Lieder von Lessing

Gotthold Ephraim Lessing

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  • Alexander
  • An Amor
  • An den Anakreon
  • An den Horaz
  • An den Wein
  • An die J. L***
  • An die Kunstrichter
  • An die Leier
  • An die Schwalbe
  • An eine kleine Schoene
  • Antwort eines trunknen Dichters
  • Auf sich selbst
  • Das Alter
  • Das Bild an Hrn. H.
  • Das Erdbeben
  • Das Leben
  • Das Paradies
  • Das Schaeferleben
  • Das Umwechseln
  • Das aufgehobene Gebot
  • Der Donner
  • Der Faule
  • Der Fehler
  • Der Fehler der Natur an Hr. M.
  • Der Flor
  • Der Genuss
  • Der Geschmack der Alten
  • Der Handel
  • Der Irrtum
  • Der Regen
  • Der Schiffbruch
  • Der Schlaf
  • Der Sommer
  • Der Sonderling
  • Der Tabak
  • Der Tausch an Hr. W.
  • Der Tod
  • Der Verlust
  • Der Vetter und die Muhme
  • Der Wunsch
  • Der alte und der junge Wein
  • Der bescheidene Wunsch
  • Der groesste Mann
  • Der muessige Poebel
  • Der neue Welt-Bau
  • Der philosophische Trinker
  • Der schwoerende Liebhaber
  • Der trunkne Dichter lobt den Wein
  • Die 47ste Ode Anakreons
  • Nachahmung dieser Ode
  • Die Abwechslung
  • Die Antwort
  • Die Beredsamkeit
  • Die Betruebnis
  • Die Biene
  • Die Diebin
  • Die Einwohner des Mondes
  • Die Ente
  • Die Faulheit
  • Die Gespenster
  • Die Gewissheit
  • Die Haushaltung
  • Die Kuesse
  • Die Kuesse
  • Die Kunstrichter und der Dichter
  • Die Liebe
  • Die Musik
  • Die Mutter
  • Die Namen
  • Die Planetenbewohner
  • Die Planetenbewohner
  • Die Redlichkeit
  • Die Schoene von hinten
  • Die Sparsamkeit
  • Die Staerke des Weins
  • Die Tuerken
  • Die Versteinerung
  • Die Wetterprophezeiung
  • Die drei Reiche der Natur
  • Die luegenhafte Phyllis
  • Die lehrende Astronomie
  • Die schlafende Laura
  • Die schlimmste Frau
  • Die verschlimmerten Zeiten
  • Die wider den Caesar verschworne Helden
  • Eine Gesundheit
  • Fuer wen ich singe
  • Heldenlied der Spartaner
  • Ich
  • Jungfer Lieschens Knie
  • Kuessen und Trinken
  • Lied
  • Lied aus dem Spanischen
  • Lob der Faulheit
  • Nach der 15. Ode Anakreons
  • Niklas
  • Phillis
  • Phyllis an Damon
  • Phyllis lobt den Wein
  • Refutatio Papatus
  • Salomon
  • Trinklied
  • Wem ich zu gefallen suche, und nicht suche
  • [Aus einem Abschiedsgedicht an Mylius]
  • Thanks are given to Delphine Lettau for finding a huge collection of ancient
    German books in London.
    
    This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE.
    That project is reachable at the web site http://gutenberg2000.de.


    Alexander



    Der Weise sprach zu Alexandern.
    “Dort, wo die lichten Welten wandern,
    Ist manches Volk, ist manche Stadt.”
    Was tut der Mann von tausend Siegen?
    Die Memme weint, dass dort zu kriegen,
    Der Himmel keine Bruecken hat.

    Ists wahr, was ihn der Weise lehret,
    Und finden, was zur Welt gehoeret,
    Daselbst auch Wein und Maedchen statt:
    So lasset, Brueder, Traenen fliessen,
    Dass dort zu trinken und zu kuessen,
    Der Himmel keine Bruecken hat.

    An Amor



    Amor, soll mich dein Besuch
    Einst erfreuen—
    O so lege dein Gefieder
    Und die ganze Gottheit nieder.
    Diese moechte mich erschrecken,
    Jenes moechte Furcht erwecken,
    Furcht, nach flatterhaften Kuessen,
    Meine Phyllis einzubuessen.
    Komm auch ohne Pfeil und Bogen,
    Ohne Fackel angezogen...
    Stelle dich, um mir lieb zu sein,
    Als ein junger Satyr ein.

    An den Anakreon



    Anakreon singt, alles fuehlet:
    Und alles gaehnt wenn Codrus spielet.
    Anakreon, sprich, wie man spielt,
    Dass niemand gaehnt, dass alles fuehlt.

    Du schweigst? Doch mit beredtern Blicken,
    Die mich in Bacchus Laube schicken,
    Sprichst du: Mein Lehrer war der Wein.
    Wohl! Wohl! Er soll auch meiner sein!

    An den Horaz



    Horaz, wenn ich mein Maedchen kuesse,
    Entflammt von unserm Gott, dem Wein,
    Dann seh ich, ohne kritsche Schluesse,
    Dich tiefer als zehn Bentleys ein.

    Dann fuehl ich sie, die suessen Kuesse,
    Die ein barbarscher Biss verletzt,
    Sie, welche Venus, nebst dem Bisse,
    Mit ihres Nektars Fuenfteil netzt.*

    Dann fuehl ich, mehr als ich kann sagen
    Die Goettin, durch die Laura kuesst,
    Wie sie sich Amathunts entschlagen,
    Und ganz in mich gestuerzet ist.**

    Sie herrscht im Herzen, sie gebietet;
    Und Laura loescht die Phyllis aus.
    Sie herrscht im Herzen? nein, sie wuetet;
    Denn Laura haelt mich ab vom Schmaus.

    *—dulcia barbare
    Laedentem oscula, quae Venus
    Quincta parte sui Nectaris imbuit.

    **—-in me tota ruens Venus
    Cyprum deseruit.

    An den Wein



    Wein, wenn ich dich itzo trinke,
    Wenn ich dich als Juengling trinke,
    Sollst du mich in allen Sachen
    Dreist und klug, beherzt und weise,
    Mir zum Nutz, und dir zum Preise,
    Kurz, zu einem Alten machen.

    Wein, werd ich dich kuenftig trinken,
    Werd ich dich als Alter trinken,
    Sollst du mich geneigt zum Lachen,
    Unbesorgt fuer Tod und Luegen,
    Dir zum Ruhm, mir zum Vergnuegen,
    Kurz, zu einem Juengling machen.

    An die J. L***



    Natuerlichs Ebenbild der Liebe!
    Nimm hier dein kuenstlich Ebenbild;
    Das, wenn man dich auch drueber schriebe,
    Doch seines Meisters Schwaeche schilt.
    Dem Maler lass es nicht entgelten,
    Wenn dir dies Bild zu wenig gleicht:
    Nur auf das Urbild musst du schelten,
    Wenn dich sein Pinsel nicht erreicht.
    Dich, aehnlichstes von allen Bildern,
    Hat die Natur hervorgebracht:
    Jedoch wie kann ein Kuenstler schildern,
    Was die Natur vollkommen macht?

    An die Kunstrichter



    Schweigt, unberauschte, finstre Richter!
    Ich trinke Wein, und bin ein Dichter.
    Tut mir es nach, und trinket Wein,
    So seht ihr meine Schoenheit ein.
    Sonst wahrlich, unberauschte Richter,
    Sonst wahrlich seht ihr sie nicht ein!

    An die Leier



    Toene, frohe Leier,
    Toene Lust und Wein!
    Toene, sanfte Leier,
    Toene Liebe drein!

    Wilde Krieger singen,
    Hass und Rach und Blut
    In die Laute singen,
    Ist nicht Lust, ist Wut.

    Zwar der Heldensaenger
    Sammelt Lorbeern ein;
    Ihn verehrt man laenger;
    Lebt er laenger? Nein.

    Er vergraebt im Leben
    Sich in Tiefsinn ein:
    Um erst dann zu leben,
    Wann er Staub wird sein.

    Lobt sein goettlich Feuer,
    Zeit und Afterzeit!
    Und an meiner Leier
    Lobt die Froehlichkeit.

    An die Schwalbe



    Die 12te Ode Anakreons.

    Schwatzhafteste der Schwalben, sprich,
    Was tu ich dir? wie straf ich dich?
    Soll ich dich um die Schwingen
    Mit meiner Schere bringen?
    Soll ich, zu deiner Pein,
    Ein andrer Tereus sein?
    Und willst du gern der Progne gleichen?
    Musst du, zu fruehe Schwaetzerin,
    Musst du von meiner Schaeferin
    Mir meinen schoenen Traum verscheuchen?

    An eine kleine Schoene



    Kleine Schoene, kuesse mich.
    Kleine Schoene, schaemst du dich?
    Kuesse geben, Kuesse nehmen,
    Darf dich itzo nicht beschaemen.
    Kuesse mich noch hundertmal!
    Kuess und merk der Kuesse Zahl.
    Ich will dir, bei meinem Leben!
    Alle zehnfach wiedergeben,
    Wenn der Kuss kein Scherz mehr ist,
    Und du zehn Jahr aelter bist.

    Antwort eines trunknen Dichters



    Ein trunkner Dichter leerte
    Sein Glas auf jeden Zug;
    Ihn warnte sein Gefaehrte:
    Hoer auf! du hast genug.
    Bereit vom Stuhl zu sinken,
    Sprach der: Du bist nicht klug;
    Zu viel kann man wohl trinken,
    Doch nie trinkt man genug.

    Auf sich selbst



    Ich habe nicht stets Lust zu lesen.
    Ich habe nicht stets Lust zu schreiben.
    Ich habe nicht stets Lust zu denken;
    Kurzum, nicht immer zu studieren.

    Doch hab ich allzeit Lust zu scherzen.
    Doch hab ich allzeit Lust zu lieben.
    Doch hab ich allzeit Lust zu trinken;
    Kurz, allezeit vergnuegt zu leben.

    Verdenkt ihr mirs, ihr sauern Alten?
    Ihr habt ja allzeit Lust zu geizen;
    Ihr habt ja allzeit Lust zu lehren;
    Ihr habt ja allzeit Lust zu tadeln.

    Was ihr tut, ist des Alters Folge.
    Was ich tu, will die Jugend haben.
    Ich goenn euch eure Lust von Herzen.
    Wollt ihr mir nicht die meine goennen?

    Das Alter



    Nach der 11ten Ode Anakreons.

    Euch, lose Maedchen, hoer ich sagen:
    “Du bist ja alt, Anakreon.
    Sieh her! du kannst den Spiegel fragen,
    Sieh, deine Haare schwinden schon;
    Und von den trocknen Wangen
    Ist Bluet und Reiz entflohn.”—
    Wahrhaftig! ob die Wangen
    Noch mit dem Lenze prangen,
    Wie, oder ob den Wangen
    Der kurze Lenz vergangen,
    Das weiss ich nicht; doch was ich weiss,
    Will ich euch sagen: dass ein Greis,
    Sein bisschen Zeit noch zu geniessen,
    Ein doppelt Recht hat, euch zu kuessen.

    Das Bild an Hrn. H.



    Das, Maler, ist dein Meisterstuecke!
    Ja, H**, ja; an Anmut reich,
    Sieht dies Kind meinem Kinde gleich.
    Das ist sein Haar; dies seine Blicke;
    Das ist sein Mund; das ist sein Kinn.

    O Freund, o lass dichs nicht verdruessen,
    Und sieh auf jene Seite hin:
    Ich muss, ich muss das Bildchen kuessen.
    Wie zaertlich nimmts den Kuss nicht an:
    Nur schade, dass es ihn nicht wiedergeben kann.

    Das Erdbeben



    Bruder, Bruder, halte mich!
    Warum kann ich denn nicht stehen?
    Warum kannst du denn nicht gehen?
    Bruder geh, ich fuehre dich.

    Sachte Bruder, stolperst du?
    Was? Du faellst mir gar zur Erden?
    Halt! ich muss dein Retter werden.
    Nu? Ich falle selbst dazu?

    Sieh doch Bruder! Siehst du nicht,
    Wie die lockern Waende schwanken?
    Sieh, wie Tisch und Flasche wanken!
    Greif doch zu! das Glas zerbricht!

    Himmel, bald, bald werden wir
    Nicht mehr trinken, nicht mehr leben!
    Fuehlst du nicht? des Grunds Erbeben
    Droht es Bruder mir und dir.

    Limas Schicksal bricht herein!
    Bruder, Bruder, wenn wir sterben,
    Soll der Wein auch mit verderben?
    Der auf heut bestimmte Wein?

    Nein, die Suende wag ich nicht.
    Bruder, wolltest du sie wagen?
    Nein, in letzten Lebenstagen
    Tut man gerne seine Pflicht.

    Sieh, dort sinket schon ein Haus!
    Und hier auch! Nun muss man eilen!
    Lass uns noch die Flasche teilen!
    Hurtig! Hurtig! trink doch aus!

    Das Leben



    Sechs Tage kannt ich sie,
    Und liebte sie sechs Tage.
    Am siebenten erblasste sie,
    Dem ersten meiner ewgen Klage.
    Noch leb ich, zauderndes Geschick!
    Ein pflanzengleiches Leben.
    O Himmel, ist fuer den kein Glueck,
    Dem du Gefuehl und Herz gegeben!
    Oh! nimm dem Koerper Waerm und Blut,
    Dem du die Seele schon genommen!
    Hier, wo ich wein, und wo sie ruht,
    Hier lass den Tod auf mich herab gebeten kommen!
    Was hilft es, dass er meine Jahre
    Bis zu des Nestors Alter spare?
    Ich habe, trotz der grauen Haare,
    Womit ich dann zur Grube fahre,
    Sechs Tage nur geliebt,
    Sechs Tage nur gelebt.

    Das Paradies



    Sein Glueck fuer einen Apfel geben,
    O Adam, welche Luesternheit!
    Statt deiner haett ich sollen leben,
    So waer das Paradies noch heut.—

    Wie aber, wenn alsdann die Traube
    Die Probefrucht gewesen waer?
    Wie da, mein Freund?—Ei nun, ich glaube—
    Das Paradies waer auch nicht mehr.

    Das Schaeferleben



    Komm Freund! wir wollen Schaefer werden.
    Dies stille Volk besitzet noch
    Die suesse Ruh, das Glueck der Erden.
    Was zauderst du? Komm Freund! komm doch!
    Dort blueht bei aufgeraeumten Sinnen
    Noch alte Treu und Redlichkeit,
    Auch in den schoensten Schaeferinnen.
    Dort, dort ist noch die gueldne Zeit.

    Wird dir es schwer, die Stadt zu lassen,
    Wo nichts als falsche Maegdchen sind?
    Bedenke, Phyllis will mich hassen,
    Das flatterhafte boese Kind.

    Auch Phyllis kann die Treue brechen,
    Und windet sich aus meiner Hand.
    Ja, diese Falschheit muss ich raechen.
    Komm mit! Ich geh ins Schaeferland.

    Du schwaermst, mein Freund. Lass mich zufrieden.
    Was geht mich deine Phyllis an.
    Dem ist ein groesser Glueck beschieden,
    Der sich gleich mir betrinken kann.

    Wo hast du den Verstand gelassen?
    Du hast gewiss noch keinen Rausch?
    Den Wein, den Wein fuer Milch zu hassen?
    Den Wein fuer Milch? Das waer ein Tausch.

    Recht Freund! verzeih mir diese Possen.
    Wie albern denkt und redt man nicht,
    Wenn man noch keinen Wein genossen,
    Wenn folglich der Verstand gebricht.

    Drum eile, Freund! mir einzuschenken.
    Trink mir es zu, und mach mich klug.
    Nun lern ich wieder richtig denken.
    Nun seh ich meinen Selbstbetrug.

    O schade fuer die falschen Kinder!
    Lasst sie nur unbestaendig sein.
    Ich lache nun, und bins nicht minder.
    Den Rat, den Rat gibt mir der Wein.

    Nun soll mich Phyllis nicht betrueben,
    Lasst sie nur unbestaendig sein,
    Von nun an will ich auch so lieben.
    Den Rat, den Rat gibt mir der Wein.

    Das Umwechseln



    Der Bruder
    Liebe Schwester, wer ist die?
    Deine Freundin? darf ich kuessen?
    O wie frei, wie schoen ist sie!
    Liebe Schwester darf ich kuessen?

    Die Schwester
    Pfui! Ihr Bruder ist ja hier.
    Willst du, dass ers sieht, sie kuessen?
    Schaem dich! diesesmal wird dir
    Wohl die Lust vergehen muessen.

    Der Bruder
    Schwester, geh zum Bruder hin;
    Lass dich von dem Bruder kuessen;
    Dann, weil ich dein Bruder bin,
    Darf ich seine Schwester kuessen.

    Das aufgehobene Gebot



    Elise.
    Siehst du Wein im Glase blinken,
    Lerne von mir deine Pflicht:
    Trinken kannst du, du kannst trinken;
    Doch betrinke dich nur nicht.

    Lysias.
    Wallt dein Blut von Jugendtrieben,
    Lerne von mir deine Pflicht:
    Lieben kannst du, du kannst lieben;
    Doch verliebe dich nur nicht.

    Elise.
    Bruder! ich mich nicht verlieben?

    Lysias.
    Schwester! ich mich nicht betrinken?

    Elise.
    Wie verlangst du das von mir?

    Lysias.
    Wie verlangst du das von mir?

    Elise.
    Lieber mag ich gar nicht lieben.

    Lysias.
    Lieber mag ich gar nicht trinken.

    Beide.
    Geh nur, ich erlaub es dir.

    Der Donner



    Es donnert!—Freunde, lasst uns trinken!
    Der Frevler und der Heuchler Heer
    Mag knechtisch auf die Kniee sinken.
    Es donnert!—Macht die Glaeser leer!
    Lasst Nuechterne, lasst Weiber zagen!
    Zeus ist gerecht, er straft das Meer:
    Sollt er in seinen Nektar schlagen?

    Der Faule



    Rennt dem scheuen Gluecke nach!
    Freunde, rennt euch alt und schwach!
    Ich nehm teil an eurer Mueh:
    Die Natur gebietet sie.
    Ich, damit ich auch was tu,—
    Seh euch in dem Lehnstuhl zu.

    Der Fehler



    Angelika ist jung und reich.
    An Schoenheit meiner Phyllis gleich.
    Ich kann nichts Schoeners nennen;
    Das wissen die, die Phyllis kennen.
    Sie redet ungezwungen rein;
    Sie scherzt empfindlich und doch fein;
    Ihr biegsam redlich Herze fuehlt;
    Sie tanzt, sie singt, sie spielt.
    Wenn meine Phyllis untreu wird—
    O werde sie es nie!
    Wenn sie es aber wird,
    So lieb ich keine sonst als sie.
    Doch—hab ichs auch bedacht?
    Nein, einen Fehler treff ich an,
    Der alles nichtig macht.
    Sie liebet ihren Mann.

    Der Fehler der Natur an Hr. M.



    Freund! du erforschest die Natur.
    Sprich! Ists nicht wahr, sie spielt nicht nur,
    Sie fehlt auch oft in ihren Werken.
    Ja, ja sie fehlt. Oft in der Eil
    Versetzt sie dies und jenes Teil.
    Ich selbst kann meinen Satz bestaerken.
    Denn haett sich ihre Goetterhand,
    Als sie mich baute, nicht verloren;
    So waer ich an der Mosel Strand,
    Wo nicht doch in Burgund geboren.
    O Mosler, o Burgunderwein,
    Ich, ich sollt euer Landsmann sein!

    Der Flor



    O Reize voll Verderben!
    Wir sehen euch, und sterben.
    O Augen, unser Grab!
    O Chloris, darf ich flehen?
    Dich sicher anzusehen,
    Lass erst den Flor herab!

    Der Genuss



    So bringst du mich um meine Liebe,
    Unseliger Genuss? Betruebter Tag fuer mich!
    Sie zu verlieren,—meine Liebe,—
    Sie zu verlieren, wuenscht ich dich?
    Nimm sie, den Wunsch so mancher Lieder,
    Nimm sie zurueck, die kurze Lust!
    Nimm sie, und gib der oeden Brust,
    Der ewig oeden Brust, die bessre Liebe wieder!

    Der Geschmack der Alten



    Ob wir, wir Neuern, vor den Alten
    Den Vorzug des Geschmacks erhalten,
    Was lest ihr darum vieles nach,
    Was der und jener Franze sprach?
    Die Franzen sind die Leute nicht,
    Aus welchen ein Orakel spricht.

    Ich will ein neues Urteil wagen.
    Geschmack und Witz, es frei zu sagen,
    War bei den Alten allgemein.
    Warum? sie tranken alle Wein.
    Doch ihr Geschmack war noch nicht fein;
    Warum? sie mischten Wasser drein.

    Der Handel



    Des wuchernden Tumultes satt,
    Freund, fliehst du aus der vollen Stadt?
    Flieh nur allein; ich bleib zuruecke,
    Die Messe wag ich noch mein Gluecke.
    Nun handl ich auch: doch soll allein
    Mein Handel mit den Schoenen sein.

    Itzt, Maegdchens, ist mir alles feil,
    Mein Vater—und mein Mutterteil,
    Haus, Buecher, Garten, Wald und Felder.
    Kommt nur, und bringt die rechten Gelder!
    Kommt nur und fangt den Handel an;
    Glaubt, dass ich euch nicht truegen kann.

    Ihr kommt? _Wie teuer ist dein Feld?_
    Mein Feld verkauf ich nicht fuer Geld.
    Dir, Maegdchen, biet ichs hundert Kuesse.
    _Und deinen Wald?_ Zweihundert Kuesse.
    _Und dieses Buch?_ Fuer einen Kuss.
    _Und dieses Lied?_ Fuer einen Kuss.

    Wenn ich mit Schoenen handeln muss,
    Gilt alles bei mir einen Kuss.
    Denn Kuesse sind die besten Gelder.
    Nicht nur Haus, Garten, Wald und Felder;
    Mein Vater—und mein Mutterteil,
    Ich selber bin fuer Kuesse feil!

    L.

    Der Irrtum



    Den Hund im Arm, mit blossen Bruesten,
    Sah Lotte frech herab.
    Wie mancher liess sichs nicht geluesten,
    Dass er ihr Blicke gab.

    Ich kam gedankenvoll gegangen,
    Und sahe steif heran.
    Ha! denkt sie, der ist auch gefangen,
    Und lacht mich schalkhaft an.

    Allein, gesagt zur guten Stunde,
    Die Jungfer irrt sich hier.
    Ich sah nach ihrem bunten Hunde:
    Es ist ein artig Tier.

    Der Regen



    Der Regen haelt noch immer an!
    So klagt der arme Bauersmann;
    Doch eher stimm ich nicht mit ein,
    Es regne denn in meinen Wein.

    Der Schiffbruch



    “Gewagt! Freund, komm mit mir aufs Meer!
    Das Trinken macht den Beutel leer,
    Drum hol ich mir in fernen Landen,
    Die unsre Vaeter niemals fanden,
    Gold, Silber, Berlen, Edelstein;
    Und folglich Wein.”

    Nein Freund! nein Freund, dies wag ich nicht.
    Gesetzt, dass unser Schiff zerbricht,
    So muessen wir ins Wasser sinken,
    Und Wasser wohl gezwungen trinken.
    Und Wasser, Wasser schmecket schlecht.
    Hab ich nicht recht?

    Ja, waer im Meere lauter Wein,
    So gaeng ich, Freund, die Schiffahrt ein.
    O Freund! o Freund, mit Freuden
    Wollt ich gar Schiffbruch leiden.
    Doch dies ist nicht. Drum bleibe hier.
    Man borget dir.

    Der Schlaf



    Ich trinke bis um Mitternacht.
    Wenn neben mir der Geizhals wacht,
    Und mit bekuemmertem Verlangen
    Forscht, ob dem Schatze nichts entgangen?
    Da trink ich noch, und freue mich,
    Und trinkend Bacchus lob ich dich.
    Da flieht der Durst! da flieht der Kummer!
    Doch waerst du nicht, du suesser Schlummer,
    Wenn sollt ich wieder durstig werden?
    Und wuerd ich nicht mehr durstig sein,
    So traenk ich ja auch nicht mehr Wein.
    O Schlaf, welch Gut bist du der Erden!

    Der Sommer



    _Brueder! lobt die Sommerszeit!_
    Ja, dich, Sommer, will ich loben!
    Wer nur deine Munterkeit,
    Deine bunte Pracht erhoben,
    Dem ist wahrlich, dem ist nur,
    Nur dein halbes Lob gelungen,
    Haett er auch, wie Brocks, gesungen,
    Brocks, der Liebling der Natur.

    Hoer ein groesser Lob von mir,
    Sommer! ohne stolz zu werden.
    Brennst du mich, so dank ichs dir,
    Dass ich bei des Strahls Beschwerden,
    Bei der durstgen Mattigkeit,
    Lechzend nach dem Weine frage,
    Und gekuehlt den Bruedern sage:
    _Brueder! lobt die durstge Zeit!_

    L.

    Der Sonderling



    Sobald der Mensch sich kennt,
    Sieht er, er sei ein Narr;
    Und gleichwohl zuernt der Narr,
    Wenn man ihn also nennt.

    Sobald der Mensch sich kennt,
    Sieht er, er sei nicht klug;
    Doch ists ihm lieb genug,
    Wenn man ihn weise nennt.

    Ein jeder, der mich kennt,
    Spricht: Welcher Sonderling!
    Nur diesem ists _ein_ Ding,
    Wie ihn die Welt auch nennt.

    Der Tabak



    Dich, Tabak, lobt der Medikus,
    Weil uns dein fleissiger Genuss
    An Zahn und Augen wohl kurieret,
    Und Schleim und Kolster von uns fuehret.

    Dich lobet der Philosophus,
    Wenn er scharf meditieren muss;
    Weil er, so lang er dich geniesset,
    Des Geistes Flatterkeit vermisset.

    Dich lobet der Theologus
    Durch einen homiletschen Schluss,
    Wenn er in deinem Rauch entzuecket
    Ein Bild der Eitelkeit erblicket.

    Ich lob an dir als ein Jurist,
    Was rechtens an dir loeblich ist;
    Dass, wenigstens wie mir es duenket,
    Man mehr und oefter bei dir trinket.

    L.

    Der Tausch an Hr. W.



    Ein Maegdchen, das Verstand und Geist
    Gemeiner Schoenen Zahl entreisst,
    Ein Maegdchen, das bei Buechern schwitzet,
    Wenn Phyllis vor dem Spiegel sitzet,
    Das ihrer Seelen Schoenheit bessert,
    Wenn die die leibliche vergroessert,
    Das gruendlich denkt und gruendlich scherzt,
    Platonisch liebt, platonisch herzt:
    Freund, so ein Maegdchen ist fuer dich,
    Und nicht fuer mich.

    Ein Maegdchen, dessen zaertlich Bild
    Mit Zaertlichkeit die Herzen fuellt,
    Ein Maegdchen mit beredten Blicken,
    Mit Fuessen, die versteckt entzuecken,
    Mit Haenden, die liebkosend schlagen,
    Und drueckend, dich nur lieb ich, sagen,
    Mit schwarzem Haar, mit voller Brust,
    Gemacht zu dauerhafter Lust:
    Freund, so ein Maegdchen ist fuer mich,
    Und nicht fuer dich.

    Das Glueck ist ungerecht und blind;
    Wenn nicht die Dichter Luegner sind.
    Wie oft hat es mit deinem Hoffen,
    Wie oft mit meinem eingetroffen?
    Wie wenn es, dich und mich zu kraenken,
    Dir mein, und mir dein Kind wird schenken?
    O Freund, was soll die Rache sein?
    Der Tausch, o Freund, der Tausch allein.
    Doch gibst du, geb ich meine dir,
    Auch deine mir?

    Der Tod



    Gestern, Brueder, koennt ihrs glauben?
    Gestern bei dem Saft der Trauben,
    (Bildet euch mein Schrecken ein!)
    Kam der Tod zu mir herein.

    Drohend schwang er seine Hippe,
    Drohend sprach das Furchtgerippe:
    Fort, du teurer Bacchusknecht!
    Fort, du hast genug gezecht!

    Lieber Tod, sprach ich mit Traenen,
    Solltest du nach mir dich sehnen?
    Sieh, da stehet Wein fuer dich!
    Lieber Tod verschone mich!

    Laechelnd greift er nach dem Glase;
    Laechelnd macht ers auf der Base,
    Auf der Pest, Gesundheit leer;
    Laechelnd setzt ers wieder her.

    Froehlich glaub ich mich befreiet,
    Als er schnell sein Drohn erneuet.
    Narre, fuer dein Glaeschen Wein
    Denkst du, spricht er, los zu sein?

    Tod, bat ich, ich moecht auf Erden
    Gern ein Mediziner werden.
    Lass mich: ich verspreche dir
    Meine Kranken halb dafuer.

    Gut, wenn das ist, magst du leben:
    Ruft er. Nur sei mir ergeben.
    Lebe, bis du satt gekuesst,
    Und des Trinkens muede bist.

    Oh! wie schoen klingt dies den Ohren!
    Tod, du hast mich neu geboren.
    Dieses Glas voll Rebensaft,
    Tod, auf gute Bruederschaft!

    Ewig muss ich also leben,
    Ewig! denn beim Gott der Reben!
    Ewig soll mich Lieb und Wein,
    Ewig Wein und Lieb erfreun!

    Der Verlust



    Alles ging fuer mich verloren,
    Als ich Sylvien verlor.
    Du nur gingst nicht mit verloren,
    Liebe, da ich sie verlor!

    Der Vetter und die Muhme



    O fluche, Freund, nicht alles Wetter
    Auf deinen eigensinngen Vetter.
    Schmaelt er manchmal; so lass es sein.
    Er hat ja guten Wein.

    Auch fluche nicht der alten Muhme.
    Man muss ihr Brummen, sich zum Ruhme,
    Mit stiller Sanftmut uebergehn.
    Die Tochter ist ja schoen.

    Der Wunsch



    Wenn ich, Augenlust zu finden,
    Unter schatticht kuehlen Linden
    Schielend auf und nieder gehe,
    Und ein haesslich Maedchen sehe,
    Wuensch ich ploetzlich blind zu sein.

    Wenn ich, Augenlust zu finden,
    Unter schatticht kuehlen Linden
    Schielend auf und nieder gehe,
    Und ein schoenes Maedchen sehe,
    Moecht ich lauter Auge sein.

    Der alte und der junge Wein



    Ihr Alten trinkt, euch jung und froh zu trinken:
    Drum mag der junge Wein
    Fuer euch, ihr Alten, sein.

    Der Juengling trinkt, sich alt und klug zu trinken:
    Drum muss der alte Wein
    Fuer mich, den Juengling, sein.

    Der bescheidene Wunsch



    Der Pfennig, den man andachtsvoll
    Dem Priester beichtend geben soll,
    Gilt mehr als im gemeinen Leben
    Ein Pfennig, den wir Iro geben.
    Die Kluegsten muessen durch Dukaten
    Den Sinn des kleinen Worts erraten.
    Man nehm es nicht buchstaeblich an,
    Der Buchstab bringet Tod und Bann.

    “Ach! schenkte mir mein lieber Gott
    Nur einst mein liebes bisschen Brot;
    Ich wollte mich begnuegen lassen
    Und keinen Reichen neidisch hassen.”
    Oh, das ist Staxen leicht zu sagen,
    Doch, wollt ihr eine Wette wagen,
    Stax schliesset Fische, Braten, Wein
    Mit in den Wunsch des Brotes ein.

    O Liebste! machet dir mein Mund
    Den heissen Wunsch nach Kuessen kund,
    So wisse, dass ich mehr begehret
    Als dir mein scheuer Mund erklaeret.
    Ein Kuss bei mir ist—Soll ichs sagen?
    Doch still! Du willst mich heimlich fragen.
    Komm! jener Lustwald ruft dir zu:
    O Maegdchen! was du tun willst, tu!

    Der groesste Mann



    Lasst uns den Priester Orgon fragen:
    Wer ist der groesste Mann?
    Mit stolzen Mienen wird er sagen.
    Wer sich zum kleinsten machen kann.

    Lasst uns den Dichter Kriton hoeren:
    Wer ist der groesste Mann?
    Er wird es uns in Versen schwoeren:
    Wer ohne Muehe reimen kann.

    Lasst uns den Hofmann Damis fragen:
    Wer ist der groesste Mann?
    Er bueckt sich laechelnd; das will sagen:
    Wer laecheln und sich buecken kann.

    Wollt ihr vom Philosophen wissen,
    Wer ist der groesste Mann?
    Aus dunkeln Reden muesst ihr schliessen:
    Wer ihn verstehn und gruebeln kann.

    Was darf ich jeden Toren fragen:
    Wer ist der groesste Mann?
    Ihr seht, die Toren alle sagen:
    Wer mir am naechsten kommen kann.

    Wollt ihr den kluegsten Toren fragen:
    Wer ist der groesste Mann?
    So fraget mich; ich will euch sagen:
    Wer trunken sie verlachen kann.

    Der muessige Poebel



    Um einen Arzt und seine Buehne
    Stand mit erstaunungsvoller Miene
    Die leicht betrogne Menge
    In lobendem Gedraenge.
    Ein weiser Trinker ging vorbei,
    Und schriee: welche Polizei!
    So muessig hier zu stehen?
    Kann nicht das Volk zu Weine gehen?

    Der neue Welt-Bau



    Der Wein, der Wein macht nicht nur froh,
    Er macht auch zum Astronomo.
    Ihr kennt doch wohl den grossen Geist,
    Nach dem der wahre Welt-Bau heisst?
    Von diesem hab ich einst gelesen,
    Dass er beim Weine gleich gewesen,
    Als er der Sonne Stillestand,
    Die alte neue Wahrheit fand.

    Der Wein, der Wein macht nicht nur froh,
    Er macht auch zum Astronomo.
    Hoert! hoert, ihr Sternenfahrer, hoert,
    Was mir der Wein, der Wein gelehrt!
    So kann der Wein den Witz verstaerken!
    Wir laufen selbst, ohn es zu merken,
    Von Osten taeglich gegen West!
    Die Sonne ruht. Die Welt steht fest!

    Der philosophische Trinker



    Mein Freund, der Narr vom philosophschen Orden,
    Hat sich bekehrt, und ist ein Trinker worden.
    Er zecht mit mir und meinen Bruedern,
    Und fuehlet schon in unsern Liedern
    Mehr Weisheit, Witz und Kraft,
    Als Jacob Boehm und Newton schafft.
    Doch bringt er seine spitzgen Fragen,
    Die minder als sie sagen, sagen,
    Noch dann und wann hervor,
    Und plagt mit Schluessen unser Ohr.
    Juengst fragt er mich am vollen Tische,
    Warum wohl in der Welt der Fische,
    In Fluessen und im Meer,
    Nicht Wein statt Wassers waer?
    Ohn Ursach, sprach er, kann nichts sein.
    Die Antwort fiel mir schwer;
    Ich dachte hin und her,
    Doch endlich fiel mirs ein.
    “Die Ursach ist leicht zu erdenken",
    Sprach ich mit aufgestemmtem Arm.
    Und welche? schrie der ganze Schwarm.
    “Damit, wenn Esel davon traenken,
    Die Esel, nur verdammt zu Buerden,
    Nicht klueger als die Menschen wuerden.”
    Die Antwort, schrie man, laesst sich hoeren.
    Drum trinket eins der Weltweisheit zu Ehren!

    Der schwoerende Liebhaber



    Ich schwoer es dir, o Laura, dich zu hassen;
    Gerechten Hass schwoer ich dir zu.
    Ich schwoer es allen Schoenen, sie zu hassen;
    Weil alle treulos sind, wie du.
    Ich schwoer es dir, vor Amors Ohren,
    Dass ich—ach! dass ich falsch geschworen.

    Der trunkne Dichter lobt den Wein



    Mit Ehren, Wein, von dir bemeistert,
    Und deinem fluessgen Feur begeistert,
    Stimm ich zum Danke, wenn ich kann,
    Ein dir geheiligt Loblied an.

    Doch wie? in was fuer kuehnen Weisen
    Werd ich, o Goettertrank, dich preisen?
    Dein Ruhm, hoer ihn summarisch an,
    Ist, dass ich ihn nicht singen kann.

    Die 47ste Ode Anakreons



    Alter tanze! Wenn du tanzest,
    Alter, so gefaellst du mir!
    Juengling, tanze! Wenn du tanzest,
    Juengling, so gefaellst du mir.

    Alter, tanze, trotz den Jahren!
    Welche Freude, wenn es heisst:
    Alter, du bist alt an Haaren,
    Bluehend aber ist dein Geist!

    Nachahmung dieser Ode



    Juengling, lebst du nicht in Freuden,
    Juengling, o so hass ich dich!
    Alter, lebst du nicht in Freuden,
    Alter, o so hass ich dich!

    Juengling, trauerst du in Jahren,
    Wo die Pflicht sich freuen heisst?—
    Schaeme dich! so frisch an Haaren,
    Juengling, und so schwach an Geist!

    Die Abwechslung



    Ich trinke nicht stets einen Wein.
    Das moechte mir zu ekel sein.
    Wein aus Burgund, Wein von der Mosel Strande,
    Einheimschen Wein, Wein aus dem Frankenlande,
    Die wechsl ich taeglich mit Bedacht,
    Weil Wechseln alles suesser macht.

    Und mich soll nur ein artig Kind,
    Wenn mehrere zu finden sind,
    Durch suessen Zwang gepriesner Liebe binden?
    Oh, dies zaehlt ich mit unter meine Suenden.
    Nein, nein, ich folge meinem Brauch,
    Mit artgen Kindern wechsl ich auch.

    Die Antwort



    Der Nachbarin Climene
    Schrieb ich von Lieb und Glut.
    Die christlich holde Schoene
    War allen Menschen gut.
    Sie hat den Brief bekommen,
    Voll Sehnsucht angenommen,
    Gekuesst und aufgemacht,
    Gelesen und gelacht.
    Ach Gott, das gute Kind!

    Sie wird wohl wieder schreiben?
    Nein; schreiben kann sie nicht.
    Nur sich die Zeit vertreiben,
    Ist ihre Kunst und Pflicht.
    Doch ohne Trost mich lassen,
    Hiess meine Liebe hassen;
    Drum koemmt sie selbst zu mir,
    Durch unsre Hintertuer.
    Ach, gar zu gutes Kind!

    Die Beredsamkeit



    Freunde, Wasser machet stumm:
    Lernet dieses an den Fischen.
    Doch beim Weine kehrt sichs um:
    Dieses lernt an unsern Tischen.
    Was fuer Redner sind wir nicht,
    Wenn der Rheinwein aus uns spricht!
    Wir ermahnen, streiten, lehren;
    Keiner will den andern hoeren.

    Die Betruebnis



    Der Dichter und sein Freund.

    Der Freund.
    Freund! welches Unglueck, welche Reue
    Macht dir so bittern Schmerz?

    Der Dichter.
    Ach Freund! sie flieht, die Ungetreue!
    Und sie besass mein Herz.

    Der Freund.
    Um eine Falsche dich betrueben?
    Du bist ja klug genug.

    Der Dichter.
    O schweig! das heisst nicht lieben,
    Laesst uns die Liebe klug.

    Die Biene



    Als Amor in den goldnen Zeiten
    Verliebt in Schaeferlustbarkeiten
    Auf bunten Blumenfeldern lief,
    Da stach den kleinsten von den Goettern
    Ein Bienchen, das in Rosenblaettern,
    Wo es sonst Honig holte, schlief.

    Durch diesen Stich ward Amor klueger.
    Der unerschoepfliche Betrueger
    Sann einer neuen Kriegslist nach:
    Er lauscht in Rosen und Violen;
    Und kam ein Maedchen sie zu holen,
    Flog er als Bien heraus, und stach.

    Die Diebin



    (1745)

    Du Diebin mit der Rosenwange,
    Du mit den blauen Augen da!
    Dich mein ich!—wird dir noch nicht bange?
    Gesteh nur, was ich fuehlt und sah!

    Du schweigst? Doch deine Rosenwange
    Glueht schuldig, roeter, als vorhin,
    O Diebin mit der Rosenwange,
    Wo ist mein Herz, wo kam es hin?

    Die Einwohner des Mondes



    Die Maegdchen die in sechzehn Jahren
    Noch nicht das leckre Glueck erfahren,
    Wozu sie ihre Muetter sparen;
    Das Stutzerchen, das was gelernt;
    Das Weib, das nie sich aus den Schranken
    Der ehelichen Pflicht entfernt,
    Und um den Mann die Welt vergisst;
    Der Bettler, der bei dem Bedanken
    So hoeflich wie beim Bitten ist;
    Der Dichter, welcher nie gelogen,
    Dem stets der Reim, und niemals er,
    Dem lieben Reime nachgezogen;
    Der Pfaffe, der stolz auf sein Amt,
    Um Kleinigkeiten nicht verdammt,
    Und weiss durch Taten zu ermahnen;
    Der Edle, der von seinen Ahnen
    In unzertrennter Ordnung stammt,
    Ohn dass ein wackrer Bauerknecht
    Nicht oft das Heldenblut geschwaecht;
    Ein Arzt, der keinen tot gemacht;
    Der Krieger, der mehr kaempft als fluchet;
    Der Hagestolz, der in der Nacht,
    Was er am Tage flieht, nicht suchet;
    Das fromme Weib, das nie geschmaelt;
    Der reiche Greis, dem nichts gefehlt;
    Und hundert andre schoene Sachen,
    Die unsern Zeiten Ehre machen:
    Wo trifft man die?—Vielleicht im Mond,
    Wo jedes Hirngespinste wohnt.

    Die Ente



    Ente, wahres Bild von mir,
    Wahres Bild von meinen Bruedern!
    Ente, jetzo schenk ich dir
    Auch ein Lied von meinen Liedern.

    Oft und oft muss dich der Neid
    Zechend auf dem Teiche sehen.
    Oft sieht er aus Trunkenheit
    Taumelnd dich in Pfuetzen gehen.

    Auch ein Tier—o das ist viel!
    Haelt den Satz fuer wahr und suesse,
    Dass, wer gluecklich leben will,
    Fein das Trinken lieben muesse.

    Ente, ists nicht die Natur,
    Die dich stets zum Teiche treibet?
    Ja, sie ists; drum folg ihr nur.
    Trinke, bis nichts uebrig bleibet.

    Ja, du trinkst und singst dazu.
    Neider nennen es zwar schnadern;
    Aber, Ente, ich und du
    Wollen nicht um Worte hadern.

    Wem mein Singen nicht gefaellt,
    Mag es immer Schnadern nennen.
    Will uns nur die neidsche Welt
    Als versuchte Trinker kennen.

    Aber, wie bedaur ich dich,
    Dass du nur musst Wasser trinken.
    Und wie gluecklich schaetz ich mich,
    Wenn mir Weine dafuer blinken.

    Armes Tier, ergib dich drein.
    Lass dich nicht den Neid verfuehren.
    Denn des Weins Gebrauch allein
    Unterscheidet uns von Tieren.

    In der Welt muss Ordnung sein.
    Menschen sind von edlern Gaben.
    Du trinkst Wasser, und ich Wein:
    So will es die Ordnung haben.

    Die Faulheit



    Fleiss und Arbeit lob ich nicht.
    Fleiss und Arbeit lob ein Bauer.
    Ja, der Bauer selber spricht,
    Fleiss und Arbeit wird ihm sauer.
    Faul zu sein, sei meine Pflicht;
    Diese Pflicht ermuedet nicht.

    Bruder, lass das Buch voll Staub.
    Willst du laenger mit ihm wachen?
    Morgen bist du selber Staub!
    Lass uns faul in allen Sachen,
    Nur nicht faul zu Lieb und Wein,
    Nur nicht faul zur Faulheit sein.

    Die Gespenster



    Der Alte
    O Juengling! sei so ruchlos nicht,
    Und leugne die Gespenster.
    Ich selbst sah eins beim Mondenlicht
    Aus meinem Kammerfenster,
    Das sass auf einem Leichenstein:
    Drum muessen wohl Gespenster sein.

    Der Juengling
    Ich wende nichts dawider ein;
    Es muessen wohl Gespenster sein.

    Der Alte
    Als meiner Schwester Sohn verschied,
    (Das sind nunmehr zehn Jahre!)
    Sah seine Magd, die trefflich sieht,
    Des Abends eine Bahre,
    Und oben drauf ein Totenbein:
    Drum muessen wohl Gespenster sein.

    Der Juengling
    Ich wende nichts dawider ein;
    Es muessen wohl Gespenster sein.

    Der Alte
    Und als mein Freund im Treffen blieb,
    Das Frankreich juengst verloren,
    Hoert seine Frau, wie sie mir schrieb,
    Mit ihren eignen Ohren
    Zu Mitternacht drei Eulen schrein:
    Drum muessen wohl Gespenster sein.

    Der Juengling
    Ich wende nichts dawider ein;
    Es muessen wohl Gespenster sein.

    Der Alte
    In meinem Keller selbst gehts um.
    Ich hoer oft ein Gesause;
    Doch werden die Gespenster stumm,
    Ist nur mein Sohn zu Hause.
    Denk nur, sie saufen meinen Wein:
    Das muessen wohl Gespenster sein.

    Der Juengling
    Ich wende nichts dawider ein;
    Doch wuenscht ich eins davon zu sein.

    Der Alte
    Auch weiss ich nicht, was manche Nacht
    In meiner Tochter Kammer
    Sein Wesen hat, bald seufzt, bald lacht;
    Oft bringt mirs Angst und Jammer.
    Ich weiss das Maedchen schlaeft allein;
    Drum muessen es Gespenster sein.

    Der Juengling
    Ich wende nichts dawider ein;
    Doch wuenscht ich ihr Gespenst zu sein.

    Die Gewissheit



    Ob ich morgen leben werde,
    Weiss ich freilich nicht:
    Aber, wenn ich morgen lebe,
    Dass ich morgen trinken werde,
    Weiss ich ganz gewiss.

    Die Haushaltung



    Zankst du schon wieder? sprach Hans Lau
    Zu seiner lieben Ehefrau.
    “Versoffner, unverschaemter Mann”——
    Geduld, mein Kind, ich zieh mich an—
    “Wo nun schon wieder hin?” Zu Weine.
    Zank du alleine.

    “Du gehst?—Verdammtes Kaffeehaus!
    Ja! blieb er nur die Nacht nicht aus.
    Gott! ich soll so verlassen sein?—
    Wer pocht?—Herr Nachbar?—nur herein!
    Mein boeser Teufel ist zu Weine:
    Wir sind alleine.”

    Die Kuesse



    Der Neid, o Kind,
    Zaehlt unsre Kuesse:
    Drum kuess geschwind
    Ein Tausend Kuesse;
    Geschwind du mich,
    Geschwind ich dich!
    Geschwind, geschwind,
    O Laura, kuesse
    Manch Tausend Kuesse:
    Damit er sich
    Verzaehlen muesse.

    Die Kuesse



    Ein Kuesschen, das ein Kind mir schenket,
    Das mit dem Kuessen nur noch spielt,
    Und bei dem Kuessen noch nichts denket,
    Das ist ein Kuss, den man nicht fuehlt.

    Ein Kuss, den mir ein Freund verehret,
    Das ist ein Gruss, der eigentlich
    Zum wahren Kuessen nicht gehoeret:
    Aus kalter Mode kuesst er mich.

    Ein Kuss, den mir mein Vater giebet,
    Ein wohlgemeinter Segenskuss,
    Wenn er sein Soehnchen lobt und liebet,
    Ist etwas, das ich ehren muss.

    Ein Kuss von meiner Schwester Liebe
    Steht mir als Kuss nur so weit an,
    Als ich dabei mit heisserm Triebe
    An andre Maedchen denken kann.

    Ein Kuss, den Lesbia mir reichet,
    Den kein Verraeter sehen muss,
    Und der dem Kuss der Tauben gleichet:
    Ja, so ein Kuss, das ist ein Kuss.

    Die Kunstrichter und der Dichter



    Die Kunstrichter
    Ihr Dichter! seid des Stoffes voll,
    Den eure Muse singen soll:
    Alsdann geraet das Lied euch wohl.

    Der Dichter
    Wohl! wohl! ihr Herren Richter, wohl!
    Seht her! ich bin des Stoffes voll,
    Den meine Muse singen soll;
    Ich bin, ich bin des Weines voll:
    Und doch geraet kein Lied mir wohl.

    Die Kunstrichter
    Du bist des Stoffes allzu voll,
    Den deine Muse singen soll:
    Darum geraet kein Lied dir wohl.

    Die Liebe



    Ohne Liebe
    Lebe, wer da kann.
    Wenn er auch ein Mensch schon bliebe,
    Bleibt er doch kein Mann.

    Suesse Liebe,
    Mach mein Leben suess!
    Stille nie die regen Triebe
    Sonder Hindernis.

    Schmachten lassen
    Sei der Schoenen Pflicht!
    Nur uns ewig schmachten lassen,
    Dieses sei sie nicht.

    Die Musik



    Ein Orpheus spielte; rings um ihn,
    Mit lauschendem Gedraenge
    Stand die erstaunte Menge,
    Durchs Ohr die Wollust einzuziehn.
    Ein Trinker kam von ungefaehr,
    Und taumelte den Weg daher.
    Schnell fasst' er sich, blieb horchend stehn,
    Und ward entzueckt, und schriee: Schoen!
    So schoen, als wenn bei meinem wackern Wirte
    Das helle Passglas klirrte!

    Die Mutter



    Strenge Phyllis dich zu kuessen,
    Dich ein einzigmal zu kuessen,
    Hab ich dich nicht bitten muessen!
    Und doch darf ich dich nicht kuessen.
    Sagst du? “Meine Mutter spricht:
    Phyllis, Tochter kuesse nicht!”
    Ist es so was Boeses, kuessen?
    Liegt kein Trieb dazu im Blut?
    Doch—weg mit den schweren Schluessen!
    Lass sie warnen! kurz und gut;
    Was geht der die Mutter an,
    Die selbst Mutter werden kann?

    Die Namen



    Ich fragte meine Schoene:
    Wie soll mein Lied dich nennen?
    Soll dich als Dorimene,
    Als Galathee, als Chloris,
    Als Lesbia, als Doris,
    Die Welt der Enkel kennen?

    Ach! Namen sind nur Toene:
    Sprach meine holde Schoene.
    Waehl selbst. Du kannst mich Doris,
    Und Galathee und Chloris,
    Und—wie du willst mich nennen;
    Nur nenne mich die Deine.

    Die Planetenbewohner



    Mit suessen Grillen sich ergoetzen,
    Einwohner in Planeten setzen,
    Eh man aus sichern Gruenden schliesst,
    Dass Wein in den Planeten ist:
    Das heisst zu frueh bevoelkern.

    Freund, bringe nur zuerst aufs reine,
    Dass in den neuen Welten Weine,
    Wie in der, die wir kennen, sind:
    Und glaube mir, dann kann ein Kind
    Auf seine Trinker schliessen.

    Die Planetenbewohner



    Mit suessen Grillen sich ergoetzen,
    Einwohner in Planeten setzen,
    Eh man aus sichern Gruenden schliesst,
    Dass Wein in den Planeten ist:
    Das heisst zu frueh bevoelkern.

    Freund, bringe nur zuerst aufs reine,
    Dass in den neuen Welten Weine,
    Wie in der, die wir kennen, sind:
    Und glaube mir, dann kann ein Kind
    Auf seine Trinker schliessen.

    Die Redlichkeit



    So weit sich laesst die Welt durchwandern,
    Klagt ein verlarvter Schelm dem andern
    Die selbstverschuldte Seltenheit
    Der nie geuebten Redlichkeit.

    Und doch flucht ihre Lust zum Schaetzen—
    Da seht die Torheit ihrer Herzen!
    Seht, klagen sie nicht bloss zum Schein?
    Doch fluchen sie auf dich, o Wein!

    So klagen, und dem Trinken fluchen,
    Heisst Zwecke sonder Mittel suchen.
    Nun, Brueder, red ich nicht gelehrt?
    Wie man es kaum von Wolfen hoert.

    Wer hat die Redlichkeit erhoben
    Ohn unsre Vaeter mit zu loben?
    Ja, ja, die trunken wacker Wein,
    Wie konnten sie nicht redlich sein?

    Drum, Brueder, bleibet euern Ahnen,
    Die euch, so oft euch durstt, ermahnen,
    An Treu und Trunke kindlich gleich.
    Trinkt redlich aus und kuesset euch!

    Die Schoene von hinten



    Sieh Freund! sieh da! was geht doch immer
    Dort fuer ein reizend Frauenzimmer?
    Der neuen Tracht Vollkommenheit,
    Der engen Schritte Nettigkeit,
    Die bei der kleinsten Hindrung stocken,
    Der weisse Hals voll schwarzer Locken,
    Der wohlgewachsne schlanke Leib,
    Verraet ein junges artges Weib.

    Komm Freund! komm, lass uns schneller gehen,
    Damit wir sie von vorne sehen.
    Es muss, triegt nicht der hintre Schein,
    Die Venus oder Phyllis sein.
    Komm, eile doch!—O welches Gluecke!
    Jetzt sieht sie ungefaehr zuruecke.
    Was wars, das mich entzueckt gemacht?
    Ein altes Weib in junger Tracht.

    Die Sparsamkeit



    Von nun an muss ich sparsam werden.
    Warum denn das? Der Wein schlaegt auf.
    So gehts, das Beste dieser Erden
    Erhaelt man nur durch teuren Kauf.

    Wer pocht? Ei der verwuenschte Schneider
    Macht mich fast durch sein Mahnen toll.
    Da seht die Menschenliebe! leider,
    Dass man doch stets bezahlen soll.

    “Beliebet morgen einzusprechen.
    Die Wechsel laufen spaeter ein.”
    Er geht? Geh! geh! nun kann ich zechen.
    Seht! seht! so muss man sparsam sein.

    Die Staerke des Weins



    Wein ist staerker als das Wasser:
    Dies gestehn auch seine Hasser.
    Wasser reisst wohl Eichen um,
    Und hat Haeuser umgerissen:
    Und ihr wundert euch darum,
    Dass der Wein mich umgerissen?

    Die Tuerken



    Die Tuerken haben schoene Toechter,
    Und diese scharfe Keuschheitswaechter;
    Wer will kann mehr als eine frein:
    Ich moechte schon ein Tuerke sein.

    Wie wollt ich mich der Lieb ergeben!
    Wie wollt ich liebend ruhig leben,
    Und—doch sie trinken keinen Wein;
    Nein, nein, ich mag kein Tuerke sein.

    Die Versteinerung



    Holz und Beine
    Werden Steine
    Durch des Wassers Kraft.
    Werden Holz und Beine
    Durch des Wassers Kraft,
    Werden die zu Steine:
    Sagt, ihr Wasserfreunde,
    Sagt, ihr Rebenfeinde,
    Werden eure Herzen
    Nicht versteinert sein?

    Mark und Beine
    Fuehlen, Weine,
    Eures Feuers Kraft.
    Wenn mein Liebster trinket,
    Trinkt er Rebensaft,
    Bis er sich betrinket.
    Sollt ich ihn nicht lieben?
    Ja, ich will ihn lieben,
    Weil sein Herz erhitzet,
    Nicht versteinert wird.

    C***

    Die Wetterprophezeiung



    Das Wetter ist veraenderlich,
    Veraenderlich, wie meine Schoenen.
    Umsonst, o Freund, bemueht man sich,
    Nach Regeln beide zu gewoehnen.
    Drum lass dein Wetterprophezein,
    Wie ich mein treues Lieben, sein.

    Doch, kannst du deiner Wissenschaft,
    Gelehrter Wolkenseher! trauen:
    Wohl gut! so lass von ihrer Kraft
    Mich stracks ein kleines Beispiel schauen.
    Du sollst—du sollst mir prophezein:
    Wird heuer ein gut Weinjahr sein?*

    L.

    * Ja!

    Die drei Reiche der Natur



    Ich trink, und trinkend faellt mir bei,
    Warum Naturreich dreifach sei.
    Die Tier und Menschen trinken, lieben,
    Ein jegliches nach seinen Trieben:
    Delphin und Adler, Floh und Hund
    Empfindet Lieb und netzt den Mund.
    Was also trinkt und lieben kann,
    Wird in das erste Reich getan.

    Die Pflanze macht das zweite Reich,
    Dem ersten nicht an Guete gleich:
    Sie liebet nicht, doch kann sie trinken;
    Wenn Wolken traeufelnd niedersinken,
    So trinkt die Zeder und der Klee,
    Der Weinstock und die Aloe.
    Drum, was nicht liebt, doch trinken kann,
    Wird in das zweite Reich getan.

    Das Steinreich macht das dritte Reich;
    Und hier sind Sand und Demant gleich:
    Kein Stein fuehlt Durst und zarte Triebe,
    Er waechset ohne Trunk und Liebe.
    Drum, was nicht liebt noch trinken kann,
    Wird in das letzte Reich getan.
    Denn ohne Lieb und ohne Wein,
    Sprich, Mensch, was bleibst du noch?—Ein Stein.

    Die luegenhafte Phyllis



    Mein Damon spricht:
    Kind, luege nicht!
    Sonst werd ich strafen muessen,
    Und dich zur Strafe kuessen.
    Er droht mir, sieht verdruesslich aus,
    Und strafet mich schon im voraus.

    Sonst log ich nicht.
    Nur seit er spricht:
    Du sollst mir fein mit Kuessen
    Die losen Luegen buessen,
    Red ich kein wahres Woertchen mehr.
    Nun, Schwestern, sagt, wo koemmt das her?

    Die lehrende Astronomie



    Dank sei dem Schoepfer, der mein Haupt
    Auf hohe feste Schultern baute,
    Und mir die Pracht zu sehn erlaubt,
    Die nie ein haengend Tieraug schaute!
    Hier lern ich mich und ihn erkennen,
    Und hier mich nichts, ihn alles nennen.
    Was bin ich? Ich bin gross genung,
    Bin ich ein Punkt der Welt zu nennen.
    Mein Wissen ist Verwunderung;
    Mein Leben leichter Blitze Brennen.
    Und so ein Nichts, verblendte Toren,
    Soll sein zum Herrn der Welt geboren?

    Der Stolz, der Torheit Eigentum,
    Verkennt, zu eignem Trost, sich gerne;
    Die Demut ist des Weisen Ruhm,
    Und die lernt er bei euch, ihr Sterne!
    Und wird nur gross, weil er euch kennet,
    Und euern Gott auch seinen nennet.

    Auch wenn sein Unglueck ihn den Weg,
    Den harten Weg der Pruefung fuehret,
    Und wenn, auf dem einsamen Steg,
    Sich Lieb und Freund von ihm verlieret,
    Lernt er bei euch, durch suesse Grillen,
    Oft allzuwahre Schmerzen stillen.

    O Tugend! reizend Hirngedicht,
    Erdachte Zierde unsrer Seelen!
    Die Welt, o Tugend, hat dich nicht:
    Doch wirst du auch den Sternen fehlen?
    Nein, starbst du gleich bei uns im Abel,
    Du selbst bist viel zu schoen zur Fabel.

    Dort seh ich, mit erstauntem Blick,
    Ein glaenzend Heer von neuen Welten;
    Getrost, vielleicht wird dort das Glueck
    So viel nicht, als die Tugend, gelten.
    Vielleicht dort in Orions Grenzen
    Wird, frei vom Wahn, die Wahrheit glaenzen!

    “Das Uebel", schreit der Aberwitz,
    “Hat unter uns sein Reich gewonnen.”
    Wohl gut, doch ist des Guten Sitz
    In ungezaehlten groessern Sonnen.
    Der Dinge Reihen zu erfuellen,
    Schuf jenes Gott mit Widerwillen.

    So, wie den Kenner der Natur
    Auch Quarz und Eisenstein vergnuegen,
    Nicht Gold- und Silberstufen nur
    In Faechern, voller Luecken, liegen:
    So hat das Uebel Gott erlesen
    Der Welt zur Fuellung, nicht zum Wesen.

    O nahe dich, erwuenschte Zeit,
    Wo ich, frei von der Last der Erde,
    In wachsender Glueckseligkeit,
    Einst bessre Welten sehen werde!
    O Zeit, wo mich entbundne Schwingen
    Von einem Stern zum andern bringen!

    Gedanken! fliehet nur voran!
    Verirrt euch in den weiten Sphaeren,
    Bis ich euch selber folgen kann.
    Wie lang, Geschick, wird es noch waehren!
    O Lust, hier seh ich schon die Kreise,
    Die Wege meiner ewgen Reise!

    Drum kraenkt der blinde Damon sich
    Nur in der Nacht um sein Gesichte.
    Geruhig, Tag, vermisst er dich,
    Und deine Eitelkeit im Lichte;
    Und wuenscht sich, von der Weltlust ferne,
    Ein fuehlend Aug nur fuer die Sterne.

    O selge Zeit der stillen Nacht,
    Wo Neid und Bosheit schlafend liegen,
    Und nur ein frommes Auge wacht,
    Und sucht am Himmel sein Vergnuegen!
    Gott sieht die Welt in diesen Stunden,
    Und spricht, ich hab sie gut gefunden!

    Berlin.
    L.

    Die schlafende Laura



    Nachlaessig hingestreckt,
    Die Brust mit Flor bedeckt,
    Der jedem Lueftchen wich,
    Das saeuselnd ihn durchstrich,
    Liess unter jenen Linden
    Mein Glueck mich Lauren finden.
    Sie schlief und weit und breit
    Schlug jede Blum ihr Haupt zur Erden,
    Aus missvergnuegter Traurigkeit,
    Von Lauren nicht gesehn zu werden.
    Sie schlief, und weit und breit
    Erschallten keine Nachtigallen,
    Aus weiser Furchtsamkeit,
    Ihr minder zu gefallen,
    Als ihr der Schlaf gefiel,
    Als ihr der Traum gefiel,
    Den sie vielleicht itzt traeumte,
    Von dem, ich hoff' es, traeumte,
    Der staunend bei ihr stand,
    Und viel zu viel empfand,
    Um deutlich zu empfinden,
    Um noch es zu empfinden,
    Wie viel er da empfand.
    Ich liess mich sanfte nieder,
    Ich segnete, ich kuesste sie,
    Ich segnete, und kuesste wieder:
    Und schnell erwachte sie,
    Schnell taten sich die Augen auf.
    Die Augen?—nein, der Himmel tat sich auf.

    Die schlimmste Frau



    Die Weiber koennen nichts als plagen.
    Der Satz sagt viel und ist nicht neu.
    Doch, Freunde, koennt ihr mir nicht sagen,
    Welch Weib das schlimmste sei?

    Ein Weib, das mit dem Manne scherzet
    Wie ein gebildter Marmorstein,
    Das ohne Glut und Reiz ihn herzet,
    Das kann kein gutes sein.

    Ein Weib, das wie ein Drache geizet,
    Und gegen Kind und Magd genau,
    Den Dieb, mich zu bestehlen reizet,
    O eine schlimme Frau!

    Ein Weib, das gegen alle lachet,
    In Liebesstreichen frech und schlau
    Uns taeglich neue Freunde machet,
    O eine schlimmre Frau!

    Ein Weib, das nichts als bet und singet,
    Und bei der Kinder Zeitvertreib
    Mit Seufzen ihre Haende ringet,
    O ein noch schlimmer Weib!

    Ein Weib, das stolz aufs Eingebrachte,
    (Und welche nimmt der Stolz nicht ein?)
    Den Mann sich gern zum Sklaven machte,
    Das muss ein Teufel sein!

    Ein Weib, das ihrem Manne fluchet,
    Wenn er Gesellschaft, Spiel und Wein,
    Wie heimlich sie Liebhaber, suchet,
    Das muss—ein Weibsbild sein!

    Die verschlimmerten Zeiten



    Anakreon trank, liebte, scherzte,
    Anakreon trank, spielte, herzte,
    Anakreon trank, schlief, und traeumte
    Was sich zu Wein und Liebe reimte:
    Und hiess mit Recht der Weise.

    Wir Brueder trinken, lieben, scherzen,
    Wir Brueder trinken, spielen, herzen,
    Wir Brueder trinken, schlafen, traeumen,
    Wozu sich Wein und Liebe reimen:
    Und heissen nicht die Weisen.

    Da seht den Neid von unsern Zeiten!
    Uns diesen Namen abzustreiten!
    O Brueder, lernet hieraus schliessen,
    Dass sie sich stets verschlimmern muessen;
    Sie nennen uns nicht weise.

    Die wider den Caesar verschworne Helden



    Cassius. Decimus. Brutus. Cimber.

    Cassius.
    Jetzt, Helden, lasst uns ruehmlich sterben,
    Eh Rom noch Koenigsfesseln traegt.
    Wer sollte nicht mit Lust verderben,
    Wenn ihn der Staat mit niederschlaegt?

    Decimus.
    Ja—aber ohne Rache sterben,
    Und ohne Nutz dem Vaterland—
    Freund, das heisst poebelhaft verderben.
    Und wozu haett ich Mut und Hand?

    Cassius.
    O Brutus! voller tiefen Sorgen
    Seh ich dein Herz fuer Rom zerteilt.
    O Freund! noch einen freien Morgen,
    So hat die Knechtschaft uns ereilt.

    Brutus.
    Wenn Caesar Rom will unterdruecken,
    Muss Brutus ihn zur Strafe ziehn.
    Ich will den Dolch ins Herz ihm druecken:
    Mit Zittern zwar, doch drueck ich ihn.

    Cassius.
    Du? deinem Freunde? Brutus! Goetter!
    Rom steht, wenn Brutus Brutus ist.
    Schon war ein Brutus Roms Erretter;
    Komm! zeige, dass du beide bist.

    Cimber.
    Auch ich will alles mit euch wagen;
    Auch ich muss ohne Koenig sein.
    Denn koennt ich einen Herrn ertragen,
    Ertrueg ich allererst den Wein.

    Eine Gesundheit



    Trinket Brueder, lasst uns trinken
    Bis wir berauscht zu Boden sinken;
    Doch bittet Gott den Herren,
    Dass Koenige nicht trinken.

    Denn da sie unberauscht
    Die halbe Welt zerstoeren,
    Was wuerden sie nicht tun,
    Wenn sie betrunken waeren?

    Fuer wen ich singe



    Ich singe nicht fuer kleine Knaben,
    Die voller Stolz zur Schule gehn,
    Und den Ovid in Haenden haben,
    Den ihre Lehrer nicht verstehn.

    Ich singe nicht fuer euch, ihr Richter,
    Die ihr voll spitzger Gruendlichkeit
    Ein unertraeglich Joch dem Dichter,
    Und euch die Muster selber seid.

    Ich singe nicht den kuehnen Geistern,
    Die nur Homer und Milton reizt;
    Weil man den unerschoepften Meistern
    Die Lorbeern nur umsonst begeizt.

    Ich singe nicht, durch Stolz gedrungen,
    Fuer dich, mein deutsches Vaterland.
    Ich fuerchte jene Laesterzungen,
    Die dich bis an den Pol verbannt.

    Ich singe nicht fuer fremde Reiche.
    Wie kaem mir solch ein Ehrgeiz ein?
    Das sind verwegne Autorstreiche.
    Ich mag nicht uebersetzet sein.

    Ich singe nicht fuer fromme Schwestern,
    Die nie der Liebe Reiz gewinnt,
    Die, wenn wir munter singen, laestern,
    Dass wir nicht alle Schmolken sind.

    Ich singe nur fuer euch, ihr Brueder,
    Die ihr den Wein erhebt, wie ich.
    Fuer euch, fuer euch sind meine Lieder.
    Singt ihr sie nach: o Glueck fuer mich!

    Ich singe nur fuer meine Schoene,
    O muntre Phyllis, nur fuer dich.
    Fuer dich, fuer dich sind meine Toene.
    Stehn sie dir an, so kuesse mich.

    Heldenlied der Spartaner



    In drei Choeren.

    ALLE.
    Streitbare Maenner

    CHOR DER ALTEN.
    Waren wir!

    ALLE.
    Streitbare Maenner

    CHOR DER MAeNNER.
    Sind wir!

    ALLE.
    Streitbare Maenner

    CHOR DER JUeNGLINGE.
    Werden wir!

    ALLE.
    Streitbare Maenner

    CHOR DER ALTEN.
    Waren wir!

    CHOeRE DER MAeNNER UND JUeNGLINGE.
    Waret ihr!

    CHOR DER ALTEN.
    Das leugne, wer darf!

    ALLE.
    Streitbare Maenner

    CHOR DER MAeNNER.
    Sind wir!

    CHOeRE DER ALTEN UND JUeNGLINGE.
    Seid ihr!

    CHOR DER MAeNNER.
    Versuch uns, wer darf!

    ALLE.
    Streitbare Maenner

    CHOR DER JUeNGLINGE.
    Werden wir!

    CHOeRE DER ALTEN UND MAeNNER.
    Werdet ihr!

    CHOR DER JUeNGLINGE.
    Noch tapfrer, als ihr!

    Ich



    Die Ehre hat mich nie gesucht;
    Sie haette mich auch nie gefunden.
    Waehlt man, in zugezaehlten Stunden,
    Ein praechtig Feierkleid zur Flucht?

    Auch Schaetze hab ich nie begehrt.
    Was hilft es sie auf kurzen Wegen
    Fuer Diebe mehr als sich zu hegen,
    Wo man das wenigste verzehrt?

    Wie lange waehrt's, so bin ich hin,
    Und einer Nachwelt untern Fuessen?
    Was braucht sie wen sie tritt zu wissen?
    Weiss ich nur, wer ich bin.

    Wittenberg den 11. Okt. 1752.

    Jungfer Lieschens Knie



    Schautest du denn nie
    Jungfer Lieschens Knie?
    Jungfer Lieschens Fingerhut
    Ist zu allen Dingen gut!

    1. Griechisch
    Ouc ebleyaV su
    ParJenou gonu;
    ParJenou dactulitron
    'Esti proV panta calon.

    2. Lateinisch
    Non vidisti tu
    Virginis genu?
    Virginis dactylitrum
    Est ad omnia bonum.

    3. Englaendisch
    Did you never see
    Mistriss Betty's knee?
    What you Betty's thimble call
    That is very good for all.

    Kuessen und Trinken



    Maegdgen, lass mich dich doch kuessen!
    Zaudre nicht, sonst wirst du muessen.
    Hurtig! hurtig schenkt mir ein!
    Auf das Kuessen schmeckt der Wein!

    Dieser Wein hat Geist und Feuer.
    Maegdgen tu doch etwas freier.
    Goenn mir vorigen Genuss:
    Auf das Trinken schmeckt ein Kuss!

    Lied



    (1748)

    Ehret, Brueder, meine Schoene,
    Ehrt die gallische Helene!
    Bacchus selber ehret sie.
    Juengst an ihrer stolzen Rechte,
    Als er mit uns beiden zechte,
    Ward er, denn sie schenkt' ihm ein,
    Voller noch von Lieb als Wein.

    Lied aus dem Spanischen



    Gestern liebt ich,
    Heute leid ich,
    Morgen sterb ich:
    Dennoch denk ich
    Heut und morgen
    Gern an gestern.

    Lob der Faulheit



    Faulheit, itzo will ich dir
    Auch ein kleines Loblied bringen.
    O—wie—sau—er—wird es mir,—
    Dich—nach Wuerden—zu besingen!
    Doch, ich will mein Bestes tun,
    Nach der Arbeit ist gut ruhn.

    Hoechstes Gut! wer dich nur hat,
    Dessen ungestoertes Leben—
    Ach!—ich—gaehn—ich—werde matt—
    Nun—so—magst du—mirs vergeben,
    Dass ich dich nicht singen kann;
    Du verhinderst mich ja dran.

    Nach der 15. Ode Anakreons



    Was frag ich nach dem Grosssultan,
    Und Mahomets Gesetzen?
    Was geht der Perser Schach mich an,
    Mit allen seinen Schaetzen?

    Was sorg ich ihrer Kriegesart,
    Und ihrer Treffen halben?
    Kann ich nur meinen lieben Bart
    Mit Spezereien salben.

    Kann ich nur mein gesalbtes Haupt
    Mit Rosen stolz umschliessen,
    Und wenn mir sie ein Maedchen raubt,
    Das Maedchen strafend kuessen.

    Ein Tor sorgt fuer die kuenftge Zeit.
    Fuer heute will ich sorgen.
    Wer kennt, mit weiser Gruendlichkeit,
    Den ungewissen Morgen?

    Was soll ich hier, so lang ich bin,
    Mich um die Zukunft kraenken?
    Ich will mit kummerlosem Sinn
    Auf Wein und Liebe denken.

    Denn ploetzlich steht er da, und spricht,
    Der grimme Tod: “Von dannen!
    Du trinkst, du kuessest laenger nicht!
    Trink aus! kuess aus! Von dannen!”

    Niklas



    Mein Esel sicherlich
    Muss klueger sein, als ich.
    Ja, klueger muss er sein!
    Er fand sich selbst in Stall hinein,
    Und kam doch von der Traenke.
    Man denke!

    Phillis



    (1746)

    Wenn der finstre Damon spricht,
    Amor sei ein Ungeheuer,
    Seine Glut ein hoellisch Feuer!
    O so fuercht ich Amorn nicht.

    Aber hebt mein Thirsis an,
    Amor sei ein Kind zum Kuessen,
    Schalkhaft, schmeichelnd und beflissen:
    O wie fuercht ich Amorn dann!

    Phyllis an Damon



    Lehre mich, o Damon, singen,
    Singen, wie du trunken singst.
    Lass auch mich dir Lieder bringen,
    Wie du mir begeistert bringst.
    Wie du mich willst ewig singen,
    Moecht auch ich dich ewig singen.

    Durch des Weines Feuerkraefte,
    Nur durch sie singst du so schoen.
    Aber diese Goettersaefte
    Darf ich schmachtend nur besehn.
    Dir riet Venus Wein zu trinken,
    Mir riet sie, ihn nicht zu trinken.

    Was wird nun mein Lied beleben,
    Kann es dieser Trank nicht sein?—
    Wie? Du willst mir Kuesse geben,
    Kuesse, feuriger, als Wein?—
    Damon, ach! nach deinen Kuessen
    Werd ich wohl verstummen muessen.

    Phyllis lobt den Wein



    Seht, mein Damon tanzt und springet!
    Seht, wie wiegt er Leib und Fuss!
    Seht, mein Damon lacht und singet,
    Singt von Ruhe, Wein und Kuss.
    Seht, wie Mund und Augen gluehn!
    Wir beleben uns durch ihn.

    Hoert die ungezwungnen Scherze!
    Hoert, die Liebe scherzt durch ihn!
    Wie die Daemmrung vor der Kerze
    Seht die Schwermut vor ihm fliehn.
    Seht, er taumelt, wankt im Gehn,
    Seht, sogar er taumelt schoen.

    Seht, wie locken seine Lippen!
    Seht, wie glueht sein Mund so rot!
    Machet mich, ihr roten Lippen,
    Macht mich halbgezwungen rot!
    Ja, er koemmt, er kuesset mich.
    O wie feurig kuesst er mich!

    Wein, du Wein hast ihn begeistert,
    Du teilst ihm dein Feuer mit.
    Durch dich kuesst er so begeistert,
    Und teilt mir sein Feuer mit.
    Drum soll, wie von ihm, der Wein
    Auch von mir vergoettert sein!

    Refutatio Papatus



    Nein, nein! durchaus ich glaube nicht,
    Was Petri falscher Folger spricht;
    Dass jene Buecher goettlich waeren,
    Die, zu der Juden steten Ehren,
    Uns von des Maccabaeus Helden
    Und ihren heilgen Schlachten melden.

    Hoert meinen neu erfundnen Grund!
    Es machte mir der Wein ihn kund;
    Der Wein, der stets zur Wahrheit leitet.
    Oh, dass ihr Theologen streitet,
    Und streitet, ohne Wein zu trinken!
    So muesst ihr stets in Irrtum sinken.

    Der Schluss* von diesen Buechern sagt:
    (Worueber Wein und Wahrheit klagt)
    “Den Durst sich stets mit Wein zu stillen,
    Das bringet eklen Widerwillen.
    Bald Wasser, und bald Wein geniessen,
    Das muss uns den Gebrauch versuessen.”

    Was gilts? wer luegt, ist nicht von GOtt.
    Haha! Herr Papst! ihr werdet rot,
    Und seht die Wahrheit meiner Saetze.
    Oh, wenn ich mich im Wein ergetze,
    Glaubt ihr, ich wuenscht ihn einst zu lassen?
    Ich muesste meine Wohlfahrt hassen.

    L.

    * Allezeit Wein und Wasser trinken, ist nicht lustig; sondern
    zuweilen Wein, zuweilen Wasser trinken, das ist lustig. 2. B. d.
    Makkab. 15. Kap. 40. V.

    Salomon



    Lobt mir Davids weisen Sohn!
    Auch bei Lieb und Wein und Scherzen
    War er doch nach Gottes Herzen.
    Brueder, lobt den Salomon.
    Brueder, lasst sein Lob erschallen!
    Doch vor allen
    Lobt mir seinen weisen Schluss:
    Wer viel lernt hat viel Verdruss!

    Dieses lasst mir Wahrheit sein!
    Diese Wahrheit stets zu lieben
    Hat mich die Natur getrieben,
    Die Natur und Lieb und Wein.
    Ehrt mit mir den weisen Koenig!
    Lernet wenig!
    Brueder, und erwaegt den Schluss:
    Wer viel lernt hat viel Verdruss!

    Trinklied



    Voll, voll, voll,
    Freunde, macht euch voll!
    Wein, Wein, Wein,
    Freunde, schenkt ihn ein!
    Kuesst, kuesst, kuesst,
    Die euch wieder kuesst!
    Voll von Wein,
    Voll von Liebe,
    Voll von Wein und Liebe,
    Freunde, voll zu sein,
    Kuesst und schenket ein!

    Wem ich zu gefallen suche, und nicht suche



    Alten, alt zu unsrer Pein,
    Denen von der Lust im Lieben,
    Von der Jugend, von dem Wein,
    Das Erinnern kaum geblieben;
    Weibern, die der Taufschein drueckt,
    Wenn ihr Reiz der sonst entzueckt,
    Sonst gestritten, sonst gesiegt,
    Unter Schichten Runzeln liegt;
    Dichtern, die den Wein nicht loben,
    Die die Liebe nicht erhoben;
    Maegdchen, die nicht Gleimen kennen,
    Rosten nicht vortrefflich nennen;
    Weisen, die mit leeren Grillen
    Leere Koepfe strotzend fuellen;
    Maennern, die die Sitten lehren,
    Und dich, Molier, nicht ehren,
    Stolz auf ihr Systema sehn,
    Und dich muntern Schauplatz schmaehn;
    Handelsleuten, die das Geld,
    Und ihr Stolz zu Fuersten stellt;
    Falschen Priestern, die die Tugend,
    Mir nicht munter wie die Jugend,
    Mir nicht schmackhaft, mir nicht suesse,
    Wie den Wein, und wie die Kuesse,
    Mir nicht reizend, wie die Strahlen,
    Aus der Phyllis Augen malen;
    Stutzern, deren weisser Scheitel,
    Deren reich und witzge Tracht,
    Dummgelobte Schoenen eitel,
    Und zu ihresgleichen macht;
    Unversuchten stolzen Kriegern;
    Aufgeblasnen Federsiegern;
    Aeltlichklugen jungen Leuten;
    Seufzenden nach bessern Zeiten;
    Schwermutsvollen Gallenchristen;
    Allen Narren, die sich isten;
    Zum Exempel, Pietisten;
    Zum Exempel, Atheisten;
    Zum Exempel, Rabulisten;
    Operisten und Chymisten;
    Quietisten und Sophisten;
    Und nicht wenigen Juristen;
    Publizisten und Statisten;
    Und nicht wenigen Linguisten;
    Und nicht wenigen Stylisten;
    Und nicht wenig Komponisten——
    O der Atem will mir fehlen
    Alle Narren zu erzaehlen——
    Allen, die mich tadelnd hassen,
    Die mein Leben voller Freude
    Mich nicht, aus verstelltem Neide,
    Ungestoert geniessen lassen;
    Diesen Toren, diesen allen
    Mag ich ** nicht gefallen,
    Mag ich, sag ich, nicht gefallen.

    *

    Alten, die der Wein verjuengt,
    Die mit zitternd schwachen Toenen,
    Wenn die Jugend munter singt,
    Ihr noch gleich zu sein sich sehnen;
    Weibern, die, was an sich zieht,
    Reiz und Jugend noch nicht flieht,
    Die des Schicksals harte Hand
    Weibschen Maennern zugewandt;
    Jungen Witwen, die sich graemen
    Flor und Trauer um zu nehmen,
    Und mit schwergereizten Zaehren
    Nur den andern Mann begehren;
    Dichtern, die wie Dichter kuessen,
    Nichts als sich zu freuen wissen;
    Dichtern, die wie Dichter zechen,
    Nie versagten Beifall raechen;
    Dichtern, die bei Kuss und Wein
    Miltons lassen Miltons sein;
    Dichtern, die im Scherze stark,
    Mit Geschichten voller Mark,
    Muntern Maegdchen munter lehren,
    Was die Muetter ihnen wehren;
    Dichtern, die mich spottend bessern,
    Kleine Fehlerchen vergroessern,
    Dass ich sie in ihrem Spiele
    Desto laecherlicher fuehle;
    Rednern, die stark im Verstellen
    Uns vergnuegend hintergehn,
    Wenn wir sie in zwanzig Faellen
    Zwanzigmal nicht selber sehn,
    Bald als Unglueckshelden sprechen,
    Bald die Tugend spottend raechen,
    Bald als Koenige befehlen,
    Bald als alte Maenner schmaelen;
    Kuenstlern, die auf Zaubersaiten
    Sorg und Harm durchs Ohr bestreiten,
    Und mit heilsam falschen Leide
    Daempfen uebermaessge Freude;
    Federbueschen, die nicht prahlen;
    Reichen, welche reich bezahlen;
    Kriegern, die ihr Leben wagen;
    Armen, welche nicht verzagen;
    Allen liebenswuerdgen Maegdchen,
    Liebenswuerdgen weissen Maegdchen,
    Liebenswuerdgen braunen Maegdchen,
    Liebenswuerdgen stillen Maegdchen,
    Liebenswuerdgen muntern Maegdchen,
    Waeren es gleich Buergermaegdchen,
    Waeren es gleich Kaufmannsmaegdchen,
    Waeren es gleich Priestermaegdchen,
    Waeren es gleich Karnmermaegdchen,
    Waeren es gleich Bauermaegdchen,
    Wenn sie nur die Liebe fuehlen,
    Lachen, scherzen, kuessen, spielen;
    Diesen, Freunde, diesen allen
    Wuensch ich ** zu gefallen,
    Wuensch ich, sag ich, zu gefallen.

    [Aus einem Abschiedsgedicht an Mylius]



    (1753)

    Wohin, wohin treibt dich mit blutgen Sporen
    Die Wissbegier, dich, ihren Held?
    Du eilst, o Mylius! im Auge feiger Toren
    Zur kuenftgen, nicht zur neuen Welt.