Die Piccolomini

Friedrich Schiller

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    Die Piccolomini

    Friedrich Schiller

    In Fuenf Aufzuegen

    Personen

    Wallenstein, Herzog zu Friedland, kaiserlicher Generalissimus
    im Dreissigjaehrigen Kriege
    Octavio Piccolomini, Generalleutnant
    Max Piccolomini, sein Sohn, Oberst bei einem Kuerassierregiment
    Graf Terzky, Wallensteins Schwager,Chef mehrerer Regimenter
    Illo Feldmarschall, Wallensteins Vertrauter
    Isolani, General der Kroaten
    Buttler, Chef eines Dragonerregiments
    Tiefenbach, Chef eines Dragonerregiments
    Don Maradas, General unter Wallenstein
    Goetz, General unter Wallenstein
    Colalto, General unter Wallenstein
    Rittmeister Neumann, Terzkys Adjutant
    Kriegsrat von Questenberg vom Kaiser gesendet
    Baptista Seni, Astrolog
    Herzogin von Friedland, Wallensteins Gemahlin
    Thekla, Prinzessin von Friedland, ihre Tochter
    Graefin Terzky, der Herzogin Schwester
    Ein Kornet
    Kellermeister des Grafen Terzky
    Ein Kornet
    Friedlaendische Pagen und Bediente und Hoboisten
    Mehrere Obersten und Generale

    Erster Aufzug

    Ein alter gotischer Saal auf dem Rathause zu Pilsen, mit Fahnen und anderm Kriegsgeraete dekoriert.

    Erster Auftritt

    Illo mit Buttler, und Isolani.

    Illo.
         Spaet kommt Ihr—Doch Ihr kommt! Der weite Weg,
         Graf Isolan, entschuldigt Euer Saeumen.

    Isolani.
         Wir kommen auch mit leeren Haenden nicht!
         Es ward uns angesagt bei Donauwerth,
         Ein schwedischer Transport sei unterwegs
         Mit Proviant, an die sechshundert Wagen.-
         Den griffen die Kroaten mir noch auf,
         Wir bringen ihn.

    Illo.
         Er kommt uns grad zupass,
         Die stattliche Versammlung hier zu speisen.

    Buttler.
         Es ist schon lebhaft hier, ich seh's.

    Isolani.
         Ja, ja,
         Die Kirchen selber liegen voll Soldaten, (sich umschauend)
         Auch auf dem Rathaus, seh ich, habt ichr euch
         Schon ziemlich eingerichtet—Nun! nun! der Soldat
         Behilft und schickt sich, wie er kann!

    Illo.
         Von dreissig Regimentern haben sich
         Die Obersten zusammen schon gefunden,
         Colalto, Goetz, Maradas, Hinnersam,
         Auch Sohn und Vater Piccolomini—
         Ihr werdet manchen alten Freund begruessen.
         Nur Gallas fehlt uns noch und Altringer.

    Buttler.
         Auf Gallas wartet nicht.

    Illo. (stutzt)
         Wieso? Wisst Ihr—

    Isolani. (unterbricht ihn)
         Max Piccolomini hier? Oh! fuehrt mich zu ihm.
         Ich seh ihn noch—es sind jetzt zehen Jahr—
         Als wir bei Dessau mit dem Mansfeld schlugen,
         Den Rappen sprengen von der Bruecke herab
         Und zu dem Vater, der in Noeten war,
         Sich durch der Elbe reissend Wasser schlagen.
         Da sprosst' ihm kaum der erste Flaum ums Kinn,
         Jetzt, hoer ich, soll der Kriegsheld fertig sein.

    Illo.
         Ihr sollt ihn heut noch sehn. Er fuehrt aus Kaernten
         Die Fuerstin Friedland her und die Prinzessin,
         Sie treffen diesen Vormittag noch ein.

    Buttler.
         Auch Frau und Tochter ruft der Fuerst hieher?
         Er ruft hier viel zusammen.

    Isolani.
         Desto besser.
         Erwartet' ich doch schon von nichts als Maerschen
         Und Batterien zu hoeren und Attacken;
         Und siehe da! der Herzog sorgt dafuer,
         Dass auch was Holdes uns das Aug' ergoetze.

    Illo.

    (der nachdenkend gestanden, zu Buttlern, den er ein wenig auf
         die Seite fuehrt)

    Wie wisst Ihr, dass Graf Gallas aussen bleibt?

    Buttler. (mit Bedeutung)
         Weil er auch mich gesucht zurueckzuhalten.

    Illo. (warm)
         Und Ihr seid fest geblieben?

    (Drueckt ihm die Hand.)

    Wackrer Buttler!

    Buttler.
         Nach der Verbindlichkeit, die mir der Fuerst
         Noch kuerzlich aufgelegt—

    Illo.
         Ja, Generalmajor! Ich gratuliere!

    Isolani.
         Zum Regiment, nicht wahr, das ihm der Fuerst
         Geschenkt? Und noch dazu dasselbe, hoer ich,
         Wo er vom Reiter hat heraufgedient?
         Nun, das ist wahr! dem ganzen Korps gereicht's
         Zum Sporn, zum Beispiel, macht einmal ein alter
         Verdienter Kriegsmann seinen Weg.

    Buttler.
         Ich bin verlegen,
         Ob ich den Glueckwunsch schon empfangen darf,
         —Noch fehlt vom Kaiser die Bestaetigung.

    Isolani.
         Greif zu! greif zu! Die Hand, die ihn dahin
         Gestellt, ist stark genug, Ihn zu erhalten,
         Trotz Kaisern und Ministern.

    Illo.
         Wenn wir alle
         So gar bedenklich sein wollten!
         Der Kaiser gibt uns nichts—vom Herzog
         Kommt alles, was wir hoffen, was wir haben.

    Isolani. (zu Illo)
         Herr Bruder! Hab ich's schon erzaehlt? Der Fuerst
         Will meine Kreditoren kontenieren.
         Will selber mein Kaiser sein kuenftighin,
         Zu einem ordentlichen Mann mich machen.
         Und das ist nun das dritte Mal, bedenk' Er!
         Dass mich der Koeniglichgesinnte vom
         Verderben rettet und zu Ehren bringt.

    Illo.
         Koennt' er nur immer, wie er gerne wollte!
         Er schenkte Land und Leut an die Soldaten.
         Doch wie verkuerzen sie in Wien ihm nicht den Arm,
         Beschneiden, wo sie koennen, ihm die Fluegel!—
         Da! diese neuen, saubern Forderungen,
         Die dieser Questenberger bringt!

    Buttler.
         Ich habe mir
         Von diesen kaiserlichen Forderungen auch
         Erzaehlen lassen—doch ich hoffe,
         Der Herzog wird in keinem Stuecke weichen.

    Illo.
         Von seinem Recht gewisslich nicht, wenn nur nicht
         —Vom Platze!

    Buttler. (betroffen)
         Wisst Ihr etwas? Ihr erschreckt mich.

    Isolani. (zugleich)
         Wir waeren alle ruiniert!

    Illo.
         Brecht ab!
         Ich sehe unsern Mann dort eben kommen
         Mit Gen'ralleutnant Piccolomini.

    Buttler. (den Kopf bedenklich schuettelnd)
         Ich fuerchte,
         Wir gehn nicht von hier, wie wir kamen.

    Zweiter Auftritt

    Vorige. Octavio Piccolomini. Questenberg.

    Octavio. (noch in der Entfernung)
         Wie? Noch der Gaeste mehr? Gestehn Sie, Freund!
         Es brauchte diesen traenenvollen Krieg,
         So vieler Helden ruhmgekroenter Haeupter
         In eines Lagers Umkreis zu versammeln.

    Questenberg.
         In kein Friedlaendisch Heereslager komme,
         Wer von dem Kriege Boeses denken will.
         Beinah vergessen haett' ich seine Plagen,
         Da mir der Ordnung hoher Geist erschienen,
         Durch die er, weltzerstoerend, selbst besteht,
         Das Grosse mir erschienen, das er bildet.

    Octavio.
         Und siehe da! ein tapfres Paar, das wuerdig
         Den Heldenreihen schliesst: Graf Isolan
         Und Obrist Buttler.—Nun, da haben wir
         Vor Augen gleich das ganze Kriegeshandwerk.

    (Buttlern und Isolani praesentierend.)

    Es ist die Staerke, Freund, und Schnelligkeit.

    Questenberg. (zu Octavio)
         Und zwischen beiden der erfahrne Rat.

    Octavio. (zu Questenbergen an jene vorstellend).
         Den Kammerherrn und Kriegsrat Questenberg,
         Den Ueberbringer kaiserlicher Befehle,
         Der Soldaten grossen Goenner und Patron
         Verehren wir in diesem wuerdigen Gaste.

    (Allgemeines Stillschweigen.)

    Illo. (naehert sich Questenbergen)
         Es ist das erste Mal nicht, Herr Minister,
         Dass Sie im Lager uns die Ehr' erweisen.

    Questenberg.
         Schon einmal sah ich mich vor diesen Fahnen.

    Illo.
         Und wissen Sie, wo das gewesen ist?
         Zu Znaym war's, in Maehren, wo Sie sich
         Von Kaisers wegen eingestellt, den Herzog
         Um Uebernahm' des Regiments zu flehen.

    Questenberg.
         Zu flehn, Herr General? So weit ging weder
         Mein Auftrag, dass ich wuesste, noch mein Eifer.

    Illo.
         Nun! Ihn zu zwingen, wenn Sie wollen. Ich
         Erinnre mich's recht gut—Graf Tilly war
         Am Lech aufs Haupt geschlagen—offen stand
         Das Bayerland dem Feind—nichts hielt ihn auf,
         Bis in das Herz von Oestreich vorzudringen.
         Damals erschienen Sie und Werdenberg
         Vor unserm Herrn, mit Bitten in ihn stuermend
         Und mit der kaiserlichen Ungnad' drohend,
         Wenn sich der Fuerst des Jammers nicht erbarme.

    Isolani. (tritt dazu)
         Ja, ja! 's ist zu begreifen, Herr Minister,
         Warum Sie sich bei Ihrem heut'gen Auftrag
         An jenen alten just nicht gern erinnern.

    Questenberg.
         Wie sollt' ich nicht! Ist zwischen beiden doch
         Kein Widerspruch! Damalen galt es, Boehmen
         Aus Feindes Hand zu reissen, heute soll ich's
         Befrein von seinen Freunden und Beschuetzern.

    Illo.
         Ein schoenes Amt! Nachdem wir dieses Boehmen,
         Mit unserm Blut, dem Sachsen abgefochten,
         Will man zum Dank uns aus dem Lande werfen.

    Questenberg.
         Wenn es nicht bloss ein Elend mit dem andern
         Vertauscht soll haben, muss das arme Land
         Von Freund und Feindes Geissel gleich befreit sein.

    Illo.
         Ei was! Es war ein gutes Jahr, der Bauer kann
         Schon wieder geben.

    Questenberg.
         Ja, wenn Sie von Herden
         Und Weideplaetzen reden, Herr Feldmarschall—

    Isolani.
         Der Krieg ernaehrt den Krieg. Gehn Bauern drauf,
         Ei, so gewinnt der Kaiser mehr Soldaten.

    Questenberg.
         Und wird um so viel Untertanen aermer!

    Isolani.
         Pah! Seine Untertanen sind wir alle!

    Questenberg.
         Mit Unterschied, Herr Graf! Die einen fuellen
         Mit nuetzlicher Geschaeftigkeit den Beutel,
         Und andre wissen nur ihn brav zu leeren.
         Der Degen hat den Kaiser arm gemacht;
         Der Pflug ist's, der ihn wieder staerken muss.

    Buttler.
         Der Kaiser waer' nicht arm, wenn nicht so viel
         —Blutigel saugten an dem Mark des Landes.

    Isolani.
         So arg kann's auch nicht sein. Ich sehe ja,

    (indem er sich vor ihm hinstellt und seinen Anzug mustert)

    Es ist noch lang nicht alles Gold gemuenzt.

    Questenberg.
         Gottlob! Noch etwas weniges hat man
         Gefluechtet—vor den Fingern der Kroaten.

    Illo.
         Da! der Slawata und der Martinitz,
         Auf die der Kaiser, allen guten Boehmen
         Zum Aergernisse, Gnadengaben haeuft—
         Die sich vom Raube der vertriebnen Buerger maesten—
         Die von der allgemeinen Faeulnis wachsen,
         Allein im oeffentlichen Unglueck ernten—
         Mit koeniglichem Prunk dem Schmerz des Landes
         Hohnsprechen—die und ihresgleichen lasst
         Den Krieg bezahlen, den verderblichen,
         Den sie allein doch angezuendet haben.

    Buttler.
         Und diese Ladenschmarutzer, die die Fuesse
         Bestaendig unterm Tisch des Kaisers haben,
         Nach allen Benefizen hungrig schnappen,
         Die wollen dem Soldaten, der vorm Feind liegt,
         Das Brot vorschneiden und die Rechnung streichen.

    Isolani.
         Mein Lebtag denk ich dran, wie ich nach Wien
         Vor sieben Jahren kam, um die Remonte
         Fuer unsre Regimenter zu betreiben,
         Wie sie von einer Antecamera
         Zur andern mich herumgeschleppt, mich unter
         Den Schranzen stehen lassen, stundenlang,
         Als waer' ich da, ums Gnadenbrot zu betteln.
         Zuletzt—da schickten sie mir einen Kapuziner,
         Ich dacht', es waer' um meiner Suenden willen!
         Nein doch, das war der Mann, mit dem
         Ich um die Reiterpferde sollte handeln.
         Ich musst' auch abziehn unverrichteter Ding'.
         Der Fuerst nachher verschaffte mir in drei Tagen,
         Was ich zu Wien in dreissig nicht erlangte.

    Questenberg.
         Ja, ja! Der Posten fand sich in der Rechnung,
         Ich weiss, wir haben noch daran zu zahlen.

    Illo.
         Es ist der Krieg ein roh, gewaltsam Handwerk.
         Man kommt nicht aus mit sanften Mitteln, alles
         Laesst sich nicht schonen. Wollte man's erpassen,
         Bis sie zu Wien aus vierundzwanzig Uebeln
         Das kleinste ausgewaehlt, man passte lange!
         —Frisch mitten durchgegriffen, das ist besser!
         Reiss' dann, was mag!—Die Menschen, in der Regel,
         Verstehen sich aufs Flicken und aufs Stueckeln
         Und finden sich in ein verhasstes Muessen
         Weit besser als in eine bittre Wahl.

    Questenberg.
         Ja, das ist wahr! Die Wahl spart uns der Fuerst.

    Illo.
         Der Fuerst traegt Vatersorge fuer die Truppen,
         Wir sehen, wie's der Kaiser mit uns meint.

    Questenberg.
         Fuer jeden Stand hat er ein gleiches Herz
         Und kann den einen nicht dem andern opfern.

    Isolani.
         Drum stoesst er uns zum Raubtier in die Wueste,
         Um seine teuren Schafe zu behueten.

    Questenberg. (mit Hohn)
         Herr Graf! Dies Gleichnis machen Sie—nicht ich.

    Illo.
         Doch waeren wir, wofuer der Hof uns nimmmt,
         Gefaehrlich war's, die Freiheit uns zu geben.

    Questenberg. (mit Ernst)
         Genommen ist die Freiheit, nicht gegeben,
         Drum tut es not, den Zaum ihr anzulegen.

    Illo.
         Ein wildes Pferd erwarte man zu finden.

    Questenberg.
         Ein bessrer Reiter wird's besaenftigen.

    Illo.
         Es traegt den einen nur, der es gezaehmt.

    Questenberg.
         Ist es gezaehmt, so folgt es einem Kinde.

    Illo.
         Das Kind, ich weiss, hat man ihm schon gefunden.

    Questenberg.
         Sie kuemmre nur die Pflicht und nicht der Name.

    Buttler. (der sich bisher mit Piccolomini seitwaerts gehalten, doch mit
         sichtbarem Anteil an dem Gespraech, tritt naeher)

    Herr Praesident! Dem Kaiser steht in Deutschland
         Ein stattlich Kriegsvolk da, es kantonieren
         In diesem Koenigreich wohl dreissigtausend ,
         Wohl sechzehntausend Mann in Schlesien;
         Zehn Regimenter stehn am Weserstrom,
         Am Rhein und Main; in Schwaben bieten sechs,
         In Bayern zwoelf den Schwedischen die Spitze.
         Nicht zu gedenken der Besatzungen,
         Die an der Grenz' die festen Plaetze schirmen.
         All dieses Volk gehorcht Friedlaendischen
         Hauptleuten. Die's befehligen, sind alle
         In eine Schul' gegangen, eine Milch
         Hat sie ernaehrt, ein Herz belebt sie alle.
         Fremdlinge stehn sie da auf diesem Boden,
         Der Dienst allein ist ihnen Haus und Heimat.
         Sie treibt der Eifer nicht fuers Vaterland,
         Denn Tausende, wie mich, gebar die Fremde.
         Nicht fuer den Kaiser, wohl die Haelfte kam
         Aus fremdem Dienst feldfluechtig uns herueber,
         Gleichgueltig, unterm Doppeladler fechtend
         Wie unterm Loewen und den Lilien.
         Doch alle fuehrt an gleich gewalt'gem Zuegel
         Ein einziger, durch gleiche Lieb' und Furcht
         Zu einem Volke sie zusammenbindend.
         Und wie des Blitzes Funke sicher, schnell,
         Geleitet an der Wetterstange, laeuft,
         Herrscht sein Befehl vom letzten fernen Posten,
         Der an die Duenen branden hoert den Belt,
         Der in der Etsch fruchtbare Taeler sieht,
         Bis zu der Wache, die ihr Schilderhaus
         Hat aufgerichtet an der Kaiserburg.

    Questenberg.
         Was ist der langen Rede kurzer Sinn?

    Buttler.
         Dass der Respekt, die Neigung, das Vertraun,
         Das uns dem Friedland unterwuerfig macht,
         Nicht auf den ersten besten sich verpflanzt,
         Den uns der Hof aus Wien heruebersendet.
         Und ist in treuem Angedenken noch,
         Wie das Kommando kam in Friedlands Haende.
         War's etwa kaiserliche Majestaet,
         Die ein gemachtes Heer ihm uebergab,
         Den Fuehrer nur gesucht zu ihren Truppen?
         —Noch gar nicht war das Heer. Erschaffen erst
         Musst' es der Friedland, er empfing es nicht,
         Er gab's dem Kaiser! Von dem Kaiser nicht
         Erhielten wir den Wallenstein zum Feldherrn.
         So ist es nicht, so nicht! Vom Wallenstein
         Erhielten wir den Kaiser erst zum Herrn,
         Er knuepft uns, er allein, an diese Fahnen.

    Octavio. (tritt dazwischen)
         Es ist nur zur Erinnerung, Herr Kriegsrat,
         Dass Sie im Lager sind und unter Kriegern.-
         Die Kuehnheit macht, die Freiheit den Soldaten.-
         Vermoecht' er keck zu handeln, duerft' er nicht
         Keck reden auch?—Eins geht ins andre drein.-
         Die Kuehnheit dieses wuerd'gen Offiziers, (auf Buttlern zeigend)
         Die jetzt in ihrem Ziel sich nur vergriff,
         Erhielt, wo nichts als Kuehnheit retten konnte,
         Bei einem furchtbarn Aufstand der Besatzung
         Dem Kaiser seine Hauptstadt Prag. (Man hoert von fern eine Kriegsmusik)

    Illo.
         Das sind sie!
         Die Wachen salutieren—Dies Signal
         Bedeutet uns, die Fuerstin sei herein.

    Octavio. (zu Questenberg)
         So ist auch mein Sohn Max zurueck. Er hat sie
         Aus Kaernten abgeholt und hergeleitet.

    Isolani. (zu Illo)
         Gehn wir zusammen hin, sie zu begruessen?

    Illo.
         Wohl! Lasst uns gehen. Oberst Buttler, kommt!

    (zum Octavio.)

    Erinnert Euch, dass wir vor Mittag noch
         Mit diesem Herrn beim Fuersten uns begegnen
    .

    Dritter Auftritt

    Octavio und Questenberg, die zurueckbleiben.

    Questenberg. (mit Zeichen des Erstaunens)
         Was hab ich hoeren muessen, Gen'ralleutnant!
         Welch zuegelloser Trotz! Was fuer Begriffe!
         —Wenn dieser Geist der allgemeine ist—

    Octavio.
         Drei Viertel der Armee vernahmen Sie.

    Questenberg.
         Weh uns! Wo dann ein zweites Heer gleich finden,
         Um dieses zu bewachen!—Dieser Illo, fuercht ich,
         Denkt noch viel schlimmer, als er spricht. Auch dieser Buttler
         Kann seine boese Meinung nicht verbergen.

    Octavio.
         Empfindlichkeit—gereizter Stolz—nichts weiter!-
         Diesen Buttler geb ich noch nicht auf; ich weiss,
         Wie dieser boese Geist zu bannen ist.

    Questenberg. (voll Unruh' auf und ab gehend)
         Nein! das ist schlimmer, oh! viel schlimmer, Freund!
         Als wir's in Wien uns hatten traeumen lassen.
         Wie sahen's nur mit Hoeflingsaugen an,
         Die von dem Glanz des Throns geblendet waren;
         Den Feldherrn hatten wir noch nicht gesehn,
         Den allvermoegenden, in seinem Lager.
         Hier ist's ganz anders!
         Hier ist kein Kaiser mehr. Der Fuerst ist Kaiser!
         Der Gang, den ich an Ihrer Seite jetzt
         Durchs Lager tat, schlaegt meine Hoffnung nieder.

    Octavio.
         Sie sehn nun selbst, welch ein gefaehrlich Amt
         Es ist, das Sie vom Hof mir ueberbrachten—
         Wie misslich die Person, die ich hier spiele.
         Der leiseste Verdacht des Generals,
         Er wuerde Freiheit mir und Leben kosten
         Und sein verwegenes Beginnen nur
         Beschleunigen.

    Questenberg.
         Wo war die Ueberlegung,
         Als wir dem Rasenden das Schwert vertraut
         Und solche Macht gelegt in solche Hand!
         Zu stark fuer dieses schlimmverwahrte Herz
         War die Versuchung! Haette sie doch selbst
         Dem bessern Mann gefaehrlich werden muessen!
         Er wird sich weigern, sag ich Ihnen,
         Der kaiserlichen Ordre zu gehorchen.—
         Er kann's und wird's.—Sein unbestrafter Trotz
         Wird unsre Ohnmacht schimpflich offenbaren.

    Octavio.
         Und glauben Sie, dass er Gemahlin, Tochter
         Umsonst hieher ins Lager kommen liess,
         Gerade jetzt, da wir zum Krieg uns ruesten?
         Dass er die letzte Pfaender seine Treu'
         Aus Kaisers Landen fuehrt, das deutet uns
         Auf einen nahen Ausbruch der Empoerung.

    Questenberg.
         Weh uns! und wie dem Ungewitter stehn,
         Das drohend uns umzieht von allen Enden?
         Der Reichsfeind an den Grenzen, Meister schon
         Vom Donaustrom, stets weiter um sich greifend—
         Im innern Land des Aufruhrs Feuerglocke—
         Der Bauer in Waffen—alle Staende schwuerig—
         Und die Armee, von der wir Hilf' erwarten,
         Verfuehrt, verwildert, aller Zucht entwohnt—
         Vom Staat, von ihrem Kaiser losgerissen,
         Vom Schwindelnden die schwindelnde gefuehrt,
         Ein furchtbar Werkzeug, dem verwegensten
         Der Menschen blind gehorchend hingegeben—

    Octavio.
         Verzagen wir auch nicht zu frueh, mein Freund!
         Stets ist die Sprache kecker als die Tat,
         Und mancher, der in blindem Eifer jetzt
         Zu jedem Aeussersten entschlossen scheint,
         Findet unerwartet in der Brust ein Herz,
         Spricht man des Frevels wahren Namen aus.
         Zudem—ganz unverteidigt sind wir nicht.
         Graf Altringer und Gallas, wissen Sie ,
         Erhalten in der Pflicht ihr kleines Heer—
         Verstaerken es noch taeglich.—Ueberraschen
         Kann er uns nicht, Sie wissen, dass ich ihn
         Mit meinen Horchern rings umgeben habe;
         Vom kleinsten Schritt erhalt ich Wissenschaft
         Sogleich—Ja, mir entdeckt's sein eigner Mund.

    Questenberg.
         Ganz unbegreiflich ist's, dass er den Feind nicht merkt
         An seiner Seite.

    Octavio.
         Denken Sie nicht etwa,
         Dass ich durch Luegenkuenste, gleisnerische
         Gefaelligkeit in seine Gunst mich stahl,
         Durch Heuchelworte sein Vertrauen naehre.
         Befiehlt mir gleich die Klugheit und die Pflicht,
         Die ich dem Reich, dem Kaiser schuldig bin,
         Dass ich mein wahres Herz vor ihm verberge,
         Ein falsches hab ich niemals ihm geheuchelt!

    Questenberg.
         Es ist des Himmels sichtbarliche Fuegung.

    Octavio.
         Ich weiss nicht, was es ist-was ihn an mich
         Und meinen Sohn so maechtig zieht und kettet.
         Wir waren immer Freunde, Waffenbrueder;
         Gewohnheit, gleichgeteilte Abenteuer
         Verbanden uns schon fruehe-doch ich weiss
         Den Tag zu nennen, wo mit einemmal
         Sein Herz mir aufging, sein Vertrauen wuchs.
         Es war der Morgen vor der Luetzner Schlacht—
         Mich trieb ein boeser Traum, ihn aufzusuchen,
         Ein ander Pferd zur Schlacht ihm anzubieten.
         Fern von den Zelten, unter einem Baum
         Fand ich ihn eingeschlafen. Als ich ihn
         Erweckte, mein Bedenken ihm erzaehlte,
         Sah er mich lange staunend an; drauf fiel er
         Mir um den Hals und zeigte eine Ruehrung,
         Wie jener kleine Dienst sie gar nicht wert war.
         Seit jenem Tag verfolgt mich sein Vertrauen
         In gleichem Mass, als ihn das meine flieht.

    Questenberg.
         Sie ziehen Ihren Sohn doch ins Geheimnis?

    Octavio.
         Nein!

    Questenberg.
         Wie? auch warnen wollen Sie ihn nicht,
         In welcher schlimmen Hand er sich befinde?

    Octavio.
         Ich muss ihn seiner Unschuld anvertrauen.
         Verstellung ist der offnen Seele fremd,
         Unwissenheit allein kann ihm die Geistesfreiheit
         Bewahren, die den Herzog sicher macht.

    Questenberg. (besorglich)
         Mein wuerd'ger Freund! Ich hab die beste Meinung
         Vom Oberst Piccolomini—doch—wenn—
         Bedenken Sie—

    Octavio.
         Ich muss es darauf wagen—Still! Da kommt er.

    Vierter Auftritt

    Max Piccolomini. Octavio Piccolomini. Questenberg.

    Max.
         Da ist er ja gleich selbst. Willkommen, Vater! (Er umarmt ihn. Wie er sich umwendet, bermerkt er Questenbergen
         und tritt kalt zurueck.)
         Beschaeftigt, wie ich seh? Ich will ihn nicht stoeren.

    Octavio.
         Wie, Max? Sieh diesen Gast doch naeher an.
         Aufmerksamkeit verdient ein alter Freund;
         Ehrfurcht gebuehrt dem Boten deines Kaisers.

    Max. (trocken)
         Von Questenberg! Willkommen, wenn was Gutes
         Ins Hauptquartier Sie herfuehrt.

    Questenberg. (hat seine Hand gefasst)
         Ziehen Sie
         Die Hand nicht weg, Graf Piccolomini,
         Ich fasse sie nicht bloss von meinetwegen,
         Und nichts Gemeines will ich damit sagen. (Beider Haende fassend.)
         Octavio—Max Piccolomini!
         Heilbringend, vorbedeutungsvolle Namen!
         Nie wird das Glueck von Oesterreich sich wenden,
         Solang zwei solche Sterne, segenreich
         Und schuetzend, leuchten ueber seinen Heeren.

    Max.
         Sie fallen aus der Rolle, Herr Minister,
         Nicht Lobens wegen sind Sie hier, ich weiss,
         Sie sind geschickt, zu tadeln und zu schelten—
         Ich will voraus nichts haben vor den andern.

    Octavio. (zu Max)
         Er kommt vom Hofe, wo man mit dem Herzog
         Nicht ganz so wohl zufrieden ist als hier.

    Max.
         Was gibt's aufs neu denn an ihm auszustellen?
         Dass er fuer sich allein beschliesst, was er
         Allein versteht? Wohl! daran tut er recht,
         Und wird's dabei auch sein Verbleiben haben.-
         Er ist nun einmal nicht gemacht, nach andern
         Geschmeidig sich zu fuegen und zu wenden,
         Es geht ihm wider die Natur, er kann's nicht.
         Geworden ist ihm eine Herrscherseele,
         Und ist gestellt auf einen Herrscherplatz.
         Wohl uns, dass es so ist! Es koennen sich
         Nur wenige regieren, den Verstand
         Verstaendig brauchen—Wohl dem Ganzen, findet
         Sich einmal einer, der ein Mittelpunkt
         Fuer viele Tausend wird, ein Halt;—sich hinstellt
         Wie eine feste Saeul', an die man sich
         Mit Lust mag schliessen und mit Zuversicht.
         So einer ist der Wallenstein, und taugte
         Dem Hof ein andrer besser—der Armee
         Frommt nur ein solcher.

    Questenberg.
         Der Arme! Jawohl!

    Max.
         Und eine Lust ist's, wie er alles weckt
         Und staerkt und neu belebt um sich herum,
         Wie jede Kraft sich ausspricht, jede Gabe
         Gleich deutlicher sich wird in seiner Naehe!
         Jedwedem zieht er seine Kraft hervor,
         Die eigentuemliche, und zieht sie gross,
         Laesst jeden ganz das bleiben, was er ist,
         Er wacht nur drueber, dass er's immer sei
         Am rechten Ort; so weiss er aller Menschen
         Vermoegen zu dem seinigen zu machen.

    Questenberg.
         Wer spricht ihm ab, dass er die Menschen kenne,
         Sie zu gebrauche wisse! Ueberm Herrscher
         Vergisst er nur den Diener ganz und gar,
         Als waer' mit seiner Wuerd' er schon geboren.

    Max.
         Ist er's denn nicht? Mit jeder Kraft dazu
         Ist er's, und mit der Kraft noch obendrein,
         Buchstaeblich zu vollstrecken die Natur,
         Dem Herrschtalent den Herrschplatz zu erobern.

    Questenberg.
         So kommt's zuletzt auf seine Grossmut an,
         Wieviel wir ueberall noch gelten sollen!

    Max.
         Der seltne Mann will seltenes Vertrauen.
         Gebt ihm den Raum, das Ziel wird er sich setzen.

    Questenberg.
         Die Proben geben's.

    Max.
         Ja! so sind sie! Schreckt
         Sie alles gleich, was eine Tiefe hat;
         Ist ihnen nirgends wohl, als wo's recht flach ist.

    Octavio. (zu Questenberg)
         Ergeben Sie sich nur in gutem, Freund!
         Mit dem da werden Sie nicht fertig.

    Max.
         Da rufen sie den Geist an in der Not,
         Und grauet ihnen gleich, wenn er sich zeigt.
         Das Ungemeine soll, das Hoechste selbst
         Geschehn wie das Alltaegliche. Im Feld,
         Da dringt die Gegenwart—Persoenliches
         Muss herrschen, eignes Auge sehn. Es braucht
         Der Feldherr jedes Grosse der Natur,
         So goenne man ihm auch, in ihren grossen
         Verhaeltnissen zu leben. Das Orakel
         In seinem Innern, das lebendige—
         Nicht tote Buecher, alte Ordnungen,
         Nicht modrigte Papiere soll er fragen.

    Octavio.
         Mein Sohn! Lass uns die alten, engen Ordnungen
         Gering nicht achten! Koestlich unschaetzbare
         Gewichte sind's, die der bedraengte Mensch
         An seiner Draenger raschen Willen band;
         Denn immer war die Willkuer fuerchterlich—
         Der Weg der Ordnung, ging' er auch durch Kruemmmen,
         Er ist kein Umweg. Grad aus geht des Blitzes,
         Geht des Kanonballs fuerchterlicher Pfad—
         Schnell, auf dem naechsten Wege, langt er an,
         Macht sich zermalmend Platz, um zu zermalmen.
         Mein Sohn! Die Strasse, die der Mensch befaehrt,
         Worauf der Segen wandelt, diese folgt
         Der Fluesse Lauf, der Taeler freien Kruemmen,
         Umgeht das Weizenfeld, den Rebenhuegel,
         Des Eigentums gemessne Grenzen ehrend—
         So fuehrt sie spaeter, sicher doch zum Ziel.

    Questenberg.
         Oh! hoeren Sie den Vater—hoeren Sie
         Ihn, der ein Held ist und ein Mensch zugleich.

    Octavio.
         Das Kind des Lagers spricht aus dir, mein Sohn.
         Ein fuenfzehnjaehr'ger Krieg hat dich erzogen,
         —Du hast den Frieden nie gesehn! Es gibt
         Noch hoehern Wert, mein Sohn, als kriegerischen;
         Im Kriege selber ist das Letzte nicht der Krieg.
         Die grossen, schnellen Taten der Gewalt,
         Des Augenblicks erstaunenswerte Wunder,
         Die sind es nicht, die das Beglueckende,
         Das ruhig, maechtig Dauernde erzeugen.
         In Hast und Eile bauet der Soldat
         Von Leinwand seine leichte Stadt, da wird
         Ein augenblicklich Brausen und Bewegen,
         Der Markt belebt sich, Strassen, Fluesse sind
         Bedeckt mit Fracht, es ruehrt sich das Gewerbe.
         Doch eines Morgens ploetzlich siehet man
         Die Zelte fallen, weiter rueckt die Horde,
         Und ausgestorben, wie ein Kirchhof, bleibt
         Der Acker, das zerstampfte Saatfeld liegen,
         Und um des Jahres Ernte ist's getan.

    Max.
         Oh! lass den Kaiser Friede machen, Vater!
         Den blut'gen Lorbeer geb ich hin mit Freuden
         Fuers erste Veilchen, das der Maerz uns bringt,
         Das duftige Pfand der neuverjuengten Erde.

    Octavio.
         Wie wird dir? Was bewegt dich so auf einmal?

    Max.
         Ich hab den Frieden nie gesehn?—Ich hab ihn
         Gesehen, alter Vater , eben komm ich—
         Jetzt eben davon her—er fuehrte mich
         Der Weg durch Laender, wo der Krieg nicht
         hingekommen—oh! das Leben, Vater,
         Hat Reize, die wir nie gekannt.—Wir haben
         Des schoenen Lebens oede Kueste nur
         Wie ein umirrend Raeubervolk befahren,
         Das, in sein dumpfig-enges Schiff gepresst,
         Im wuesten Meer mit wuesten Sitten haust,
         Vom grossen Land nichts als die Buchten kennt,
         Wo es die Diebeslandung wagen darf.
         Was in den innern Taelern Koestliches
         Das Land verbirgt, oh! davon—davon ist
         Auf unsrer wilden Fahrt uns nichts erschienen.

    Ocatvio. (wird aufmerksam)
         Und haett' es diese Reise dir gezeigt?

    Max.
         Es war die erste Musse meines Lebens.
         Sag mir, was ist der Arbeit Ziel und Preis,
         Der peinlichen, die mir die Jugend stahl,
         Das Herz mir oede liess und unerquickt
         Den Geist, den keine Bildung noch geschmuecket?
         Denn dieses Lagers laermendes Gewuehl,
         Der Pferde Wiehern, der Trompete Schmettern,
         Des Dienstes immer gleichgestellte Uhr,
         Die Waffenuebung, das Kommandowort—
         Dem Herzen gibt es nichts, dem lechzenden.
         Die Seele fehlt dem nichtigen Geschaeft—
         Es gibt ein andres Glueck und andre Freuden.

    Octavio.
         Viel lerntest du auf diesem kurzen Weg, mein Sohn!

    Max.
         O schoener Tag! wenn endlich der Soldat
         Ins Leben heimkehrt, in die Menschlichkeit,
         Zum frohen Zug die Fahnen sich entfalten,
         Und heimwaerts schlaegt der sanfte Friedensmarsch.
         Wenn alle Huete sich und Helme schmuecken
         Mit gruenen Maien, dem letzten Raub der Felder!
         Der Staedte Tore gehen auf, von selbst,
         Nicht die Petarde braucht sie mehr zu sprengen;
         Von Menschen sind die Waelle rings erfuellt,
         Von friedlichen, die in die Luefte gruessen—
         Hell klingt von allen Tuermen das Gelaeut,
         Des blut'gen Tages frohe Vesper schlagend.
         Aus Doerfern und aus Staedten wimmelnd stroemt
         Ein jauchzend Volk, mit liebend emsiger
         Zudringlichkeit des Heeres Fortzug hindernd—
         Da schuettelt, froh des noch erlebten Tags,
         Dem heimgekehrten Sohn der Greis die Haende.
         Ein Fremdling tritt er in sein Eigentum,
         Das laengstverlassne, ein; mit breiten Aesten
         Deckt ihn der Baum bei seiner Wiederkehr,
         Der sich zur Gerte bog, als er gegangen,
         Und schamhaft tritt als Jungfrau ihm entgegen,
         Die er einst an der Amme Brust verliess.
         Oh! gluecklich, wem dann auch sich eine Tuer,
         Sich zarte Arme sanft umschlingend oeffnen—

    Questenberg. (geruehrt)
         Oh! dass Sie von so ferner, ferner Zeit,
         Und nicht von morgen, nicht von heute sprechen!

    Max. (mit Heftigkeit sich zu ihm wendend)
         Wer sonst ist schuld daran als ihr in Wien?—
         Ich will's nur frei gestehen, Questenberg!
         Als ich vorhin Sie stehen sah, es presste
         Der Unmut mir das Innerste zusammen—
         Ihr seid es, die den Frieden hinder, ihr!
         Der Krieger ist's, der ihn erzwingen muss.
         Dem Fuersten macht ihr's Leben sauer, macht
         Ihm alle Schritte schwer, ihr schwaerzt ihn an—
         Warum? Weil an Europas grossem Besten
         Ihm mehr liegt als an ein paar Hufen Landes,
         Die Oestreich mehr hat oder weniger—
         Ihr macht ihn zum Empoerer und, Gott weiss!
         Zu was noch mehr, weil er die Sachsen schont,
         Beim Feind Vertrauen zu erwecken sucht,
         Das doch der einz'ge Weg zum Frieden ist;
         Denn hoert der Krieg im Kriege nicht schon auf,
         Woher soll Friede kommen?—Geht nur, geht!
         Wie ich das Gute liebe, hass ich euch—
         Und hier gelob ich's an, verspritzen will ich
         Fuer ihn, fuer diesen Wallenstein, mein Blut,
         Das letzte meines Herzens, tropfenweis, eh' dass
         Ihr ueber seinen Fall frohlocken sollt! (Er geht ab.)

    Fuenfter Auftritt

    Questenberg. Octavio Piccolomini.

    Questenberg.
         O weh uns! Steht es so? (Dringend und ungeduldig.)
         Freund, und wir lassen ihn in diesem Wahn
         Dahingehn, rufen ihn nicht gleich
         Zurueck, dass wir die Augen auf der Stelle
         Ihm oeffnen?

    Octavio. (aus einem tiefen Nachdenken zu sich kommend)
         Mir hat er sie jetzt geoeffnet,
         Und mehr erblick ich, als mich freut.

    Questenberg.
         Was ist es, Freund?

    Octavio.
         Fluch ueber diese Reise!

    Questenberg.
         Wieso! Was ist es?

    Octavio.
         Kommen Sie! Ich muss
         Sogleich die unglueckselige Spur verfolgen,
         Mit meinen Augen sehen—Kommen Sie—

    (Will ihn fortfuehren.)

    Questenberg.
         Was denn? Wohin?

    Octavio. (pressiert)
         Zu ihr!

    Questenberg.
         Zu—

    Octavio. (korrigiert sich)
         Zum Herzog! Gehn wir. Oh! ich fuerchte alles.
         Ich seh' das Netz geworfen ueber ihn,
         Er kommt mir nicht zurueck, wie er gegangen.

    Questenberg.
         Erklaeren Sie mir nur—

    Octavio.
         Und konnt' ich's nicht
         Vorhersehn? Nicht die Reise hintertreiben?
         Warum verschwieg ich's ihm?—Sie hatten recht,
         Ich musst' ihn warnen—Jetzo ist's zu spaet.

    Questenberg.
         Was ist zu spaet? Besinnen Sie sich, Freund,
         Dass Sie in lauter Raetseln zu mir reden.

    Octavio. (gefasster).
         Wir gehn zum Herzog. Kommen Sie. Die Stunde
         Rueckt auch heran, die er zur Audienz
         Bestimmt hat. Kommen Sie!—
         Verwuenscht! dreimal verwuenscht sei diese Reise! (Er fuehrt ihn weg. Der Vorhang faellt.)

    Zweiter Aufzug

    Saal beim Herzog von Friedland

    Erster Auftritt

    Bediente setzen Stuehle und breiten Fussteppiche aus. Gleich
         darauf Seni, der Astrolog, wie ein italienischer Doktor
         schwarz und etwas phantastisch gekleidet. Er tritt in die
         Mitte des Saals, ein weisses Staebchen in der Hand, womit er
         die Himmelsgegenden bezeichnet.

    Bedienter. (mit einem Rauchfass herumgehend)
         Greift an! Macht, dass ein Ende wird! Die Wache
         Ruft ins Gewehr. Sie werden gleich erscheinen.

    Zweiter Bedienter.
         Warum denn aber ward die Erkerstube,
         Die rote, abbestellt, die doch so leuchtet?

    Erster Bedienter.
         Da frag den Mathematikus. Der sagt,
         Es sei ein Unglueckszimmer.

    Zweiter Bedienter.
         Narrenspossen!
         Das heisst die Leute scheren. Saal ist Saal.
         Was kann der Ort viel zu bedeuten haben?

    Seni. (mit Gravitaet)
         Mein Sohn! Nichts in der Welt ist unbedeutend.
         Das Erste aber und Hauptsaechlichste
         Bei allem ird'schen Ding ist Ort und Stunde.

    Dritter Bedienter.
         Lass dich mit dem nicht ein, Nathanael.
         Muss ihm der Herr doch selbst den Willen tun.

    Seni. (zaehlt die Stuehle)
         Eilf! Eine boese Zahl. Zwoelf Stuehle setzt,
         Zwoelf Zeichen hat der Tierkreis; Fuenf und Sieben,
         Die heil'gen Zahlen, liegen in der Zwoelfe.

    Zweiter Bedienter.
         Was habt Ihr gegen Eilf? Das lasst mich wissen.

    Seni.
         Eilf ist die Suende. Eilfe ueberschreitet
         Die zehn Gebote.

    Zweiter Bedienter.
         So? Und warum nennt Ihr
         Die Fuenfe eine heil'ge Zahl?

    Seni.
         Fuenf ist
         Des Menschen Seele. Wie der Mensch aus Gutem
         Und Boesem ist gemischt, so ist die Fuenfe
         Die erste Zahl aus Grad' und Ungerade.

    Erster Bedienter.
         Der Narr!

    Dritter Bedienter.
         Ei, lass ihn doch! Ich hoer ihm gerne zu,
         Denn mancherlei doch denkt sich bei den Worten.

    Zweiter Bedienter.
         Hinweg! Sie kommen! Da! zur Seitentuer hinaus.

    (Sie eilen fort. Seni folgt langsam.)

    Zweiter Auftritt

    Wallenstein. Die Herzogin.

    Wallenstein.
         Nun, Herzogin? Sie haben Wien beruehrt,
         Sich vorgestellt der Koenigin von Ungarn?

    Herzogin.
         Der Kaiserin auch. Bei beiden Majestaeten
         Sind wir zum Handkuss zugelassen worden.

    Wallenstein.
         Wie nahm man's auf, dass ich Gemahlin, Tochter
         Zu dieser Winterszeit ins Feld beschieden?

    Herzogin.
         Ich tat nach Ihrer Vorschrift, fuehrte an,
         Sie haetten ueber unser Kind bestimmt
         Und moechten gern dem kuenftigen Gemahl
         Noch vor dem Feldzug die Verlobte zeigen.

    Wallenstein.
         Mutmasste man die Wahl, die ich getroffen?

    Herzogin.
         Man wuenschte wohl, sie moech' auf keinen fremden
         Noch lutherischen Herrn gefallen sein.

    Wallenstein.
         Was wuenschen Sie , Elisabeth?

    Herzogin.
         Ihr Wille, wissen Sie, war stets der meine.

    Wallenstein. (nach einer Pause)
         Nun—Und wie war die Aufnahm' sonst am Hofe? (Herzogin schlaegt die Augen nieder und schweigt.)
         Verbergen Sie mir nichts—Wie war's damit?

    Herzogin.
         Oh! mein Gemahl—Es ist nicht alles mehr
         Wie sonst—Es ist ein Wandel vorgegangen.

    Wallenstein.
         Wie? Liess man's an der alten Achtung fehlen?

    Herzogin.
         Nicht an der Achtung. Wuerdig und voll Anstand
         War das Benehmen—aber an die Stelle
         Huldreich vertraulicher Herablassung
         War feierliche Foermlichkeit getreten.
         Ach! und die zarte Schonung, die man zeigte,
         Sie hatte mehr vom Mitleid als der Gunst.
         Nein! Herzog Albrechts fuerstliche Gemahlin,
         Graf Harrachs edle Tochter, haette so—
         Nicht eben so empfangen werden sollen!

    Wallenstein.
         Man schalt gewiss mein neuestes Betragen?

    Herzogin.
         O haette man's getan!—Ich bin's von lang her
         Gewohnt, Sie zu entschuldigen, zufrieden
         Zu sprechen die entruesteten Gemueter—
         Nein, niemand schalt Sie—Man verhuellte sich
         In ein so lastend feierliches Schweigen.
         Ach! hier ist kein gewoehnlich Missverstaendnis, keine
         Voruebergehende Empfindlichkeit—
         Etwas ungluecklich, unersetzliches ist
         Geschehn—Sonst pflegte mich die Koenigin
         Von Ungarn immer ihre liebe Muhme
         Zu nennen, mich beim Abschied zu umarmen.

    Wallenstein.
         Jetzt unterliess sie's?

    Herzogin. (ihre Traenen trocknend, nach einer Pause)
         Sie umarmte mich,
         Doch erst, als ich den Urlaub schon genommen, schon
         Der Tuere zuging, kam sie auf mich zu,
         Schnell, als besaenne sie sich erst, und drueckte
         Mich an den Busen, mehr mit schmerzlicher
         Als zaertlicher Bewegung.

    Wallenstein. (ergreift ihre Hand)
         Fassen Sie sich!—
         Wie war's mit Eggenberg, mit Lichtenstein
         Und mit den andern Freunden?

    Herzogin. (den Kopf schuettelnd)
         Keinen sah ich.

    Wallenstein.
         Und der hispanische Conte Ambassador,
         Der sonst so warm fuer mich zu sprechen pflegte?

    Herzogin.
         Er hatte keine Zunge mehr fuer Sie.

    Wallenstein.
         Die Sonnen also scheinen uns nicht mehr,
         Fortan muss eignes Feuer uns erleuchten.

    Herzogin.
         Und waer' es? Teurer Herzog, waer's an dem,
         Was man am Hofe leise fluestert, sich
         Im Lande laut erzaehlt—was Pater Lamormain
         Durch einige Winke—

    Wallenstein. (schnell)
         Lamormain! Was sagt der?

    Herzogin.
         Man zeihe Sie verwegner Ueberschreitung
         Der anvertrauten Vollmacht, freventlicher
         Verhoehnung hoechster, kaiserlicher Befehle.
         Die Spanier, der Bayern stolzer Herzog
         Stehen auf als Klaeger wider Sie—
         Ein Ungewitter zieh' sich ueber Ihnen
         Zusammen, noch weit drohender als jenes,
         Das Sie vordem zu Regenspurg gestuerzt.
         Man spreche, sagt er—ach! ich kann's nicht sagen—

    Wallenstein. (gespannt). Nun?
         Herzogin.
         Von einer zweiten— (Sie stockt.)

    Wallenstein.
         Zweiten—

    Herzogin.
         Schimpflichern
         —Absetzung.

    Wallenstein.
         Spricht man? (Heftig bewegt durch das Zimmer gehend.)
         Oh! sie zwingen mich, sie stossen
         Gewaltsam, wider meinen Willen, mich hinein.

    Herzogin. (sich bittend an ihn schmiegend)
         Oh! wenn's noch Zeit ist, mein Gemahl—Wenn es
         Mit Unterwerfung, mit Nachgiebigkeit
         Kann abgewendet werden—Geben Sie nach—
         Gewinnen Sie's dem stolzen Herzen ab,
         Es ist Ihr Herr und Kaiser, dem Sie weichen.
         Oh! lassen Sie es laenger nicht geschehn,
         Dass haemische Bosheit Ihre gute Absicht
         Durch giftige, verhasste Deutung schwaerze.
         Mit Siegeskraft der Wahrheit stehen Sie auf,
         Die Luegner, die Verleumder zu beschaemen.
         Wir haben so der guten Freunde wenig.
         Sie wissen's! Unser schnelles Glueck hat uns
         Dem Hass der Menschen blossgestellt—Was sind wir,
         Wann kaiserliche Huld sich von uns wendet!

    Dritter Auftritt

    Graefin Terzky, welche die Prinzessin Thekla an der
         Hand fuehrt, zu den Vorigen
    .

    Graefin.
         Wie, Schwester? Von Geschaeften schon die Rede
         Und, wie ich seh, nicht von erfreulichen,
         Eh' er noch seines Kindes froh geworden?
         Der Freude gehoert der erste Augenblick.
         Hier, Vater Friedland! das ist deine Tochter! (Thekla naehert sich ihm schuechtern und will sich auf seine
         Hand beugen; er empfaengt sie in seinen Armen und bleibt
         einige Zeit in ihrem Anschauen verloren stehen.)

    Wallenstein.
         Ja! Schoen ist mir die Hoffnung aufgegangen.
         Ich nehme sie zum Pfande groessern Gluecks.

    Herzogin.
         Ein zartes Kind noch war sie, als Sie gingen,
         Das grosse Heer dem Kaiser aufzurichten.
         Hernach, als Sie vom Feldzug heimgekehrt
         Aus Pommern, war die Tochter schon im Stifte,
         Wo sie geblieben ist bis jetzt.

    Wallenstein.
         Indes
         Wir hier im Feld gesorgt, sie gross zu machen,
         Das hoechste Irdische ihr zu erfechten,
         Hat Mutter Natur in stillen Klostermauern
         Das Ihrige getan, dem lieben Kind
         Aus freier Gunst das Goettliche gegeben
         Und fuehrt sie ihrem glaenzenden Geschick
         Und meiner Hoffnung schoen geschmueckt entgegen.

    Herzogin. (zur Prinzessin)
         Du haettest deinen Vater wohl nicht wieder
         Erkannt, mein Kind? Kaum zaehltest du acht Jahre,
         Als du sein Angesicht zuletzt gesehn.

    Thekla.
         Doch, Mutter, auf den ersten Blick—mein Vater
         Hat nicht gealtert—Wie sein Bild in mir gelebt,
         So steht er bluehend jetzt vor meinen Augen.

    Wallenstein. (zur Herzogin)
         Das holde Kind! Wie fein bemerkt und wie
         Verstaendig! Sieh, ich zuernte mit dem Schicksal,
         Dass mir's den Sohn versagt, der meines Namens
         Und meines Glueckes Erbe koennte sein,
         In einer stolzen Linie von Fuersten
         Mein schnell verloeschtes Dasein weiter leiten.
         Ich tat dem Schicksal Unrecht. Hier auf dieses
         Jungfraeulich bluehende Haupt will ich den Kranz
         Des kriegerischen Lebens niederlegen;
         Nicht fuer verloren acht ich's, wenn ich's einst,
         In einen koeniglichen Schmuck verwandelt,
         Um diese schoene Stirne flechten kann.

    (Er haelt sie in seinen Armen, wie Piccolomini hereintritt.)

    Vierter Auftritt

    Max Piccolomini und bald darauf Graf Terzky zu den Vorigen.

    Graefin.
         Da kommt der Paladin, der uns beschuetzte.

    Wallenstein.
         Sei mir willkommen, Max. Stets warst du mir
         Der Bringer irgendeiner schoenen Freude,
         Und, wie das glueckliche Gestirn des Morgens,
         Fuehrst du die Lebenssonne mir herauf.

    Max.
         Mein General—

    Wallenstein.
         Bis jetzt war es der Kaiser,
         Der dich durch meine Hand belohnt. Heut hast du
         Den Vater dir, den gluecklichen, verpflichtet,
         Und diese Schuld muss Friedland selbst bezahlen.

    Max.
         Mein Fuerst! Du eiltest sehr, sie abzutragen.
         Ich komme mit Beschaemung, ja mit Schmerz;
         Denn kaum bin ich hier angelangt, hab Mutter
         Und Tochter deinen Armen ueberliefert,
         So wird aus deinem Marstall, reich geschirrt,
         Ein praecht'ger Jagdzug mir von dir gebracht,
         Fuer die gehabte Mueh' mich abzulohnen.
         Ja, ja, mich abzulohnen. Eine Mueh',
         Ein Amt bloss war's! Nicht eine Gunst, fuer die
         Ich's vorschnell nahm und dir schon volles Herzens
         Zu danken kam—Nein, so war's nicht gemeint,
         Dass mein Geschaeft mein schoenstes Glueck sein sollte!

    (Terzky tritt herein und uebergibt dem Herzog Briefe, welche
         dieser schnell erbricht.)

    Graefin. (zu Max)
         Belohnt er Ihre Muehe? Seine Freude
         Vergilt er Ihnen. Ihnen steht es an,
         So zart zu denken; meinem Schwager ziemt's,
         Sich immer gross und fuerstlich zu beweisen.

    Thekla.
         So muesst' auch ich an seiner Liebe zweifeln,
         Denn seine guetigen Haende schmueckten mich,
         Noch eh' das Herz des Vaters mir gesprochen.

    Max.
         Ja, er muss immer geben und begluecken! (er ergreift der Herzogin Hand, mit steigender Waerme.)
         Was dank ich ihm nicht alles—oh! was sprech ich
         Nicht alles aus in diesem teuren Namen Friedland!
         Zeitlebens soll ich ein Gefangner sein
         Von diesem Namen—darin bluehen soll
         Mir jedes Glueck und jede schoene Hoffnung—
         Fest, wie in einem Zauberringe, haelt
         Das Schicksal mich gebannt in diesem Namen.

    Graefin. (welche unterdessen den Herzog sorgfaeltig beobachtet,
         bemerkt, dass er bei den Briefen nachdenkend geworden).
         Der Bruder will allein sein. Lasst uns gehen.

    Wallenstein. (wendet sich schnell um, fasst sich und spricht
         heiter zur Herzogin.)
         Noch einmal, Fuerstin, heiss ich Sie im Feld willkommen.
         Sie sind die Wirtin dieses Hofs—Du, Max,
         Wirst diesmal noch dein altes Amt verwalten,
         Indes wir hier des Herrn Geschaefte treiben.

    (Max Piccolomini bietet der Herzogin den Arm, Graefin fuehrt die
         Prinzessin ab.)

    Terzky. (ihm nachrufend)
         Versaeumt nicht, der Versammlung beizuwohnen.

    Fuenfter Auftritt

    Wallenstein. Terzky.

    Wallenstein. (in tiefem Nachdenken zu sich selbst)
         Sie hat ganz recht gesehn—So ist's und stimmt
         Vollkommen zu den uebrigen Berichten—
         Sie haben ihren letzten Schluss gefasst
         In Wien, mir den Nachfolger schon gegeben.
         Der Ungarn Koenig ist's, der Ferdinand,
         Des Kaisers Soehnlein, der ist jetzt ihr Heiland,
         Das neu aufgehende Gestirn! Mit uns
         Gedenkt man fertig schon zu sein, und wie
         Ein Abgeschiedner sind wir schon beerbet.
         Drum keine Zeit verloren!

    (Indem er sich umwendet, bermerkt er den Terzky und gibt ihm
         einen Brief.)

    Graf Altringer laesst sich entschuldigen,
         Auch Gallas—Das gefaellt mir nicht
    .

    Terzky.
         Und wenn du
         Noch laenger saeumst, bricht einer nach dem andern.

    Wallenstein.
         Der Altringer hat die Tiroler Paesse,
         Ich muss ihm einen schicken, dass er mir
         Die Spanier aus Mailand nicht hereinlaesst.
         —Nun! der Sesin, der alte Unterhaendler,
         Hat sich ja kuerzlich wieder blicken lassen.
         Was bringt er uns vom Grafen Thurn?

    Terzky.
         Der Graf entbietet dir,
         Er hab' den schwed'schen Kanzler aufgesucht
         Zu Halberstadt, wo jetzo der Konvent ist:
         Der aber sagt' , er sei es mued und wolle
         Nichts weiter mehr mit dir zu schaffen haben.

    Wallenstein.
         Wieso?

    Terzky.
         Es sei dir nimmer Ernst mit deinen Reden,
         Du wollst die Schweden nur zum Narren haben,
         Dich mit den Sachsen gegen sie verbinden,
         Am Ende sie mit einem elenden Stueck Geldes
         Abfertigen.

    Wallenstein.
         So! Meint er wohl, ich soll ihm
         Ein schoenes deutsches Land zum Raube geben,
         Dass wir zuletzt auf eignem Grund und Boden
         Selbst nicht mehr Herren sind? Sie muessen fort,
         Fort, fort! Wir brauchen keine solche Nachbarn.

    Terzky.
         Goenn ihnen doch das Fleckchen Land, geht's ja
         Nicht von dem deinen! Was bekuemmert's dich,
         Wenn du das Spiel gewinnest, wer es zahlt.

    Wallenstein.
         Fort, fort mit ihnen—das verstehst du nicht.
         Es soll nicht von mir heissen, dass ich Deutschland
         Zerstuecket hab', verraten an den Fremdling,
         Um meine Portion mir zu erschleichen.
         Mich soll das Reich als seinen Schirmer ehren,
         Reichsfuerstlich mich erweisend, will ich wuerdig
         Mich bei des Reiches Fuersten niedersetzen.
         Es soll im Reiche keine fremde Macht
         Mir Wurzel fassen, und am wenigsten
         Die Goten sollen's, diese Hungerleider,
         Die nach dem Segen unsers deutschen Landes
         Mit Neidesblicken raubbegierig schauen.
         Beistehen sollen sie mir in meinen Planen
         Und dennoch nichts dabei zu fischen haben.

    Terzky.
         Doch mit den Sachsen willst du ehrlicher
         Verfahren? Sie verlieren die Geduld,
         Weil du so krumme Wege machst—
         Was sollen alle diese Masken? sprich!
         Die Freunde zweifeln, werden irr an dir—
         Der Oxenstirn, der Arnheim, keiner weiss,
         Was er von deinem Zoegern halten soll.
         Am End' bin ich der Luegner, alles geht
         Durch mich. Ich hab nicht einmal deine Handschrift.

    Wallenstein.
         Ich geb nichts Schriftliches von mir, du weisst's.

    Terzky.
         Woran erkennt man aber deinen Ernst,
         Wenn auf das Wort die Tat nicht folgt? Sag selbst,
         Was du bisher verhandelt mit dem Feind,
         Haett' alles auch recht gut geschehn sein koennen,
         Wenn du nichts mehr damit gewollt, als ihn
         Zum besten haben.

    Wallenstein. (nach einer Pause, indem er ihn scharf ansieht)
         Und woher weisst du, dass ich ihn nicht wirklich
         Zum besten habe? Dass ich nicht euch alle
         Zum besten habe? Kennst du mich so gut?
         Ich wuesste nicht, dass ich mein Innerstes
         Dir aufgetan—Der Kaiser, es ist wahr,
         Hat uebel mich behandelt!—Wenn ich wollte,
         Ich koennt' ihm recht viel Boeses dafuer tun.
         Es macht mir Freude, meine Macht zu kennen;
         Ob ich sie wirklich brauchen werde, davon, denk ich,
         Weisst du nicht mehr zu sagen als ein andrer.

    Terzky.
         So hast du stets dein Spiel mit uns getrieben!

    Sechster Auftritt

    Illo zu den Vorigen.

    Wallenstein.
         Wie steht es draussen? Sind sie vorbereitet?

    Illo.
         Du findest sie in der Stimmung, wie du wuenschest.
         Sie wissen um des Kaisers Forderungen
         Und toben.

    Wallenstein.
         Wie erklaert sich Isolan?

    Illo.
         Der ist mit Leib und Seele dein, seitdem du
         Die Pharobank ihm wieder aufgerichtet.

    Wallenstein.
         Wie nimmt sich der Colalto? Hast du dich
         Des Deodat und Tiefenbach versichert?

    Illo.
         Was Piccolomini tut, das tun sie auch.

    Wallenstein.
         So,meinst du, kann ich was mit ihnen wagen?

    Illo.
         —Wenn du der Piccolomini gewiss bist.

    Wallenstein.
         Wie meiner selbst. Die lassen nie von mir.

    Terzky.
         Doch wollt' ich, dass du dem Octavio,
         Dem Fuchs, nicht so viel trautest.

    Wallenstein.
         Lehre du
         Mich meine Leute kennen. Sechzehnmal
         Bin ich zu Feld gezogen mit dem Alten,
         —Zudem—ich hab sein Horoskop gestellt,
         Wir sind geboren unter gleichen Sternen—
         Und kurz— (geheimnisvoll)
         Es hat damit sein eigenes Bewenden.
         Wenn du mir also gutsagst fuer die andern—

    Illo.
         Es ist nur eine Stimme unter allen:
         Du duerf'st das Regiment nicht niederlegen.
         Sie werden an dich deputieren, hoer ich.

    Wallenstein.
         Wenn ich mich gegen sie verpflichten soll,
         So muessen sie's auch gegen mich.

    Illo.
         Versteht sich.

    Wallenstein.
         Parole muessen sie mir geben, eidlich, schriftlich,
         Sich meinem Dienst zu weihen,unbedingt.

    Illo.
         Warum nicht?

    Terzky.
         Unbedingt? Des Kaisers Dienst,
         Die Pflichten gegen Oestreich werden sie
         Sich immer vorbehalten.

    Wallenstein. (den Kopf schuettelnd)
         Unbedingt
         Muss ich sie haben. Nichts von Vorbehalt!

    Illo.
         Ich habe einen Einfall—Gibt uns nicht
         Graf Terzky ein Bankett heut abend?

    Terzky. Ja,
         Und alle Generale sind geladen.

    Illo. (zum Wallenstein)
         Sag! Willst du voellig freie Hand mir lassen?
         Ich schaffe dir das Wort der Generale,
         So wie du's wuenschest.

    Wallenstein.
         Schaff mir ihre Handschrift.
         Wie du dazu gelangen magst, ist deine Sache.

    Illo.
         Und wenn ich dir's nun bringe, schwarz auf weiss,
         Dass alle Chefs, die hier zugegen sind,
         Dir blind sich ueberliefern—Willst du dann
         Ernst machen endlich, mit beherzter Tat
         Das Glueck versuchen?

    Wallenstein.
         Schaff' mir die Verschreibung!

    Illo.
         Bedenke, was du tust! Du kannst den Kaisers
         Begehren nicht erfuellen—kannst das Heer
         Nicht schwaechen lassen—nicht die Regimenter
         Zum Spanier stossen lassen, willst du nicht
         Die Macht auf ewig aus den Haenden geben.
         Bedenk das andre auch! Du kannst des Kaisers
         Befehl und ernste Ordre nicht verhoehnen,
         Nicht laenger Ausflucht suchen, temporisieren,
         Willst du nicht foermlich brechen mit dem Hof.
         Entschliess dich! Willst du mit entschlossner Tat
         Zuvor ihm kommen? Willst du, ferner zoegernd,
         Das Aeusserste erwarten?

    Wallenstein.
         Das geziemt sich,
         Eh' man das Aeusserste beschliesst!

    Illo.
         Oh! nimm der Stunde wahr, eh' sie entschluepft.
         So selten kommt der Augenblick im Leben,
         Der wahrhaft wichtig ist und gross. Wo eine
         Entscheidung soll geschehen, da muss vieles
         Sich gluecklich treffen und zusammenfinden—
         Und einzeln nur, zerstreuet zeigen sich
         Des Glueckes Faeden, die Gelegenheiten,
         Die, nur in einen Lebenspunkt zusammen
         Gedraengt, den schweren Fruechteknoten bilden.
         Sieh! Wie entscheidend, wie verhaengnisvoll
         Sich's jetzt um dich zusammenzieht!—Die Haeupter
         Des Heers, die besten, trefflichsten, um dich,
         Den koeniglichen Fuehrer, her versammelt,
         Nur deinen Wink erwarten sie—Oh! lass
         Sie so nicht wieder auseinandergehen!
         So einig fuehrst du sie im ganzen Lauf
         Des Krieges nicht zum zweitenmal zusammen.
         Die hohe Flut ist's, die das schwere Schiff
         Vom Strande hebt—Und jedem einzelnen
         Waechst das Gemuet im grossen Strom der Menge.
         Jetzt hast du sie, jetzt noch! Bald sprengt der Krieg
         Sie wieder auseinander, dahin, dorthin—
         In eignen kleinen Sorgen und Interessen
         Zerstreut sich der gemeine Geist. Wer heute,
         Vom Strome fortgerissen, sich vergisst,
         Wird nuechtern werden, sieht er sich allein,
         Nur seine Ohnmacht fuehlen und geschwind
         Umlenken in die alte, breitgetretne
         Fahrstrasse der gemeinen Pflicht, nur wohl-
         Behalten unter Dach zu kommen suchen.

    Wallenstein.
         Die Zeit ist noch nicht da.

    Terzky.
         So sagst du immer.
         Wann aber wird es Zeit sein?

    Wallenstein.
         Wenn ich's sage.

    Illo.
         Oh! du wirst auf die Sternenstunde warten,
         Bir dir die irdische entflieht! Glaub mir,
         In deiner Brust sind deines Schicksals Sterne.
         Vertrauen zu dir selbst, Entschlossenheit
         Ist deine Venus! Der Maleficus,
         Der einz'ge, der dir schadet, ist der Zweifel.

    Wallenstein.
         Du redst, wie du's verstehst. Wie oft und vielmals
         Erklaert' ich dir's!—Dir stieg der Jupiter
         Hinab bei der Geburt, der helle Gott;
         Du kannst in die Geheimnisse nicht schauen.
         Nur in der Erde magst du finster wuehlen,
         Blind wie der Unterirdische, der mit dem bleichen
         Bleifarbnen Schein ins Leben dir geleuchtet.
         Das Irdische, Gemeine magst du sehn,
         Das Naechste mit dem Naechsten klug verknuepfen;
         Darin vertrau ich dir und glaube dir.
         Doch, was geheimnisvoll bedeutend webt
         Und bildet in den Tiefen der Natur,—
         Die Geisterleiter, die aus dieser Welt des Staubes
         Bis in die Sternenwelt, mit tausend Sprossen,
         Hinauf sich baut, an der die himmlischen
         Gewalten wirkend auf und nieder wandeln,
         —Die Kreise in den Kreisen, die sich eng
         Und enger ziehn um die zentralische Sonne—
         Die sieht das Aug' nur, das entsiegelte,
         Der hellgebornen, heitern Joviskinder,

    (Nachdem er einen Gang durch den Saal gemacht, bleibt er stehen
         und faehrt fort.)

    Die himmlischen Gestirne machen nicht
         Bloss Tag und Nacht, Fruehling und Sommer—nicht
         Dem Saemann bloss bezeichnen sie die Zeiten
         Der Aussaat und der Ernte
    . Auch des Menschen Tun
         Ist eine Aussaat von Verhaengnissen,
         Gestreuet in der Zukunft dunkles Land,
         Den Schicksalsmaechten hoffend uebergeben.
         Da tut es not, die Saatzeit zu erkunden,
         Die rechte Sternenstunde auszulesen,
         Des Himmels Haeuser forschend zu durchspueren,
         Ob nicht der Feind des Wachsens und Gedeihens
         In seinen Ecken schadend sich verberge .
         Drum lasst mir Zeit. Tut ihr indes das Eure.
         Ich kann jetzt noch nicht sagen, was ich tun will.
         Nachgeben aber werd ich nicht. Ich nicht!
         Absetzen sollen sie mich auch nicht—Darauf
         Verlasst euch.

    Kammerdiener. (kommt)
         Die Herren Generale.

    Wallenstein.
         Lass sie kommen.

    Terzky.
         Willst du, dass alle Chefs zugegen seien?

    Wallenstein.
         Das braucht's nicht. Beide Piccolomini,
         Maradas, Buttler, Forgatsch, Deodat,
         Caraffa, Isolani moegen kommen.

    (Terzky geht hinaus mit dem Kammerdiener.)

    Wallenstein. (zu Illo)
         Hast du den Questenberg bewachen lassen?
         Sprach er nicht ein'ge in geheim?

    Illo.

    Ich hab ihn scharf bewacht. Er war mit niemand

    Als dem Octavio.

    Siebenter Auftritt

    Vorige. Questenberg, beide Piccolomini, Buttler, Isolani, Maradas
         und noch drei andere Generale treten herein. Auf den Wink des
         Generals nimmt Questenberg ihm gerad gegenueber Platz, die andern
         folgen nach ihrem Range. Es herrscht eine augenblickliche Stille.

    Wallenstein.
         Ich hab den Inhalt Ihrer Sendung zwar
         Vernommen, Questenberg, und wohl erwogen,
         Auch meinen Schluss gefasst, den nichts mehr aendert.
         Doch, er gebuehrt sich, dass die Kommandeurs
         Aus Ihrem Mund des Kaisers Willen hoeren—
         Gefall' es Ihnen denn, sich Ihres Auftrags
         Vor diesen edeln Haeuptern zu entledigen.

    Questenberg.
         Ich bin bereit, doch bitt ich zu bedenken,
         Dass kaiserliche Herrschgewalt und Wuerde
         Aus meinem Munde spricht, nicht eigne Kuehnheit.

    Wallenstein.
         Den Eingang spart.

    Questenberg.
         Als Seine Majestaet
         Der Kaiser ihren mutigen Armeen
         Ein ruhmgekroentes, kriegserfahrnes Haupt
         Geschenkt in der Person des Herzogs Friedland,
         Geschah's in froher Zuversicht, das Glueck
         Des Krieges schnell und guenstig umzuwenden.
         Auch war der Anfang ihren Wuenschen hold,
         Gereiniget ward Boeheim von den Sachsen,
         Der Schweden Siegeslauf gehemmt—es schoepften
         Aufs neue leichten Atem diese Laender,
         Als Herzog Friedland die zerstreuten Feindesheere
         Herbei von allen Stroemen Deutschlands zog,
         Herbei auf einen Sammelplatz beschwor
         Den Rheingraf, Bernhard, Banner, Oxenstirn
         Und jenen nie besiegten Koenig selbst,
         Um endlich hier im Angesichte Nuernbergs
         Das blutig grosse Kampfspiel zu entscheiden.

    Wallenstein.
         Zur Sache, wenn's beliebt.

    Questenberg.
         Ein neuer Geist
         Verkuendigte sogleich den neuen Feldherrn.
         Nicht blinde Wut mehr rang mit blinder Wut,
         In hellgeschiednem Kampfe sah man jetzt
         Die Festigkeit der Kuehnheit widerstehn
         Und weise Kunst die Tapferkeit ermueden.
         Vergebens lockt man ihn zur Schlacht, er graebt
         Sich tief und tiefer nur im Lager ein,
         Als gaelt' es, hier ein ewig Haus zu gruenden.
         Verzweifelnd endlich will der Koenig stuermen,
         Zur Schlachtbank reisst er seine Voelker hin,
         Die ihm des Hungers und der Seuchen Wut
         Im leichenvollen Lager langsam toetet.
         Durch den Verhack des Lagers, hinter welchem
         Der Tod aus tausend Roehren lauert, will
         Der Niegehemmte stuermend Bahn sich brechen.
         Da ward ein Angriff und ein Widerstand,
         Wie ihn kein gluecklich Auge noch gesehn.
         Zerrissen endlich fuehrt sein Volk der Koenig
         Vom Kampfplatz heim, und nicht ein Fussbreit Erde
         Gewann es ihm, das grause Menschenopfer.

    Wallenstein.
         Ersparen Sie's, uns aus dem Zeitungsblatt
         Zu melden, was wir schaudernd selbst erlebt.

    Questenberg.
         Anklagen ist mein Amt und meine Sendung,
         Es ist mein Herz, was gern beim Lob verweilt.
         In Nuernbergs Lager liess der schwedische Koenig
         Den Ruhm—in Luetzens Ebenen das Leben.
         Doch wer erstaunte nicht, als Herzog Friedland
         Nach diesem grossen Tag wie ein Besiegter
         Nach Boeheim floh, vom Kriegesschauplatz schwand,
         Indes der junge weimarische Held
         Ins Frankenland unaufgehalten drang,
         Bis an die Donau reissend Bahn sich machte
         Und stand mit einem Mal vor Regenspurg,
         Zum Schrecken aller gut kathol'schen Christen.
         Da rief der Bayern wohlverdienter Fuerst
         Um schnelle Hilf' in seiner hoechsten Not,—
         Es schickt der Kaiser sieben Reitende
         An Herzog Friedland ab mit dieser Bitte
         Und fleht, wo er als Herr befehlen kann.
         Umsonst! Es hoert in diesem Augenblick
         Der Herzog nur den alten Hass und Groll,
         Gibt das gemeine Beste preis, die Rachgier
         An einem alten Feinde zu vergnuegen.
         Und so faellt Regenspurg!

    Wallenstein.
         Von welcher Zeit ist denn die Rede, Max?
         Ich hab gar kein Gedaechtnis mehr.

    Max.
         Er meint,
         Wie wir in Schlesien waren.

    Wallenstein.
         So! So! So!
         Was aber hatten wir denn dort zu tun?

    Max.
         Die Schweden draus zu schlagen und die Sachsen.

    Wallenstein.
         Recht! Ueber der Beschreibung da vergess ich
         Den ganzen Krieg—

    (Zu Questenberg.)

    Nur weiter fortgefahren!

    Questenberg.
         Am Oderstrom vielleicht gewann man wieder,
         Was an der Donau schimpflich ward verloren.
         Erstaunenswerte Dinge hoffte man
         Auf dieser Kriegesbuehne zu erleben,
         Wo Friedland in Person zu Felde zog,
         Der Nebenbuhler Gustavs einen—Thurn
         Und einen Arnheim vor sich fand. Und wirklich
         Geriet man nahe g'nug hier aneinander,
         Doch, um als Freund, als Gast sich zu bewirten.
         Ganz Deutschland seufzte unter Kriegeslast,
         Doch Friede war's im Wallensteinischen Lager.

    Wallenstein.
         Manch blutig Treffen wird um nichts gefochten,
         Weil einen Sieg der junge Feldherr braucht.
         Ein Vorteil des bewaehrten Feldherrn ist's,
         Dass er nicht noetig hat, zu schlagen, um
         Der Welt zu zeigen, er versteh' zu siegen.
         Mir konnt' es wenig helfen, meines Gluecks
         Mich ueber einen Arnheim zu bedienen ;
         Viel nuetzte Deutschland meine Maessigung,
         Waer' mir's geglueckt, das Buendnis zwischen Sachsen
         Und Schweden, das verderbliche, zu loesen.

    Questenberg.
         Es glueckte aber nicht, und so begann
         Aufs neu das blut'ge Kriegesspiel. Hier endlich
         Rechtfertigte der Fuerst den alten Ruhm.
         Auf Steinaus Feldern streckt das schwedische Heer
         Die Waffen, ohne Schwertstreich ueberwunden—
         Und hier, mit andern, lieferte des Himmels
         Gerechtigkeit den alten Aufruhrstifter,
         Die fluchbeladne Fackel dieses Kriegs,
         Matthias Thurn, des Raechers Haenden aus.
         —Doch in grossmuet'ge Hand war er gefallen:
         Statt Strafe fand er Lohn, und reich beschenkt
         Entliess der Fuerst den Erzfeind seines Kaisers.

    Wallenstein. (lacht)
         Ich weiss, ich weiss—Sie hatten schon in Wien
         Die Fenster, die Balkons vorausgemietet,
         Ihn auf dem Armensuenderkarrn zu sehn—
         Die Schlacht haett' ich mit Schimpf verlieren moegen,
         Doch das vergeben mir die Wiener nicht,
         Dass ich um ein Spektakel sie betrog.

    Questenberg.
         Befreit war Schlesien, und alles rief
         Den Herzog nun ins hartbedraengte Bayern.
         Er setzt auch wirklich sich in Marsch—gemaechlich
         Durchzieht er Boeheim auf dem laengsten Wege;
         Doch eh' er noch den Feind gesehen, wendet
         Er schleunig um, bezieht sein Winterlager, drueckt
         Des Kaisers Laender mit des Kaisers Heer.

    Wallenstein.
         Das Heer war zum Erbarmen, jede Notdurft, jede
         Bequemlichkeit gebrach—der Winter kam.
         Was denkt die Majestaet von ihren Truppen?
         Sind wir nicht Menschen? Nicht der Kaelt' und Naesse,
         Nicht jeder Notdurft sterblich unterworfen?
         Fluchwuerdig Schicksal des Soldaten! Wo
         Er hinkommt, flieht man vor ihm—wo er weggeht,
         Verwuenscht man ihn! Er muss sich alles nehmen;
         Man gibt ihm nichts, und jeglichem gezwungen
         Zu nehmen, ist er jeglichem ein Greuel.
         Hier stehen meine Generals. Caraffa!
         Graf Deodati! Buttler! Sagt es ihm,
         Wie lang der Sold den Truppen ausgeblieben?

    Buttler.
         Ein Jahr schon fehlt die Loehnung.

    Wallenstein.
         Und sein Sold
         Muss dem Soldaten werden, darnach heisst er!

    Questenberg.
         Das klingt ganz anders, als der Fuerst von Friedland
         Vor acht, neun Jahren sich vernehmen liess.

    Wallenstein.
         Ja, meine Schuld ist es, weiss wohl, ich selbst
         Hab mir den Kaiser so verwoehnt. Da! Vor neun Jahren
         Beim Daenenkriege, stellt' ich eine Macht ihm auf
         Von vierzigtausend Koepfen oder fuenfzig,
         Die aus dem eignen Saeckel keinen Deut
         Ihm kostete—Durch Sachsen Kreise zog
         Die Kriegesfurie, bis an die Schaeren
         Des Belts den Schrecken seines Namens tragend.
         Da war noch eine Zeit! Im ganzen Kaiserstaate
         Kein Nam' geehrt, gefeiert wie der meine,
         Und Albrecht Wallenstein, so hiess
         Der dritte Edelstein in seiner Krone!
         Doch auf dem Regenspurger Fuerstentag,
         Da brach es auf! Da lag es kund und offen,
         Aus welchem Beutel ich gewirtschaft't hatte.
         Und was war nun mein Dank dafuer, dass ich,
         Ein treuer Fuerstenknecht, der Voelker Fluch
         Auf mich gebuerdet—diesen Krieg, der nur
         Ihn gross gemacht, die Fuersten zahlen lassen?
         Was? Aufgeopfert wurd ich ihren Klagen,
         —Abgesetzt wurd ich.

    Questenberg.
         Eure Gnaden weiss,
         Wie sehr auf jenem ungluecksvollen Reichstag
         Die Freiheit ihm gemangelt.

    Wallenstein.
         Tod und Teufel!
         Ich hatte, was ihm Freiheit schaffen konnte.
         —Nein, Herr! Seitdem es mir so schlecht bekam,
         Dem Thron zu dienen, auf des Reiches Kosten,
         Hab ich vom Reich ganz anders denken lernen.
         Vom Kaiser freilich hab ich diesen Stab,
         Doch fuehr' ich jetzt ihn als des Reiches Feldherr,
         Zur Wohlfahrt aller, zu des Ganzen Heil,
         Und nicht mehr zur Vergroesserung des einen!
         —Zur Sache doch. Was ist's, das man von mir begehrt?

    Questenberg.
         Fuers erste wollen Seine Majestaet,
         Dass die Armee ohn' Aufschub Boehmen raeume.

    Wallenstein.
         In dieser Jahreszeit? Und wohin will man,
         Dass wir uns wenden?

    Questenberg.
         Dahin, wo der Feind ist.
         Denn Seine Majestaet will Regenspurg
         Vor Ostern noch vom Feind gesaeubert sehn,
         Dass laenger nicht im Dome lutherisch
         Gepredigt werde—ketzerischer Greul
         Des Festes reine Feier nicht besudle.

    Wallenstein.
         Kann das geschehen, meine Generals?

    Illo.
         Es ist nicht moeglich.

    Buttler.
         Es kann nicht geschehn.

    Questenberg.
         Der Kaiser hat auch schon dem Oberst Suys
         Befehl geschickt, nach Bayern vorzuruecken.

    Wallenstein.
         Was tat der Suys?

    Questenberg.
         Was er schuldig war.
         Er rueckte vor.

    Wallenstein.
         Er rueckte vor! Und ich,
         Sein Chef, gab ihm Befehl, ausdruecklichen,
         Nicht von dem Platz zu weichen! Steht es so
         Um mein Kommando? Das ist der Gehorsam,
         Den man mir schuldig, ohne den kein Kriegsstand
         Zu denken ist? Sie, meine Generale,
         Seien Richter! Was verdient der Offizier,
         Der eidvergessen seine Ordre bricht?

    Illo.
         Den Tod!

    Wallenstein. (da die uebrigen bedenklich schweigen, mit
         erhoehter Stimme).
         Graf Piccolomini, was hat er
         Verdient?

    Max. (nach einer langen Pause)
         Nach des Gesetzes Wort—den Tod!

    Isolani.
         Den Tod!

    Buttler.
         Den Tod nach Kriegesrecht!

    (Questenberg steht auf. Wallenstein folgt, es erheben sich alle.)

    Wallenstein.
         Dazu verdammt ihn das Gesetz, nicht ich!
         Und wenn ich ihn begnadige, geschieht's
         Aus schuld'ger Achtung gegen meinen Kaiser.

    Questenberg.
         Wenn's so steht, hab ich hier nichts mehr zu sagen.

    Wallenstein.
         Nur auf Bedingung nahm ich dies Kommando;
         Und gleich die erste war, dass mir zum Nachteil
         Kein Menschenkind, auch selbst der Kaiser nicht,
         Bei der Armee zu sagen haben sollte.
         Wenn fuer den Ausgang ich mit meiner Ehre
         Und meinem Kopf soll haften, muss ich Herr
         Darueber sein. Was machte diesen Gustav
         Unwiderstehlich, unbesiegt auf Erden?
         Dies: dass er Koenig war in seinem Heer!
         Ein Koenig aber, einer, der es ist,
         Ward nie besiegt noch als durch seinesgleichen—
         Jedoch zur Sach'. Das Beste soll noch kommen.

    Questenberg.
         Der Kardinal-Infant wird mit dem Fruehjahr
         Aus Mailand ruecken und ein spanisch Heer
         Durch Deutschland nach den Niederlanden fuehren.
         Damit er sicher seinen Weg verfolge,
         Will der Monarch, dass hier aus der Armee
         Acht Regimenter ihn zu Pferd begleiten.

    Wallenstein.
         Ich merk, ich merk—Acht Regimenter—Wohl!
         Wohl ausgesonnen, Pater Lamormain!
         Waer' der Gedank' nicht so verwuenscht gescheit,
         Man waer' versucht, ihn herzlich dumm zu nennen.
         Achttausend Pferde! Ja! Ja! es ist richtig,
         Ich seh es kommen.

    Questenberg.
         Es ist nichts dahinter
         zu sehn. Die Klugheit raet's, die Not gebeut's.

    Wallenstein.
         Wie, mein Herr Abgesandter? Ich soll's wohl
         Nicht merken, dass man's muede ist, die Macht,
         Des Schwertes Griff in meiner Hand zu sehn?
         Dass man begierig diesen Vorwand hascht,
         Den span'schen Namen braucht, mein Volk zu mindern,
         Ins Reich zu fuehren eine neue Macht,
         Die mir nicht untergeben sei. Mich so
         Gerad beiseit' zu werfen, dazu bin ich
         Euch noch zu maechtig. Mein Vertrag erheischt's,
         Dass alle Kaiserheere mir gehorchen,
         So weit die deutsche Sprach' geredet wird.
         Von span'schen Truppen aber und Infanten,
         Die durch das Reich als Gaeste wandernd ziehn,
         Steht im Vertrage nichts—Da kommt man denn
         So in der Stille hinter ihm herum,
         Macht mich erst schwaecher, dann entbehrlich, bis
         Man kuerzeren Prozess kann mit mir machen.
         —Wozu die krummen Wege, Herr Minister?
         Gerad heraus! Den Kaiser drueckt das Paktum
         Mit mir. Er moechte gerne, dass ich ginge.
         Ich will ihm den Gefallen tun, das war
         Beschlossne Sache, Herr, noch eh' Sie kamen. (Es entsteht eine Bewegung unter den Generalen, welche immer zunimmt.)
         Es tut mir leid um meine Obersten,
         Noch seh ich nicht, wie sie zu ihren vorgeschossnen Geldern,
         Zum wohlverdienten Lohne kommen werden.
         Neu Regiment bringt neue Menschen auf,
         Und frueheres Verdienst veraltet schnell.
         Es dienen viel Auslaendische im Heer,
         Und war der Mann nur sonsten brav und tuechtig,
         Ich pflegte eben nicht nach seinem Stammbaum
         Noch seinem Katechismus viel zu fragen.
         Das wird auch anders werden kuenftighin!
         Nun—mich geht's nichts mehr an. (Er setzt sich.)

    Max.
         Da sei Gott fuer,
         Dass es bis dahin kommen soll!—Die ganze
         Armee wird furchtbar gaerend sich erheben—
         Der Kaiser wird missbraucht, es kann nicht sein.

    Isolani.
         Es kann nicht sein, denn alles ging' zu Truemmern.

    Wallenstein.
         Das wird es, treuer Isolan. Zu Truemmern
         wird alles gehn, was wir bedaechtig bauten.
         Deswegen aber find't sich doch ein Feldherr,
         Und auch ein Kriegsheer laeuft noch wohl dem Kaiser
         Zusammen, wenn die Trommel wird geschlagen.

    Max. (geschaeftig, leidenschaftlich von einem zum andern
         gehend und sie besaenftigend)
         Hoer mich, mein Feldherr! Hoert mich , Obersten!
         Lass dich beschwoeren, Fuerst! Beschliesse nichts,
         Bis wir zusammen Rat gehalten, dir
         Vorstellungen getan—Kommt, meine Freunde!
         Ich hoff, es ist noch alles herzustellen.

    Terzky.
         Kommt, kommt! im Vorsaal treffen wir die andern.

    (Gehen.)

    Buttler. (zu Questenberg).
         Wenn guter Rat Gehoer bei Ihnen findet,
         Vermeiden Sie's, in diesen ersten Stunden
         Sich oeffentlich zu zeigen, schwerlich moechte Sie
         Der goldne Schluessel vor Misshandlung schuetzen.

    (Laute Bewegungen draussen.)

    Wallenstein.
         Der Rat ist gut—Octavio, du wirst
         Fuer unsers Gastes Sicherheit mir haften.
         Gehaben Sie sich wohl, von Questenberg! (Als dieser reden will.)
         Nichts, nichts von dem verhassten Gegenstand!
         Sie taten Ihre Schuldigkeit. Ich weiss
         Den Mann von seinem Amt zu unterscheiden. (Indem Questenberg mit dem Octavio abgehen will, dringen Goetz,
         Tiefenbach, Colalto herein, denen noch mehrere Kommandeurs folgen.)

    Goetz.
         Wo ist er, der uns unsern General—

    Tiefenbach. (zugleich)
         Was muessen wir erfahren, du willst uns—

    Colalto. (zugleich)
         Wir wollen mit dir leben, mit dir sterben.

    Wallenstein. (mit Ansehen, indem er auf Illo zeigt).
         Hier der Feldmarschall weiss um meinen Willen.

    (Geht ab.)

    Dritter Aufzug

    Ein Zimmer

    Erster Auftritt

    Illo und Terzky.

    Terzky.
         Nun sagt mir! Wie gedenkt Ihr's diesen Abend
         Beim Gastmahl mit den Obristen zu machen?

    Illo.
         Gebt acht! Wir setzen eine Formel auf,
         Worin wir uns dem Herzog insgesamt
         Verschreiben, sein zu sein mit Leib und Leben,
         Nicht unser letztes Blut fuer ihn zu sparen;
         Jedoch der Eidespflichten unbeschadet,
         Die wir dem Kaiser schuldig sind. Merkt wohl!
         Die nehmen wir in einer eignen Klausel
         Ausdruecklich aus und retten das Gewissen.
         Nun hoert! Die also abgefasste Schrift
         Wird ihnen vorgelegt vor Tische, keiner
         Wird daran Anstoss nehmen—Hoert nun weiter!
         Nach Tafel, wenn der truebe Geist des Weins
         Das Herz nun oeffnet und die Augen schliesst,
         Laesst man ein unterschobnes Blatt, worin
         Die Klausel fehlt, zur Unterschrift herumgehn.

    Terzky.
         Wie? Denkt Ihr, dass sie sich durch einen Eid
         Gebunden glauben werden, den wir ihnen
         Durch Gaukelkunst betrueglich abgelistet?

    Illo.
         Gefangen haben wir sie immer—Lasst sie
         Dann ueber Arglist schrein, so viel sie moegen.
         Am Hofe glaubt man ihrer Unterschrift
         Doch mehr als ihrem heiligsten Beteuern.
         Verraeter sind sie einmal, muessen's sein,
         So machen sie aus der Not wohl eine Tugend.

    Terzky.
         Nun, mir ist alles lieb, geschieht nur was,
         Und ruecken wir nur einmal von der Stelle.

    Illo.
         Und dann—liegt auch so viel nicht dran, wie weit
         Wir damit langen bei den Generalen,
         Genug, wenn wir's dem Herrn nur ueberreden,
         Sie seien sein—denn handelt er nur erst
         Mit seinem Ernst, als ob er sie schon haette,
         So hat er sie und reisst sie mit sich fort.

    Terzky.
         Ich kann mich manchmal gar nicht in ihn finden.
         Er leiht dem Feind sein Ohr, laesst mich dem Thurn,
         Dem Arnheim schreiben, gegen den Sesina
         Geht er mit kuehnen Worten frei heraus,
         Spricht stundenlang mit uns von seinen Planen,
         Und mein ich nun, ich hab' ihn—weg auf einmal
         Entschluepft er, und es scheint, als waer' es ihm
         Um nichts zu tun, als nur am Platz zu bleiben.

    Illo.
         Er seine alten Plane aufgegeben!
         Ich sag Euch, dass er wachend, schlafend mit
         Nichts anderm umgeht, dass er Tag fuer Tag
         Deswegen die Planeten fragt—

    Terzky.
         Ja, wisst Ihr,
         Dass er sich in der Nacht, die jetzo kommt,
         Im astrologischen Turme mit dem Doktor
         Einschliessen wird und mit ihm observieren?
         Denn es soll eine wicht'ge Nacht sein, hoer' ich,
         Und etwas Grosses, Langerwartetes
         Am Himmel vorgehn.

    Illo.
         Wenn's hier unten nur geschieht.
         Die Generale sind voll Eifer jetzt
         Und werden sich zu allem bringen lassen,
         Nur um den Chef nicht zu verlieren. Seht!
         So haben wir den Anlass vor der Hand
         Zu einem engen Buendnis widern Hof.
         Unschuldig ist der Name zwar, es heisst,
         Man will ihn beim Kommando bloss erhalten.
         Doch wisst Ihr, in der Hitze des Verfolgens
         Verliert man bald den Anfang aus den Augen.
         Ich denk es schon zu karten, dass der Fuerst
         Sie willig finden—willig glauben soll
         Zu jedem Wagstueck. Die Gelegenheit
         Soll ihn verfuehren. Ist der grosse Schritt
         Nur erst getan, den sie zu Wien ihm nicht verzeihn,
         So wird der Notzwang der Begebenheiten
         Ihn weiter schon und weiter fuehren. Nur
         Die Wahl ist's, was ihm schwer wird; draengt die Not,
         Dann kommt ihm seine Staerke, seine Klarheit.

    Terzky.
         Das ist es auch, worauf der Feind nur wartet,
         Das Heer uns zuzufuehren.

    Illo.
         Kommt! Wir muessen
         Das Werk in diesen naechsten Tagen weiter foerdern,
         Als es in Jahren nicht gedieh—Und steht's
         Nur erst hier unten gluecklich, gebet acht,
         So werden auch die rechten Sterne scheinen!
         Kommt zu den Obersten. Das Eisen muss
         Geschmiedet werden, weil es glueht.

    Terzky.
         Geht Ihr hin, Illo.
         Ich muss die Graefin Terzky hier erwarten.
         Wisst, dass wir auch nicht muessig sind—wenn ein
         Strick reisst, ist schon ein andrer in Bereitschaft.

    Illo.
         Ja, Eure Hausfrau laechelte so listig.
         Was habt Ihr?

    Terzky.
         Ein Geheimnis! Still! Sie kommt!

    (Illo geht ab.)

    Zweiter Auftritt

    Graf und Graefin Terzky, die aus einem Kabinett heraustritt,
         hernach ein Bedienter, darauf Illo
    .

    Terzky.
         Kommt sie? Ich halt ihn laenger nicht zurueck.

    Graefin.
         Gleich wird sie da sein. Schick ihn nur.

    Terzky.
         Zwar weiss ich nicht, ob wir uns Dank damit
         Beim Herrn verdienen werden. Ueber diesen Punkt,
         Du weisst's, hat er sich nie herausgelassen.
         Du hast mich ueberredet und muss wissen,
         Wie weit du gehen kannst.

    Graefin.
         Ich nehm's auf mich. (Fuer sich.)
         Es braucht hier keiner Vollmacht—Ohne Worte, Schwager,
         Verstehn wir uns—Errat ich etwa nicht,
         Warum die Tochter hergeforder worden,
         Warum just er gewaehlt, sie abzuholen?
         Denn dieses vorgespiegelte Verloebnis
         Mit einem Braeutigam, den niemand kennt,
         Mag andre blenden! Ich durchschaue dich—
         Doch dir geziemt es nicht, in solchem Spiel
         Die Hand zu haben. Nicht doch! Meiner Feinheit
         Bleibt alles ueberlassen. Wohl!—Du sollst
         Dich in der Schwester nicht betrogen haben.

    Bedienter. (kommt)
         Die Generale!

    (Ab.)

    Terzky. (zur Graefin)
         Sorg nur, dass du ihm
         Den Kopf recht warm machst, was zu denken gibst—
         Wenn er zu Tisch kommt, dass er sich nicht lange
         Bedenke bei der Unterschrift.

    Graefin.
         Sorg du fuer deine Gaeste! Geh und schick ihn.

    Terzky.
         Denn alles liegt dran, dass er unterschreibt.

    Graefin.
         Zu deinen Gaesten. Geh!

    Illo. (kommt zurueck)
         Wo bleibt Ihr, Terzky?
         Das Haus ist voll, und alles wartet Euer.

    Terzky.
         Gleich! Gleich! (zur Graefin.) Und dass er nicht zu lang verweilt—
         Es moechte bei dem Alten sonst Verdacht—

    Graefin.
         Unnoet'ge Sorgfalt!

    (Terzky und Illo gehen.)

    Dritter Auftritt

    Graefin Terzky. Max Piccolomini.

    Max. (blickt schuechtern herein).
         Base Terzky! Darf ich?

    (Tritt bis in die Mitte des Zimmers, wo er sich unruhig umsieht.)

    Sie ist nicht da! Wo ist sie?

    Graefin.
         Sehen sie nur recht
         In jene Ecke, ob sie hinterm Schirm
         Vielleicht versteckt—

    Max.
         Da liegen ihre Handschuh!

    (Will hastig darnach greifen, Graefin nimmt sie zu sich.)

    Unguet'ge Tante! Sie verleugnen mir—
         Sie haben Ihre Lust dran, mich zu quaelen.

    Graefin.
         Der Dank fuer meine Mueh!

    Max.
         Oh! fuehlten Sie,
         Wie mir zumute ist!—Seitdem wir hier sind—
         So an mich halten, Wort' und Blicke waegen!
         Das bin ich nicht gewohnt!

    Graefin.
         Sie werden sich
         An manches noch gewoehnen , schoener Freund!
         Auf dieser Probe Ihrer Folgsamkeit
         Muss ich durchaus bestehn, nur unter der Bedingung
         Kann ich mich ueberall damit befassen.

    Max.
         Wo aber ist sie? Warum kommt sie nicht?

    Graefin.
         Sie muessen's ganz in meine Haende legen.
         Wer kann es besser auch mit Ihnen meinen !
         Kein Mensch darf wissen, auch Ihr Vater nicht,
         Der gar nicht!

    Max.
         Damit hat's nicht Not. Es ist
         Hier kein Gesicht, an das ich's richten moechte,
         Was die entzueckte Seele mir bewegt.
         —O Tante Terzky! Ist denn alles hier
         Veraendert, oder bin nur ich's? Ich sehe mich
         Wie unter fremden Menschen. Keine Spur
         Von meinen vor'gen Wuenschen mehr und Freuden.
         Wo ist das alles hin? Ich war doch sonst
         In eben dieser Welt nicht unzufrieden.
         Wie schal ist alles nun und wie gemein!
         Die Kameraden sind mir unertraeglich,
         Der Vater selbst, ich weiss ihm nichts zu sagen,
         Der Dienst, die Waffen sind mir eitler Tand.
         So muesst' es einem sel'gen Geiste sein,
         Der aus den Wohnungen der ew'gen Freude
         Zu seinen Kinderspielen und Geschaeften,
         Zu seinen Neigungen und Bruederschaften,
         Zur ganzen armen Menschheit wiederkehrte.

    Graefin.
         Doch muss ich bitten, ein'ge Blicke noch
         Auf diese ganz gemeine Welt zu werfen,
         Wo eben jetzt viel Wichtiges geschieht.

    Max.
         Es geht hier etwas vor um micht, ich seh's
         An ungewoehnlich treibender Bewegung;
         Wenn's fertig ist, kommt's wohl auch bis zu mir.
         Wo denken Sie, dass ich gewesen, Tante?
         Doch keinen Spott! Mich aengstigte des Lagers
         Gewuehl, die Flut zudringlicher Bekannten,
         Der fade Scherz, das nichtige Gespraech,
         Es wurde mir zu eng, ich musste fort,
         Stillschweigen suchen diesem vollen Herzen
         Und eine reine Stelle fuer mein Glueck.
         Kein Laecheln, Graefin! In der Kirche war ich.
         Es ist ein Kloster hier, zu Himmelspforte,
         Da ging ich hin, da fand ich mich allein.
         Ob dem Altar hing eine Mutter Gottes,
         Ein schlecht Gemaelde war's, doch war's der Freund,
         Den ich in diesem Augenblicke suchte.
         Wie oft hab ich die Herrliche gesehn
         In ihrem Glanz, die Inbrunst der Verehrer—
         Es hat mich nicht geruehrt, und jetzt auf einmal
         Ward mir die Andacht klar, so wie die Liebe.

    Graefin.
         Geniessen Sie Ihr Glueck. Vergessen Sie
         Die Welt um sich herum. Es soll die Freundschaft
         Indessen wachsam fuer Sie sorgen, handeln.
         Nur sei'n Sie dann auch lenksam, wenn man Ihnen
         Den Weg zu Ihrem Gluecke zeigen wird.

    Max.
         Wo aber bleibt sie denn!—Oh! goldne Zeit
         Der Reise, wo uns jede neue Sonne
         Vereinigte, die spaete Nacht nur trennte!
         Da rann kein Sand, und keine Glocke schlug.
         Es schien die Zeit dem Ueberselign
         In ihrem ew'gen Laufe stillzustehen.
         Oh! der ist aus dem Himmel schon gefallen,
         Der an der Stunden Wechsel denken muss!
         Die Uhr schlaegt keinem Gluecklichen.

    Graefin.
         Wie lang ist es, dass Sie Ihr Herz entdeckten?

    Max.
         Heut frueh wagt' ich das erste Wort.

    Graefin.
         Wie? Heute erst in diesen zwanzig Tagen?

    Max.
         Auf jenem Jagdschloss war es, zwischen hier
         Und Nepomuk, wo Sie uns eingeholt,
         Der letzten Station des ganzen Wegs.
         In einem Erker standen wir, den Blick
         Stumm in das oede Feld hinaus gerichtet,
         Und vor uns ritten die Dragoner auf,
         Die uns der Herzog zum Geleit gesendet.
         Schwer lag auf mir des Scheidens Bangigkeit,
         Und zitternd endlich wagt' ich dieses Wort:
         Dies alles mahnt mich, Fraeulein, dass ich heut
         Von meinem Gluecke scheiden muss. Sie werden
         In wenig Stunden einen Vater finden,
         Von neuen Freunden sich umgeben sehn,
         Ich werde nun ein Fremder fuer Sie sein,
         Verloren in der Menge—“Sprechen Sie
         Mit meiner Base Terzky!” fiel sie schnell
         Mir ein, die Stimme zitterte, ich sah
         Ein gluehend Rot die schoenen Wangen faerben,
         Und von der Erde langsam sich erhebend
         Trifft mich ihr Auge—ich beherrsche mich
         Nich laenger—

    (Die Prinzessin erscheint an der Tuere und bleibt stehen, von der
         Graefin, aber nicht von Piccolomini bemerkt.)

    —fasse kuehn sie in die Arme,
         Mein Mund beruehrt den ihrigen—da rauscht' es
         Im nahen Saal und trennte uns—Sie waren's
    .
         Was nun geschehen, wissen Sie.

    Graefin. (nach einer Pause mit einem verstohlnen Blick auf Thekla)
         Und sind Sie so bescheiden oder haben
         So wenig Neugier, dass Sie mich nicht auch
         Um mein Geheimnis fragen?

    Max.
         Ihr Geheimnis?

    Graefin.
         Nun ja! Wie ich unmittelbar nach Ihnen
         Ins Zimmer trat, wie ich die Nichte fand,
         Was sie in diesem ersten Augenblick
         Der ueberraschten Herzens—

    Max. (lebhaft)
         Nun?

    Vierter Auftritt

    Vorige. Thekla, welche schnell hervortritt.

    Thekla.
         Spart Euch die Muehe, Tante!
         Das hoert er besser von mir selbst.

    Max. (tritt zurueck)
         Mein Fraeulein!—
         Was liessen Sie mich sagen, Tante Terzky!

    Thekla. (zur Graefin)
         Ist er schon lange hier?

    Graefin.
         Jawohl, und seine Zeit ist bald vorueber.
         Wo bleibt Ihr auch so lang?

    Thekla.
         Die Mutter weinte wieder so. Ich seh sie leiden
         —Und kann's nicht aendern, dass ich gluecklich bin.

    Max. (in ihren Anblick verloren)
         Jetzt hab ich wieder Mut , Sie anzusehn.
         Heut konnt' ich's nicht. Der Glanz der Edelsteine,
         Der Sie umgab, verbarg mir die Geliebte.

    Thekla.
         So sah mich nur Ihr Auge, nicht Ihr Herz.

    Max.
         Oh! diesen Morgen, als ich Sie im Kreise
         Der Ihrigen, in Vaters Armen fand,
         Mich einen Fremdling sah in diesem Kreise—
         Wie draengte mich's in diesem Augenblick,
         Ihm um den Hals zu fallen, Vater ihn
         Zu nennen! Doch sein strenges Auge hiess
         Die heftig wallende Empfindung schweigen,
         Und jene Diamanten schreckten mich,
         Die wie ein Kranz von Sternen Sie umgaben.
         Warum auch musst' er beim Empfange gleich
         Den Bann um Sie verbreiten, gleich zum Opfer
         Den Engel schmuecken, auf das heitre Herz
         Die traur'ge Buerde seines Standes werfen!
         Wohl darf die Liebe werben um die Liebe,
         Doch solchem Glanz darf nur ein Koenig nahn.

    Thekla.
         Oh! still von dieser Mummerei. Sie sehn,
         Wie schnell die Buerde abgeworfen ward. (Zur Graefin.)
         Er ist nicht heiter. Warum ist er's nicht?
         Ihr, Tante, habt ihn mir so schwer gemacht!
         War er doch ein ganz andrer auf der Reise!
         So ruhig hell! So froh beredt! Ich wuenschte,
         Sie immer so zu sehn und niemals anders.

    Max.
         Sie fanden sich, in Ihres Vaters Armen,
         In einer neuen Welt, die Ihnen huldigt,
         Waer's auch durch Neuheit nur, Ihr Auge reizt.

    Thekla.
         Ja! Vieles reizt mich hier, ich will's nicht leugnen,
         Mich reizt die bunte, kriegerische Buehne,
         Die vielfach mir ein liebes Bild erneuert,
         Mir an das Leben, an die Wahrheit knuepft,
         Was mir ein schoener Traum nur hat geschienen.

    Max.
         Mir machte sie mein wirklich Glueck zum Traum.
         Auf einer Insel in des Aethers Hoehn
         Hab' ich gelebt in diesen letzten Tagen;
         Sie hat sich auf die Erd' herabgelassen,
         Und diese Bruecke, die zum alten Leben
         Zurueck mich bringt, trennt mich von meinem Himmel.

    Thekla.
         Das Spiel des Lebens sieht sich heiter an,
         Wenn man den sichern Schatz im Herzen traegt,
         Und froher kehr ich, wenn ich es gemustert,
         Zu meinem schoenern Eigentum zurueck— (Abbrechend, und in einem scherzhaften Ton.)
         Was hab ich Neues nicht und Unerhoertes
         In dieser kurzen Gegenwart gesehn!
         Und doch muss alles dies dem Wunder weichen,
         Das dieses Schloss geheimnisvoll verwahrt.

    Graefin. (nachsinnend)
         Was waere das? Ich bin doch auch bekannt
         In allen dunklen Ecken dieses Hauses.

    Thekla. (laechelnd)
         Von Geistern wird der Weg dazu beschuetzt,
         Zwei Greife halten Wache an der Pforte.

    Graefin. (lacht)
         Ach so! der astrologische Turm! Wie hat sich
         Dies Heiligtum, das sonst so streng verwahrt wird,
         Gleich in den ersten Stunden Euch geoeffnet?

    Thekla.
         Ein kleiner, alter Mann mit weissen Haaren
         Und freundlichem Gesicht, der seine Gunst
         Mir gleich geschenkt, schloss mir die Pforten auf.

    Max.
         Das ist des Herzogs Astrolog, der Seni.

    Thekla.
         Er fragte mich nach vielen Dingen, wann ich
         Geboren sei, in welchem Tag und Monat,
         Ob eine Tages—oder Nachtgeburt—

    Graefin.
         Weil er das Horoskop Euch stellen wollte.

    Thekla.
         Auch meine Hand besah er, schuettelte
         Das Haupt bedenklich, und es schienen ihm
         Die Linien nicht eben zu gefallen.

    Graefin.
         Wie fandet Ihr es denn in diesem Saal?
         Ich hab mich stets nur fluechtig umgesehn.

    Thekla.
         Es ward mir wunderbar zumut, als ich
         Aus vollem Tageslichte schnell hineintrat,
         Denn eine duestre Nacht umgab mich ploetzlich,
         Von seltsamer Beleuchtung schwach erhellt.
         In einem Halbkreis standen um mich her
         Sechs oder sieben grosse Koenigsbilder,
         Den Zepter in der Hand, und auf dem Haupt
         Trug jedes einen Stern, und alles Licht
         Im Turm schien von den Sternen nur zu kommen.
         Das waeren die Planeten, sagte mir
         Mein Fuehrer, sie regierten das Geschick,
         Drum seien sie als Koenige gebildet.
         Der aeusserste, ein graemlich finstrer Greis
         Mit dem truebgelben Stern, sei der Saturnus;
         Der mit dem roten Schein, grad von ihm ueber,
         In kriegerischer Ruestung, sei der Mars,
         Und beide bringen wenig Glueck den Menschen.
         Doch eine schoene Frau stand ihm zur Seite,
         Sanft schimmerte der Stern auf ihrem Haupt,
         Das sei die Venus, das Gestirn der Freude.
         Zur linken Hand erschien Merkur gefluegelt,
         Ganz in der Mitte glaenzte silberhell
         Ein heitrer Mann, mit einer Koenigsstirn,
         Das sei der Jupiter, des Vaters Stern,
         Und Mond und Sonne standen ihm zur Seite.

    Max.
         Oh! nimmer will ich seinen Glauben schelten
         An der Gestirne, an der Geister Macht.
         Nicht bloss der Stolz des Menschen fuellt den Raum
         Mit Geistern, mit geheimnisvollen Kraeften,
         Auch fuer ein liebend Herz ist die gemeine
         Natur zu eng, und tiefere Bedeutung
         Liegt in dem Maerchen meiner Kinderjahre
         Als in der Wahrheit, die das Leben lehrt.
         Die heitre Welt der Wunder ist's allein,
         Die dem entzueckten Herzen Antwort gibt,
         Die ihre ew'gen Raeume mir eroeffnet,
         Mir tausend Zweige reich entgegenstreckt,
         Worauf der trunkne Geist sich selig wiegt.
         Die Fabel ist der Liebe Heimatwelt,
         Gern wohnt sie unter Feen, Talismanen,
         Glaubt gern an Goetter, weil sie goettlich ist.
         Die alten Fabelwesen sind nicht mehr,
         Das reizende Geschlecht ist ausgewandert;
         Doch eine Sprache braucht das Herz, es bringt
         Der alte Trieb die alten Namen wieder,
         Und an dem Sternenhimmel gehn sie jetzt,
         Die sonst im Leben freundlich mitgewandelt.
         Dort winken sie dem Liebenden herab,
         Und jedes Grosse bringt uns Jupiter
         Noch diesen Tag, und Venus jedes Schoene.

    Thekla.
         Wenn das die Sternenkunst ist, will ich froh
         Zu diesem heitern Glauben mich bekennen.
         Es ist ein holder, freundlicher Gedanke,
         Dass ueber uns, in unermessnen Hoehn,
         Der Liebe Kranz aus funkelnden Gestirnen,
         Da wir erst wurden, schon geflochten ward.

    Graefin.
         Nicht Rosen bloss, auch Dornen hat der Himmel,
         Wohl dir! wenn sie den Kranz dir nicht verletzen.
         Was Venus band, die Bringerin des Gluecks,
         Kann Mars, der Stern des Ungluecks, schnell zerreissen.

    Max.
         Bald wird sein duestres Reich zu Ende sein!
         Gesegnet sei des Fuersten ernster Eifer,
         Er wird den Oelzweig in den Lorbeer flechten
         Und der erfreuten Welt den Frieden schenken.
         Dann hat sein grosses Herz nichts mehr zu wuenschen,
         Er hat genug fuer seinen Ruhm getan,
         Kann jetzt sich selber leben und den Seinen.
         Auf seine Gueter wird er sich zurueckziehn,
         Er hat zu Gitschin einen schoenen Sitz,
         Auch Reichenberg, Schloss Friedland liegen heiter—
         Bis an den Fuss der Riesenberge hin
         Streckt sich das Jagdgehege seiner Waelder.
         Dem grossen Trieb, dem praechtig schaffenden,
         Kann er dann ungebunden frei willfahren.
         Da kann er fuerstlich jede Kunst ermuntern
         Und alles wuerdig Herrliche beschuetzen—
         Kann bauen, pflanzen, nach den Sternen sehn—
         Ja, wenn die kuehne Kraft nicht ruhen kann,
         So mag er kaempfen mit dem Element,
         Den Fluss ableiten und den Felsen sprengen
         Und dem Gewerb die leichte Strasse bahnen.
         Aus unsern Kriegsgeschichten werden dann
         Erzaehlungen in langen Winternaechten—

    Graefin.
         Ich will denn doch geraten haben, Vetter,
         Den Degen nicht zu fruehe wegzulegen.
         Denn eine Braut wie die ist es wohl wert,
         Dass mit dem Schwert um sie geworben werde.

    Max.
         Oh! waere sie mit Waffen zu gewinnen!

    Graefin.
         Was war das? Hoert ihr nichts?—Mir war's, als hoert' ich
         Im Tafelzimmer heft'gen Streit und Laermen.

    (Sie geht hinaus.)

    Fuenfter Auftritt

    Thekla und Max Piccolomini.

    Thekla. (sobald die Graefin sich entfernt hat, schnell und
         heimlich zu Piccolomini)
         Trau ihnen nicht. Sie meinen's falsch.

    Max.
         Sie koennten—

    Thekla.
         Trau niemand hier als mir. Ich sah es gleich,
         Sie haben einen Zweck.

    Max.
         Zweck! Aber welchen?
         Was haetten sie davon, uns Hoffnungen—

    Thekla.
         Das weiss ich nicht. Doch glaub mir, es ist nicht
         Ihr Ernst, uns zu begluecken, zu verbinden.

    Max.
         Wozu auch diese Terzkys? Haben wir
         Nicht deine Mutter? Ja, die Guetige
         Verdient's, dass wir uns kindlich ihr vertrauen.

    Thekla.
         Sie liebt dich, schaetzt dich hoch vor allen andern,
         Doch nimmer haette sie den Mut, ein solch
         Geheimnis vor dem Vater zu bewahren.
         Um ihrer Ruhe willen muss es ihr
         Verschwiegen bleiben.

    Max.
         Warum ueberall
         Auch das Geheimnis? Weisst du, was ich tun will?
         Ich werfe mich zu deines Vaters Fuessen,
         Er soll mein Glueck entscheiden, er ist wahrhaft,
         Ist unverstellt und hasst die krummen Wege,
         Er ist so gut, so edel—

    Thekla.
         Das bist du!

    Max.
         Du kennst ihn erst seit heut. Ich aber lebe
         Schon zehen Jahre unter seinen Augen.
         Ist's denn das erste Mal, dass er das Seltne,
         Das Ungehoffte tut? Es sieht ihm gleich,
         Zu ueberraschen wie ein Gott, er muss
         Entzuecken stets und in Erstaunen setzen.
         Wer weiss, ob er in diesem Augenblick
         Nicht mein Gestaendnis, deines bloss erwartet,
         Uns zu vereinigen—Du schweigst? Du siehst
         Mich zweifelnd an? Was hast du gegen deinen Vater?

    Thekla.
         Ich? Nichts—Nur zu beschaeftigt find ich ihn,
         Als dass er Zeit und Musse koennte haben,
         An unser Glueck zu denken. (Ihn zaertlich bei der Hand fassend.)
         Folge mir!
         Lass nicht zu viel uns an die Menschen glauben.
         Wir wollen diesen Terzkys dankbar sein
         Fuer jede Gunst, doch ihnen auch nicht mehr
         Vertrauen, als sie wuerdig sind, und uns
         Im uebrigen—auf unser Herz verlassen.

    Max.
         Oh! werden wir auch jemals gluecklich werden!

    Thekla.
         Sind wir's denn nicht? Bist du nicht mein? Bin ich
         Nicht dein?—In meiner Seele lebt
         Ein hoher Mut, die Liebe gibt ihn mir—
         Ich sollte minder offen sein, mein Herz
         Dir mehr verbergen, also will's die Sitte.
         Wo aber waere Wahrheit hier fuer dich,
         Wenn du sie nicht auf meinem Munde findest?
         Wir haben uns gefunden, halten uns
         Umschlungen, fest und ewig. Glaube mir!
         Das ist um vieles mehr, als sie gewollt.
         Drum lass es uns wie einen heil'gen Raub
         In unsers Herzens Innerstem bewahren.
         Aus Himmels Hoehen fiel es uns herab,
         Und nur dem Himmel wollen wir's verdanken.
         Es kann ein Wunder fuer uns tun.

    Sechster Auftritt

    Graefin Terzky zu den Vorigen.

    Graefin. (pressiert)
         Mein Mann schickt her. Es sei die hoechste Zeit.
         Er soll zur Tafel— (Da jene nicht darauf achten, tritt sie zwischen sie.)
         Trennt euch!

    Thekla.
         Oh! nicht doch!
         Es ist ja kaum ein Augenblick.

    Graefin.
         Die Zeit vergeht Euch schnell, Prinzessin Nichte.

    Max.
         Es eilt nicht, Base.

    Graefin.
         Fort! Fort! Man vermisst Sie.
         Der Vater hat sich zweimal schon erkundigt.

    Thekla.
         Ei nun! der Vater!

    Graefin.
         Das versteht Ihr, Nichte.

    Thekla.
         Was soll er ueberall bei der Gesellschaft?
         Es ist sein Umgang nicht, es moegen wuerd'ge,
         Verdiente Maenner sein, er aber ist
         Fuer sie zu jung, taugt nicht in die Gesellschaft.

    Graefin.
         Ihr moechtet ihn wohl lieber ganz behalten?

    Thekla. (lebhaft).
         Ihr habt's getroffen. Das ist meine Meinung.
         Ja, lasst ihn ganz hier, lasst den Herren sagen—

    Graefin.
         Habt Ihr den Kopf verloren, Nichte?—Graf!
         Sie wissen die Bedingungen.

    Max.
         Ich muss gehorchen, Fraeulein. Leben Sie wohl.

    (Da Thekla sich schnell von ihm wendet.)

    Was sagen Sie?

    Thekla. (ohne ihn anzusehen)
         Nichts. Gehen Sie.

    Max.
         Kann ich's,
         Wenn Sie mir zuernen—

    (Er naehert sich ihr, ihre Augen begegnen sich, sie steht einen
         Augenblick schweigend, dann wirft sie sich ihm an die Brust, er
         drueckt sie fest an sich.)

    Graefin.
         Weg! Wenn jemand kaeme!
         Ich hoere Laermen—Fremde Stimmen nahen.

    (Max reisst sich aus ihren Armen und geht, die Graefin begleitet ihn.
         Thekla folgt ihm anfangs mit den Augen, geht unruhig durch das Zimmer
         und bleibt dann in Gedanken versenkt stehen. Eine Gitarre liegt auf
         dem Tisch, sie ergreift sie, und nachdem sie eine Weile schwermuetig
         praeludiert hat, faellt sie in den Gesang.)

    Siebenter Auftritt

    Thekla. (spielt und singt)
         Der Eichwald brauset, die Wolken ziehn,
         Das Maegdlein wandelt an Ufers Gruen,
         Es bricht sich die Welt mit Macht, mit Macht,
         Und sie singt hinaus in die finstre Nacht.
         Das Auge von Weinen getruebet.
         Das Herz ist gestorben, die Welt ist leer,
         Und weiter gibt sie dem Wunsche nichts mehr.
         Du Heilige, rufe dein Kind zurueck,
         Ich habe genossen das irdische Glueck,
         Ich habe gelebt und geliebet.

    Achter Auftritt

    Graefin kommt zurueck. Thekla.

    Graefin.
         Was war das, Fraeulein Nichte? Fy! Ihr werft Euch
         Ihm an den Kopf. Ihr solltet Euch doch, daecht' ich,
         Mit Eurer Person ein wenig teurer machen.

    Thekla. (indem sie aufsteht)
         Was meint Ihr, Tante?

    Graefin.
         Ihr sollt nicht vergessen,
         Wer Ihr seid, und wer er ist. Ja, das ist Euch
         Noch gar nicht eingefallen, glaub ich.

    Thekla.
         Was denn?

    Graefin.
         Dass Ihr des Fuersten Friedland Tochter seid.

    Thekla.
         Nun? und was mehr?

    Graefin.
         Was? Eine schoene Frage!

    Thekla.
         Was wir geworden sind, ist er geboren.
         Er ist von alt lombardischem Geschlecht,
         Ist einer Fuerstin Sohn!

    Graefin.
         Sprecht Ihr im Traum?
         Fuerwahr! Man wird ihn hoeflich noch drum bitten,
         Die reichste Erbin in Europa zu begluecken
         Mit seiner Hand.

    Thekla.
         Das wird nicht noetig sein.

    Graefin.
         Ja, man wird wohl tun, sich nicht auszusetzen.

    Thekla.
         Sein Vater liebt ihn, Graf Octavio
         Wird nichts dagegen haben—

    Graefin.
         Sein Vater! Seiner! Und der Eure, Nichte?

    Thekla.
         Nun ja! Ich denk, Ihr fuerchtet seinen Vater,
         Weil Ihr's vor dem, vor seinem Vater, mein ich,
         So sehr verheimlicht.

    Graefin. (sieht sie forschend an)
         Nichte, Ihr seid falsch.

    Thekla.
         Seid Ihr empfindlich, Tante? Oh! seid gut!

    Graefin.
         Ihr haltet Euer Spiel schon fuer gewonnen—
         Jauchzt nicht zu fruehe!

    Thekla.
         Seid nur gut!

    Graefin.
         Es ist noch nicht so weit.

    Thekla.
         Ich glaub es wohl.

    Graefin.
         Denkt Ihr, er habe sein bedeutend Leben
         In kriegerischer Arbeit aufgewendet,
         Jedwedem stillen Erdenglueck entsagt,
         Den Schlaf von seinem Lager weggebannt,
         Sein edles Haupt der Sorge hingegeben,
         Nur um ein gluecklich Paar aus euch zu machen?
         Um dich zuletzt aus deinem Stift zu ziehn,
         Den Mann dir im Triumphe zuzufuehren,
         Der deinen Augen wohlgefaellt?—Das haett' er
         Wohlfeiler habe koennen! Diese Saat
         Ward nicht gepflanzt, dass du mit kind'scher Hand
         Die Blume braechest und zu leichten Zier
         An deinen Busen stecktest!

    Thekla.
         Was er mir nicht gepflanzt, das koennte doch
         Freiwillig mir die schoenen Fruechte tragen.
         Und wenn mein guetig freundliches Geschick
         Aus seinem furchtbar ungeheuren Dasein
         Des Lebens Freude mir bereiten will—

    Graefin.
         Du siehst's wie ein verliebtes Maedchen an.
         Blick um dich her. Besinn dich, wo du bist—
         Nicht in ein Freudenhaus bist du getreten,
         Zu keiner Hochzeit findest du die Waende
         Geschmueckt, der Gaeste Haupt bekraenzt. Hier ist
         Kein Glanz als der von Waffen. Oder denkst du,
         Man fuehrte diese Tausende zusammen,
         Beim Brautfest dir den Reihen aufzufuehren?
         Du siehst des Vaters Stirn gedankenvoll,
         Der Mutter Aug' in Traenen, auf der Waage liegt
         Das grosse Schicksal unsers Hauses!
         Lass jetzt des Maedchens kindische Gefuehle,
         Die kleinen Wuensche hinter dir! Beweise,
         Dass du des Ausserordentlichen Tochter bist!
         Das Weib soll sich nicht selber angehoeren,
         An fremdes Schicksal ist sie fest gebunden;
         Die aber ist die Beste, die sich Fremdes
         Aneignen kann mit Wahl, an ihrem Herzen
         Es traegt und pflegt mit Innigkeit und Liebe.

    Thekla.
         So wurde mir's im Kloster vorgesagt.
         Ich hatte keine Wuensche, kannte mich
         Als seine Tochter nur, des Maechtigen,
         Und seines Lebens Schall, der auch zu mir drang,
         Gab mir kein anderes Gefuehl als dies:
         Ich sei bestimmt, mich leidend ihm zu opfern.

    Graefin.
         Das ist dein Schicksal. Fuege dich ihm willig.
         Ich und die Mutter geben dir das Beispiel.

    Thekla.
         Das Schicksal hat mir den gezeigt, dem ich
         Mich opfern soll; ich will ihm freudig folgen.

    Graefin.
         Dein Herz, mein liebes Kind, und nicht das Schicksal.

    Thekla.
         Der Zug des Herzens ist des Schicksals Stimme.
         Ich bin die Seine. Sein Geschenk allein
         Ist dieses neue Leben, das ich lebe.
         Er hat ein Recht an sein Geschoepf. Was war ich,
         Eh' seine schoene Liebe mich beseelte?
         Ich will auch von mir selbst nicht kleiner denken
         Als der Geliebte. Der kann nicht gering sein,
         Der das Unschaetzbare besitzt. Ich fuehle
         Die Kraft mit meinem Gluecke mir verliehn.
         Ernst liegt das Leben vor der ernsten Seele.
         Dass ich mir selbst gehoere, weiss ich nun.
         Den festen Willen hab ich kennen lernen,
         Den unbezwinglichen, in meiner Brust,
         Und an das Hoechste kann ich alles setzen.

    Graefin.
         Du wolltest dich dem Vater widersetzen,
         Wenn er es anders nun mit dir beschlossen?
         —Ihm denkst du's abzuzwingen? Wisse, Kind!
         Sein Nam' ist Friedland.

    Thekla.
         Auch der meinige.
         Er soll in mir die echte Tochter finden.

    Graefin.
         Wie? Sein Monarch, sein Kaiser zwingt ihn nicht,
         Und du, sein Maedchen, wolltest mit ihm kaempfen?

    Thekla.
         Was niemand wagt, kann seine Tochter wagen.

    Graefin.
         Nun wahrlich! Darauf ist er nicht bereitet.
         Er haette jedes Hindernis besiegt,
         Und in dem eignen Willen seiner Tochter
         Sollt' ihm der neue Streit entstehn? Kind! Kind!
         Noch hast du nur das Laecheln deines Vaters,
         Hast seines Zornes Auge nicht gesehen.
         Wird sich die Stimme deines Widerspruchs,
         Die zitternde, in seine Naehe wagen?
         Wohl magst du dir, wenn du allein bist, grosse Dinge
         Vorsetzen, schoene Rednerblumen flechten,
         Mit Loewenmut den Taubensinn bewaffnen.
         Jedoch versuch's! Tritt vor sein Auge hin,
         Das fest auf dich gespannt ist, und sag nein!
         Vergehen wirst du vor ihm, wie das zarte Blatt
         Der Blume vor dem Feuerblick der Sonne.
         —Ich will dich nicht erschrecken, liebes Kind!
         Zum Aeussersten soll's ja nicht kommen, hoff ich—
         Auch weiss ich seinen Willen nicht. Kann sein,
         Dass seine Zwecke deinem Wunsch begegnen.
         Doch das kann nimmermehr sein Wille sein,
         Dass du, die stolze Tochter seines Gluecks,
         Wie ein verliebtes Maedchen dich gebaerdest,
         Wegwerfest an den Mann, der , wenn ihm je
         Der hohe Lohn bestimmt ist, mit dem hoechsten Opfer,
         Das Liebe bringt, dafuer bezahlen soll!

    (Sie geht ab.)

    Neunter Auftritt

    Thekla. (allein)
         Dank dir fuer deinen Wink! Er macht
         Mir meine boese Ahnung zur Gewissheit.
         So ist's denn wahr? Wir haben keinen Freund
         Und keine treue Seele hier—wir haben
         Nichts als uns selbst. Uns drohen harte Kaempfe.
         Du, Liebe, gib uns Kraft, du goettliche!
         Oh! sie sagt wahr! Nicht frohe Zeichen sind's,
         Die diesem Buendnis unsrer Herzen leuchten.
         Das ist kein Schauplatz, wo die Hoffnung wohnt.
         Nur dumpfes Kriegsgetoese rasselt hier,
         Und selbst die Liebe, wie in Stahl geruestet,
         Zum Todeskampf geguertet, tritt sie auf.
         Es geht ein finstrer Geist durch unser Haus,
         Und schleunig will das Schicksal mit uns enden.
         Aus stiller Freistatt treibt es mich heraus,
         Ein holder Zauber muss die Seele blenden.
         Es lockt mich durch die himmlische Gestalt,
         Ich seh sie nah und seh sie naeher schweben,
         Es zieht mich fort mit goettlicher Gewalt,
         Dem Abgrund zu, ich kann nicht widerstreben. (Man hoert von ferne die Tafelmusik.)
         Oh! wenn ein Haus im Feuer soll vergehn,
         Dann treibt der Himmel sein Gewoelk zusammen,
         Es schiesst der Blitz herab aus heitern Hoehn,
         Aus unterird'schen Schluenden fahren Flammen,
         Blindwuetend schleudert selbst der Gott der Freude
         Den Pechkranz in das brennende Gebaeude! (Sie geht ab.)

    Vierter Aufzug

    Szene: Ein grosser, festlich erleuchteter Saal, in der Mitte
         desselben und nach der Tiefe des Theaters eine reich ausgeschmueckte
         Tafel, an welcher acht Generale, worunter Octavio Piccolomini,
         Terzky und Maradas, sitzen. Rechts und links davon, mehr nach
         hinten zu, noch zwei andere Tafeln, welche jede mit sechs Gaesten
         besetzt sind. Vorwaerts steht der Kredenztisch, die ganze vordere
         Buehne bleibt fuer die aufwartenden Pagen und Bedienten frei. Alles
         ist in Bewegung, Spielleute von Terzkys Regiment ziehen ueber den
         Schauplatz um die Tafel herum. Noch ehe sie sich ganz entfernt
         haben, erscheint Max Piccolomini; ihm kommt Terzky mit einer
         Schrift, Isolani mit einem Pokal entgegen.

    Erster Auftritt

    Terzky. Isolani. Max Piccolomini.

    Isolani.
         Herr Bruder, was wir lieben! Nun, wo steckt Er?
         Geschwind an Seinen Platz! Der Terzky hat
         Der Mutter Ehrenweine preisgegeben,
         Es geht hier zu, wie auf dem Heidelberger Schloss.
         Das Beste hat Er schon versaeumt. Sie teilen
         Dort an der Tafel Fuerstenhuete aus,
         Des Eggenberg, Slawata, Lichtenstein,
         Des Sternbergs Gueter werden ausgeboten
         Samt allen grossen boehm'schen Lehen; wenn
         Er hurtig macht, faellt auch fuer Ihn was ab.
         Marsch! Setz' Er sich!

    Colalto und Goetz. (rufen an der zweiten Tafel)
         Graf Piccolomini!

    Terzky.
         Ihr sollt ihn haben! Gleich!—Lies diese Eidesformel,
         Ob dir's gefaellt, so wie wir's aufgesetzt.
         Es haben's alle nach der Reih' gelesen,
         Und jeder wird den Namen drunter setzen.

    Max. (liest)
         “Ingratis servire nefas.”

    Isolani.
         Das klingt wie ein latein'scher Spruch—Herr Bruder,
         Wie heisst's auf deutsch?

    Terzky.
         Dem Undankbaren dient kein rechter Mann!

    Max.
         “Nachdem unser hochgebietender Feldherr, der
         Durchlauchtige Fuerst von Friedland, wegen vielfaeltig
         empfangener Kraenkungen, des Kaisers Dienst zu
         Verlassen gemeint gewesen, auf unser einstimmiges
         Bitten aber sich bewegen lassen, noch laenger bei der
         Armee zu verbleiben, und ohne unser Genehmhalten sich
         Nicht von uns zu trennen; als verpflichten wir uns wieder
         ingesamt, und jeder fuer sich insbesondere, anstatt eines
         koerperlichen Eides—auch bei ihm ehrlich und getreu zu
         halten, uns auf keinerlei Weise von ihm zu trennen, und
         fuer denselben alles das Unsrige, bis auf den letzten
         Blutstropfen, aufzusetzen, so weit naemlich unser dem
         Kaiser geleisteter Eid es erlauben wird. (Die letzten Worte werden von Isolani nachgesprochen.)
         Wie wir denn auch, wenn einer oder der andre, von uns, diesem
         Verbuendnis zuwider, sich von der gemeinen Sache
         Absondern sollte, denselben als einen bundesfluechtigen
         Verraeter erklaeren, und an seinem Hab und Gut, Leib und
         Leben Rache dafuer zu nehmen verbunden sein wollen.
         Solches bezeugen wir mit Unterschrift unsers Namens.”

    Terzky.
         Bist du gewillt, dies Blatt zu unterschreiben?

    Isolani.
         Was sollt' er nicht! Jedweder Offizier
         Von Ehre kann das—muss das—Dint' und Feder!

    Terzky.
         Lass gut sein, bis nach der Tafel.

    Isolani. (Max fortziehend)
         Komm' Er, komm' Er!

    (Beide gehen an die Tafel.)

    Zweiter Auftritt

    Terzky. Neumann.

    Terzky. (winkt dem Neumann , der am Kredenztisch gewartet,
         und tritt mit ihm vorwaerts)
         Bringst du die Abschrift, Neumann? Gib! Sie ist
         Doch so verfasst, dass man sie leicht verwechselt?

    Neumann.
         Ich hab sie Zeil' um Zeile nachgemalt,
         Nichts als die Stelle von dem Eid blieb weg,
         Wie deine Exzellenz es mir geheissen.

    Terzky.
         Gut! Leg sie dorthin, und mit dieser gleich
         Ins Feuer! Was sie soll, hat sie geleistet.

    (Neumann legt die Kopie auf den Tisch und tritt wieder zum Schenktisch.)

    Dritter Auftritt

    Illo kommt aus dem zweiten Zimmer. Terzky.

    Illo.
         Wie ist es mit dem Piccolomini?

    Terzky.
         Ich denke, gut. Er hat nichts eingewendet.

    Illo.
         Er ist der einz'ge, dem ich nicht recht traue,
         Er und der Vater—Habt ein Aug' auf beide!

    Terzky.
         Wie sieht's an Eurer Tafel aus? Ich hoffe,
         Ihr haltet Eure Gaeste warm?

    Illo.
         Sie sind
         Ganz kordial. Ich denk, wir haben sie.
         Und wie ich's Euch vorausgesagt—Schon ist
         Die Red' nicht mehr davon, den Herzog bloss
         Bei Ehren zu erhalten. Da man einmal
         Beisammen sei, meint Montecuculi,
         So muesse man in seinem eignen Wien
         Dem Kaiser die Bedingung machen. Glaubt mir,
         Waer's nicht um diese Piccolomini,
         Wir haetten den Betrug uns koennen sparen.

    Terzky.
         Was will der Buttler? Still!

    Vierter Auftritt

    Buttler zu den Vorigen.

    Buttler. (von der zweiten Tafel kommend)
         Lasst Euch nicht stoeren.
         Ich hab Euch wohl verstanden, Feldmarschall.
         Glueck zum Geschaefte—und was mich betrifft, (geheimnisvoll)
         So koennt Ihr auf mich rechnen.

    Illo. (lebhaft)
         Koennen wir's?

    Buttler.
         Mit oder ohne Klausel! gilt mir gleich!
         Versteht Ihr mich? Der Fuerst kann meine Treu'
         Auf jede Probe setzen, sagt ihm das.
         Ich bin des Kaisers Offizier, solang ihm
         Beliebt, des Kaisers General zu bleiben,
         Und bin des Friedlands Knecht, sobald es ihm
         Gefallen wird, sein eigner Herr zu sein.

    Terzky.
         Ihr treffet einen guten Tausch. Kein Karger,
         Kein Ferdinand ist's, dem Ihr Euch verpflichtet.

    Buttler. (ernst)
         Ich biete meine Treu' nicht feil, Graf Terzky,
         Und wollt' Euch nicht geraten haben, mir
         Vor einem halben Jahr noch abzudingen,
         Wozu ich jetzt freiwillig mich erbiete.
         Ja, mich samt meinem Regiment bring ich
         Dem Herzog, und nicht ohne Folgen soll
         Das Beispiel bleiben, denk ich, das ich gebe.

    Illo.
         Wem ist es nicht bekannt, dass Oberst Buttler

    Dem ganzen Heer voran als Muster leuchtet!

    Buttler.
         Meint Ihr, Feldmarschall? Nun, so reut mich nicht
         Die Treue, vierzig Jahre lang bewahrt,
         Wenn mir der wohlgesparte gute Name
         So volle Rache kauft im sechzigsten!—
         Stosst euch an meine Rede nicht, ihr Herrn.
         Euch mag es gleichviel sein,wie ihr mich habt,
         Und werdet, hoff ich, selber nicht erwarten,
         Dass euer Spiel mein grades Urteil kruemmt—
         Dass Wankelsinn und schnell bewegtes Blut
         Noch leichte Ursach' sonst den alten Mann
         Vom langgewohnten Ehrenpfade treibt.
         Kommt! Ich bin darum minder nicht entschlossen,
         Weil ich es deutlich weiss, wovon ich scheide.

    Illo.
         Sagt's rund heraus, wofuer wir Euch zu halten—

    Buttler.
         Fuer einen Freund! Nehmt meine Hand darauf,
         Mit allem, was ich hab, bin ich der Eure.
         Nicht Maenner bloss, auch Geld bedarf der Fuerst.
         Ich hab in seinem Dienst mir was erworben,
         Ich leih es ihm, und ueberlebt er mich,
         Ist's ihm vermacht schon laengst, er ist mein Erbe.
         Ich steh allein da in der Welt und kenne
         Nicht das Gefuehl, das an ein teures Weib
         Den Mann und an geliebte Kinder bindet;
         Mein Name stirbt mit mir, mein Dasein endet.

    Illo.
         Nicht Eures Gelds bedarf's—ein Herz, wie Euers,
         Wiegt Tonnen Goldes auf und Millionen.

    Buttler.
         Ich kam, ein schlechter Reitersbursch, aus Irland
         Nach Prag mit einem Herrn, den ich begrub.
         Vom niedern Dienst im Stalle stieg ich auf,
         Durch Kriegsgeschick, zu dieser Wuerd' und Hoehe,
         Das Spielzeug eines grillenhaften Gluecks.
         Auch Wallenstein ist der Fortuna Kind,
         Ich liebe einen Weg, der meinem gleicht.

    Illo.
         Verwandte sind sich alle starken Seelen.

    Buttler.
         Es ist ein grosser Augenblick der Zeit,
         Dem Tapfern, dem Entschlossnen ist sie guenstig.
         Wie Scheidemuenze geht von Hand zu Hand,
         Tauscht Stadt und Schloss den eilenden Besitzer.
         Uralter Haeuser Enkel wandern aus,
         Ganz neue Wappen kommen auf und Namen;
         Auf deutscher Erde unwillkommen wagt's
         Ein noerdlich Volk sich bleibend einzubuergern.
         Der Prinz von Weimar ruestet sich mit Kraft,
         Am Main ein maechtig Fuerstentum zu gruenden;
         Dem Mansfeld fehlte nur, dem Halberstaedter
         Ein laengres Leben, mit dem Ritterschwert
         Landeigentum sich tapfer zu erfechten.
         Wer unter diesen reicht an unsern Friedland?
         Nichts ist so hoch, wornach der Starke nicht
         Befugnis hat die Leiter anzusetzen.

    Terzky.
         Das ist gesprochen wie ein Mann!

    Buttler.
         Versichert euch der Spanier und Welschen,
         Den Schotten Lessly will ich auf mich nehmen.
         Kommt zur Gesellschaft! Kommt!

    Terzky.
         Wo ist der Kellermeister?
         Lass aufgehn, was du hast! die besten Weine!
         Heut gilt es. Unsre Sachen stehe gut.

    (Gehen, jeder an seine Tafel.)

    Fuenfter Auftritt

    Kellermeister mit Neumann vorwaerts kommend. Bediente gehen ab und zu.

    Kellermeister.
         Der edle Wein! Wenn meine alte Herrschaft,
         Die Frau Mama, das wilde Leben saeh',
         In ihrem Grabe kehrte sie sich um!—
         Ja! Ja! Herr Offizier! Es geht zurueck
         Mit diesem edeln Haus—Kein Mass noch Ziel!
         Und die durchlauchtige Verschwaegerung
         Mit diesem Herzog bringt uns wenig Segen.

    Neumann.
         Behuete Gott! Jetzt wird der Flor erst angehn.

    Kellermeister.
         Meint Er? Es liess' sich vieles davon sagen.

    Bedienter. (kommt.)
         Burgunder fuer den vierten Tisch!

    Kellermeister.
         Das ist
         Die siebenzigste Flasche nun, Herr Leutnant.

    Bedienter.
         Das macht, der deutsche Herr, der Tiefenbach,
         Sitzt dran. (Geht ab.)

    Kellermeister. (zu Neumann fortfahrend)
         Sie wollen gar zu hoch hinaus. Kurfuersten
         Und Koenigen wollen sie's im Prunke gleichtun,
         Und wo der Fuerst sich hingetraut, da will der Graf,
         Mein gnaed'ger Herre, nicht dahintenbleiben. (Zu den Bedienten.)
         Was steht ihr horchen? Will euch Beine machen.
         Seht nach den Tischen, nach den Flaschen! Da!
         Graf Palffy hat ein leeres Glas vor sich!

    Zweiter Bedienter. (kommt)
         Den grossen Kelch verlandt man, Kellermeister,
         Den reichen, gueldnen, mit dem boehm'schen Wappen,
         Ihr wisst schon welchen, hat der Herr gesagt.

    Kellermeister.
         Der auf des Friedrichs seine Koenigskroenung
         Vom Meister Wilhelm ist verfertigt worden,
         Das schoene Prachtstueck aus der Prager Beute?

    Zweiter Bedienter.
         Ja, den! Den Umtrunk wollen sie mit halten.

    Kellermeister. (mit Kopfschuetteln, indem er den Pokal
         hervorholt und ausspuelt)
         Das gibt nach Wien was zu berichten wieder!

    Neumann.
         Zeigt! Das ist eine Pracht von einem Becher!
         Von Golde schwer und in erhabner Arbeit
         Sind kluge Dinge zierlich drauf gebildet.
         Gleich auf dem ersten Schildlein, lasst mal sehn!
         Die stolze Amazone da zu Pferd,
         Die uebern Krummstab setzt und Bischofsmuetzen,
         Auf einer Stange traegt sie einen Hut,
         Nebst einer Fahn', worauf ein Kelch zu sehn.
         Koennt Ihr mir sagen, was das all bedeutet?

    Kellermeister.
         Die Weibsperson, die ihr da seht zu Ross,
         Das ist die Wahlfreiheit der boehm'schen Kron'.
         Das wird bedeutet durch den runden Hut
         Und durch das wilde Ross, auf dem sie reitet.
         Des Menschen Zierat ist der Hut, denn wer
         Den Hut nicht sitzen lassen darf vor Kaisern
         Und Koenigen, der ist kein Mann der Freiheit.

    Neumann.
         Was aber soll der Kelch da auf der Fahn'?

    Kellermeister.
         Der Kelch bezeugt die boehm'sche Kirchenfreiheit,
         Wie sie gewesen zu der Vaeter Zeit.
         Die Vaeter im Hussitenkrieg erstritten
         Sich dieses schoene Vorrecht uebern Papst,
         Der keinem Laien goennen will den Kelch.
         Nichts geht dem Utraquisten uebern Kelch,
         Es ist sein koestlich Kleinod, hat dem Boehmen
         Sein teures Blut in mancher Schlacht gekostet.

    Neumann.
         Was sagt die Rolle, die da drueber schwebt?

    Kellermeister.
         Den boehm'schen Majestaetsbrief zeigt sie an,
         Den wir dem Kaiser Rudolf abgezwungen,
         Ein koestlich unschaetzbares Pergament,
         Das frei Gelaeut' und offenen Gesang
         Dem neuen Glauben sichert wie dem alten.
         Doch seit der Graetzer ueber uns regiert,
         Hat das ein End', und nach der Prager Schlacht,
         Wo Pfalzgraf Friedrich Kron' und Reich verloren,
         Ist unser Glaub' um Kanzel und Altar,
         Und unsre Brueder sehen mit dem Ruecken
         Die Heimat an, den Majestaetsbrief aber
         Zerschnitt der Kaiser selbst mit seiner Schere.

    Neumann.
         Das alles wisst Ihr! Wohl bewandert seid Ihr
         In Eures Landes Chronik, Kellermeister.

    Kellermeister.
         Drum waren meine Ahnherrn Taboriten
         Und dienten unter dem Prokop und Ziska.
         Fried' sei mit ihrem Staube! Kaempften sie
         Fuer eine gute Sache doch—Tragt fort !

    Neumann.
         Erst lasst mich noch das zweite Schildlein sehn.
         Sieh doch, das ist, wie auf dem Prager Schloss
         Des Kaisers Raete Martinitz, Slawata
         Kopf unter sich herabgestuerzet werden.
         Ganz recht! Da steht Graf Thurn, der es befiehlt.

    (Bedienter geht mit dem Kelch.)

    Kellermeister.
         Schweigt mir von diesem Tag, es war der drei-
         Undzwanzigste des Mais, da man eintausen-
         Sechshundert schrieb und achtzehn. Ist mir's doch,
         Als waer' es heut, und mit dem Unglueckstag
         Fing's an, das grosse Herzeleid des Landes.
         Seit diesem Tag, es sind jetzt sechzehn Jahr,
         Ist nimmer Fried' gewesen auf der Erden— (An der zweiten Tafel wird gerufen:)
         Der Fuerst von Weimar! (An der dritten und vierten Tafel:)
         Herzog Bernhard lebe! (Musik faellt ein.)

    Erster Bedienter.
         Hoert den Tumult!

    Zweiter Bedienter. (kommt gelaufen)
         Habt ihr gehoert? Sie lassen
         den Weimar leben!

    Dritter Bedienter.
         Oestreichs Feind!

    Erster Bedienter.
         Den Lutheraner!

    Zweiter Bedienter.
         Vorhin, da bracht' der Deodat des Kaisers
         Gesundheit aus, da blieb's ganz maeuschenstille.

    Kellermeister.
         Beim Trunk geht vieles drein. Ein ordentlicher
         Bedienter muss kein Ohr fuer so was haben.

    Dritter Bedienter. (beiseite zum vierten)
         Pass ja wohl auf, Johann, dass wir dem Pater
         Quiroga recht viel zu erzaehlen haben;
         Er will dafuer uns auch viel Ablass geben.

    Vierter Bedienter.
         Ich mach mir an des Illo seinem Stuhl
         Deswegen auch zu tun, soviel ich kann,
         Der fuehrt dir gar verwundersame Reden.

    (Gehen zu den Tafeln.)

    Kellermeister. (zu Neumann)
         Wer mag der schwarze Herr sein mit dem Kreuz,
         Der mit Graf Palffy so vertraulich schwatzt?

    Neumann.
         Das ist auch einer, dem sie zu viel trauen,
         Maradas nennt er sich, ein Spanier.

    Kellermeister.
         's ist nichts mit den Hispaniern, sag ich Euch,
         Die Welschen alle taugen nichts.

    Neumann.
         Ei! Ei!
         So solltet Ihr nicht sprechen, Kellermeister.
         Es sind die ersten Generale drunter,
         Auf die der Herzog just am meisten haelt.

    (Terzky kommt und holt das Papier ab, an den Tafeln entsteht
         eine Bewegung.)

    Kellermeister. (zu den Bedienten)
         Der Generalleutnant steht auf. Gebt acht!
         Sie machen Aufbruch. Fort und rueckt die Sessel.

    (Die Bedienten eilen nach hinten, ein Teil der Gaeste kommt
         vorwaerts.)

    Sechster Auftritt

    Octavio Piccolomini kommt im Gespraech mit Maradas, und beide
         stellen sich ganz vorne hin auf eine Seite des Proszeniums
    .
         Auf die entgegengesetzte Seite tritt Max Piccolomini, allein,
         in sich gekehrt und ohne Anteil an der uebrigen Handlung. Den
         mittlern Raum zwischen beiden, doch einige Schritte mehr zurueck,
         erfuellen Buttler, Isolani, Goetz, Tiefenbach, Colalto und bald
         darauf Graf Terzky.

    Isolani. (waehrend dass die Gesellschaft vorwaerts kommt)
         Gut' Nacht!—Gut' Nacht, Colalto—Generalleutnant,
         Gut' Nacht! Ich sagte besser, guten Morgen.

    Goetz. (zu Tiefenbach)
         Herr Bruder! Prosit Mahlzeit!

    Tiefenbach.
         Das war ein koenigliches Mahl!

    Goetz.
         Ja, die Frau Graefin
         Versteht's. Sie lernt' es ihrer Schwieger ab,
         Gott hab' sie selig! Das war eine Hausfrau!

    Isolani. (will weggehen)
         Lichter! Lichter!

    Terzky. (kommt mit der Schrift zu Isolani)
         Herr Bruder! Zwei Minuten noch. Hier ist
         Noch was zu unterschreiben.

    Isolani.
         Unterschreiben,
         Soviel Ihr wollt! Verschont mich nur mit Lesen.

    Terzky.
         Ich will Euch nicht bemuehn. Es ist der Eid,
         Den Ihr schon kennt. Nur einige Federstriche.

    (Wie Isolani die Schrift dem Octavio hinreicht.)

    Wie's kommt! Wen's eben trifft! Es ist kein Rang hier.

    (Octavio durchlaeuft die Schrift mit anscheinender Gleichgueltigkeit.
         Terzky beobachtet ihn von weitem.)

    Goetz. (zu Terzky)
         Herr Graf! Erlaubt mir, dass ich mich empfehle.

    Terzky.
         Eilt doch nicht so—Noch einen Schlaftrunk—He!

    (Zu den Bedienten.)

    Goetz.
         Bin's nicht im Stand.

    Terzky.
         Ein Spielchen.

    Goetz.
         Excusiert mich!

    Tiefenbach. (setzt sich)
         Vergebt, ihr Herrn. Das Stehen wird mir sauer.

    Terzky.
         Macht's Euch bequem, Herr Generalfeldzeugmeister!

    Tiefenbach.
         Das Haupt ist frisch, der Magen ist gesund,
         Die Beine wollen aber nicht mehr tragen.

    Isolani. (auf seine Korpulenz zeigend)
         Ihr habt die Last auch gar zu gross gemacht.

    (Octavio hat unterschrieben und reicht Terzky die Schrift, der
         sie dem Isolani gibt. Dieser geht an den Tisch, zu unterschreiben.)

    Tiefenbach.
         Der Krieg in Pommern hat mir's zugezogen,
         Da mussten wir heraus in Schnee und Eis,
         Das werd ich wohl mein Lebtag nicht verwinden.

    Goetz.
         Jawohl! Der Schwed' frug nach der Jahreszeit nichts.

    (Terzky reicht das Papier an Don Maradas; dieser geht an den Tisch,
         zu unterschreiben.)

    Octavio. (naehert sich Buttlern)
         Ihr liebt die Bacchusfeste auch nicht sehr,
         Herr Oberster! Ich hab es wohl bemerkt,
         Und wuerdet, deucht mir, besser Euch gefallen
         Im Toben einer Schlacht als eines Schmauses.

    Buttler.
         Ich muss gestehen, es ist nicht in meiner Art.

    Octavio. (zutraulich naeher tretend)
         Auch nicht in meiner, kann ich Euch versichern,
         Und mich erfreut's, sehr wuerd'ger Oberst Buttler,
         Dass wir uns in der Denkart so begegnen.
         Ein halbes Dutzend guter Freunde hoechstens
         Um einen kleinen, runden Tisch, ein Glaeschen
         Tokaierwein, ein offnes Herz dabei
         Und ein vernuenftiges Gespraech—so lieb ich's!

    Buttler.
         Ja, wenn man's haben kann, ich halt es mit.

    (Das Papier kommt an Buttlern, der an den Tisch geht, zu
         unterschreiben. Das Proszenium wird leer, so dass beide Piccolomini,
         jeder auf seiner Seite, allein stehen bleiben.)

    Octavio. (nachdem er seinen Sohn eine Zeitlang aus der
         Ferne stillschweigend betrachtet, naehert sich ihm ein wenig)
         Du bist sehr lange ausgeblieben, Freund.

    Max. (wendet sich schnell um, verlegen)
         Ich—dringende Geschaefte hielten mich.

    Octavio.
         Doch, wie ich sehe, bist du noch nicht hier?

    Max.
         Du weisst, dass gross Gewuehl mich immer still macht.

    Octavio. (rueckt ihm noch naeher)
         Ich darf nicht wissen, was so lang dich aufhielt?

    (Listig.)

    —Und Terzky weiss es doch.

    Max.
         Was weiss der Terzky?

    Octavio. (bedeutend)
         Er war der einz'ge, der dich nicht vermisste.

    Isolani. (der von weitem achtgegeben, tritt dazu.)
         Recht, alter Vater! Fall ihm ins Gepaeck!
         Schlag die Quartier' ihm auf! Es ist nicht richtig.

    Terzky. (kommt mit der Schrift)
         Fehlt keiner mehr? Hat alles unterschrieben?

    Octavio.
         Es haben's alle.

    Terzky. (rufend)
         Nun! Wer unterschreibt noch?

    Buttler. (zu Terzky)
         Zaehl nach! Just dreissig Namen muessen's sein.

    Terzky.
         Ein Kreuz steht hier.

    Tiefenbach.
         Das Kreuz bin ich.

    Isolani. (zu Terzky)
         Er kann nicht schreiben, doch sein Kreuz ist gut
         Und wird ihm honoriert von Jud und Christ.

    Octavio. (pressiert zu Max)
         Gehn wir zusammen, Oberst. Es wird spaet.

    Terzky.
         Ein Piccolomini ist nur aufgeschrieben.

    Isolani. (auf Max zeigend)
         Gebt acht! Es fehlt an diesem steinernen Gast,
         Der uns den ganzen Abend nichts getaugt.

    (Max empfaengt aus Terzkys Haenden das Blatt, in welches er
         gedankenlos hineinsieht.)

    Siebenter Auftritt

    Die Vorigen. Illo kommt aus dem hintern Zimmer, er hat den
         goldnen Pokal in der Hand und ist sehr erhitzt, ihm folgen
         Goetz und Buttler, die ihn zurueckhalten wollen.

    Illo.
         Was wollt ihr? Lasst mich.

    Goetz und Buttler.
         Illo! Trinkt nicht mehr.

    Illo. (geht auf den Octavio zu und umarmt ihn, trinkend)
         Octavio! Das bring ich dir! Ersaeuft
         Sei aller Groll in diesem Bundestrunk!
         Weiss wohl, du hast mich nie geliebt—Gott straf' mich,
         Und ich dich auch nicht! Lass Vergangenes
         Vergessen sein! Ich schaetze dich unendlich, (ihn zu wiederholten Malen kuessend)
         Ich bin dein bester Freund, und, dass ihr's wisst!
         Wer mir ihn eine falsche Katze schilt,
         Der hat's mit mir zu tun.

    Terzky. (beiseite)
         Bist du bei Sinnen?
         Bedenk doch, Illo, wo du bist!

    Illo. (treuherzig)
         Was wollt Ihr? Es sind lauter gute Freunde.

    (Sich mit vergnuegtem Gesicht im ganzen Kreise umsehend.)

    Es ist kein Schelm hier unter uns, das freut mich.

    Terzky. (zu Buttler, dringend)
         Nehmt ihn doch mit Euch fort! Ich bitt Euch, Buttler.

    (Buttler fuehrt ihn an den Schenktisch.)

    Isolani. (zu Max, der bisher unverwandt, aber gedankenlos
         in das Papier gesehen)
         Wird's bald, Herr Bruder? Hat Er's durchstudiert?

    Max. (wie aus einem Traum erwachend)
         Was soll ich?

    Terzky und Isolani. (zugleich)
         Seinen Namen drunter setzen.

    (Man sieht den Octavio aengstlich gespannt den Blick auf ihn richten.)

    Max. (gibt es zurueck)
         Lasst's ruhn bis morgen. Es ist ein Geschaeft,
         Hab heute keine Fassung. Schickt mir's morgen.

    Terzky.
         Bedenk' Er doch—

    Isolani.
         Frisch! Unterschrieben! Was!
         Er ist der juengste von der ganzen Tafel,
         Wird ja allein nicht klueger wollen sein
         Als wir zusammen? Seh' Er her! Der Vater
         Hat auch, wir haben alle unterschrieben.

    Terzky. (zum Octavio)
         Braucht Euer Ansehn doch. Bedeutet ihn.

    Octavio.
         Mein Sohn ist muendig.

    Illo. (hat den Pokal auf den Schenktisch gesetzt)
         Wovon ist die Rede?

    Terzky.
         Er weigert sich, das Blatt zu unterschreiben.

    Max.
         Es wird bis morgen ruhen koennen, sag ich.

    Illo.
         Es kann nicht ruhn. Wir unterschrieben alle,
         Und du musst auch, du musst dich unterschreiben.

    Max.
         Illo, schlaf wohl.

    Illo.
         Nein! So entkoemmst du nicht!
         Der Fuerst soll seine Freunde kennenlernen.

    (Es sammeln sich alle Gaeste um die beiden.)

    Max.
         Wie ich fuer ihn gesinnt bin, weiss der Fuerst,
         Es wissen's alle, und der Fratzen braucht's nicht.

    Illo.
         Das ist der Dank, das hat der Fuerst davon,
         Dass er die Welschen immer vorgezogen!

    Terzky. (in hoechster Verlegenheit zu den Kommandeurs, die
         einen Auflauf machen)
         Der Wein spricht aus ihm! Hoert ihn nicht, ich bitt euch.

    Isolani. (lacht)
         Der Wein erfindet nichts, er schwatzt's nur aus.

    Illo.
         Wer nicht ist mit mir, der ist wider mich.
         Die zaertlichen Gewissen! Wenn sie nicht
         Durch eine Hintertuer, durch eine Klausel—

    Terzky. (faellt schnell ein)
         Er ist ganz rasend, gebt nicht acht auf ihn.

    Illo. (lauter schreiend)
         Durch eine Klausel sich salvieren koennen.
         Was Klausel? Hol' der Teufel diese Klausel—

    Max. (wird aufmerksam und sieht wieder in die Schrift)
         Was ist denn hier so hoch Gefaehrliches?
         Ihr macht mir Neugier, naeher hinzuschaun.

    Terzky. (beiseite zu Illo)
         Was machst du, Illo? Du verderbest uns!

    Tiefenbach. (zu Colalto)
         Ich merkt' es wohl, vor Tische las man's anders.

    Goetz.
         Es kam mir auch so vor.

    Isolani.
         Was ficht das mich an?
         Wo andre Namen, kann auch meiner stehn.

    Tiefenbach.
         Vor Tisch war ein gewisser Vorbehalt
         Und eine Klausel drin von Kaisers Dienst.

    Buttler. (zu einem der Kommandeurs)
         Schaemt euch, ihr Herrn! Bedenkt, worauf es ankommt.
         Die Frag' ist jetzt, ob wir den General
         Behalten sollen oder ziehen lassen?
         Man kann's so scharf nicht nehmen und genau.

    Isolani. (zu einem der Generale)
         Hat sich der Fuerst auch so verklausuliert,
         Als er dein Regiment dir zugeteilt?

    Terzky. (zu Goetz)
         Und Euch die Lieferungen, die an tausend
         Pistolen Euch in einem Jahre tragen?

    Illo.
         Spitzbuben selbst, die uns zu Schelmen machen!
         Wer nicht zufrieden ist, der sag's! Da bin ich!

    Tiefenbach.
         Nun! Nun! Man spricht ja nur.

    Max. (hat gelesen und gibt das Papier zurueck)
         Bis morgen also!

    Illo. (vor Wut stammelnd und seiner nicht mehr maechtig,
         haelt ihm mit der einen Hand die Schrift, mit der andern
         den Degen vor)
         Schreib—Judas!

    Isolani.
         Pfui, Illo!

    Octavio, Terzky, Buttler. (zugleich)
         Degen weg!

    Max. (ist ihm rasch in den Arm gefallen und hat ihn
         entwaffnet, zu Graf Terzky)
         Bring ihn zu Bette!

    (Er geht ab. Illo, fluchend und scheltend, wird von einigen
         Kommandeurs gehalten, unter allgemeinem Aufbruch faellt der
         Vorhang.)

    Fuenfter Aufzug

    Szene: Ein Zimmer in Piccolominis Wohnung. Es ist Nacht.

    Erster Auftritt

    Octavio Píccolomini. Kammerdiener leuchtet. Gleich darauf Max
         Piccolomini.

    Octavio.
         Sobald mein Sohn herein ist, weiset ihn
         Zu mir—Was ist die Glocke?

    Kammerdiener.
         Gleich ist's Morgen.

    Octavio.
         Setzt Euer Licht hieher—Wie legen uns
         Nicht mehr zu Bette, Ihr koennt schlafen gehn.

    (Kammerdiener ab. Octavio geht nachdenkend durchs Zimmer. Max
         Piccolomini tritt auf, nicht gleich von ihm bemerkt, und sieht
         ihm einige Augenblicke schweigend zu.)

    Max.
         Bist du mir boes, Octavio? Weiss Gott,
         Ich bin nicht schuld an dem verhassten Streit.
         —Ich sah wohl, du hattest unterschrieben;
         Was du gebilliget, das konnte mir
         Auch recht sein—doch es war—du weisst—ich kann
         In solchen Sachen nur dem eignen Licht,
         Nicht fremdem folgen.

    Octavio. (geht auf ihn zu und umarmt ihm)
         Folg ihm ferner auch,
         Mein bester Sohn! Es hat dich treuer jetzt
         Geleitet als das Beispiel deines Vaters.

    Max.
         Erklaer dich deutlicher.

    Octavio.
         Ich werd es tun.
         Nach dem, was diese Nacht geschehen ist,
         Darf kein Geheimnis bleiben zwischen uns.

    (Nachdem beide sich niedergesetzt.)

    Max, sage mir, was denkst du von dem Eid,
         Den man zur Unterschrift uns vorgelegt?

    Max.
         Fuer etwas Unverfaenglich's halt ich ihn,
         Obgleich ich dieses Foermliche nicht liebe.

    Octavio.
         Du haettest dich aus keinem andern Grunde
         Der abgedrungnen Unterschrift geweigert?

    Max.
         Es war ein ernst Geschaeft—ich war zerstreut—
         Die Sache selbst erschien mir nicht so dringend—

    Octavio.
         Sei offen, Max. Du hattest keinen Argwohn—

    Max.
         Worueber Argwohn? Nicht den mindesten.

    Octavio.
         Dank's deinem Engel, Piccolomini!
         Unwissend zog er dich zurueck vom Abgrund.

    Max.
         Ich weiss nicht, was du meinst.

    Octavio.
         Ich will dir's sagen:
         Zu einem Schelmenstueck solltest du den Namen
         Hergeben, deinen Pflichten, deinem Eid
         Mit einem einz'gen Federstrich entsagen.

    Max. (steht auf)
         Octavio!

    Octavio.
         Bleib sitzen. Viel noch hast du
         Von mir zu hoeren, Freund, hast jahrelang
         Gelebt in unbegreiflicher Verblendung.
         Das schwaerzeste Komplott entspinnet sich
         Vor deinen Augen, eine Macht der Hoelle
         Umnebelt deiner Sinne hellen Tag—
         Ich darf nicht laenger schweigen, muss die Binde
         Von deinen Augen nehmen.

    Max.
         Eh' du sprichst,
         Bedenk es wohl! Wenn von Vermutungen
         Die Rede sein soll—und ich fuerchte fast,
         Es ist nichts weiter—Spare sie! Ich bin
         Jetzt nicht gefasst, sie ruhig zu vernehmen.

    Octavio.
         So ernsten Grund du hast, dies Licht zu fliehn,
         So dringendern hab ich, dass ich dir's gebe.
         Ich konnte dich der Unschuld deines Herzens,
         Dem eignen Urteil ruhig anvertraun,
         Doch deinem Herzen selbst seh ich das Netz
         Verderblich jetzt bereiten—Das Geheimnis, (ihn scharf mit den Augen fixierend)
         Das du vor mir verbirgst, entreisst mir meines.

    Max. (versucht zu antworten, stockt aber und schlaegt den
         Blick verlegen zu Boden)

    Octavio. (nach einer Pause)
         So wisse denn! Man hintergeht dich—spielt
         Aufs schaendlichste mit dir und mit uns allen.
         Der Herzog stellt sich an, als wollt' er die
         Armee verlassen; und in dieser Stunde
         Wird's eingeleitet, die Armee dem Kaiser
         —Zu stehlen und dem Feinde zuzufuehren!

    Max.
         Das Pfaffenmaerchen kenn ich, aber nicht
         Aus deinem Mund erwartet' ich's zu hoeren.

    Octavio.
         Der Mund, aus dem du's gegenwaertig hoerst,
         Verbuerget dir, es sei kein Pfaffenmaerchen.

    Max.
         Zu welchem Rasenden macht man den Herzog!
         Er koennte daran denken, dreissigtausend
         Gepruefter Truppen, ehrlicher Soldaten,
         Worunter mehr denn tausend Edelleute,
         Von Eid und Pflicht und Ehre wegzulocken,
         Zu einer Schurkentat sie zu vereinen?

    Octavio.
         So was nichtswuerdig Schaendliches begehrt
         Er keinesweges—Was er von uns will,
         Fuehrt einen weit unschuldigeren Namen.
         Nichts will er, als dem Reich den Frieden schenken;
         Und weil der Kaiser diesen Frieden hasst,
         So will er ihn—er will ihn dazu zwingen!
         Zufriedenstellen will er alle Teile
         Und zum Ersatz fuer seine Muehe Boehmen,
         Das er schon innehat, fuer sich behalten.

    Max.
         Hat er's um uns verdient, Octavio,
         Dass wir—wir so unwuerdig von ihm denken?

    Octavio.
         Von unserm Denken ist hier nicht die Rede.
         Die Sache spricht, die klaeresten Beweise.
         Mein Sohn! Dir ist nicht unbekannt, wie schlimm
         Wir mit dem Hofe stehn—doch von den Raenken,
         Den Luegenkuensten hast du keine Ahnung,
         Die man in Uebung setzte, Meuterei
         Im Lager auszusaeen. Aufgeloest
         Sind alle Bande, die den Offizier
         An seinen Kaiser fesseln, den Soldaten
         Vertraulich binden an das Buergerleben.
         Pflicht—und gesetzlos steht er gegenueber
         Dem Staat gelagert, den er schuetzen soll,
         Und drohet, gegen ihn das Schwert zu kehren.
         Es ist so weit gekommen, dass der Kaiser
         In diesem Augenblick vor seinen eignen
         Armeen zittert—der Verraeter Dolche
         In seiner Hauptstadt fuerchtet—seiner Burg;
         Ja im Begriffe steht, die zarten Enkel
         Nicht vor den Schweden, vor den Lutheranern
         —Nein! vor den eignen Truppen wegzufluechten.

    Max.
         Hoer auf! Du aengstigest, erschuetterst mich.
         Ich weiss, dass man vor leeren Schrecken zittert;
         Doch wahres Unglueck bringt der falsche Wahn.

    Octavio.
         Es ist keinWahn. Der buergerliche Krieg
         Entbrennt, der unnatuerlichste von allen,
         Wenn wir nicht, schleunig rettend, ihm begegnen.
         Der Obersten sind viele laengst erkauft,
         Der Subalternen Treue wankt; es wanken
         Schon ganze Regimenter, Garnisonen.
         Auslaendern sind die Festungen vertraut,
         Dem Schafgotsch, dem verdaechtigen, hat man
         Die ganze Mannschaft Schlesiens, dem Terzky
         Fuenf Regimenter, Reiterei und Fussvolk,
         Dem Illo, Kinsky, Buttler, Isolan
         Die bestmontierten Truppen uebergeben.

    Max.
         Uns beiden auch.

    Octavio.
         Weil man uns glaubt zu haben,
         Zu locken meint durch glaenzende Versprechen.
         So teilt er mir die Fuerstentuemer Glatz
         Und Sagan zu, und wohl seh ich den Angel,
         Womit man dich zu fangen denkt.

    Max.
         Nein! Nein!
         Nein, sag ich dir!

    Octavio.
         Oh! oeffne doch die Augen!
         Weswegen, glaubst du, dass man uns nach Pilsen
         Beorderte? Um mit uns Rat zu pflegen?
         Wann haette Friedland unsers Rats bedurft?
         Wir sind berufen, uns ihm zu verkaufen,
         Und weigern wir uns—Geisel ihm zu bleiben.
         Deswegen ist Graf Gallas weggeblieben—
         Auch deinen Vater saehest du nicht hier,
         Wenn hoehre Pflicht ihn nicht gefesselt hielt.

    Max.
         Er hat es keinen Hehl, dass wir um seinetwillen
         Hieher berufen sind—gestehet ein,
         Er brauche unsers Arms, sich zu erhalten.
         Er tat so viel fuer uns, und so ist's Pflicht,
         Dass wir jetzt auch fuer ihn was tun!

    Octavio.
         Und weisst du,
         Was dieses ist, das wir fuer ihn tun sollen?
         Des Illo trunkner Mut hat dir's verraten.
         Besinn dich doch, was du gehoert, gesehn.
         Zeugt das vefaelschte Blatt, die weggelassne,
         So ganz entscheidungsvolle Klausel nicht,
         Man wollte zu nichts Gutem uns verbinden?

    Max.
         Was mit dem Blatte diese Nacht geschehn,
         Ist mir nichts weiter als ein schlechter Streich
         Von diesem Illo. Dies Geschlecht von Maeklern
         Pflegt alles auf die Spitze gleich zu stellen.
         Sie sehen, dass der Herzog mit dem Hof
         Zerfallen ist, vermeinen ihm zu dienen,
         Wenn sie den Bruch unheilbar nur erweitern.
         Der Herzog, glaub mir, weiss von all dem nichts.

    Octavio.
         Es schmerzt mich, deinen Glauben an den Mann,
         Der dir so wohlgegruendet scheint, zu stuerzen.
         Doch hier darf keine Schonung sein—du musst
         Massregeln nehmen, schleunige, musst handeln.
         —Ich will dir also nur gestehn—dass alles,
         Was ich dir jetzt vertraut, was so unglaublich
         Dir scheint, dass—dass ich es aus seinem eignen,
         —Des Fuersten Munde habe.

    Max. (in heftiger Bewegung)
         Nimmermehr!

    Octavio.
         Er selbst vertraute mir—was ich zwar laengst
         Auf anderm Weg schon in Erfahrung brachte:
         Dass er zum Schweden wolle uebergehn
         Und an der Spitze des verbundnen Heers
         Den Kaiser zwingen wolle—

    Max.
         Er ist heftig,
         Es hat der Hof empfindlich ihn beleidigt;
         In einem Augenblick des Unmuts, sei's!
         Mag er sich leicht einmal vergessen haben.

    Octavio.
         Bei kaltem Blute war er, als er mir
         Dies eingestand; und weil er mein Erstaunen
         Als Furcht auslegte, wies er im Vertraun
         Mir Briefe vor, der Schweden und der Sachsen,
         Die zu bestimmter Hilfe Hoffnung geben.

    Max.
         Es kann nicht sein! kann nicht sein! kann nicht sein!
         Siehst du, dass es nicht kann! Du haettest ihm
         Notwendig deinen Abscheu ja gezeigt,
         Er haett' sich weisen lassen, oder du
         —Du stuendest nicht mehr lebend mir zur Seite!

    Octavio.
         Wohl hab ich mein Bedenken ihm geaeussert,
         Hab dringend, hab mit Ernst ihn abgemahnt;
         —Doch meinen Abscheu, meine innerste
         Gesinnung hab ich tief versteckt.

    Max.
         Du waerst
         So falsch gewesen? Das sieht meinem Vater
         Nicht gleich! Ich glaubte deinen Worten nicht,
         Da du von ihm mir Boeses sagtest; kann's
         Noch wen'ger jetzt, da du dich selbst verleumdest.

    Octavio.
         Ich draengte mich nicht selbst in sein Geheimnis.

    Max.
         Aufrichtigkeit verdiente sein Vertraun.

    Octavio.
         Nicht wuerdig war er meiner Wahrheit mehr.

    Max.
         Noch minder wuerdig deiner war Betrug.

    Octavio.
         Mein bester Sohn! Es ist nicht immer moeglich,
         Im Leben sich so kinderrein zu halten,
         Wie's uns die Stimme lehrt im Innersten.
         In steter Notwehr gegen arge List
         Bleibt auch das redliche Gemuet nicht wahr—
         Das eben ist der Fluch der boesen Tat,
         Dass sie, fortzeugend, immer Boeses muss gebaeren.
         Ich kluegle nicht, ich tue meine Pflicht,
         Der Kaiser schreibt mir mein Betragen vor.
         Wohl waer' es besser, ueberall dem Herzen
         Zu folgen, doch darueber wuerde man
         Sich manchen guten Zweck versagen muessen.
         Hier gilt's, mein Sohn, dem Kaiser wohl zu dienen,
         Das Herz mag dazu sprechen, was es will.

    Max.
         Ich soll dich heut nicht fassen, nicht verstehn.
         Der Fuerst, sagst du, entdeckte redlich dir sein Herz
         Zu einem boesen Zweck, und du willst ihn
         Zu einem guten Zweck betrogen haben!
         Hoer auf! ich bitte dich—du raubst den Freund
         Mir nicht—Lass mich den Vater nicht verlieren!

    Octavio. (unterdrueckt seine Empfindlichkeit)
         Noch weisst du alles nicht, mein Sohn. Ich habe
         Dir noch was zu eroeffnen. (Nach einer Pause.)
         Herzog Friedland
         Hat seine Zuruestung gemacht. Er traut
         Auf seine Sterne. Unbereitet denkt er uns
         Zu ueberfallen—mit der sichern Hand
         Meint er den goldnen Zirkel schon zu fassen.
         Er irret sich—Wir haben auch gehandelt.
         Er fasst sein boes geheimnisvolles Schicksal.

    Max.
         Nichts Rasches, Vater! Oh! bei allem Guten
         Lass dich beschwoeren. Keine Uebereilung!

    Octavio.
         Mit leisen Tritten schlich er seinen boesen Weg,
         So leis und schlau ist ihm die Rache nachgeschlichen.
         Schon steht sie ungesehen, finster hinter ihm,
         Ein Schritt nur noch, und schaudernd ruehret er sie an.
         —Du hast den Questenberg bei mir gesehn;
         Noch kennst du nur sein oeffentlich Geschaeft—
         Auch ein geheimes hat er mitgebracht,
         Das bloss fuer mich war.

    Max.
         Darf ich's wissen?

    Octavio.
         Max!
         —Des Reiches Wohlfahrt leg ich mit dem Worte,
         Des Vaters Leben dir in deine Hand.
         Der Wallenstein ist deinem Herzen teuer,
         Ein starkes Band der Liebe, der Verehrung
         Knuepft seit der fruehen Jugend dich an ihn—
         Du naehrst den Wunsch—Oh! lass mich immerhin
         Vorgreifen deinem zoegernden Vertrauen—
         Die Hoffnung naehrst du, ihm viel naeher noch
         Anzugehoeren.

    Max.
         Vater—

    Octavio.
         Deinem Herzen trau ich,
         Doch, bin ich deiner Fassung auch gewiss?
         Wirst du's vermoegen, ruhigen Gesichts
         Vor diesen Mann zu treten, wenn ich dir
         Sein ganz Geschick nun anvertrauet habe?

    Max.
         Nachdem du seine Schuld mir anvertraut!

    Octavio. (nimmt ein Papier aus der Schatulle und reicht es ihm hin)

    Max.
         Was? Wie? Ein offner kaiserlicher Brief.

    Octavio.
         Lies ihn.

    Max. (nachdem er einen Blick hineingeworfen)
         Der Fuerst verurteilt und geaechtet!

    Octavio.
         So ist's.

    Max.
         Oh! das geht weit! O ungluecksvoller Irrtum!

    Octavio.
         Lies weiter! Fass dich!

    Max. (nachdem er weitergelesen, mit einem Blick des
         Erstaunens auf seinen Vater)
         Wie? Was? Du? Du bist—

    Octavio.
         Bloss fuer den Augenblick—und bis der Koenig
         Von Ungarn bei dem Heer erscheinen kann,
         Ist das Kommando mir gegeben—

    Max.
         Und glaubst du, dass du's ihm entreissen werdest?
         Das denke ja nicht—Vater! Vater! Vater!
         Ein unglueckselig Amt ist dir geworden.
         Dies Blatt hier—dieses! willst du geltendmachen?
         Den Maechtigen in seines Heeres Mitte,
         Umringt von seinen Tausenden, entwaffnen?
         Du bist verloren—Du, wir alle sind's!

    Octavio.
         Was ich dabei zu wagen habe, weiss ich.
         Ich stehe in der Allmacht Hand; sie wird
         Das fromme Kaiserhaus mit ihrem Schilde
         Bedecken und das Werk der Nacht zertruemmern.
         Der Kaiser hat noch treue Diener, auch im Lager
         Gibt es der braven Maenner gnug, die sich
         Zur guten Sache munter schlagen werden.
         Die Treuen sind gewarnt, bewacht die andern,
         Den ersten Schritt erwart ich nur, sogleich—

    Max.
         Auf den Verdacht hin willst du rasch gleich handeln?

    Octavio.
         Fern sei vom Kaiser die Tyrannenweise!
         Den Willen nicht, die Tat nur will er strafen.
         Noch hat der Fuerst sein Schicksal in der Hand—
         Er lasse das Verbrechen unvollfuehrt,
         So wird man ihn still vom Kommando nehmen,
         Er wird dem Sohne seines Kaisers weichen.
         Ein ehrenvoll Exil auf seine Schloesser
         Wird Wohltat mehr als Strafe fuer ihn sein.
         Jedoch der erste offenbare Schritt—

    Max.
         Was nennst du einen solchen Schritt? Er wird
         Nie einen boesen tun.—Du aber koenntest
         (Du hast's getan) den froemmsten auch missdeuten.

    Octavio.
         Wie strafbar auch des Fuersten Zwecke waren,
         Die Schritte, die er oeffentlich getan,
         Verstatteten noch eine milde Deutung.
         Nicht eher denk ich dieses Blatt zu brauchen,
         Bis eine Tat getan ist, die unwidersprechlich
         Der Hochverrat bezeugt und ihn verdammt.

    Max.
         Und wer soll Richter drueber sein?

    Octavio.
         Du selbst.

    Max.
         Oh! dann bedarf es dieses Blattes nie!
         Ich hab dein Wort, du wirst nicht eher handeln,
         Bevor du mich—mich selber ueberzeugt.

    Octavio.
         Ist's moeglich? Noch—nach allem, was du weisst,
         Kannst du an seine Unschuld glauben?

    Max. (lebhaft)
         Dein Urteil kann sich irren, nicht mein Herz. (Gemaessigter fortfahrend.)
         Der Geist ist nicht zu fassen wie ein andrer.
         Wie er sein Schicksal an die Sterne knuepft,
         So gleicht er ihnen auch in wunderbarer,
         Geheimer, ewig unbegriffner Bahn.
         Glaub mir, man tut ihm Unrecht. Alles wird
         Sich loesen. Glaenzend werden wir den Reinen
         Aus diesem schwarzen Argwohn treten sehn.

    Octavio.
         Ich will's erwarten.

    Zweiter Auftritt

    Die Vorigen. Der Kammerdiener. Gleich darauf ein Kurier.

    Octavio.
         Was gibt's?

    Kammerdiener.
         Ein Eilbot' wartet vor der Tuer.

    Octavio.
         So frueh am Tag! Wer ist's? Wo kommt er her?

    Kammerdiener.
         Das wollt' er mir nicht sagen.

    Octavio.
         Fuehr ihn herein. Lass nichts davon verlauten.

    (Kammerdiener ab. Kornet tritt ein.)

    Seid Ihr's, Kornet? Ihr kommt vom Grafen Gallas?
         Gebt her den Brief
    .

    Kornet.
         Bloss muendlich ist mein Auftrag.
         Der Generalleutnant traute nicht.

    Octavio.
         Was ist's?

    Kornet.
         Er laesst Euch sagen—Darf ich frei hier sprechen?

    Octavio.
         Mein Sohn weiss alles.

    Kornet.
         Wir haben ihn.

    Octavio.
         Wen meint Ihr?

    Kornet.
         Den Unterhaendler! Den Sesin!

    Octavio. (schnell)
         Habt ihr?

    Kornet.
         Im Boehmerwald erwischt' ihn Hauptmann Mohrbrand
         Vorgestern frueh, als er nach Regenspurg
         Zum Schweden unterwegs war mit Depeschen.

    Octavio.
         Und die Depeschen—

    Kornet.
         Hat der Generalleutnant
         Sogleich nach Wien geschickt mit dem Gefangnen.

    Octavio.
         Nun endlich! endlich! Das ist eine grosse Zeitung!
         Der Mann ist uns ein kostbares Gefaess,
         Das wicht'ge Dinge einschliesst—Fand man viel?

    Kornet.
         An sechs Pakete mit Graf Terzkys Wappen.

    Octavio.
         Keins von des Fuersten Hand?

    Kornet.
         Nicht, dass ich wuesste.

    Octavio.
         Und der Sesina?

    Kornet.
         Der tat sehr erschrocken,
         Als man ihm sagt', es ginge nacher Wien.
         Graf Altring aber sprach ihm guten Mut ein,
         Wenn er nur alles wollte frei bekennen.

    Octavio.
         Ist Altringer bei Eurem Herrn? Ich hoerte,
         Er laege krank zu Linz.

    Kornet.
         Schon seit drei Tagen
         Ist er zu Frauenberg beim Generalleutnant.
         Sie haben sechzig Faehnlein schon beisammen,
         Erlesnes Volk, und lassen Euch entbieten,
         Dass sie von Euch Befehle nur erwarten.

    Octavio.
         In wenig Tagen kann sich viel ereignen.
         Wann muesst Ihr fort?

    Kornet.
         Ich wart' auf Eure Ordre.

    Octavio.
         Bleibt bis zum Abend.

    Kornet.
         Wohl.

    (Will gehen.)

    Octavio.
         Sah Euch doch niemand?

    Kornet.
         Kein Mensch. Die Kapuziner liessen mich
         Durchs Klosterpfoertchen ein, so wie gewoehnlich.

    Octavio.
         Geht, ruht Euch aus und haltet Euch verborgen.
         Ich denk Euch noch vor Abend abzufert'gen.
         Die Sachen liegen der Entwicklung nah,
         Und eh' der Tag, der eben jetzt am Himmel
         Verhaengnisvoll heranbricht, untergeht,
         Muss ein entscheidend Los gefallen sein.

    (Kornet geht ab.)

    Dritter Auftritt

    Beide Piccolomini.

    Octavio.
         Was nun, mein Sohn? Jetzt werden wir bald klar sein,
         —Denn alles, weiss ich, ging durch den Sesina.

    Max. (der waehrend des ganzen vorigen Auftritts in einem
         heftigen, innern Kampf gestanden, entschlossen)
         Ich will auf kuerzerm Weg mir Licht verschaffen.
         Leb wohl!

    Octavio.
         Wohin? Bleib da!

    Max.
         Zum Fuersten.

    Octavio. (erschrickt)
         Was?

    Max. (zurueckkommend)
         Wenn du geglaubt, ich werde eine Rolle
         In deinem Spiele spielen, hast du dich
         In mir verrechnet. Mein Weg muss gerad sein.
         Ich kann nicht wahr sein mit der Zunge, mit
         Dem Herzen falsch—nicht zusehn, dass mir einer
         Als seinem Freunde traut, und mein Gewissen
         Damit beschwichtigen, dass er's auf seine
         Gefahr tut, dass mein Mund ihn nicht belogen.
         Wofuer mich einer kauft, das muss ich sein.
         —Ich geh zum Herzog. Heut noch werd ich ihn
         Auffordern, seinen Leumund vor der Welt
         Zu retten, eure kuenstlichen Gewebe
         Mit einem graden Schritte zu durchreissen.

    Octavio.
         Das wolltest du?

    Max.
         Das will ich. Zweifle nicht.

    Octavio.
         Ich habe mich in dir verrechnet, ja.
         Ich rechnete auf einen weisen Sohn,
         Der die wohltaet'gen Haende wuerde segnen,
         Die ihn zurueck vom Abgrund ziehn—und einen
         Verblendeten entdeck ich, den zwei Augen
         Zum Toren machten, Leidenschaft umnebelt,
         Den selbst des Tages volles Licht nicht heilt.
         Befrag ihn! Geh! Sei unbesonnen gnug,
         Ihm deines Vaters, deines Kaisers
         Geheimnis preiszugeben. Noet'ge mich
         Zu einem lauten Bruche vor der Zeit!
         Und jetzt, nachdem ein Wunderwerk des Himmels
         Bis heute mein Geheimnis hat beschuetzt,
         Des Argwohns helle Blicke eingeschlaefert,
         Lass mich's erleben, dass mein eigner Sohn
         Mit unbedachtsam rasendem Beginnen
         Der Staatskunst muehevolles Werk vernichtet.

    Max.
         Oh! diese Staatskunst, wie verwuensch' ich sie !
         Ihr werdet ihn durch eure Staatskunst noch
         Zu einem Schritte treiben—Ja, ihr koenntet ihn,
         Weil ihr ihn schuldig wollt, noch schuldig machen.
         Oh! das kann nicht gut endigen—und mag sich's
         Entscheiden wie es will, ich sehe ahnend
         Die unglueckselige Entwicklung nahen.—
         Denn dieser Koenigliche, wenn er faellt,
         Wird eine Welt im Sturze mit sich reissen,
         Und wie ein Schiff, das mitten auf dem Weltmeer
         In Brand geraet mit einem Mal und berstend
         Auffliegt und alle Mannschaft, die es trug,
         Ausschuettet ploetzlich zwischen Meer und Himmel,
         Wird er uns alle, die wir an sein Glueck
         Befestigt sind, in seinen Fall hinabziehn.
         Halte du es, wie du willst! Doch mir vergoenne,
         Dass ich auf meine Weise mich betrage.
         Rein muss es bleiben zwischen mir und ihm,
         Und eh' der Tag sich neigt, muss sich's erklaeren,
         Ob ich den Freund, ob ich den Vater soll entbehren.

    (Indem er abgeht, faellt der Vorhang.)