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Die Laune des Verliebten Ein Schaeferspiel in Versen und einem Akt
Produced by Andrew Sly
“Die Laune des Verliebten” by Johann Wolfgang Goethe [in German]
This text was originally produced in HTML for Projekt-Gutenberg-DE by belmekhira@hotmail.com from pages 7 to 27 of “Goethes Werke, Hamburger Ausgabe, Band 4 Dramatische Dichtungen II", the fourth volume of an edition of Goethe's works published in 1998 by “Deutscher Taschenbuch Verlag, Muenchen", ISBN 3-423-59038-6.
The libraries' catalogs contain many editions of selected or complete works of Goethe, but none of the German pre-1923 editions, which were returned in my search, mention “Die Laune des Verliebten" explicitly. (There is a German edition with no date in the Library of Congress.)
An English translation seems to be in progress:
The Wayward Lover—Copyright cleared 7 Sep 2001
The “in progress"-list also contains the following entry:
The Works of Johann Wolfgang von Goethe—10 Volumes—Edition
available 31 Jul 2001
This is probably the same set of 10 volumes listed at Duke University Libraries for 1882, containing “The Wayward Lover” in volume 7. At Duke University Libraries and at UNC-CH Libraries Catalog, there is also a 14 volume set of English translations of 1901-1902, containing “The wayward lover” translated by Theodore Martin in volume 6.
The libraries' catalogs also list several pre-1923 editions of “The Wayward Lover” without giving the translator's name as Theodore Martin.
At UNC-CH Libraries Catalog, there also is another English translation bearing the title “The lover's caprice", translated by M.R.Bannan:
Title : The fisher maiden : a vaudeville ; and, The lover's caprice:
a pastoral play [microform] / by J. Wolfgang von Goethe ;
translated for the first time and in the original meters
by
Martha Ridgway Bannan ; with introduction by W. Clarke
Robinson.
Publisher : Philadelphia : J.C. Yorston, 1899. Description : 116 p.,
[3] leaves of plates : port., ill. Notes : Translation of: Die
Fischerin and Die Laune des Verliebten. Flyleaf inscribed: “With the
compliments of the translator, Martha
Ridgway Bannan, Pottsville, Pa., May 20, 1929.”
Johann Wolfgang Goethe
Die Laune des Verliebten
Ein Schaeferspiel in Versen und einem Akt
Personen
Egle
Amine
Eridon
Lamon
[Amine und Egle sitzen an der einen Seite des Theaters und winden
Kraenze. Lamon kommt dazu und bringt ein Koerbchen mit Blumen.]
Lamon [indem er das Koerbchen niedersetzt].
Hier sind noch Blumen.
Egle.
Gut!
Lamon.
Seht doch, wie schoen sie sind! Die Nelke
brach ich dir.
Egle.
Die Rose!—
Lamon.
Nein, mein Kind! Aminen reich' ich heut' das
Seltene vom Jahr; Die Rose seh' ich gern in einem schwarzen Haar.
Egle.
Und das soll ich wohl gar verbindlich, artig nennen?
Lamon.
Wie lange liebst du mich schon, ohne mich zu kennen? Ich weiss es
ganz gewiss, du liebst nur mich allein, Und dieses muntre Herz ist auch
auf ewig dein, Du weisst es. Doch verlangst du mich noch mehr zu
binden? Ist es wohl scheltenswert, auch andre schoen zu finden? Ich
wehre dir ja nicht, zu sagen: der ist schoen, Der artig, scherzhaft
der; ich will es eingestehn, Nicht boese sein.
Egle.
Sei's nicht, ich will es auch nicht werden. Wir
fehlen beide gleich. Mit freundlichen Gebaerden Hoer ich gar manchen
an, und mancher Schaeferin Sagst du was Suesses vor, wenn ich nicht bei
dir bin. Dem Herzen laesst sich wohl, dem Scherze nicht gebieten; Vor
Unbestaendigkeit muss uns der Leichtsinn hueten. Mich kleidet
Eifersucht noch weniger als dich. [zu Aminen:] Du laechelst ueber uns!
Was denkst du, Liebe? sprich!
Amine.
Nicht viel.
Egle.
Genug, mein Glueck und deine Qual zu fuehlen.
Amine.
Wieso?
Egle.
Wieso! Anstatt, dass wir zusammen spielen, Dass Amors
Schlaefrigkeit bei unserm Lachen flieht, Beginnet deine Qual, wenn dich
dein Liebster sieht. Nie war der Eigensinn bei einem Menschen groesser.
Du denkst, er liebe dich. O nein, ich kenn ihn besser: Er sieht, dass
du gehorchst, drum liebt dich der Tirann, Damit er jemand hat, dem er
befehlen kann.
Amine.
Ach, er gehorcht mir oft.
Egle.
Um wieder zu befehlen. Musst du nicht jeden
Blick von seinen Augen stehlen? Die Macht, von der Natur in unsern
Blick gelegt, Dass er den Mann entzueckt, dass er ihn niederschlaegt,
Hast du an ihn geschenkt, und musst dich gluecklich halten, Wenn er nur
freundlich sieht. Die Stirne voller Falten, Die Augenbraunen tief, die
Augen duester, wild, Die Lippen aufgedrueckt, ein liebenswuerdig Bild,
Wie er sich taeglich zeigt, bis Bitten, Kuesse, Klagen Den rauhen
Winterzug von seiner Stirne jagen.
Amine.
Du kennst ihn nicht genug, du hast ihn nicht geliebt. Es ist nicht
Eigensinn, der seine Stirne truebt; Ein launischer Verdruss ist seines
Herzens Plage Und truebet mir und ihm die besten Sommertage; Und doch
vergnueg ich mich, da, wenn er mich nur sieht, Wenn er mein Schmeicheln
hoert, bald seine Laune flieht.
Egle
Fuerwahr ein grosses Glueck, das man entbehren koennte. Doch nenne
mir die Lust, die er dir je vergoennte? Wie pochte deine Brust, wenn
man vom Tanze sprach; Dein Liebster flieht den Tanz und zieht dich Arme
nach. Kein Wunder, dass er dich bei keinem Feste leidet, Da er der
Wiese Gras um deine Tritte neidet, Den Vogel, den du liebst, als
Nebenbuhler hasst; Wie koennt er ruhig sein, wenn dich ein andrer fasst
Und gar, indem er sich mit dir im Reihen kraeuselt, Dich zaertlich an
sich drueckt und Liebesworte saeuselt.
Amine.
Sei auch nicht ungerecht, da er mich dieses Fest, Weil ich ihn
darum bat, mit euch begehen laesst.
Egle.
Das wirst du fuehlen.
Amine.
Wie?
Egle.
Warum bleibt er zuruecke?
Amine.
Er liebt den Tanz nicht sehr.
Egle.
Nein, es ist eine Tuecke. Kommst du vergnuegt
zurueck, faengt er halb spoettisch an: Ihr wart wohl sehr vergnuegt?
—Sehr—Das war wohlgetan. Ihr spieltet?—Pfaender—So! Damoet war auch
zugegen? Und tanztet?—Um den Baum—Ich haett euch sehen moegen. Er
tanzte wohl recht schoen? Was gabst du ihm zum Lohn?
Amine [laechelnd].
Ja.
Egle.
Lachst du?
Amine.
Freundin, ja, das ist sein ganzer Ton.—Noch
Blumen!
Lamon.
Hier! das sind die besten.
Amine.
Doch mit Freuden Seh ich ihn meinen Blick der
ganzen Welt beneiden; Ich seh an diesem Neid, wie mich mein Liebster
schaetzt; Und meinem kleinen Stolz wird alle Qual ersetzt.
Egle.
Kind, ich bedaure dich, du bist nicht mehr zu retten, Da du dein
Elend liebst; du klirrst mit deinen Ketten Und ueberredest dich, es sei
Musik.
Amine.
Ein Band Zur Schleife fehlt mir noch.
Egle [zu Lamon].
Du hast mir eins entwandt, Das ich vom
Maienkranz bei'm Fruehlingsfest bekommen.
Lamon.
Ich will es holen.
Egle.
Doch du musst bald wiederkommen.
[Egle. Amine.]
Amine.
Er achtet das nicht viel, was ihm sein Maedchen schenkt.
Egle.
Mir selbst gefaellt es nicht, wie mein Geliebter denkt; Zu wenig
ruehren ihn der Liebe Taendeleien, Die ein empfindlich Herz, so klein
sie sind, erfreuen. Doch, Freundin, glaube mir, es ist geringre Pein,
Nicht gar so sehr geliebt, als es zu sehr zu sein. Die Treue lob' ich
gern; doch muss sie unserm Leben, Bei voller Sicherheit, die volle Ruhe
geben.
Amine.
Ach, Freundin! schaetzenswert ist solch ein zaertlich Herz. Zwar
oft betruebt er mich, doch ruehrt ihn auch mein Schmerz. Wirft er mir
etwas vor, faengt er an, mich zu plagen, So darf ich nur ein Wort, ein
gutes Wort nur sagen, Gleich ist er umgekehrt, die wilde Zanksucht
flieht, Er weint sogar mit mir, wenn er mich weinen sieht, Faellt
zaertlich vor mir hin und fleht, ihm zu vergeben.
Egle.
Und du vergibst ihm?
Amine.
Stets.
Egle.
Heisst das nicht elend leben? Dem Liebsten,
der uns stets beleidigt, stets verzeihn, Um Liebe sich bemuehn und nie
belohnt zu sein!
Amine.
Was man nicht aendern kann—
Egle.
Nicht aendern? Ihn bekehren Ist keine
Schwierigkeit.
Amine.
Wie das?
Egle.
Ich will dich's lehren. Es stammet deine Not,
die Unzufriedenheit Des Eridons—
Amine.
Von was?
Egle.
Von deiner Zaertlichkeit.
Amine.
Die, dacht ich, sollte nichts als Gegenlieb entzuenden.
Egle.
Du irrst; sei hart und streng, du wirst ihn zaertlich finden.
Versuch es nur einmal, bereit ihm kleine Pein: Erringen will der
Mensch, er will nicht sicher sein. Kommt Eridon, mit dir ein Stuendchen
zu verbringen, So weiss er nur zu gut, es muss ihm stets gelingen. Der
Nebenbuhler Zahl ist ihm nicht fuerchterlich. Er weiss, du liebest ihn
weit staerker als er dich. Sein Glueck ist ihm zu gross, und, er ist zu
belachen, Da er kein Elend hat, will er sich Elend machen. Er sieht,
dass du nichts mehr als ihn auf Erden liebst, Und zweifelt nur, weil du
ihm nichts zu zweifeln gibst. Begegn ihm, dass er glaubt, du koenntest
ihn entbehren; Zwar er wird rasen, doch das wird nicht lange waehren,
Dann wird ein Blick ihn mehr als jetzt ein Kuss erfreun; Mach, dass er
fuerchten muss, und er wird gluecklich sein.
Amine.
Ja, das ist alles gut; allein es auszufuehren Vermag ich nicht.
Egle.
Wer wird auch gleich den Mut verlieren. Geh, du
bist allzu schwach. Sieh dort!
Amine.
Mein Eridon!
Egle.
Das dacht' ich. Armes Kind! er kommt, du zitterst schon Vor Freude,
das ist nichts; willst du ihn je bekehren, Musst du ihn ruhig sehn sich
nahn, ihn ruhig hoeren. Das Wallen aus der Brust! die Roete vom
Gesicht! Und dann—
Amine.
O lass mich los! So liebt Amine nicht.
[Eridon kommt langsam mit uebereinandergelegten Armen, Amine steht
auf
und laeuft ihm entgegen. Egle bleibt in ihrer Beschaeftigung
sitzen.]
Amine [ihn bei der Hand fassend].
Geliebter Eridon!
Eridon [kuesst ihr die Hand].
Mein Maedchen!
Egle [fuer sich].
Ach wie suesse!
Amine.
Die schoenen Blumen! Sprich, mein Freund, wer gab dir diese?
Eridon.
Wer? Meine Liebste.
Amine.
Wie?—Ah, sind das die von mir? So frisch von
gestern noch?
Eridon.
Erhalt' ich was von dir, So ist's mir wert.
Doch die von mir?
Amine.
Zu jenen Kraenzen Fuers Fest gebraucht ich
sie.
Eridon.
Dazu! Wie wirst du glaenzen! Lieb' in des
Juenglings Herz und bei den Maedchen Neid Erregen!
Egle.
Freue dich, dass du die Zaertlichkeit So eines Maedchens
hast, um die so viele streiten.
Eridon.
Ich kann nicht gluecklich sein, wenn viele mich beneiden.
Egle.
Und koenntest doch; denn wer ist sicherer als du?
Eridon [zu Aminen].
Erzaehl' mir doch vom Fest; kommt wohl Damoet dazu?
Egle [einfallend].
Er sagte mir es schon, er werde heut' nicht fehlen.
Eridon [zu Aminen].
Mein Kind, wen wirst du dir zu deinem Taenzer waehlen? [Amine
schweigt, er wendet sich zu Eglen.] O sorge, gib ihr den, der ihr am
liebsten sei!
Amine.
Das ist unmoeglich, Freund, denn du bist nicht dabei!
Egle.
Nein, hoer nur, Eridon, ich kann's nicht mehr ertragen, Welch eine
Lust ist das, Aminen so zu plagen? Verlass sie, wenn du glaubst, dass
sie die Treue bricht; Glaubst du, dass sie dich liebt, nun gut, so plag
sie nicht.
Eridon.
Ich plage sie ja nicht.
Egle.
Wie? Heisst das sie erfreuen? Aus Eifersucht
Verdruss auf ihr Vergnuegen streuen, Stets zweifeln, da sie dir doch
niemals Ursach gibt, Dass sie—
Eridon.
Buergst du mir denn, dass sie mich wirklich liebt?
Amine.
Ich dich nicht lieben! Ich!
Eridon.
Wenn lehrst du mich es glauben? Wer liess sich
einen Strauss vom kecken Damon rauben? Wer nahm das schoene Band vom
jungen Thyrsis an?
Amine.
Mein Eridon!—
Eridon.
Nicht wahr, das hast du nicht getan? Belohntest du
sie denn? O ja, du weisst zu kuessen.
Amine.
Mein Bester, weisst du nicht?—
Egle.
O schweig, er will nichts wissen! Was du ihm
sagen kannst, hast du ihm laengst gesagt, Er hat es angehoert, und doch
aufs neu geklagt. Was hilft's dich? Magst du's ihm auch heut noch
einmal sagen—Er wird beruhigt gehn, und morgen wieder klagen.
Eridon.
Und das vielleicht mit Recht.
Amine.
Mit Recht? Ich! Untreu sein? Amine, dir? Mein
Freund, kannst du es glauben?
Eridon.
Nein! Ich kann, ich will es nicht.
Amine.
Gab ich in meinem Leben Dir je Gelegenheit?
Eridon.
Die hast du oft gegeben.
Amine.
Wenn war ich untreu?
Eridon.
Nie! das ist es, was mich quaelt: Aus Vorsatz
hast du nie, aus Leichtsinn stets gefehlt. Das, was mir wichtig
scheint, haeltst du fuer Kleinigkeiten; Das, was mich aergert, hat bei
dir nichts zu bedeuten.
Egle.
Gut! nimmt's Amine leicht, so sag, was schadet's dir?
Eridon.
Das hat sie oft gefragt; ja freilich schadet's mir!
Egle.
Was denn? Amine wird nie andern viel erlauben.
Eridon.
Zu wenig zum Verdacht, zu viel, sie treu zu glauben.
Egle.
Mehr, als ein weiblich Herz je liebte, liebt sie dich.
Eridon.
Und liebt den Tanz, die Lust, den Scherz so sehr als mich.
Egle.
Wer das nicht leiden kann, mag unsre Muetter lieben!
Amine.
Schweig, Egle! Eridon, hoer auf, mich zu betrueben! Frag unsre
Freunde nur, wie ich an dich gedacht, Selbst wenn wir fern von dir
getaendelt und gelacht; Wie oft ich mit Verdruss, der mein Vergnuegen
nagte, Weil du nicht bei mir warst, was mag er machen? fragte. O wenn
du es nicht glaubst, komm heute mit mir hin, Und dann sag' noch einmal,
dass ich dir untreu bin. Ich tanze nur mit dir, ich will dich nie
verlassen, Dich nur soll dieser Arm, dich diese Hand nur fassen. Wenn
mein Betragen dir den kleinsten Argwohn gibt—
Eridon.
Dass man sich zwingen kann, beweist nicht, dass man liebt.
Egle.
Sieh ihre Traenen an, sie fliessen dir zur Ehre! Nie dacht ich,
dass dein Herz im Grund so boese waere. Die Unzufriedenheit, die keine
Grenzen kennt Und immer mehr verlangt, je mehr man ihr vergoennt, Der
Stolz, in ihrer Brust der Jugend kleine Freuden, Die ganz unschuldig
sind, nicht neben dir zu leiden, Beherrschen wechselsweis dein
hassenswuerdig Herz; Nicht ihre Liebe ruehrt, dich ruehret nicht ihr
Schmerz. Sie ist mir wert, du sollst hinfort sie nicht betrueben:
Schwer wird es sein, dich fliehn, doch schwerer ist's, dich lieben.
Amine [fuer sich].
Ach! warum muss mein Herz so voll von Liebe sein!
Eridon [steht einen Augenblick still, dann naht er sich furchtsam
Aminen und fasst sie bei der Hand]. Amine! liebstes Kind, kannst du
mir noch verzeihn?
Amine.
Ach, hab ich dir es nicht schon allzu oft bewiesen?
Eridon.
Grossmuetges, bestes Herz, lass mich zu deinen Fuessen!
Amine.
Steh auf, mein Eridon!
Egle.
Jetzt nicht so vielen Dank! Was man so heftig
fuehlt, fuehlt man nicht allzulang.
Eridon.
Und diese Heftigkeit, mit der ich sie verehre—
Egle.
Waer weit ein groesser Glueck, wenn sie so gross nicht waere. Ihr
lebtet ruhiger, und dein und ihre Pein—
Eridon.
Vergib mir diesmal noch, ich werde klueger sein.
Amine.
Geh, lieber Eridon, mir einen Strauss zu pfluecken! Ist er von
deiner Hand, wie schoen wird er mich schmuecken!
Eridon.
Du hast die Rose ja!
Amine.
Ihr Lamon gab sie mir. Sie steht mir schoen.
Eridon [empfindlich].
Ja wohl—
Amine.
Doch, Freund, ich geb' sie dir, Dass du nicht
boese wirst.
Eridon [nimmt sie an und kuesst ihr die Hand].
Gleich will ich Blumen bringen. [Ab.]
[Amine. Egle. Hernach Lamon.]
Egle.
Gutherzig armes Kind, so wird dir's nicht gelingen! Sein stolzer
Hunger waechst, je mehr dass du ihm gibst. Gib acht, er raubt zuletzt
dir alles, was du liebst.
Amine.
Verlier' ich ihn nur nicht, das Eine macht mir bange.
Egle.
Wie schoen! Man sieht es wohl, du liebst noch nicht gar lange. Im
Anfang geht es so: hat man sein Herz verschenkt, So denkt man nichts,
wenn man nicht an den Liebsten denkt. Ein seufzender Roman, zu dieser
Zeit gelesen, Wie zaertlich der geliebt, wie jener treu gewesen, Wie
fuehlbar jener Held, wie gross in der Gefahr, Wie maechtig zu dem
Streit er durch die Liebe war, Verdreht uns gar den Kopf; wir glauben
uns zu finden, Wir wollen elend sein, wir wollen ueberwinden. Ein
junges Herz nimmt leicht den Eindruck vom Roman; Allein ein Herz, das
liebt, nimmt ihn noch leichter an. Wir lieben lange so, bis wir zuletzt
erfahren, Dass wir, statt treu zu sein, von Herzen naerrisch waren.
Amine.
Doch das ist nicht mein Fall.
Egle.
Ja, in der Hitze spricht Ein Kranker oft zum
Arzt: ich hab' das Fieber nicht. Glaubt man ihm das? Niemals. Trotz
allem Widerstreben Gibt man ihm Arzenei. So muss man dir sie geben.
Amine.
Von Kindern spricht man so, von mir klingt's laecherlich; Bin ich
ein Kind?
Egle.
Du liebst!
Amine.
Du auch!
Egle.
Ja, lieb' wie ich! Besaenftige den Sturm, der
dich bisher getrieben! Man kann sehr ruhig sein, und doch sehr
zaertlich lieben.
Lamon.
Da ist das Band!
Amine.
Sehr schoen!
Egle.
Wie lange zauderst du!
Lamon.
Ich ging am Huegel hin, da rief mir Chloris zu. Da hab ich ihr den
Hut mit Blumen schmuecken muessen.
Egle.
Was gab sie dir dafuer?
Lamon.
Was? Nichts! Sie liess sich kuessen. Man tu
auch, was man will, man traegt doch nie zum Lohn Von einem Maedchen
mehr als einen Kuss davon.
Amine [zeigt Eglen den Kranz mit der Schleife].
Ist es so recht?
Egle.
Ja, gib! [Sie haengt Aminen den Kranz um, so dass
die Schleife auf die rechte Schulter kommt. Mittlerweile redet sie mit
Lamon.]
Hoer! nur recht lustig heute!
Lamon.
Nur heute recht gelaermt! Man fuehlt nur halbe Freude, Wenn man sie
sittsam fuehlt und lang sich's ueberlegt, Ob unser Liebster das, der
Wohlstand jens ertraegt.
Egle.
Du hast wohl recht.
Lamon.
Ja wohl!
Egle.
Amine! setz dich nieder! [Amine setzt sich,
Egle steckt ihr Blumen in die Haare, indem sie fortredet.] Komm, gib
mir doch den Kuss von deiner Chloris wieder.
Lamon [kuesst sie].
Von Herzen gerne. Hier!
Amine.
Seid ihr nicht wunderlich!
Egle.
Waer Eridon es so, es waer ein Glueck fuer dich.
Amine.
Gewiss, er duerfte mir kein fremdes Maedchen kuessen.
Lamon.
Wo ist die Rose?
Egle.
Sie hat sie ihm geben muessen, Ihn zu
besaenftigen.
Amine.
Ich muss gefaellig sein.
Lamon.
Gar recht! Verzeih du ihm, so wird er dir verzeihn. Ja, ja! Ich
merk es wohl, ihr plagt euch um die Wette.
Egle [als ein Zeichen, dass sle mit dem Kopfputze fertig ist].
So!
Lamon.
Schoen!
Amine.
Ach dass ich doch jetzt schon die Blumen haette, Die
Eridon mir bringt.
Egle.
Erwart' ihn immer hier. Ich geh' und putze
mich. Komm Lamon, geh mit mir! Wir lassen dich allein und kommen bald
zuruecke.
[Amine. Hernach Eridon.]
Amine.
O welche Zaertlichkeit, beneidenswuerdges Gluecke! Wie wuenscht'
ich—sollt' es wohl in meinen Kraeften stehn—Den Eridon vergnuegt,
und mich beglueckt zu sehn! Haett' ich nicht so viel Macht ihm ueber
mich gegeben, Er wuerde gluecklicher und ich zufriedner leben.
Versuch', ihm diese Macht durch Kaltsinn zu entziehn! Doch, wie wird
seine Wut bei meiner Kaelte gluehn! Ich kenne seinen Zorn, wie zittr'
ich, ihn zu fuehlen! Wie schlecht wirst du, mein Herz, die schwere
Rolle spielen! Doch wenn du es so weit wie deine Freundin bringst, Da
er dich sonst bezwang, du kuenftig ihn bezwingst—Heut' ist
Gelegenheit; sie nicht vorbei zu lassen, Will ich gleich jetzt—Er
kommt! Mein Herz, du musst dich fassen.
Eridon [gibt ihr Blumen].
Sie sind nicht gar zu schoen, mein Kind! verzeih es mir, Aus Eile
nahm ich sie.
Amine.
Genug, sie sind von dir.
Eridon.
So bluehend sind sie nicht, wie jene Rosen waren, Die Damon dir
geraubt.
Amine [steckt sie an den Busen].
Ich will sie schon bewahren; Hier, wo du
wohnst, soll auch der Blumen Wohnplatz sein.
Eridon.
Ist ihre Sicherheit da—
Amine.
Glaubst du etwa?—
Eridon.
Nein! Ich glaube nichts, mein Kind; nur Furcht
ist's, was ich fuehle. Das allerbeste Herz vergisst bei muntrem Spiele,
Wenn es des Tanzes Lust, des Festes Laerm zerstreut, Was ihm die
Klugheit raet und ihm die Pflicht gebeut. Du magst wohl oft an mich
auch beim Vergnuegen denken; Doch fehlt es dir an Ernst, die Freiheit
einzuschraenken, Zu der das junge Volk sich bald berechtigt glaubt,
Wenn ihm ein Maedchen nur im Scherze was erlaubt. Es haelt ihr eitler
Stolz ein taendelndes Vergnuegen Sehr leicht fuer Zaertlichkeit.
Amine.
Gnug, dass sie sich betruegen! Wohl schleicht
ein seufzend Volk Liebhaber um mich her; Doch du nur hast mein Herz,
und sag, was willst du mehr? Du kannst den Armen wohl mich anzusehn
erlauben, Sie glauben wunder—
Eridon.
Nein, sie sollen gar nichts glauben! Das
ist's, was mich verdriesst. Zwar weiss ich, du bist mein; Doch einer
denkt vielleicht, beglueckt wie ich zu sein, Schaut in das Auge dir und
glaubt dich schon zu kuessen Und triumphiert wohl gar, dass er dich mir
entrissen.
Amine.
So stoere den Triumph! Geliebter, geh mit mir, Lass sie den Vorzug
sehn, den du—
Eridon.
Ich danke dir. Es wuerde grausam sein, das
Opfer anzunehmen; Mein Kind, du wuerdest dich des schlechten Taenzers
schaemen; Ich weiss, wem euer Stolz beim Tanz den Vorzug gibt: Dem, der
mit Anmut tanzt, und nicht dem, den ihr liebt.
Amine.
Das ist die Wahrheit.
Eridon [mit zurueckgehaltenem Spott].
Ja! Ach, dass ich nicht die Gabe Des leichten
Damarens, des Vielgepriesnen, habe! Wie reizend tanzt er nicht!
Amine.
Schoen! dass ihm niemand gleicht.
Eridon.
Und jedes Maedchen—
Amine.
Schaetzt—
Eridon.
Liebt ihn darum!
Amine.
Vielleicht.
Eridon.
Vielleicht? Verflucht! Gewiss!
Amine.
Was machst du fuer Gebaerden?
Eridon.
Du fragst? Plagst du mich nicht, ich moechte rasend werden!
Amine.
Ich? Sag, bist du nicht schuld an mein und deiner Pein? Grausamer
Eridon! wie kannst du nur so sein?
Eridon.
Ich muss; ich liebe dich. Die Liebe lehrt mich klagen; Liebt ich
dich nicht so sehr, ich wuerde dich nicht plagen! Ich fuehl mein
zaertlich Herz von Wonne hoch entzueckt, Wenn mir dein Auge lacht, wenn
deine Hand mich drueckt, Ich dank den Goettern, die mir dieses Gluecke
gaben; Doch ich verlang's allein, kein andrer soll es haben.
Amine.
Nun gut, was klagst du denn? Kein andrer hat es nie.
Eridon.
Und du ertraegst sie doch; nein, hassen sollst du sie.
Amine.
Sie hassen? und warum?
Eridon.
Darum! weil sie dich lieben.
Amine.
Der schoene Grund!
Eridon.
Ich seh's, du willst sie nicht betrueben. Du
musst sie schonen; sonst wird deine Lust geschwaecht, Wenn du nicht—
Amine.
Eridon, du bist sehr ungerecht. Heisst uns die
Liebe denn die Menschlichkeit verlassen? Ein Herz, das Einen liebt,
kann keinen Menschen hassen. Dies zaertliche Gefuehl laesst kein so
schrecklichs zu, Zum wenigsten bei mir.
Eridon.
Wie schoen verteidigst du Des zaertlichen
Geschlechts hochmuetiges Vergnuegen, Wenn zwanzig Toren knien, die
zwanzig zu betruegen! Heut ist ein grosser Tag, der deinen Hochmut
naehrt, Heut wirst du manchen sehn, der dich als Goettin ehrt; Noch
manches junge Herz wird sich fuer dich entzuenden, Kaum wirst du Blicke
gnug fuer alle Diener finden. Gedenk an mich, wenn dich der Toren
Schwarm vergnuegt; Ich bin der groesste! Geh!
Amine [fuer sich].
Flieh, schwaches Herz! Er siegt. Ihr Goetter!
Lebt er denn, mir jede Lust zu stoeren? Waehrt denn mein Elend fort, um
niemals aufzuhoeren? [zu Eridon.] Der Liebe leichtes Band machst du zum
schweren Joch, Du quaelst mich als Tyrann, und ich? ich lieb dich noch!
Mit aller Zaertlichkeit antwort ich auf dein Wueten, In allem geb ich
nach; doch bist du nicht zufrieden. Was opfert ich nicht auf! Ach! dir
genuegt es nie. Du willst die heutge Lust! Nun gut, hier hast du sie!
[Sie nimmt die Kraenze aus den Haaren und von der Schulter, wirft sie
weg und faehrt in einem gezwungenen ruhigen Tone fort.] Nicht wahr,
mein Eridon? So siehst du mich viel lieber, Als zu dem Fest geputzt.
Ist nicht dein Zorn vorueber? Du stehst! siehst mich nicht an! Bist du
erzuernt auf mich?
Eridon [faellt vor ihr nieder].
Amine! Scham und Reu! Verzeih, ich liebe dich! Geh zu dem Fest!
Amine.
Mein Freund, ich werde bei dir bleiben; Ein
zaertlicher Gesang soll uns die Zeit vertreiben.
Eridon.
Geliebtes Kind, geh!
Amine.
Geh! hol' deine Floete her.
Eridon.
Du willst's!
Amine.
Er scheint betruebt, und heimlich jauchzet er. An ihm
wirst du umsonst die Zaertlichkeit verlieren. Dies Opfer, ruehrt es
ihn? Es schien ihn kaum zu ruehren; Er hielt's fuer Schuldigkeit. Was
willst du, armes Herz? Du murrst, drueckst diese Brust. Verdient' ich
diesen Schmerz? Ja, wohl verdienst du ihn! Du siehst, dich zu betrueben
Hoert er nicht auf, und doch hoerst du nicht auf zu lieben. Ich trag's
nicht lange mehr. Still! Ha! ich hoere dort Schon die Musik. Es huepft
mein Herz, mein Fuss will fort. Ich will! Was drueckt mir so die bange
Brust zusammen! Wie aengstlich wird es mir! Es zehren heftge Flammen Am
Herzen. Fort, zum Fest! Ach, er haelt mich zurueck! Armsel'ges
Maedchen! Sieh, das ist der Liebe Glueck! [Sie wirft sich auf einen
Rasen, und weint; da die andern auftreten, wischt sie sich die Augen
und steht auf.] Weh mir, da kommen sie, wie werden sie mich hoehnen!
[Amine. Egle. Lamon.]
Egle.
Geschwind! Der Zug geht fort! Amine! Wie? in Traenen?
Lamon [hebt die Kraenze auf].
Die Kraenze?
Egle.
Was ist das? wer riss sie dir vom Haupt?
Amine.
Ich!
Egle.
Willst du denn nicht mit?
Amine.
Gern, waer' es mir erlaubt.
Egle.
Wer hat dir denn was zu erlauben? Geh, und rede Nicht so
geheimnisvoll! Sei gegen uns nicht bloede! Hat Eridon—?
Amine.
Ja! Er!
Egle.
Das hatt' ich wohl gedacht. Du Naerrin, dass
dich nicht der Schaden klueger macht! Versprachst du ihm vielleicht, du
wolltest bei ihm bleiben, Um diesen schoenen Tag mit Seufzern zu
vertreiben? Ich zweifle nicht, mein Kind, dass du ihm so gefaellst.
[Nach einigem Stillschweigen, indem sie Lamon einen Wink gibt.] Doch du
siehst besser aus, wenn du den Kranz behaeltst. Komm, setz ihn auf! und
den, sieh! den haeng hier herueber! Nun bist du schoen. [Amine steht
mit niedergeschlagenen Augen und laesst Egle machen. Egle gibt Lamon
ein Zeichen.]
Doch ach, es laeuft die Zeit vorueber; Ich muss
zum Zug!
Lamon.
Ja wohl! Dein Diener, gutes Kind.
Amine [beklemmt].
Lebt wohl!
Egle [im Weggehen].
Amine! nun, gehst du nicht mit? Geschwind! [Amine sieht
sie traurig an und schweigt.]
Lamon [fasst Egle bei der Hand, sie fortzufuehren].
Ach, lass sie doch nur gehn! Vor Bosheit moecht' ich sterben; Da
muss sie einem nun den schoenen Tanz verderben! Den Tanz mit Rechts und
Links, sie kann ihn ganz allein, Wie sich's gehoert; ich hofft auf sie,
nun faellt's ihr ein, Zu Haus zu bleiben! Komm, ich mag ihr nichts mehr
sagen.
Egle.
Den Tanz versaeumst du! Ja, du bist wohl zu beklagen. Er tanzt sich
schoen. Leb wohl! [Egle will Aminen kuessen. Amine faellt ihr um den
Hals und weint.]
Amine.
Ich kann's nicht mehr ertragen.
Egle.
Du weinst?
Amine.
So weint mein Herz, und aengstlich drueckt es mich. Ich
moechte!—Eridon, ich glaub, ich hasse dich.
Egle.
Er haett's verdient. Doch nein! Wer wird den Liebsten hassen? Du
musst ihn lieben, doch dich nicht beherrschen lassen, Das sagt ich
lange schon! Komm mit!
Lamon.
Zum Tanz, zum Fest!
Amine.
Und Eridon?
Egle.
Geh nur! ich bleib. Gib acht, er laesst Sich fangen und
geht mit. Sag, wuerde dich's nicht freuen?
Amine.
Unendlich!
Lamon.
Nun so komm! Hoerst du dort die Schalmeien? Die schoene
Melodie? [Er fasst Aminen bei der Hand, singt, und tanzt.]
Egle [singt].
Und wenn euch der Liebste mit Eifersucht plagt,
Sich ueber ein Nicken, ein Laecheln beklagt,
Mit Falschheit euch necket, von Wankelmut spricht,
Dann singet und tanzet, da hoert ihr ihn nicht. [Lamon zieht im
Tanz Aminen mit sich fort.]
Amine [im Abgehen].
O bring' ihn ja mit dir!
[Egle. Hernach Eridon mit einer Floete und Liedern.]
Egle.
Schon gut! Wir wollen sehn! Schon lange wuenscht ich mir
Gelegenheit und Glueck, den Schaefer zu bekehren. Heut' wird mein
Wunsch erfuellt; wart nur, ich will dich lehren! Dir zeigen, wer du
bist; und wenn du dann sie plagst!—Er kommt! Hoer, Eridon!
Eridon.
Wo ist sie?
Egle.
Wie! du fragst? Mit meinem Lamon dort, wo die
Schalmeien blasen.
Eridon [wirft die Floete auf die Erde und zerreisst die Lieder].
Verfluchte Untreu!
Egle.
Rasest du?
Eridon.
Sollt' ich nicht rasen! Da reisst die
Heuchlerin mit laechelndem Gesicht Die Kraenze von dem Haupt, und sagt:
Ich tanze nicht! Verlangt ich das? Und—O! [Er stampft mit dem Fusse
und wirft die zerrissenen Lieder weg.]
Egle [in einem gesetzten Tone].
Erlaub mir doch zu fragen: Was hast du fuer
ein Recht, den Tanz ihr zu versagen? Willst du denn, dass ein Herz, von
deiner Liebe voll, Kein Glueck als nur das Glueck um dich empfinden
soll? Meinst du, es sei der Trieb nach jeder Lust gestillet, Sobald die
Zaertlichkeit das Herz des Maedchen fuellet? Genug ist's, dass sie dir
die besten Stunden schenkt, Mit dir am liebsten weilt, abwesend an dich
denkt. Drum ist es Torheit, Freund, sie ewig zu betrueben; Sie kann den
Tanz, das Spiel und doch dich immer lieben.
Eridon [schlaegt die Arme unter und sieht in die Hoehe].
Ah!
Egle.
Sag mir, glaubst du denn, dass dieses Liebe sei, Wenn du sie
bei dir haeltst? Nein, das ist Sklaverei. Du kommst: nun soll sie dich,
nur dich beim Feste sehen; Du gehst: nun soll sie gleich mit dir von
dannen gehen; Sie zaudert: alsobald verduestert sich dein Blick; Nun
folgt sie dir, doch bleibt ihr Herz gar oft zurueck.
Eridon.
Wohl immer!
Egle.
Hoert man doch, wenn die Verbittrung redet. Wo keine
Freiheit ist, wird jede Lust getoetet. Wir sind nun so. Ein Kind ist
zum Gesang geneigt; Man sagt ihm: sing mir doch! Es wird bestuerzt und
schweigt. Wenn du ihr Freiheit laesst, so wird sie dich nicht lassen;
Doch, machst du's ihr zu arg, gib acht, sie wird dich hassen.
Eridon.
Mich hassen!
Egle.
Nach Verdienst. Ergreife diese Zeit, Und schaffe dir
das Glueck der echten Zaertlichkeit! Denn nur ein zaertlich Herz, von
eigner Glut getrieben, Das kann bestaendig sein, das nur kann wirklich
lieben. Bekenne, weisst du denn, ob dir der Vogel treu, Den du im
Kaefigt haelst?
Eridon.
Nein!
Egle.
Aber wenn er frei Durch Feld und Garten
fliegt, und doch zuruecke kehret?
Eridon.
Ja! Gut! Da weiss ich's.
Egle.
Wird nicht deine Lust vermehret, Wenn du das
Tierchen siehst, das dich so zaertlich liebt, Die Freiheit kennt, und
dir dennoch den Vorzug gibt? Und kommt dein Maedchen einst von einem
Fest zuruecke, Noch von dem Tanz bewegt, und sucht dich; ihre Blicke
Verraten, dass die Lust nie ganz vollkommen sei, Wenn du, ihr Liebling,
du, ihr Einzger, nicht dabei—Wenn sie dir schwoert, ein Kuss von dir
sei mehr als Freuden Von tausend Festen—bist du da nicht zu beneiden?
Eridon [geruehrt].
O Egle!
Egle.
Fuerchte, dass der Goetter Zorn entbrennt, Da der
Beglueckteste sein Glueck so wenig kennt. Auf! Sei zufrieden, Freund!
Sie raechen sonst die Traenen Des Maedchens, das dich liebt.
Eridon.
Koennt ich mich nur gewoehnen, Zu sehn, dass
mancher ihr beim Tanz die Haende drueckt, Der eine nach ihr sieht, sie
nach dem andern blickt. Denk ich nur dran, mein Herz moecht da vor
Bosheit reissen!
Egle.
Eh! lass das immer sein! das will noch gar nichts heissen. Sogar
ein Kuss ist nichts!
Eridon.
Was sagst du? Nichts—ein Kuss?
Egle.
Ich glaube, dass man viel im Herzen fuehlen muss, Wenn er was sagen
soll—Doch! willst du ihr verzeihen? Denn wenn du boese tust, so kann
sie nichts erfreuen.
Eridon.
Ach Freundin!
Egle [schmeichelnd].
Tu es nicht, mein Freund; du bist auch gut. Leb wohl!
[Sie fasst ihn bei der Hand.] Du bist erhitzt!
Eridon.
Es schlaegt mein wallend Blut—
Egle.
Noch von dem Zorn? Genug! Du hast es ihr vergeben. Ich eile jetzt
zu ihr. Sie fragt nach dir mit Beben; Ich sag ihr: er ist gut, und sie
beruhigt sich, Ihr Herz wallt zaertlicher, und heisser liebt sie dich.
[Sie sieht ihn mit Empfindung an.] Gib acht, sie sucht dich auf, sobald
das Fest vorueber, Und durch das Suchen selbst wirst du ihr immer
lieber. [Egle stellt sich immer zaertlicher, lehnt sich auf seine
Schulter. Er nimmt ihre Hand und kuesst sie.] Und endlich sieht sie
dich! O welcher Augenblick! Drueck sie an deine Brust, und fuehl dein
ganzes Glueck! Ein Maedchen wird beim Tanz verschoenert, rote Wangen,
Ein Mund, der laechelnd haucht, gesunkne Locken hangen Um die bewegte
Brust, ein sanfter Reiz umzieht Den Koerper tausendfach, wie er im
Tanze flieht, Die vollen Adern gluehn, und bei des Koerpers Schweben
Scheint jede Nerve sich lebendiger zu heben. [Sie affektiert eine
zaertliche Entzueckung und sinkt an seine Brust; er schlingt seinen Arm
um sie.] Die Wollust, dies zu sehn, was ueberwiegt wohl die? Du gehst
nicht mit zum Fest, und fuehlst die Ruehrung nie.
Eridon.
Zu sehr, an deiner Brust, o Freundin, fuehl ich sie! [Er faellt
Eglen um den Hals und kuesst sie, sie laesst es geschehn. Dann tritt
sie einige Schritte zurueck und fragt mit einem leichtfertigen Tone.]
Egle.
Liebst du Aminen?
Eridon.
Sie, wie mich!
Egle.
Und kannst mich kuessen? O warte nur, du
sollst mir diese Falschheit buessen! Du ungetreuer Mensch!
Eridon.
Wie? glaubst du denn, dass ich—
Egle.
Ich glaube, was ich kann. Mein Freund, du kuesstest mich Recht
zaertlich, das ist wahr. Ich bin damit zufrieden Schmeckt dir mein
Kuss? Ich denk's: die heissen Lippen gluehten Nach mehr. Du armes Kind!
Amine, waerst du hier!
Eridon.
Waer sie's!
Egle.
Nur noch getrutzt! Wie schlimm erging es dir!
Eridon.
Ja, keifen wuerde sie. Du musst mich nicht verraten. Ich habe dich
gekuesst, jedoch was kann's ihr schaden, Und wenn Amine mich auch noch
so reizend kuesst, Darf ich nicht fuehlen, dass dein Kuss auch reizend
ist?
Egle.
Da frag' sie selbst.
[Amine, Egle, Eridon.]
Eridon.
Weh mir!
Amine.
Ich muss, ich muss ihn sehen! Geliebter
Eridon! es hiess mich Egle gehen, Ich brach mein Wort, mich reut's;
mein Freund, ich gehe nicht!
Eridon [fuer sich].
Ich Falscher!
Amine.
Zuernst du noch? du wendest dein Gesicht?
Eridon [fuer sich].
Was werd' ich sagen!
Amine.
Ach! verdient sie diese Rache, So eine kleine
Schuld? Du hast gerechte Sache, Doch lass—
Egle.
O lass ihn gehn! Er hat mich erst gekuesst; Das schmeckt
ihm noch.
Amine.
Gekuesst!
Egle.
Recht zaertlich!
Amine.
Ah! das ist Zu viel fuer dieses Herz! So
schnell kannst du mich hassen? Ich Unglueckselige! Mein Freund hat mich
verlassen! Wer andre Maedchen kuesst, faengt seins zu fliehen an. Ach!
seit ich dich geliebt, hab ich so was getan? Kein Juengling durfte mehr
nach meinen Lippen streben; Kaum hab ich einen Kuss beim Pfaenderspiel
gegeben. Mir nagt die Eifersucht so gut das Herz wie dir; Und doch
verzeih ich dir's, nur wende dich zu mir! Doch, armes Herz, umsonst
bist du so sehr verteidigt! Er fuehlt nicht Liebe mehr, seitdem du ihn
beleidigt. Die maechtge Rednerin spricht nun umsonst fuer dich.
Eridon.
O welche Zaertlichkeit! wie sehr beschaemt sie mich!
Amine.
O Freundin, konntest du mir meinen Freund verfuehren!
Egle.
Getrost, mein gutes Kind! du sollst ihn nicht verlieren. Ich kenn'
den Eridon und weiss, wie treu er ist.
Amine.
Und hat—
Egle.
Ja, das ist wahr, und hat mich doch gekuesst. Ich weiss,
wie es geschah, du kannst ihm wohl vergeben. Sieh! Wie er es bereut!
Eridon [faellt vor Aminen nieder].
Amine! Liebstes Leben! O zuerne du mit ihr!
sie machte sich so schoen; Ich war dem Mund so nah und konnt nicht
widerstehn. Doch kennest du mein Herz, mir kannst du das erlauben, So
eine kleine Lust wird dir mein Herz nicht rauben.
Egle.
Amine, kuess ihn! weil er so vernuenftig spricht. [Zu Eridon.] Lust
raubt ihr nicht dein Herz, dir raubt sie ihres nicht. So, Freund! du
musstest dir dein eigen Urteil sprechen; Du siehst, liebt sie den Tanz,
so ist es kein Verbrechen. [Ihn nachahmend.] Und wenn ein Juengling ihr
beim Tanz die Haende drueckt, Der eine nach ihr sieht, sie nach dem
andern blickt, Auch das hat, wie du weisst, nicht gar so viel zu sagen.
Ich hoffe, du wirst nie Aminen wieder plagen, Und denke, du gehst mit.
Amine.
Komm mit zum Fest!
Eridon.
Ich muss; Ein Kuss belehrte mich.
Egle [zu Aminen].
Verzeih uns diesen Kuss! Und kehrt die
Eifersucht in seinen Busen wieder, So sprich von diesem Kuss, dies
Mittel schlag ihn nieder!—Ihr Eifersuechtigen, die ihr ein Maedchen
plagt, Denkt euren Streichen nach, dann habt das Herz und klagt.