUS geschaffen worden war, inzwischen wieder zurückgekehrt und hatte seinem Kommodore Bericht erstattet. "Harno", hatte Rhodan das Kugelwesen gefragt, "kannst du mithören, was der Aufklärerkommandant seinem Oberkommandierenden sagt?" Harno hatte es möglich gemacht, und Rhodan hatte an dem Bericht des zurückgekehrten Druuf nichts auszusetzen. Jetzt nun gingen die Verha ndlungen weiter. "Rhodan", erwiderte soeben der Druuf, "wir sind überall sicher, wo ihr nicht seid. Du lockst uns mit dem Versprechen, daß wir in unser Universum zurückkehren können, wenn wir vorher auf deinen Vorschlag eingehen, aber tatsächlich wirst du versuchen, uns zu vernichten!" Rhodan fühlte, daß er mit Worten bei dem Druuf nicht weiterkam. Handfeste Beweise seiner Ehrlichkeit mußten beigebracht werden, aber weiche sollte er vorbringen? Der Fiktivtransmitter, die einzige Waffe dieser Art und die furchtbarste dazu, schied aus. Der Druuf durfte von der Existenz eines solchen Gerätes nichts wissen, damit sein Appetit auf die DRUSUS nicht noch größer wurde. Mehr aus dem Gefühl als aus dem Intellekt heraus entgegnete er lauter als bisher: "Druuf, du sollt est darüber nicht vergessen, daß ich dich und deine Raumschifflotte nicht zu suchen brauchte, sondern bereits auf meinem Heimatstern wußte, wo du dich versteckt hieltst! Ich hätte ebensogut mit all meinen Schiffen kommen können, und die Schlacht gegen euch Druuf wäre schon längst zu Ende! Mehr habe ich nicht zu sagen. Ich schalte jetzt ab. Wenn du mit mir reden willst, dann tu es bald!" Das war der alte Rhodan, der wieder einmal seine ganze Persönlichkeit einsetzte und kraft seiner Weitsicht fast mit hundertprozentiger Sicherheit wußte, daß der Druuf-Kommandant jetzt bereit war, seinen Vorschlag anzunehmen. In der mächtigen Zentrale des riesigen Kugelraumers kam das Gespräch wieder auf, aber kein Mann verließ seinen Platz. Immer noch war Rhodans Flaggschiff von den Druuf-Raumern von allen Seiten her umzingelt. Wenn es hart auf hart ging, dann war ihr Schicksal noch schneller besiegelt, als sich damals der Untergang des Superschlachtschiffs KUBLAI KHAN über der Welt der Exoten vollzogen hatte. "Ist die Nachric ht für Atlan zusammengestellt?" fragte Rhodan General Deringhouse. Der straffte sich unmerklich. "Ja, Sir, bis auf die Uhrzeit ..." "Die bekommen wir gleich!" wagte Rhodan zu behaupten. Darüber erlaubte sich kein Mann in der Zentrale ungläubig zu lächeln. Perry Rhodan stellte selten derartige Prognosen, wenn er sie aber abgab, dann trafen sie auch ein. "Marshall?" Der Chef des Mutantenkorps hatte neben Bully am Spezialortungsgerät gestanden. Er sah nur auf. "Teilen Sie Tako Kakuta mit, daß er als Astronaut zum Flaggschiff der Druuf abkommandiert wird. Dafür bleibt Doktor Small zurück!" "Aber Kakuta ist doch kein Astronaut!" "Dafür aber ein um so besserer Teleporter, Marshall", hielt Rhodan ihm entgegen. Bully nickte kaum merklich. Er hatte erkannt, was Perry Rhodan mit dieser Umstellung beabsichtigte, aber Marshall schien seinen schlechten Tag zu haben. "Sir, ich verstehe Sie nicht." "Dann empfehle ich Ihnen, sich Ihr Mißtrauen austreiben zu lassen. Vielleicht gibt es eine gute Therapie dafür. Haben Sie mich denn jetzt verstanden?" "Okay, Chef!" Marshall wußte selbst nicht, was mit ihm los war. Tako Kakuta, der kleine, schmächtige Japaner mit dem Kindergesicht, zuckte mit keiner Wimper, als Marshall ihm den Befehl des Chefs überbrachte. Nur Gucky, der für seinen gefährlichen Übereifer noch einem Anpfiff durch Rhodan entgegenzusehen hatte, sagte, was er dachte. "Ich weiß immer noch nicht, wen ich lieber habe: Die Topsid-Echsen, die Galaktischen Mediziner oder die Druuf: Alle schmecken mir nicht, weil sie mir alle zuwider sind, aber diese Druuf liegen mir wohl besonders am Herzen. Ich traue ihnen nicht von hier bis da über den Weg. Tako, paß nur auf unsere Sternkursregler auf und bringe sie uns heil und gesund zurück." "Du hast heute mal wieder deinen redseligen Tag, Gucky?" fragte Marshall ihn streng. "Nein", erwiderte der Mausbiber und grinste mit seinem Nagezahn, "aber ist es verboten, sich über Bullys Daumen Gedanken zu machen und..." Marshall, noch leicht über seine eigene Schwerfälligkeit verärgert, fuhr ihn an: "Mußt du Bullys Unsinn jetzt auch schon nachschwätzen?" "Was wird der sich über deine gute Meinung freuen, wenn ich dem Dicken, natürlich völlig unbeabsichtigt, verrate, wie du über ihn sprichst! Ich könnte es wahrscheinlich für immer vergessen, wenn du mir für zwei Stunden mein Fell kraulst." Das war glatte Erpressung, und Gucky wußte dies auch, aber als Mausbiber konnte er es sich leisten. Nur Marshall machte nicht mit. "Sag ihm, was du willst, mein Lieber, aber wir wollen doch einmal abwarten, wann du wieder in einen Einsatz geschickt wirst! Ich glaube, darüber fällt dir dein Hauer noch aus!" Guckys Nagezahn, auf den er so stolz war, hatte noch kein Mensch als Hauer bezeichnet, aber noch schlimmer kam ihm Marshalls Drohung an, ihn nicht mehr in den Einsatz zu schicken. Das zu hören, war für ihn furchtbarer, als zehn Wochen ohne frische Mohrrüben zu sein. "John", bat er kleinlaut, "können wir kein Abkommen schließen?" "Mit dir Erpresser?" Aber Gucky ließ sich so schnell nicht das Wasser abgraben. "Okay, John! Dann bin ich eben ein Erpresser und du ein Verleumder! Meinst du, das wäre etwas besonders Feines?" Der Mausbiber hatte die Lacher auf seiner Seite, selbst der stille Kakuta lächelte sein geheimnisvolles Lächeln. Er war einsatzbereit und meldete sich bei Marshall zu den Astronauten ab. Er verschwand auf der Stelle. Über die Bordverständigung wartete Perry Rhodan darauf, daß der Druuf von sich aus eine Funkverbindung herstellte. Die Spannung stieg von Minute zu Minute. Der Funkraum gab während dieser Zeit Nachrichten von Großstationen arkonidischer Hyperfunksender herein. Das Große Imperium zitterte in allen Fugen, obwohl man aus jeder Nachricht herausfühlen konnte, daß es Zweckmeldungen waren, die die Unruhe noch weiter steigern sollten. Aber wenn man auch viel abstrich, so verschlechterte sich Atlans politische Lage trotzdem von Stunde zu Stunde, und der Zeitpunkt konnte nicht mehr fern sein, zu dem das Imperium nach mehr als 15000jährigem Bestehen auseinanderbrach. Da sagte Bully in eine Pause hinein: "Wenn der Druuf entdeckt, daß er Fliege und Fliegenpatsche zugleich spielen soll, na, dann ...!" Reginald Bulls Befürchtungen bestanden zu Recht. Mehrere Dinge mußten den Druuf-Aufklärungsschiffen sofort auffallen, vorausgesetzt, daß der Oberkommandierende die Raumer mit zwei terranischen Astronauten auf den Weg schickte: Einmal diese ungewöhnlich konzentrierte Sternenzusammenballung des MIS -Systems, die bei den Druuf den Verdacht aufkommen lassen mußte, es hier mit dem Staatsgebiet ihres erbitterten Gegners zu tun zu haben. Zum anderen waren auch die alarmierenden Nachrichten über Unruhen im Arkonidenreich von den Druuf nicht überhört worden. Zum dritten, und das war der Punkt, der Rhodan die größte Sorge bereitete, flogen die Überschweren um den Planeten Archetz Sicherungsschutz. Trafen die zwei Druuf-Aufklärer auf die massierte Flotte - und das kriegerische Handwerk der Überschweren mußte aus dieser Begegnung einen Angriff sich entwickeln lassen - dann war nicht nur Rhodans Plan zunichte, sondern die Druuf-Flotte, die seine DRUSUS eingekreist hatte, würde gegen ihn zum Angriff vorgehen. Der Ausgang dieses ungleichen Kampfes stand fest. Rhodan blickte sich nach General Deringhouse um. "Setzen Sie einen Kurzimpuls nach Arkon III ab. Verlangen Sie von Atlan, daß er dafür sorgt .. Nein! Senden Sie keinen Hyperfunkspruch ab. Bauen Sie in die Nachricht, welche der Kurier Atlan zu überbringen hat, ein, daß die Überschweren aus der Nähe von Archetz zu verschwinden haben. Betonen Sie, daß Atlan nach Erhalt der Nachricht drei Stunden Zeit dafür hat!" Perry Rhodan merkte nicht, daß er dem Herrn des größten Sternenreiches gegenüber einen Befehlston anwandte. In diesen Tagen sah er Atlan und sich in einem Boot sitzen, das durch eine aufgewühlte See den sicheren Hafen erreichen mußte. Versank es auf dem Weg dahin, dann gab es in Kürze kein Großes Imperium mehr, und jenes winzige Gebilde, das sich stolz Solares Imperium nannte, würde ebenfalls nicht mehr existieren. Darum spielte es jetzt keine Rolle, wer wem Befehle erteilte. Ausschlaggebend allein war, unter gegenseitigem, rückhaltlosem Vertrauen zusammen diese Krise zu meistern, ohne besonders auf Etikette und Machtabgrenzung zu achten. Rhodan war sich ebenso klar darüber, daß sein Plan Fliegenpatsche mit Strategie wenig gemein hatte; der Plan steckte voller Unbekannter. Die größte Unbekannte hieß: Thomas Cardif! Weder Atlan noch er hatten erwartet, daß es diesem jungen Menschen mit Unterstützung der Galaktischen Händler gelingen könnte, ein über 15000 Jahre bestehendes Imperium binnen weniger Tage in seinen Grundfesten zu erschüttern. Auf Atlan und Rhodans Seite stand ein einziger Vorteil: Auch Revolutionen, begleitet vom wirtschaftlichen Zusammenbruch, benötigten ihre Zeit zur Reife. Solange dieser Augenblick noch nicht eingetreten war, lag die größere Macht immer noch auf seifen des Staates, und diese Tatsache bildete im Augenblick noch das Fundament für Rhodans Plan. Atlan war weder in die Rolle des Kronprinzen gedrängt worden, noch war er das Opfer einer Haftpsychose, weil er sich als einziges Lebewesen unter der gigantischen Kuppel des Riesengehirns noch vor allen versteckt hielt. Er hatte Rhodans Warnungen eingesehen, daß es besser war, ein größeres Risiko einzugehen, als mit brutalen Machtmitteln jeden Revolutionskeim zu ersticken und damit an allen Ecken des Staates selbst Feuer anzulegen. Denn griff einmal die immer noch große und schlagkräftige Robotflotte Arkons ein, dann formierten sich die hunderttausend Walzenschiffe zu einer Front, und wie gut sie bewaffnet waren, und wie das Kräfteverhältnis Robotflotte-Springer aussah, hatte die Mammutpositronik Atlan längst angegeben. "Rhodan..." Die Stimme des Druuf klang vielen Männern in der DRUSUS-Zentrale wie ein Losungswort, das sie von unerträglicher Spannung befreite. "Druuf ..." meldete sich Rhodan ebenso kurz. "Ich bin bereit, auf deinen Vorschlag einzugehen, aber ich bin nicht bereit, zwei Raumer einzusetzen. Nur einer wird mit zwei von deinen Astronauten an Bord den Zielstern anfliegen. Doch kommt das Schiff nicht zurück oder meldet es sich auf Funkanrufe nicht mehr, dann kannst du dein Schiff gefechtsbereit machen, Rhodan!" Rhodan überhörte die Drohung. "Ich schicke ein Beiboot, das meine fünf Männer auf dein Schiff bringt, Druuf. Gib deiner Flotte Befehl, das Beiboot nicht anzugreifen!" "Ist schon erfolgt. Schicke deine Männer herüber, Rhodan. Alles weitere findet sich später!" Das Spezialfunkgerät schwieg wieder. Der Flottenchef der Druuf hatte abgeschaltet. Nur ein paar Befehle liefen durch den Kugelriesen. Vier Astronauten und der Teleporter Tako Kakuta stiegen in eine Kaulquappe, die sie zum Flaggschiff der Druuf hinüberbringen sollte. General Deringhouse saß unterdessen in der Funkzentrale und vervollständigte die Nachrichten an Atlan, die ihm auch per Kurier überbracht werden sollten. Er schüttelte verzweifelt den Kopf, als ihm ein Techniker die Meldung aus der Hand nahm und damit zu einem Gerät ging, das an keinen Sender angeschlossen war. "Grossi, nun erklären Sie mir doch noch einmal, was ich unter dem Negativ eines Funkimpulses verstehen soll. Ich begreife es einfach nicht, obwohl Sie es mir jetzt schon zum drittenmal sagen müssen ..." Der Techniker Grossi schüttelte den Kopf. "General, es ist nur durch Formeln zu erklären, und das Ganze ist eine Zufallsentdeckung. Genauer ausgedrückt: eine Kateridee! Als sie meinem Kollegen Francozetti durch den Kopf schoß und er sie uns vortrug, haben wir ihn ausgelacht. Zuletzt lachte er uns aus, denn zwei Monate später hielt er uns seine neuen Formeln unter die Nase. Eigentlich ist es Unsinn, von dem Negativ eines Funkimpulses zu sprechen, aber wir haben keinen anderen Ausdruck dafür, und weil wir ihn der Photochemie entlehnt haben, darum muß er einfach zu falschen Vorstellungen führen, und die machen den Vorgang noch unverständlicher... für einen Laien!" "Danke!" sagte General Deringhouse schmunzelnd. "Jetzt weiß ich wenigstens, daß ich Sie mit meinen Fragen in Ruhe lassen soll und welch ein großartiger Laie ich bin. Aber was ist in diesem Gerät jetzt mit meiner Meldung passiert?" Grossi, auf Sizilien geboren, hatte in Neapel sein Examen gemacht und zählte seit elf Jahren zu den Spitzenkräften, die Rhodan nach Terrania geholt hatte. Er bedauerte sich jetzt selbst, denn er hatte dem General wieder eine abschlägige Antwort zu geben. "Auch das kann ich Ihnen nicht erklären, denn wenn ich Ihnen sage, daß dieser Apparat Ihre Worte in Impulse umsetzt und das Gerät im selben Arbeitsgang davon ein Negativ anfertigt, dann denken Sie doch automatisch an Filmnegative und haben sich damit in eine Sackgasse verrannt ..." Er brachte den dünnen Stanzstreifen, der sich mit einem hellen Klick aus dem Gerät geschoben hatte, zum Automaten des Hyperfunksenders. General Deringhouse wich ihm nicht von der Seite. Er war noch nicht bereit aufzugeben. Dieser ihm bis jetzt noch unerklärliche Vorgang mußte ihm doch klarzumachen sein, denn durch dieses Negativ-Verfahren war erstmalig die Gewähr gegeben, Hyperfunksendungen auszustrahlen, die nicht entziffert werden konnten - solange dieses Verfahren der Gegenseite nicht bekannt war. Dann hatte der Hyperfunksender der DRUSUS den Negativ-Spruch dem in dreißig Lichtjahren Entfernung wartenden Kurierboot zugestrahlt. Eine Direktverbindung nach Arkon war nicht möglich, weil Atlan über dieses Gerät noch nicht verfügte. "Aber das Kurierboot besitzt es, sonst könnte Atlan mitsamt seinem Riesengehirn bis zum Jüngsten Tag darüber brüten, welche unentzifferbare Nachricht ihm unser Chef geschickt hat. - So, General, der Kurier fliegt los! Sehen Sie?" Demonstrativ wies Grossi auf den Ortungsschirm, auf dem das Kurierboot als winziger leuchtender Punkt sichtbar war. Schmunzelnd fragte Deringhouse den schwarzhaarigen Grossi: "Und Sie freuen sich nun, wenn ich die Funkzentrale verlasse, nicht wahr? Aber damit werden Sie mich auf die Dauer doch nicht los!" * Die gelbe Rusumasonne beschien achtzehn Planeten, der fünfte war die Springer-Zentralwelt Archetz. Nach Arkon-Vorbild hatten die Galaktischen Händler im Laufe der Jahrtausende, mit Ausnahme des sonnennahen Planeten Ult, alle anderen zu starken Abwehrforts ausgebaut und zum Schluß auch die vielen Monde in ihren planetarischen Befestigungsring einbezogen. Die ständig zwischen den Sternen kreuzenden Sippen hatten so lange über das Sicherheitsbedürfnis ihrer Artangehörigen gespottet, die auf Archetz seßhaft geworden waren, bis sie dann selbst einmal Archetz anfliegen mußten, um entweder wichtige Reparaturen an ihren Walzenraumern durchführen zu lassen oder sogar hier ein neues Schiff zu kaufen. Von dem Augenblick an, in dem sie festen Boden unter den Füßen hatten, begriffen sie, was allein das Wissen wert war, von waffenstarrenden Planeten und Monden beschützt zu sein. Archetz, der Infektionsherd der Umsturzbewegung und des wirtschaftlichen Zusammenbruches, hatte in den letzten Tagen noch ein übriges getan und die Überschweren veranlaßt, um die wichtigste aller Springerwelten Sicherungsschutz zu fliegen. Über Titon, der Zwölfmillionenstadt, lag die Nacht. In Cokazes Walzen raumer COK II wachten die beiden ältesten Söhne des Patriarchen. Sie hatten Thomas Cardif bei Eingang wichtiger Meldungen sofort zu wecken. Doch der größte Teil der Nacht war ohne besondere Vorkommnisse verstrichen, als sich plötzlich auf der Frequenz der Überschweren die Zentralleitstelle des starken Schlachtschiffverbandes meldete. "Wo ist Cokaze, Springer?" dröhnte die Stimme des über zehn Zentner schweren Riesen aus dem Lautsprecher, und sein vor Zorn gezeichnetes Gesicht war bis unter dem Haaransatz gerötet. "Schläft er? Dann mache ihn wach, schnell, Freund!" Cokazes ältester Sohn stürmte aus dem Funkraum der COK II. Der grobe Anruf des Überschweren hatte ihn verwirrt. Der Jüngere schaltete den Interkom ein, gleichzeitig wurde die Kabine seines Vaters und die des Terraners damit erreicht. "Wer will mich sprechen?" fragte der Patriarch verschlafen. Sein Sohn erklärte es ihm. "Ich komme!" mischte sich Thomas Cardif, hellwach, ein. Auf dem Hauptdeck trafen sie sich. Fragend und ratlos sahen sie sich an. Sie hatten keine Ahnung, was die Zentralleitstelle der Überschweren zu dieser Nachtzeit Wichtiges zu melden hatte. Heftig ließ sich der Patriarch in den Sessel vor dem Bildschirm fallen. "Onkto, was gibt es?" fragte er, jetzt sich bewußt, daß er der reichste Patriarch aller Springersippen war und es im Augenblick im Arkonreich keinen wichtigeren Mann als ihn gab. "Nicht viel", sagte der Überschwere mit seiner unwahrscheinlich tiefen Baßstimme. "Wir ziehen uns zurück, Patriarch!" " Was wollt ihr?" schrie Cokaze aufs höchste erregt ins Mikrophon. "Das ist gegen jede Vereinbarung, Onkto! Das ist Verrat!" "Unsinn", erwiderte der Überschwere grob. "Arkon hat uns unmißverständlich gedroht und verlangt ..." "Arkon ..." Brüllendes Gelächter schüttelte den sonst so beherrschten Patriarchen. "Ausgerechnet Arkon! Was ist denn Arkon noch?" "Wer steht hinter dir, Cokaze? Das Gesicht erinnert mich gut an Rhodan! Wer ist es?" übertönte der Überschwere Cokazes wütendes Gelächter. Thomas Cardif schob sich vor. Er legte Cokaze seine Hand auf die Schulter und gab dem Patriarchen damit ein Zeichen, ihm diese Verhandlung zu überlassen. "Ich bin Thomas Cardif, und meine Mutter war Thora, eine arkonidische Fürstin, Onkto! Das dürfte genügen! Was hat Arkon verlangt?" Onkto, der Chef der Zentralstelle der Überschweren, 800000 Kilometer hoch über dem Planeten Archetz in seinem Schlachtschiff, fühlte sich von diesen gelblich strahlenden, kalt leuchtenden Arkonidenaugen wie hypnotisiert. "Sind Sie derjenige, der Cokaze berät?" fragte er offensichtlich verwirrt. "Was hat Arkon verlangt? Wer hat Forderungen gestellt? Der Regent oder Admiral Atlan?" Der Arkonide sprach aus Thomas Cardif, in Geste, Ton und Auftreten war er der Prototyp, aber in seiner knappen Ausdrucksweise Perry Rhodans Sohn. Er dachte nicht daran, Onktos Frage zu beantworten. "Der Große Koordinator hat uns angerufen und unseren sofortigen Abzug verlangt, andernfalls die Robotflotte uns dazu zwingen würde." "Über welche Beweise verfügen Sie inzwischen, daß der Regent die Robotflotte schon von der Druuf-Front abgezogen hat, Onkto?" fragte Cardif drängend. Der über zehn Zentner schwere Riese riß die Augen weit auf und fluchte. Dann sagte er: "Cardif, wenn Sie es schon wissen, warum fragen Sie mich dann noch danach? Uns Überschweren genügt es, daß die Robotflotte nicht mehr an der Front ist... und mit den Druuf hat der Große Koordinator auch gedroht!" fügte er noch hastig hinzu. "Das genügt, um die tapferen Überschweren in die fernsten Winkel des Universums zu jagen?" spottete Cardif bitter, doch dieser Vorwurf behagte Onkto nun gar nicht. "Wir sind nicht dümmer und klüger als Patriarch Cokaze, der ja auch nur noch mit zehn Schiffen auf Titon liegt. Alle anderen hat er schön aus der Schußlinie herausgezogen ..." "Dann versichern Sie mir, Onkto, daß Sie den Abzug Ihrer Flotte durch keinen einzigen Funkspruch bekanntmachen! Geben Sie mir diese Versicherung nicht, dann sorge ich dafür, daß die gesamte Galaxis erfährt, warum Sie den Sicherungsschutz für Archetz aufgegeben haben ... nur weil Arkon mit seiner Robotflotte gedroht hat!" "Cardif!" erwiderte Onkto drohend, und seine Augen wurden zu Schlitzen. "Sie wissen so gut wie wir, daß die Robotflotte nicht mehr an der Front ist, und was das heißt ..." Kalt unterbrach ihn Cardif: "Ich werde es bestreiten, Onkto! Cokaze wird es ebenfalls bestreiten! Wenn die Überschweren einmal als eklatante Feiglinge bekannt sind, dann wird es um euer kriegerisches Geschäft schlecht bestellt sein. Sind Sie nicht auch meiner Ansicht, Onkto?" Der Überschwere war offenbar nicht allein in der Zentralleitstelle, denn Cardif und Cokaze hörten ihn mit ändern flüstern, verstanden aber nicht, was gesagt wurde. Jetzt kehrte sich das Gesicht des Überschweren wieder dem Bildschirm zu. "Wir gehen auf die Bedingungen ein, Cardif, und ziehen uns unauffällig zurück. Sie aber werden noch eines Tages von den Sternenteufeln geholt werden. Sie verdammter Terraner!" Das waren Onktos Abschiedsworte. Danach wurde der Schirm im Funkraum der COK II grau. Thomas Cardif zündete sich eine Zigarette an. Mit geschlossenen Augen rauchte er. Als er dann seinen Kopf Cokaze zukehrte, hörte er diesen fragen: "Die Überschweren haben nicht gelogen?" "Kein Wort!" bekräftigte Cardif. "Sie müssen durch Ortung festgestellt haben, daß die Flotte der Robotschiffe nicht mehr an der Front ist. Aber was hat das zu bedeuten, Springer? Und warum hat Arkon verlangt, daß die Überschweren keinen Sicherungsschutz mehr für Archetz fliegen? Dahinter steckt doch eine Absicht, aber welche?" Er trommelte mit den Fingern gegen die Bildscheibe des Schirms. Er tat hastige, tiefe Züge aus seiner Zigarette. Weder Cokaze noch seine beiden ältesten Söhne störten Cardif in seinen Überlegungen. Jetzt legte der Terraner die Zigarette aus der Hand und sagte: "Ich würde vorschlagen, mit der COK II noch auf Archetz zu bleiben, aber ich möchte gerne, daß die planetarischen Meßstationen von jetzt ab besonders scharf den Weltraum um das Rusuma-System beobachten, denn irgend etwas Gefährliches tut sich ... nur was?" * Von zwei weit auseinanderliegenden Punkten aus wurde der Flug des Druuf-Aufklärers verfolgt: von der DRUSUS und von Arkon III! Das neu entwickeltet, Spezialortungsgerät blieb dem Schiff aus dem anderen Weltraum ununterbrochen auf der Spur. Sein Linearhypertriebwerk entwickelte den Charakter eines unendlich langen roten Fadens, an dem der Kurs des Raumers zu verfolgen war. Der Inder Rabintorge, dessen Dynamik es zu verdanken war, daß Rhodan so schnell über ein Ortungsgerät dieser Art verfügte, hatte einmal behauptet, der Linearhyperantrieb würde eine der vier Konstanten aus der natürlichen Bettung des Raum-Zeit-Gefüges drängen und dadurch den Ortungseffekt auslösen. Dieser Behauptung war nie ernsthaft widersprochen worden. Ob sie späteren Untersuchungen standhalten konnte, blieb abzuwarten. Die Grundbedingung aber war erfüllt, nämlich, daß es ein Gerät gab, mit dem die überlichtschnellen Druuf-Schiffe zu entdecken waren. Atlan verließ sich auf den winzigen Hyperfunkpeilsender, den Kakuta bei Betreten des Druuf-Schiffes in der Schleuse hatte fallen lassen. Alle fünf Minuten gab er einen Impuls ab, der von den Antennen des Robotgehirns auf Arkon aufgefangen und in der Positronik sofort ausgewertet wurde. Eine große Sternenkarte mit einer haardünnen Leuchtbahn, die alle fünf Minuten dem Rusuma-System näher kam, zeigte dem Arkoniden auf, mit welcher unglaublichen Geschwindigkeit das Druuf-Schiff durch den Weltraum raste, dabei von Sekunde zu Sekunde immer noch schneller wurde, obwohl das Schiff schon ein Vielfaches der Lichtgeschwindigkeit erreicht hatte. Rhodan und Atlan wünschten diesem Druuf-Schiff alles Gute, wußten beide doch, was von diesem Aufklärungsflug abhing. Tako Kakuta, der Teleporter, und Doktor Brigonne, der Astronaut, wünschten es auch. Beide waren als Astronauten auf den Druuf-Raumer abkommandiert worden, mit der doppelten Aufgabe, einmal das Schiff über dem Planeten Archetz ankommen zu lassen, und zum anderen, sich sofort abzusetzen, wenn die Besatzung plötzlich feindselig gegen sie vorgehen sollte. Diese letztere Aufgabe gehörte zu Kakutas Arbeitsbereich, und der kleine Japaner mit dem Kindergesicht nahm seinen Auftrag sehr genau. Er wich Doktor Brigonne nicht von der Seite. Der aber dachte längst nicht mehr daran, daß ihm die Druuf gefährlich werden könnten. Er befand sich in seinem Element und erlebte zum erstenmal einen überlichtschnellen Flug, der wohl einen meßbaren, aber keinen körperlich spürbaren Transitionsschock auslöste. Sehr schnell hatten sich Kakuta und Brigonne auch an den Unterschied gewöhnt, daß sie in ihren Bewegungen doppelt so schnell waren wie die Druuf, die auf Grund ihrer mitgenommenen Eigenzeit jedem Wesen dieses Weltalls gegenüber im Nachteil waren. Brigonne und Kakuta verständigten sich über den Helmfunk. Ob sie sich in einer atembaren Atmosphäre befanden, hatte sie bis jetzt noch nicht interessiert. Doch in diesem Moment entstand unter den acht Druuf in der Schiffszentrale Unruhe. Ihre Armbewegungen zeigten Erregung, sie umstanden ein fremdartiges Gerät. "Brigonne , wissen Sie, was los ist?" fragte Kakuta den Astronauten und blieb noch dichter neben ihm, um bei Anzeichen der geringsten Gefahr mit Brigonne nach draußen in den Raum zu teleportieren. "Keine Ahnung." Brigonnes Stimme klang heiser, aber Tako Kakuta wußte, daß nicht Angst die Veränderung hervorrief, es konnte höchstens die Ungewißheit sein, absolut nichts zu wissen und nichts zu erkennen. Aus einer Ahnung heraus schaltete der Teleporter den in seinem Raumanzug angebrachten Druuf-Spezialsender an, der eine Verständigung mit den Fremdintelligenzen ermöglichte. Im gleichen Moment hatte er einen Druuf vor sich stehen, und über den Lautsprecher des Verständigungsgerätes hörte er dessen Worte: "Schalte ab!" Tako Kakuta ließ es sich nicht zweimal sagen, aber es stimmte ihn bedenklich. Es gab nur eine Erklärung für die Tatsache, daß die Druuf das Einschalten des Gerätes sofort bemerkt hatten: Sie peilten! Und da glaubte er auch zu wissen, wonach sie peilten: nach dem winzigen Hyperfunkpeilsender in der Schleuse! Kurz informierte er Brigonne, aber zuvor hatte er den Zerhacker vorgeschaltet. Er begann, den Druuf alles Mögliche zuzutrauen, auch, daß sie ganz genau verstanden, was zwischen ihm und Brigonne gesagt wurde. Der Astronaut hatte das unverständliche Kauderwelsch aus seinem Helmlautsprecher schnell erkannt und nach dem dritten Versuch auch den passenden Gegen-Zerhackertakt gefunden. ,Brigonne hörte sich nur den Anfang an. "Kakuta, was können wir unternehmen, daß man den Peilsender nicht findet? Atlan muß unbedingt unterrichtet bleiben. Der Chef hat es mir ausdrücklich noch einmal ans Herz gelegt!" Kakutas Kindergesicht blickte harmlos durch den Klarsichtteil des Raumhelmes. "Wollen Sie mir einmal verraten, wie ich diesen winzigen Sender in Sekunden finden soll, Doktor?" "Was tun die Druuf denn jetzt?" Brigonne ließ durchblicken, daß er sich in seiner Haut nicht mehr wohl fühlte. Drei Druuf verließen auf ihren klobigen Säulenbeinen die Schiffszentrale, aber sie gingen nicht mit leeren Händen: Alle drei trugen schwere Apparate, und jetzt war es offensichtlich, daß sie damit einen Sender anpeilten. "Brigonne, wie lange fliegen wir noch?" "Da bin ich überfragt, denn ich habe keine Ahnung, wie hoch sie beschleunigen wollen." "Aber länger als drei Stunden nicht?" fragte Kakuta hastig. "Bei unserer augenblicklichen Beschleunigung? Nein, dann sind wir schon wieder auf dem Rückflug. Hoffentlich wir beide auch!" meinte der Astronaut pessimistisch. "Dann lenken Sie diese Druuf zehn Sekunden lang ab. Sie dürfen nicht bemerken, daß ich in der Zentrale fehle. Werden Sie das schaffen?" "Was haben Sie vor, Kakuta?" "Schaffen Sie es, Doktor?" Plötzlich blitzte es in Kakutas Augen. "Natürlich. Wenn ich huste, dann..." und dahinter kam ein schweres Nicken. Der Teleporter sah keine ander e Möglichkeit mehr, die Gefahr abzuwenden, als alles auf eine Karte zu setzen. Fünf Druuf hatte Dr. Brigonne abzulenken. Zwei saßen in den plumpen Pilotensitzen, die anderen drei standen vor einem Gerät, drehten sich aber immer wieder nach den Terranern um. Tako Kakuta fühlte die Zeit verrinnen. Er war nur in der Lage, bis zu einem bestimmten Moment in die Handlung einzugreifen, um ihren Ablauf verändern zu können. Dieser Moment mußte bald kommen! Warum tat denn Brigonne nichts? Warum stand er nur herum und rührte sich nicht? Endlich ging Brigonne auf die drei zusammenstehenden Druuf zu. Von der Seite her trat er vor, aber sie beachteten ihn kaum. Oder beäugten sie ihn aus ihren Augen an der Schläfenseite des Kugelkopfes? Jetzt schaltete Brigonne das Verstän digungsgerät ein. "Druuf, ich habe noch auf eine wichtige Tatsache aufmerksam zu machen. Hier..." Er ging einfach bis zur Wand, wo sie eine Sternenkarte aufgehängt hatten und wies auf eine bestimmte Stelle. "Hier, wo diese Sternenzusammenballung ist, befindet sich ... Druuf, es ist wichtig! Hört ihr mich?' Und Kakuta hörte Dr. Brigonne husten! Das Zeichen! Er sprang und rematerialisierte in der Schleuse, wo der Hyperfunkpeiler lag. Als er aus der Rematerialisation herauskam, hielt er in jeder Hand einen Strahler. Seine Hände zitterten nicht, als er mit Thermostrahlen das Innenschott in der Schleuse verschweißte. Er zog zwei Doppelnähte so exakt, daß jeder Autogenschweißer seine Freud e daran gehabt hätte. Von unten nach oben und von oben wieder nach unten. Leise hatte er dabei vor sich hingezählt. "... fünf ... sechs ... sieben ... acht!" Bei acht war er fertig. Er riß sich auf der Stelle herum. Zwei Sekunden standen ihm noch zur Verfügung. Wieder zischten beide Thermostrahler auf, und über einem Drittel der Linie, welche die Fuge des im Schieberverschluß arbeitenden äußeren Schleusentores darstellte, legte er auch eine doppelte Schweißnaht. Das Metall, auf Zentimetertiefe verflüssigt, erstarrte langsam, als Tako Kakuta im Schutz eines leise summenden Transformers in der Zentrale wieder auftauchte. Brigonne stand immer noch vor der Sternentafel und wollte die Druuf von der Gefährlichkeit eines superstarken, rotierenden Magnetfeldes überzeugen, das genau auf dem Kurs des Schiffes lag. "Dann nicht..." hörte der Teleporter ihn über den Helmfunk sagen, nachdem Brigonne den Mutanten wieder in der Zentrale wußte. "Dann nicht ..." und er verließ wortlos seinen Platz und schaltete das Verständigungsgerät ab. * "Noch zehn Minuten", sagte Perry Rhodan halblaut zu Bully, ohne den Blick vom Spezialortungsgerät zu nehmen, "dann sind sie über dem Planeten Archetz. Ich wünschte, diese zehn Minuten wären auch schon vorbei!" Auch er ahnte nicht, was sich zu dieser Zeit in dem Aufklärungsraumer der Druuf abspielte. Die Fremdwesen hatten Dr. Brigonne und Tako Kakuta in Eisen gelegt, sie hatten auch gesagt, warum sie so handelten. Ihre Dickfälligkeit hatten sie in dem Moment aufgegeben, als für sie feststand, daß die Schleuse 3 ihres Schiffes beiderseitig auf rätselhafte Weise blockiert war. "Nur ihr könnt den Peilsender dort niedergelegt haben! Warum?" Eiskalt hatte Tako Kakuta zurückgefragt. "Welchen Peilsender? Zeigt ihn uns doch! Behauptungen kann jeder aufstellen!" Der drei Meter große, quadratische Druuf-Kommandant hatte darauf nichts mehr erwidert, aber die beiden zusätzlich zur Bewachung der Terraner abgestellten Besatzungsmitglieder mit ihren unbekannten, aber gefährlich aussehenden Waffen, besagten genug. Brigonne und Tako Kakuta dachten nicht daran, noch länger zu protestieren. Sie hatten sich scheinbar in ihr Schicksal ergeben. Das Druuf-Schiff aber raste unaufhaltsam dem Springerplaneten Archetz zu. * Das fremde Schiff war längst wieder auf rätselhafte Weise aus dem Rusuma-System verschwunden, und die auf den sechzehn anderen Planeten untergebrachten Meßstationen hatten den Alarm zurückgenommen, als sich Patriarch Cokaze und Thomas Cardif immer noch ansahen und sich ausschwiegen. Cokaze brach endl ich das Schweigen. Langsam stand er auf, sprach dabei wie ein Fluch Thomas Cardifs Namen aus und sagte: "Plötzlich glaubst du alles! Sogar diese lächerliche Drohung dieses lächerlichen Admirals!" Jetzt blieb Cardif dem Patriarchen nicht die Antwort schuldig, und er bewies damit, daß er über jene Art Mut verfügte, der persönlichen Einsatz kostete. "So lächerlich ist dieser Admiral gar nicht, Cokaze. Er ist noch einer der alten Arkoniden." "Willst du mir schon wieder erzählen, er wäre über zehntausend Jahre alt, Cardif?" Der winkte ab, ging darauf gar nicht ein. "Ich habe etwas entdeckt, Patriarch." Cokaze wurde hellhörig. "Was, Cardif?" Das Gesicht des anderen verriet ihm nichts. "Revolutionen sind nur mit der Staatsmacht, nicht aber gegen sie zu vollziehen!" Cokazes Gesicht drückte Entsetzen aus, als habe er Gespenster gesehen. Er wollte nicht begreifen, was Cardif ihm gerade gesagt hatte. Angst und Wut wurden in ihm wach. Sie, die Galaktischen Händler, hatten alles aufs Spiel gesetzt, die Aras, die Ekhoniden und die anderen großen Völker hatten sich ihrem Plan angeschlossen, und jetzt sagte dieser blutjunge Terraner, der die wahre Triebkraft zu dieser Umsturzbewegung gewesen war: Revolutionen sind nur mit der Staatsmacht, nicht aber gegen sie zu vollziehen! "Cardif, hat das dieser lächerliche Admiral mit seinem Aufruf fertiggebracht? Erinnere ich mich recht, einmal aus deinem Mund gehört zu haben, was man alles für Wunderdinge auf der Solaren Raumakademie lernt? Was ist denn jetzt noch davon vorhanden ... ein innerlich vor Angst zitterndes Bündel Terraner?" "Ach ja ... Solare Raumakademie!" Cardif lächelte, während er den wütenden Patriarchen gelassen anblickte. "Daher habe ich meine Fähigkeiten, jetzt zu erkennen, daß wir verloren haben. Ja, wir haben verloren! Rhodan und Atlan spielen im Augenblick ihren Haupttrumpf aus! Springer, willst du denn immer noch nicht begreifen, was das Auftauchen dieses einzelnen Druuf-Schiffes zu bedeuten hat? Hast du Atlans Drohung vergessen, seine Robotflotte von der Front abzuziehen? Hast du vergessen, warum die Überschweren nicht mehr um Archetz Sicherung fliegen und was sie vorher festgestellt hatten? Willst du dich nicht mehr erinnern, was ich nachdem Gespräch mit Onkto, dem Überschweren, gefordert und gesagt habe? Ich habe gefordert, die planetarischen Meßstationen anzuweisen, besonders scharf den Weltraum zu beobachten, und ich habe dazu gesagt, daß sich irgendwo etwas Gefährliches tut und dabei mich und dich gefragt: Aber was tut sich?" "Und was willst du jetzt wissen, du superkluger Terraner?" rief Cokaze wütend. "Nichts. Ich befürchte nur etwas. Ich befürchte, daß Atlan an der Front ein Loch hat entstehen lassen, um vielleicht zehn- oder zwanzigtausend Druuf-Schiffen die Gelegenheit zu geben einzufliegen ... zum Kugelsternhaufen M13, damit sie hier wie die Vandalen hausen können." "Und auf dich Narr sind wir alle hereingefallen, du armseliger Abklatsch Perry Rhodans! Perry Rhodan hat wenigstens Format, aber du...?" Es traf Thomas Cardif nicht, denn kalt erwiderte er: "Ich weiß, wann ich eine Partie verloren habe, und ich habe dann auch den Mut, daraus die Konsequenzen zu ziehen. Cokaze, wenn du noch weiterleben willst, dann gebe ich dir einen Rat: Verlasse mit der COK II sofort Archetz. Melde deine Ankunft auf Aralon an. Das macht sich nach außen gut, und warte dort die nächsten Tage ab. Mehr habe ich dir nicht zu sagen." "Und was hast du vor, Terraner? Willst du dich nach Terra absetzen?" Fast gleichgültig entgegnete der: "Ich ziehe auf eines deiner Walzenschiffe um, die du hier auf Titon beläßt, sonst könnte deine Abreise nach Aralon wie eine Flucht aussehen. Vier oder fünf deiner Raumer mußt du dem Risiko aussetzen, vernichtet zu werden." "Weißt du auch, daß dir jetzt deine Kunst herzlich wenig hilft, blitzschnell einen Strahler zu ziehen? Wenn du dich bewegst, drücke ich meinen Impulsstrahler auf dich ab!" "Cokaze, du müßtest eigentlich auch noch einen Kursus auf der Solaren Raumakademie absolvieren. Schade, du bist nur zu alt dazu! Und zu dumm!" Aber eine Stunde später startete Cokaze mit seiner COK II nach Aralon und hatte sich zuvor von Thomas Cardif verabschiedet. "Du bist ein unheimlicher Partner!" hatte er ihm als letztes gesagt und einen nachdenklichen Terraner hinterlassen. Cardif war auf die COK CCXIV gestiegen, die mit drei weiteren Schiffen der mächtigen Springersippe am nördlichen Rand des Raumhafens von Titon lag. 7. Eine Sekunde lang glaubte Perry Rhodan, in einen Abgrund zu sehen. Harno, das Kugelwesen, schwebte neben ihm, und mit seinen phantastischen Fernseheigenschaften ließ es ihn die Zentrale des Druuf-Aufklärers sehen, der gerade wieder aus dem Hyperraum herausgekommen war und jetzt mit erstaunlicher Verzögerung auf das Flaggschiff seiner Flotte einschwenkte. Hatte der Aufklärer für den Flug nach Archetz einige Stunden aufgewandt, so waren für den gesamten Rückflug ab der Wendekurve über dem Springerplaneten nur Sekunden benötigt worden. Bully am Spezialortungsgerät hatte kaum Zeit gefunden, die Ankunft zu melden, als Harno schon das Bild der Druuf-Zentrale projizierte und Rhodan zeigte, daß Brigonne und Kakuta von zwei Druuf bewacht wurden. Gleichzeitig gab das Kugelwesen Rhodan zu wissen, welche Sorgen der Astronaut und der Teleporter hatten. Der winzige Hyperpeilsender, den Kakuta in der Schleuse des Druuf-Aufklärers versteckt hatte, drohte das gesamte taktische Manöver in eine Katastrophe für die DRUSUS umzuwandeln. In seinen Gehirnwindungen hörte er Harno sagen: Der Kommandant des Aufklärers erstattet gerade dem Flottenchef Bericht und spricht fast nur über die angepeilte Station in der Schleuse drei, die sich nicht öffnen läßt. Blitzartig schoß Rhodan eine Idee durch den Kopf. Gucky mußte eingreifen. Durch den Interkom befahl er ihn in die Zentrale: "Verliere keine Sekunde, Gucky!" Von allen Seiten wurde Rhodan angestarrt Nur wenige konnten sich erinnern, den Chef jemals so erregt gesehen zu haben. Gucky stand vor dem Chef. Das ein Meter große Mausbiberwesen durchbrach ein Tabu und las kraft seiner Telepathie Rhodans Gedanken. "Klar, Perry! Aber in welchem Depot finde ich diesen Rhythmalfive?" Mit einem Griff hatte Rhodan den Interkom auf alle Räume der DRUSUS geschaltet. "Hier Rhodan! An alle Depots! Sofort durchgeben, in welchem Depot Rhythmalfive gelagert ist! Höchste Eile!" Rhythmalfive war ein Kristallkomplex, den die Arkoniden entwickelt hatten und der, einmal aufgeladen, auf Jahre hinaus in einem bis jetzt unaufgeklärten Fünfminuten-Rhythmus einen schwachen Impuls abgab, den man auf den ersten Blick ohne weiteres für einen Hyperfunkpeilton ansehen mußte. "Sir", meldete sich ein Depotverwalter, "Rhythmalfive wird im Depot 123 gelagert." Gucky hatte sich schon aus der Zentrale teleportiert und stand im Depot 123. Dort suchte man noch mit Hilfe einer kleinen Positronik. "Raus mit dem Zeug!" piepste der Mausbiber. "Vergeßt mir nicht, es aufzuladen ... und habt ihr Klebstoff hier, der durch Weltraumkräfte nicht zerstört wird? Auch her damit ... Tempo! Es geht um Kopf und Kragen!" Die Kleinpositronik warf aus, wo der Rhythmalfive gelagert war. Die Steuerung holte ihn heran. "Den kleinen Kristall da!" befahl Gucky. Dazwischen plärrte der Lautsprecher des Interkoms. Der Mausbiber gab Anleitung, wie der Kristall aufgeladen werden mußte. "Wo bleibt der Leim?" Gucky versuchte zu brüllen, aber seine Piepsstimme machte nicht mit. Man drückte ihm etwas in die Pfote, das wie Kitt aussah. "Fertig, Leutnant!" hieß es kurz darauf. Der Leutnant war Gucky, und er fühlte sich geschmeichelt, von ihm unbekannten Männern mit seinem Offiziersrang angeredet zu werden. Das Danke ersparte sich der Mausbiber. Er verschwand aus Depot 123, um in Schleuse 3 des Druuf-Aufklärers wieder zu rematerialisieren. Er schaltete den Scheinwerfer an seinem Raumanzug an, kroch auf dem Boden herum und suchte nach dem winzigen Peilsender. Minuten vergingen. Plötzlich reflektierte eine Punktstelle Guckys Scheinwerferlicht. "Endlich!" stöhnte der Mausbiber erlöst auf. Ein kurzlebiger Thermostrahl zerschmolz das gefährliche Corpus delicti. Guckys einziger Nagezahn schob sich vor. Der Mausbiber lachte zufrieden. In der nächsten Sekunde fluchte er barbarisch. Der klebende Kitt, der nicht von seiner Pfote wollte, strapazierte seine Geduld. Doch endlich klebte der Kitt am Boden, und fein säuberlich drückte Gucky den Rhythmalfive hinein. Wenn die Druuf gleich die Schleuse drei mit Gewalt aufbrachen, dann sollten sie auch den plausiblen Grund finden, wieso dieser alle fünf Minuten einen Impuls abgebende Kristall hier hineinkommen konnte. Natürlich war er von Kakuta oder Brigonne hereingebracht worden, aber konnten selbst die Insektenabkömmlinge ihnen einen Vorwurf machen, wenn sie auch noch den impertinent klebenden Kitt bemerkten? Nur Tako Kakutas Schweißnähte gefielen Gucky nicht. "Das ist ein Ding!" meinte er. "Diese Nähte müssen die Druuf ja zum Wahnsinn treiben. Doch wenn ich jetzt hier ein Loch hineinbrenne, dann drehen sie erst richtig durch und trauen sich selbst nicht mehr!" Manchmal hörte sich Gucky gerne reden. Aber er verstand es auch zu handeln, und so leicht machte er dabei keinen Fehler. Drei Löcher brannte er in das Außenschott. Im gleichen Abstand standen sie übereinander in Richtung auf die Schweißnähte. Dann machte Gucky einen winzigen Teleportersprung, klebte jetzt draußen am zerstörten Schleusentor und hielt seinen Thermostrahler kurz auf jedes Loch, damit die Metallflußbahnen von außen nach innen wiesen. "Die Druuf drehen durch!" sagt e sich Gucky mit diebischer Freude, konzentrierte sich und kam in der Zentrale der DRUSUS wieder an. "Das wäre erledigt, Perry. Soll ich berichten?" Aber bevor er damit begann, meldete sich der Anführer der Druufs. "Rhodan, mache dein Schiff gefechtsbereit!" sagte er eiskalt. "Dein verräterischer Plan war doch zu plump!" Rhodan verlangte Aufklärung. Der Druuf sprach von einem Peilsender. Rhodan bestritt und verlangte Beweise. Es überraschte, daß der Druuf bereit war, sie zu erbringen. Wieder begann das Warten, aber es war ohne Spannung. Gucky bekam Gelegenheit, seinen Bricht abzugeben. "Aber die Druuf werden sich so schnell nicht wieder melden", wagte er zu prophezeien. "Kakuta hat in der Schleuse ein paar Schweißnähte angebracht, die denen ein unlösbares Rätsel aufgeben. Und meine drei Löcher im äußeren Schleusentor besorgen ihnen den Rest. Nur möchte ich nicht der Aufklärer-Kommandant sein, der von seinem Flottenchef gleich eine dicke Zigarre verpaßt bekommt ..." Das war das Stichwort. "Gucky", unterbrach ihn Rhodan, "haben wir beide uns nicht noch etwas zu sagen? Wer war das, der den Zeitzünder einer Bombe im Flaggschiff der Druuf entgegen jeder Order zu früh betätigt hat?" "Perry", wagte der Mausbiber zu erwidern, "der Dicke hat mir einmal gesagt, ich sollte mich vor Menschen, die anderen jeden Fehler jahrelang nachtragen, sehr in acht nehmen. Meinst du, der Tip vom Dicken wäre gut?" * Arkons Großsender übertrugen Admiral Atlans zweite Botschaft. Er sprach zum zweitenmal zu den vielen Völkern des arkonidischen Imperiums. Er stellte sein Ultimatum: Unterwerfung oder Tod! "... ich lasse die Druuf kommen, damit sie über dieses morsche Staatsgebilde, das sich nicht zu einer Einheit fügen will, herfallen. Die Robotflotte von Arkon wird zusehen, wie eine Welt nach der anderen untergeht. Nehmt mein Ultimatum ernst! Vergeßt nicht, daß ich so zu handeln weiß, wie der Große Koordinator bisher mit euch verfahren ist. Rebellen stellt man überall an die Wand. Entscheidet euch, ob ihr Rebellen sein wollt oder treue Bürger des Großen Imperiums." Dreitausend Druuf-Kampfraumer rasten durch den Hyperraum auf das Rusuma-System zu. Sie waren schon unterwegs, als Atlan sein Ultimatum stellte. Ein mit ihm verabredetes Kodesignal hatte ihn darüber informiert, daß das Unternehmen Fliegenpatsche in die zweite Phase trat. Druuf-Schiffe über Archetz! Demonstration des Schreckens! Hatte Rhodan zu viel gewagt? Mußte der Plan scheitern? Er sagte nein, und die Positronik hatte ihm mit 81,54 Prozent ein gutes Wahrscheinlichkeitsergebnis geliefert. Aber trotz allem verließ ihn nicht das rätselhafte Gefühl der Unruhe. Die DRUSUS näherte sich der halben Lichtgeschwindigkeit und damit dem Transitionszeitpunkt. Der Sprung führte bis auf zehn Lichtminuten an das Rusuma-System heran. Stärkster Ortungsschutz und der Eigenfrequenzdämpfer machten jeder arkonidischen Station das Anpeilen und Aufspüren des terranischen Superschlachtschiffs unmöglich. Die Menschen in der DRUSUS stöhnten unter dem schmerzhaften Transitionsschock. Für zehn Sekunden hatte die Positronik alle Funktionen übernommen, danach erst war die Besatzung langsam wieder voll einsatzbereit, aber der Schmerz der Rematerialisierung klang noch lange nach. Rhodan bekam keine Zeit, auch nur ein paarmal tief durchzuatmen. Harno, das Kugelwesen, hatte sich in seine Gedanken eingeschaltet. Das noch vom Schock gezeichnete Gesicht Rhodans wurde schlagartig grau. Harno hatte ihm eine fast unfaßbare Nachricht mitgeteilt. Der Kommandant der Druuf-Flotte dachte plötzlich nicht mehr daran, sich an die Vereinbarungen mit Rhodan zu halten. Das Versprechen des Administrators, die Druuf-Flotte nach dem Demonstrationsflug über Archetz durch das Tor des Linsenfeldprojektors in das andere Universum zu entlassen, sah der Druuf jetzt wieder als Falle an. Wieso? Warum? fragten Rhodans Gedanken das Kugelwesen, das ihm das furchterregende Gesicht des Druuf-Kommandanten projizierte, der in einem plumpen Sessel saß und sich nicht rührte. Mentalität der Druuf, Rhodan! Mit deinen Verstandeskräften kannst du die Meinungsänderung des Druuf nicht verstehen. Ein Moment ist begreiflich: Er hat jetzt erst die Bedeutung des Planeten Archetz erkannt. Er will das System für sich erobern, darauf Fuß fassen, um von dort aus Stern um Stern zu erobern. Rhodan begriff jetzt, welche innerliche Stimme versucht hatte, ihn vor jedem Vertrag mit den Druuf zu warnen. Jetzt konnte nur noch Atlan mit seiner riesigen Robotflotte den Untergang des Springerplaneten Archetz verhindern. * Dreitausend fremdartige, riesige Kriegsraumer standen plötzlich wie eine Wolke über der Springerwelt Archetz. Keine einzige der planetarischen Stationen hatte ihr Herankommen gemeldet. Mit halber Lichtgeschwindigkeit stürzten sie auf Archetz hinunter, hatten den größten Teil der Planetenforts noch im Hyperraum hinter sich gebracht und begannen, Tod und Verwüstung über diese Springerwelt zu bringen, bevor die erste Abwehrstellung in der Lage war, einen Strahlschuß abzugeben. Titon ging in Feuer und Glut unter. Drei weitere Großstädte versanken in derselben Sekunde in Schutt und Asche. Archetz Monde mit den Strahlgeschützstellungen wurden zu lodernden Fackeln am taghellen Himmel. Die Druuf-Raumer waren überall. Ihre äußerst präzise arbeitenden Peilgeräte wiesen ihren vernichtenden Kampfstrahlen den Weg in die Forts, brachen sie auf und ließen sie in Höllengluten untergehen. Trotz ihres Handikaps, nur halbe Lichtgeschwindigkeit im Normalflug entwickeln zu können - in allem halb so schnell zu sein wie jedes andere Wesen - es zählte nicht, weil sie schon Tod und Verderben ausschütteten, bevor die Springer überhaupt begriffen, daß der Tod in einer mehr als dreitausend Schiffe großen Flotte nach ihnen griff. Und doch gelang es einigen Walzenraumern auf Archetz, diesem Inferno zu entkommen, sich durch die Druuf-Flotte einen Weg zu bahnen und den freien Raum zu finden. Von der DRUSUS aus sah man untätig zu. Rhodan waren die Hände gebunden. Der große Rundsichtschirm, auf stärkste Vergrößerung gebracht, zeigte alles in unbeschreiblicher Deutlichkeit. Thomas ist dort unten! sagte ihm eine innere Stimme. Kugelschiffe aller arkonidischen Kriegsschiffsklassen, vom kleinen Zerstörer bis zum Superschlachtschiff, tauchten auf. Sie fielen wie ein gewaltiger Heuschreckenschwarm aus dem Weltall und rasten heran wie winzige Sonnen, die ihre Protuberanzen liniengerade ausstießen und vor sich her jagten. Sie kamen zu Tausenden, und in Sekunden waren es über zehntausend, und es kamen immer noch mehr riesige Schwärme, die sich auf die Druuf stürzten. "Wo bleibt die Kaulquappe, Bully? Immer noch keine Meldung von ihr?" Reginald Bull konnte keine positive Antwort geben. Als Rhodan durch Harno erfahren hatte, daß die Druuf das Rusuma -System erobern wollten und nicht mehr daran dachten, die Vereinbarung mit den Terranern einzuhalten, war sofort eine Kaulquappe, mit den besten Teleportern an Bord, losgeschickt worden. Der Auftrag der Teleporter hieß: Holt unsere Astronauten aus dem Flaggschiff der Druuf heraus! Und jetzt warteten die Männer in der DRUSUS auf die Rückkehr des Beibootes, aber nicht einmal ein Notruf war bisher eingelaufen. Nichts! Aber die Schlacht zwischen den Robotraumern und den Druuf wurde für die Insektenabkömmlinge der Untergang. Schon machten zehn, fünfzehn robotbemannte Kugelschiffe auf einen einzigen Druuf-Raumer Jagd. Arkons Roboter kannten nur ihre Programmierung, menschliches Mitgefühl hatte ihr Schöpfer, das Robotgehirn, ihnen nicht mitgegeben. Sie begriffen nicht einmal, daß sie gegen Fremde aus einem anderen Universum kämpften. Sie hatten den Befehl erhalten, diese Flotte zu vernichten, und sie folgten diesem Befehl so lange, bis es kein feindliches Schiff mehr gab oder von Arkon ein anderer Befehl den letzten aufhob. Sie machten sogar auf Druuf-Schiffe Jagd, die auf Archetz oder die anderen Planeten und Monde abstürzten, und beschossen sie aus ihren Desintegrator- oder Thermogegeschütztürmen so lange, bis alles in einer Wolke auseinanderfliegender Energien unterging. Dann war fast schlagartig dieser furchtbare Kampf zu Ende. Die Robotflotte begann, sich wieder in Geschwader zu formieren und langsam bis an die Grenzen des Systems zurückzuziehen. "Aus ... zu Ende", sagte Bully mit brüchiger Stimme, während die DRUSUS unter ständiger Abgabe ihres Erkennungszeichens dem brennenden Archetzplaneten zuraste. Als sie die Wolkendecke durchstieß und genau über dem Raumhafen Titons Bodensicht bekam, wälzte sich ihr eine gigantische Rauchwolke entgegen, unter der eine Zwölfmillionenstadt in Asche zerfiel. Bully schreckte zusammen. Ein Gewicht, ein Körper war auf seinen Schoß gefallen. "Gucky...!" rief er überrascht aus, und das Lachen auf seinem Gesicht wurde immer breiter. Der Mausbiber war bei seinem Teleportersprung auf Bullys Schoß gelandet. Er klappte den Helm seines Raumanzuges zurück und kuschelte sich dabei noch enger an Reginald Bull, sah aber Perry Rhodan an, der geduldig wartete. Gucky war erschöpft. Er drohte vor Schwäche in Bullys Armen einzuschlafen, riß sich dann aber noch einmal zusammen und machte mit schwacher Stimme seine Meldung: "Perry, alles klar! Alle gesund! Die Kaulquappe liegt irgendwo da unten. Abgeschossen. Wir mußten aussteigen. Wir..." Gucky schlief, und Bully trug ihn vorsichtig auf die Couch an der Seite. Nachdenklich kam er zurück. "Ich möchte wissen, was dieser Knirps tun mußte, um unsere Astronauten gesund aus dem Druuf-Schiff zu bringen?" * Zum drittenmal innerhalb kurzer Zeit verschafften sich die Großsender Arkons im Kugelsternhaufen M13 Gehör. Die Stationen brauchten nicht mehr zu melden, was im Rusuma-System passiert war; davon hatten die vor Schreck fast erstarrten Bewohner des Großen Imperiums schon gehört, als die Schlacht kaum begonnen hatte und noch nicht der Untergang der Druuf entschieden war. Doch mit ihrem Erschrecken hatten sie auch erkannt, daß dieser Admiral Atlan, der sich Nachfolger des Großen Koordinators nannte, die Kraft besaß, unerbittlich durchzugreifen, um die Macht des Staates zu demonstrieren. Darum horchten die Milliarden Intelligenzen des Imperiums jetzt auf, als die Großsender von Arkon III eine neue Botschaft meldeten. Von diesen Milliarden Intelligenzen zuckten einige Millionen zusammen, als sie ein Gesicht auf dem Bildschirm sahen, das ihnen bekannt war. Perry Rhodan sprach über Arkons Großsender zu den Wesen des arkonidischen Imperiums. "Ich verbeuge mich vor Atlan, dem Imperator Gonozal VIII., der Arkons Reich zu neuer Größe führen wird. Ich rufe dem Großen Imperium als Administrator meines Sternenreiches zu: Treue um Treue! Völker des Großen Imperiums, begreift, daß eure und unsere Aufgaben in den Weiten des Universums liegen und nicht in Haß und Zwietracht untereinander..." Atlan lächelte bitter, als Perry Rhodan von der Kamera zurücktrat und auf ihn zuging. "Freund", sagte er erschüttert, "du hast mich jetzt zum Imperator gemacht, aber was nützt dieser Titel, wenn die Völker des Großen Imperiums nicht bei Arkon bleiben wollen? Nein, ich resigniere nicht, Perry, aber ich will auch kein Träumer sein. Ich brauche deine Freundschaft und Zeit, Barbar! Zeit, Zeit, und noch einmal Zeit! Ich kann nicht von heute auf morgen ändern, was seit Generationen von verantwortungslosen Arkoniden zerstört worden ist. Ich kann auch nicht alles allein tun - aber wird man mir die Zeit geben, überhaupt etwas tun zu können?" Rhodan war höchst erstaunt: "Als Pessimist erlebe ich dich zum erstenmal, Admiral." "Ich bin es nicht, Perry, nur habe ich nicht vergessen, daß es einen Thomas Cardif gibt ... und was ein einziger Terraner fertigbringen kann, dafür bist du das beste Beispiel!" Rhodan überhörte es. "Ich glaube, daß Thomas auf Archetz umgekommen ist." "Das glaube ich nicht, denn so normal, so ganz am Rande eines großen Geschehens, stirbt kein Rhodan ... auch nicht der Rhodan, der sich Thomas Cardif nennt." ENDE Die Revolte gegen Atlan ist Thomas Cardif nur Mittel zum Zweck zu dem Zweck, Perry Rhodan, seinen Vater, zu stürzen! Der bis ins kleinste vorbereitete Anschlag ist mißlungen, aber es dürfte bereits feststehen, daß Perry Rhodans Sohn die Flinte nicht so leicht ins Korn wirft... ERNST ELLERTS RÜCKKEHR ------------------------------------ This document was converted by AportisDoc PDF Converter(tm) from Aportis Technologies Corp. Visit www.aportis.com for eBook readers, free eBooks and conversion tools.