Roemische Elegien

Johann Wolfgang von Goethe

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    Roemische Elegien

    Johann Wolfgang Goethe


    Wie wir einst so gluecklich waren,
    Muessens jetzt durch euch erfahren.



    1.



    Saget, Steine, mir an, o sprecht, ihr hohen Palaeste!
    Strassen, redet ein Wort! Genius, regst du dich nicht?
    Ja, es ist alles beseelt in deinen heiligen Mauern,
    Ewige Roma; nur mir schweiget noch alles so still.
    O wer fluestert mir zu, an welchem Fenster erblick ich
    Einst das holde Geschoepf, das mich versengend erquickt?
    Ahn ich die Wege noch nicht, durch die ich immer und immer
    Zu ihr und von ihr zu gehn, opfre die koestliche Zeit?
    Noch betracht ich Kirch und Palast, Ruinen und Saeulen,
    Wie ein bedaechtiger Mann schicklich die Reise benutzt.
    Doch bald ist es vorbei: dann wird ein einziger Tempel
    Amors Tempel nur sein, der den Geweihten empfaengt.
    Eine Welt zwar bist du, o Rom; doch ohne die Liebe
    Waere die Welt nicht die Welt, waere denn Rom auch nicht Rom.

    2.



    Ehret, wen ihr auch wollt! Nun bin ich endlich geborgen!
    Schoene Damen und ihr, Herren der feineren Welt,
    Fraget nach Oheim und Vetter und alten Muhmen und Tanten,
    Und dem gebundnen Gespraech folge das traurige Spiel.
    Auch ihr uebrigen fahret mir wohl, in grossen und kleinen
    Zirkeln, die ihr mich oft nah der Verzweiflung gebracht,
    Wiederholet, politisch und zwecklos, jegliche Meinung,
    Die den Wandrer mit Wut ueber Europa verfolgt.
    So verfolgte das Liedchen “Malbrough” den reisenden Briten
    Einst von Paris nach Livorn, dann von Livorno nach Rom,
    Weiter nach Napel hinunter, und waer er nach Smyrna gesegelt,
    Malbrough! empfing ihn auch dort, Malbrough! im Hafen das Lied.
    Und so musst ich bis jetzt auf allen Tritten und Schritten
    Schelten hoeren das Volk, schelten der Koenige Rat.
    Nun entdeckt ihr mich nicht sobald in meinem Asyle,
    Das mir Amor der Fuerst, koeniglich schuetzend, verlieh.
    Hier bedecket er mich mit seinem Fittich; die Liebste
    Fuerchtet, roemisch gesinnt, wuetende Gallier nicht:
    Sie erkundigt sich nie nach neuer Maere, sie spaehet
    Sorglich den Wuenschen des Manns, dem sie sich eignete, nach.
    Sie ergoetzt sich an ihm, dem freien, ruestigen Fremden,
    Der von Bergen und Schnee, hoelzernen Haeusern erzaehlt;
    Teilt die Flammen, die sie in seinem Busen entzuendet,
    Freut sich, dass er das Gold nicht wie der Roemer bedenkt.
    Besser ist ihr Tisch nun bestellt; es fehlet an Kleidern,
    Fehlet am Wagen ihr nicht, der nach der Oper sie bringt.
    Mutter und Tochter erfreun sich ihres nordischen Gastes,
    Und der Barbare beherrscht roemischen Busen und Leib.

    3.



    Lass dich, Geliebte, nicht reun, dass du mir so schnell dich ergeben!
    Glaub es, ich denke nicht frech, denke nicht niedrig von dir.
    Vielfach wirken die Pfeile des Amors: einige ritzen,
    Und vom schleichenden Gift kranket auf Jahre das Herz.
    Aber maechtig befiedert, mit frisch geschliffener Schaerfe
    Dringen die andern ins Mark, zuenden behende das Blut.
    In der heroischen Zeit, da Goetter und Goettinnen liebten,
    Folgte Begierde dem Blick, folgte Genuss der Begier.
    Glaubst du, es habe sich lang die Goettin der Liebe besonnen,
    Als im Idaeischen Hain einst ihr Anchises gefiel?
    Haette Luna gesaeumt, den schoenen Schlaefer zu kuessen,
    O, so haett ihn geschwind, neidend, Aurora geweckt.
    Hero erblickte Leandern am lauten Fest, und behende
    Stuerzte der Liebende sich heiss in die naechtliche Flut.
    Rhea Silvia wandert, die fuerstliche Jungfrau, den Tiber,
    Wasser zu schoepfen, hinab, und sie ergreifet der Gott.
    So erzeugte die Soehne sich Mars!—Die Zwillinge traenket
    Eine Woelfin, und Rom nennt sich die Fuerstin der Welt.

    4.



    Fromm sind wir Liebende, still verehren wir alle Daemonen,
    Wuenschen uns jeglichen Gott, jegliche Goettin geneigt.
    Und so gleichen wir euch, o roemische Sieger! Den Goettern
    Aller Voelker der Welt bietet ihr Wohnungen an,
    Habe sie schwarz und streng aus altem Basalt der Aegypter,
    Oder ein Grieche sie weiss, reizend, aus Marmor geformt.
    Doch verdriesset es nicht die Ewigen, wenn wir besonders
    Weihrauch koestlicher Art einer der Goettlichen streun.
    Ja, wir bekennen euch gern: es bleiben unsre Gebete,
    Unser taeglicher Dienst Einer besonders geweiht.
    Schalkhaft, munter und ernst begehen wir heimliche Feste,
    Und das Schweigen geziemt allen Geweihten genau.
    Eh' an die Ferse lockten wir selbst durch graessliche Taten
    Uns die Erinnyen her, wagten es eher, des Zeus
    Hartes Gericht am rollenden Rad und Felsen zu dulden,
    Als dem reizenden Dienst unser Gemuet zu entziehn.
    Diese Goettin, sie heisst Gelegenheit, lernet sie kennen!
    Sie erscheinet euch oft, immer in andrer Gestalt.
    Tochter des Proteus moechte sie sein, mit Thetis gezeuget,
    Deren verwandelte List manchen Heroen betrog.
    So betruegt nun die Tochter den Unerfahrnen, den Bloeden:
    Schlummernde necket sie stets, Wachende fliegt sie vorbei;
    Gern ergibt sie sich nur dem raschen, taetigen Manne,
    Dieser findet sie zahm, spielend und zaertlich und hold.
    Einst erschien sie auch mir, ein braeunliches Maedchen, die Haare
    Fielen ihr dunkel und reich ueber die Stirne herab,
    Kurze Locken ringelten sich ums zierliche Haelschen,
    Ungeflochtenes Haar krauste vom Scheitel sich auf.
    Und ich verkannte sie nicht, ergriff die Eilende: lieblich
    Gab sie Umarmung und Kuss bald mir gelehrig zurueck.
    O wie war ich beglueckt!—Doch stille, die Zeit ist vorueber,
    Und umwunden bin ich, roemische Flechten, von euch.

    5.



    Froh empfind ich mich nun auf klassischem Boden begeistert,
    Vor- und Mitwelt spricht lauter und reizender mir.
    Hier befolg ich den Rat, durchblaettre die Werke der Alten
    Mit geschaeftiger Hand, taeglich mit neuem Genuss.
    Aber die Naechte hindurch haelt Amor mich anders beschaeftigt;
    Werd ich auch halb nur gelehrt, bin ich doch doppelt beglueckt.
    Und belehr ich mich nicht, indem ich des lieblichen Busens
    Formen spaehe, die Hand leite die Hueften hinab?
    Dann versteh ich den Marmor erst recht: ich denk und vergleiche,
    Sehe mit fuehlendem Aug, fuehle mit sehender Hand.
    Raubt die Liebste denn gleich mir einige Stunden des Tages,
    Gibt sie Stunden der Nacht mir zur Entschaedigung hin.
    Wird doch nicht immer gekuesst, es wird vernuenftig gesprochen,
    Ueberfaellt sie der Schlaf, lieg ich und denke mir viel.
    Oftmals hab ich auch schon in ihren Armen gedichtet
    Und des Hexameters Mass leise mit fingernder Hand
    Ihr auf den Ruecken gezaehlt. Sie atmet in lieblichem Schlummer,
    Und es durchgluehet ihr Hauch mir bis ins Tiefste die Brust.
    Amor schueret die Lamp' indes und gedenket der Zeiten,
    Da er den naemlichen Dienst seinen Triumvirn getan.

    6.



    “Kannst du, o Grausamer, mich mit solchen Worten betrueben?
    Reden so bitter und hart liebende Maenner bei euch?
    Wenn das Volk mich verklagt, ich muss es dulden! und bin ich
    Etwa nicht schuldig? Doch ach! Schuldig nur bin ich mit dir!
    Diese Kleider, sie sind der neidischen Nachbarin Zeugen,
    Dass die Witwe nicht mehr einsam den Gatten beweint.
    Bist du ohne Bedacht nicht oft bei Mondschein gekommen,
    Grau, im dunklen Surtout, hinten gerundet das Haar?
    Hast du dir scherzend nicht selbst die geistliche Maske gewaehlet?
    Soll's ein Praelate denn sein—gut, der Praelate bist du!
    In dem geistlichen Rom, kaum scheint es zu Glaubens, doch schwoer ich:
    Nie hat ein Geistlicher sich meiner Umarmung gefreut.
    Arm bin ich, leider! und jung, und wohlbekannt den Verfuehrern:
    Falconieri hat mir oft in die Augen gegafft,
    Und ein Kuppler Albanis mich mit gewichtigen Zetteln
    Bald nach Ostia, bald nach den vier Brunnen gelockt.
    Aber wer nicht kam, war das Maedchen. So hab ich von Herzen
    Rotstrumpf immer gehasst und Violettstrumpf dazu.
    Denn >ihr Maedchen bleibt am Ende doch die Betrognen<
    Sagte der Vater, wenn auch leichter die Mutter es nahm.
    Und so bin ich denn auch am Ende betrogen! Du zuernest
    Nur zum Scheine mit mir, weil du zu fliehen gedenkst.
    Geh! Ihr seid der Frauen nicht wert! Wir tragen die Kinder
    Unter dem Herzen, und so tragen die Treue wir auch;
    Aber ihr Maenner, ihr schuettet mit eurer Kraft und Begierde
    Auch die Liebe zugleich in den Umarmungen aus!”
    Also sprach die Geliebte und nahm den Kleinen vom Stuhle,
    Drueckt ihn kuessend ans Herz, Traenen entquollen dem Blick.
    Und wie sass ich beschaemt, dass Reden feindlicher Menschen
    Dieses liebliche Bild mir zu beflecken vermocht!
    Dunkel brennt das Feuer nur augenblicklich und dampfet,
    Wenn das Wasser die Glut stuerzend und jaehlings verhuellt;
    Aber sie reinigt sich schnell, verjagt die truebenden Daempfe,
    Neuer und maechtiger dringt leuchtende Flamme hinauf.

    7.



    O wie fuehl ich in Rom mich so froh, gedenk ich der Zeiten,
    Da mich ein graulicher Tag hinten im Norden umfing,
    Truebe der Himmel und schwer auf meine Scheitel sich senkte,
    Farb- und gestaltlos die Welt um den Ermatteten lag,
    Und ich ueber mein Ich, des unbefriedigten Geistes
    Duestre Wege zu spaehn, still in Betrachtung versank.
    Nun umleuchtet der Glanz des helleren Aethers die Stirne.
    Phoebus rufet, der Gott, Formen und Farben hervor.
    Sternhell glaenzet die Nacht, sie klingt von weichen Gesaengen,
    Und mir leuchtet der Mond heller als nordischer Tag.
    Welche Seligkeit ward mir Sterblichem! Traeum ich? Empfaenget
    Dein ambrosisches Haus, Jupiter Vater, den Gast?
    Ach, hier lieg ich und strecke nach deinen Knieen die Haende
    Flehend aus. O vernimm, Jupiter Xenius, mich!
    Wie ich hereingekommen, ich kanns nicht sagen: es fasste
    Hebe den Wandrer und zog mich in die Hallen heran.
    Hast du ihr einen Heroen herauf zu fuehren geboten?
    Irrte die Schoene? Vergib! Lass mir des Irrtums Gewinn!
    Deine Tochter Fortuna, sie auch! die herrlichsten Gaben
    Teilt als ein Maedchen sie aus, wie es die Laune gebeut.
    Bist du der wirtliche Gott? O dann so verstosse den Gastfreund
    Nicht von deinem Olymp wieder zur Erde hinab!
    “Dichter! Wohin versteigest du dich?”—Vergib mir: der hohe
    Kapitolinische Berg ist dir ein zweiter Olymp.
    Dulde mich, Jupiter, hier, und Hermes fuehre mich spaeter
    Cestius Mal vorbei, leise zum Orkus hinab.

    8.



    Wenn du mir sagst, du habest als Kind, Geliebte, den Menschen
    Nicht gefallen, und dich habe die Mutter verschmaeht,
    Bis du groesser geworden und still dich entwickelt—ich glaub es:
    Gerne denk ich mir dich als ein besonderes Kind.
    Fehlet Bildung und Farbe doch auch der Bluete des Weinstocks,
    Wenn die Beere, gereift, Menschen und Goetter entzueckt.

    9.



    Herbstlich leuchtet die Flamme vom laendlich geselligen Herde,
    Knistert und glaenzet, wie rasch! sausend vom Reisig empor.
    Diesen Abend erfreut sie mich mehr: denn eh noch zur Kohle
    Sich das Buendel verzehrt, unter die Asche sich neigt,
    Kommt mein liebliches Maedchen. Dann flammen Reisig und Scheite,
    Und die erwaermte Nacht wird uns ein glaenzendes Fest.
    Morgen fruehe geschaeftig verlaesst sie das Lager der Liebe,
    Weckt aus der Asche behend Flammen aufs neue hervor.
    Denn vor andern verlieh der Schmeichlerin Amor die Gabe,
    Freude zu wecken, die kaum still wie zu Asche versank.

    10.



    Alexander und Caesar und Heinrich und Friedrich, die Grossen,
    Gaeben die Haelfte mir gern ihres erworbenen Ruhms,
    Koennt ich auf eine Nacht dies Lager jedem vergoennen;
    Aber die Armen, sie haelt strenge des Orkus Gewalt.
    Freue dich also, Lebendger, der lieberwaermeten Staette,
    Ehe den fliehenden Fuss schauerlich Lethe dir netzt.

    11.



    Euch, o Grazien, legt die wenigen Blaetter ein Dichter
    Auf den reinen Altar, Knospen der Rose dazu,
    Und er tut es getrost. Der Kuenstler freuet sich seiner
    Werkstatt, wenn sie um ihn immer ein Pantheon scheint.
    Jupiter senket die goettliche Stirn, und Juno erhebt sie;
    Phoebus schreitet hervor, schuettelt das lockige Haupt;
    Trocken schaut Minerva herab und Hermes, der leichte,
    Wendet zur Seite den Blick, schalkisch und zaertlich zugleich.
    Aber nach Bacchus, dem weichen, dem traeumenden, hebet Cythere
    Blicke der suessen Begier, selbst in dem Marmor noch feucht.
    Seiner Umarmung gedenket sie gern und scheinet zu fragen:
    Sollte der herrliche Sohn uns an der Seite nicht stehn?

    12.



    Hoerest du, Liebchen, das muntre Geschrei den Flaminischen Weg her?
    Schnitter sind es; sie ziehn wieder nach Hause zurueck,
    Weit hinweg. Sie haben des Roemers Ernte vollendet,
    Der fuer Ceres den Kranz selber zu flechten verschmaeht.
    Keine Feste sind mehr der grossen Goettin gewidmet,
    Die, statt Eicheln, zur Kost goldenen Weizen verlieh.
    Lass uns beide das Fest im stillen freudig begehen!
    Sind zwei Liebende doch sich ein versammeltes Volk.
    Hast du wohl je gehoert von jener mystischen Feier,
    Die von Eleusis hieher fruehe dem Sieger gefolgt?
    Griechen stifteten sie, und immer riefen nur Griechen,
    Selbst in den Mauern Roms: “Kommt zur geheiligten Nacht!”
    Fern entwich der Profane; da bebte der wartende Neuling,
    Den ein weisses Gewand, Zeichen der Reinheit, umgab.
    Wunderlich irrte darauf der Eingefuehrte durch Kreise
    Seltner Gestalten; im Traum schien er zu wallen: denn hier
    Wanden sich Schlangen am Boden umher, verschlossene Kaestchen,
    Reich mit Aehren umkraenzt, trugen hier Maedchen vorbei,
    Vielbedeutend gebaerdeten sich die Priester und summten;
    Ungeduldig und bang harrte der Lehrling auf Licht.
    Erst nach mancherlei Proben und Pruefungen ward ihm enthuellet,
    Was der geheiligte Kreis seltsam in Bildern verbarg.
    Und was war das Geheimnis? als dass Demeter, die grosse,
    Sich gefaellig einmal auch einem Helden bequemt,
    Als sie Jasion einst, dem ruestigen Koenig der Kreter,
    Ihres unsterblichen Leibs holdes Verborgne gegoennt.
    Das war Kreta beglueckt! das Hochzeitsbette der Goettin
    Schwoll von Aehren, und reich drueckte den Acker die Saat.
    Aber die uebrige Welt verschmachtete; denn es versaeumte
    Ueber der Liebe Genuss Ceres den schoenen Beruf.
    Voll Erstaunen vernahm der Eingeweihte das Maerchen,
    Winkte der Liebsten—Verstehst du nun, Geliebte, den Wink?
    Jene buschige Myrte beschattet ein heiliges Plaetzchen!
    Unsre Zufriedenheit bringt keine Gefaehrde der Welt.

    13.



    Amor bleibet ein Schalk, und wer ihm vertraut, ist betrogen!
    Heuchelnd kam er zu mir: “Diesmal nur traue mir noch.
    Redlich mein ichs mit dir: du hast dein Leben und Dichten,
    Dankbar erkenn ich es wohl, meiner Verehrung geweiht.
    Siehe, dir bin ich nun gar nach Rom gefolget! Ich moechte
    Dir im fremden Gebiet gern was Gefaelliges tun.
    Jeder Reisende klagt, er finde schlechte Bewirtung;
    Welchen Amor empfiehlt, koestlich bewirtet ist er.
    Du betrachtest mit Staunen die Truemmer alter Gebaeude
    Und durchwandelst mit Sinn diesen geheiligten Raum.
    Du verehrest noch mehr die werten Reste des Bildens
    Einziger Kuenstler, die stets ich in der Werkstatt besucht.
    Diese Gestalten, ich formte sie selbst! Verzeih mir, ich prahle
    Diesmal nicht; du gestehst, was ich dir sage, sei wahr.
    Nun du mir laessiger dienst, wo sind die schoenen Gestalten,
    Wo die Farben, der Glanz deiner Erfindungen hin?
    Denkst du nun wieder zu bilden, Freund? Die Schule der Griechen
    Blieb noch offen, das Tor schlossen die Jahre nicht zu.
    Ich, der Lehrer, bin ewig jung und liebe die Jungen.
    Altklug lieb ich dich nicht! Munter! Begreife mich wohl!
    War das Antike doch neu, da jene Gluecklichen lebten!
    Lebe gluecklich, und so lebe die Vorzeit in dir!
    Stoff zum Liede, wo nimmst du ihn her? Ich muss ihn dir geben,
    Und den hoeheren Stil lehret die Liebe dich nur.”
    Also sprach der Sophist. Wer widerspricht ihm? und leider
    Bin ich zu folgen gewoehnt, wenn der Gebieter befiehlt.—
    Nun, verraeterisch haelt er sein Wort, gibt Stoff zu Gesaengen,
    Ach, und raubt mir die Zeit, Kraft und Besinnung zugleich;
    Blick und Haendedruck, und Kuesse, gemuetliche Worte,
    Silben koestlichen Sinns wechselt ein liebendes Paar.
    Da wird Lispeln Geschwaetz, wird Stottern liebliche Rede:
    Solch ein Hymnus verhallt ohne prosodisches Mass.
    Dich, Aurora, wie kannt ich dich sonst als Freundin der Musen!
    Hat, Aurora, dich auch Amor, der lose, verfuehrt?
    Du erscheinest mir nun als seine Freundin und weckest
    Mich an seinem Altar wieder zum festlichen Tag.
    Find ich die Fuelle der Locken an meinem Busen! das Koepfchen
    Ruhet und druecket den Arm, der sich dem Halse bequemt.
    Welch ein freudig Erwachen, erhieltet ihr, ruhige Stunden,
    Mir das Denkmal der Lust, die in den Schlaf uns gewiegt!—
    Sie bewegt sich im Schlummer und sinkt auf die Breite des Lagers,
    Weggewendet; und doch laesst sie mir Hand noch in Hand.
    Herzliche Liebe verbindet uns stets und treues Verlangen,
    Und den Wechsel behielt nur die Begierde sich vor.
    Einen Druck der Hand, ich sehe die himmlischen Augen
    Wieder offen.—O nein! Lasst auf der Bildung mich ruhn!
    Bleibt geschlossen! Ihr macht mich verwirrt und trunken, ihr raubet
    Mir den stillen Genuss reiner Betrachtung zu frueh.
    Diese Formen, wie gross! Wie edel gewendet die Glieder!
    Schlief Ariadne so schoen: Theseus, du konntest entfliehn?
    Diesen Lippen ein einziger Kuss! O Theseus, nun scheide!
    Blick ihr ins Auge! Sie wacht!—Ewig nun haelt sie dich fest.

    14.



    Zuende mir Licht an, Knabe!—“Noch ist es hell. Ihr verzehret
    Oel und Docht nur umsonst. Schliesset die Laeden doch nicht!
    Hinter die Haeuser entwich, nicht hinter den Berg, uns die Sonne!
    Ein halb Stuendchen noch waehrts bis zum Gelaeute der Nacht!”—
    Unglueckseliger! Geh und gehorch! Mein Maedchen erwart ich.
    Troeste mich, Laempchen, indes, lieblicher Bote der Nacht!

    15.



    Caesarn waer ich wohl nie zum fernen Britannien gefolget,
    Florus haette mich leicht in die Popine geschleppt!
    Denn mir bleiben weit mehr die Nebel des traurigen Nordens
    Als ein geschaeftiges Volk suedlicher Floehe verhasst.
    Und noch schoener von heut an seid mir gegruesset, ihr Schenken,
    Osterien, wie euch schicklich der Roemer benennt;
    Denn ihr zeiget mir heute die Liebste, begleitet vom Oheim,
    Den die Gute so oft, mich zu besitzen, betruegt.
    Hier stand unser Tisch, den Deutsche vertraulich umgaben;
    Drueben suchte das Kind neben der Mutter den Platz,
    Rueckte vielmals die Bank und wusst es artig zu machen,
    Dass ich halb ihr Gesicht, voellig den Nacken gewann.
    Lauter sprach sie, als hier die Roemerin pfleget, kredenzte,
    Blickte gewendet nach mir, goss und verfehlte das Glas.
    Wein floss ueber den Tisch, und sie, mit zierlichem Finger,
    Zog auf dem hoelzernen Blatt Kreise der Feuchtigkeit hin.
    Meinen Namen verschlang sie dem ihrigen; immer begierig
    Schaut ich dem Fingerchen nach, und sie bemerkte mich wohl.
    Endlich zog sie behende das Zeichen der roemischen Fuenfe
    Und ein Strichlein davor. Schnell, und sobald ichs gesehn,
    Schlang sie Kreise durch Kreise, die Lettern und Ziffern zu loeschen;
    Aber die koestliche Vier blieb mir ins Auge gepraegt.
    Stumm war ich sitzen geblieben und biss die gluehende Lippe,
    Halb aus Schalkheit und Lust, halb aus Begierde, mir wund.
    Erst noch so lange bis Nacht! Dann noch vier Stunden zu warten!
    Hohe Sonne, du weilst, und du beschauest dein Rom!
    Groesseres sahest du nichts und wirst nichts Groesseres sehen,
    Wie es dein Priester Horaz in der Entzueckung versprach.
    Aber heute verweile mir nicht und wende die Blicke
    Von dem Siebengebirg frueher und williger ab!
    Einem Dichter zuliebe verkuerze die herrlichen Stunden,
    Die mit begierigem Blick selig der Maler geniesst;
    Gluehend blicke noch schnell zu diesen hohen Fassaden,
    Kuppeln und Saeulen zuletzt und Obelisken herauf;
    Stuerze dich eilig ins Meer, um morgen frueher zu sehen,
    Was Jahrhunderte schon goettliche Lust dir gewaehrt:
    Diese feuchten, mit Rohr so lange bewachsnen Gestade,
    Diese mit Baeumen und Busch duester beschatteten Hoehn.
    Wenig Huetten zeigten sie erst; dann sahst du auf einmal
    Sie vom wimmelnden Volk gluecklicher Raeuber belebt.
    Alles schleppten sie drauf an diese Staette zusammen:
    Kaum war das uebrige Rund deiner Betrachtung noch wert.
    Sahst eine Welt hier entstehn, sahst dann eine Welt hier in Truemmern,
    Aus den Truemmern aufs neu fast eine groessere Welt!
    Dass ich diese noch lange von dir beleuchtet erblicke,
    Spinne die Parze mir klug langsam den Faden herab,
    Aber sie eile herbei, die schoen bezeichnete Stunde!—
    Gluecklich! hoer ich sie schon? Nein, doch ich hoere schon Drei.
    So, ihr lieben Musen, betrogt ihr wieder die Laenge
    Dieser Weile, die mich von der Geliebten getrennt.
    Lebet wohl! Nun eil ich und fuercht euch nicht zu beleidgen:
    Denn ihr Stolzen, ihr gebt Amorn doch immer den Rang.

    16.



    “Warum bist du, Geliebter, nicht heute zur Vigne gekommen?
    Einsam, wie ich versprach, wartet ich oben auf dich.”—
    Beste, schon war ich hinein; da sah ich zum Gluecke den Oheim
    Neben den Stoecken, bemueht, hin sich und her sich zu drehn.
    Schleichend eilt ich hinaus!—“O welch ein Irrtum ergriff dich!
    Eine Scheuche nur wars, was dich vertrieb! Die Gestalt
    Flickten wir emsig zusammen aus alten Kleidern und Rohren,
    Emsig half ich daran, selbst mir zu schaden bemueht.”—
    Nun, des Alten Wunsch ist erfuellt: den losesten Vogel
    Scheucht' er heute, der ihm Gaertchen und Nichte bestiehlt.

    17.



    Manche Toene sind mir Verdruss, doch bleibet am meisten
    Hundegebell mir verhasst: klaeffend zerreisst es mein Ohr.
    Einen Hund nur hoer ich sehr oft mit frohem Behagen
    Bellend klaeffen, den Hund, den sich der Nachbar erzog.
    Denn er bellte mir einst mein Maedchen an, da sie sich heimlich
    Zu mir stahl, und verriet unser Geheimnis beinah.
    Jetzo, hoer ich ihn bellen, so denk ich mir immer: sie kommt wohl!
    Oder ich denke der Zeit, da die Erwartete kam.

    18.



    Eines ist mir verdriesslich vor allen Dingen, ein andres
    Bleibt mir abscheulich, empoert jegliche Faser in mir,
    Nur der blosse Gedanke. Ich will es euch, Freunde, gestehen:
    Gar verdriesslich ist mir einsam das Lager zu Nacht.
    Aber ganz abscheulich ists, auf dem Wege der Liebe
    Schlangen zu fuerchten, und Gift unter den Rosen der Lust,
    Wenn im schoensten Moment der hin sich gebenden Freude
    Deinem sinkenden Haupt lispelnde Sorge sich naht.
    Darum macht Faustine mein Glueck: sie teilet das Lager
    Gern mit mir, und bewahrt Treue dem Treuen genau.
    Reizendes Hindernis will die rasche Jugend; ich liebe,
    Mich des versicherten Guts lange bequem zu erfreun.
    Welche Seligkeit ists! wir wechseln sichere Kuesse,
    Atem und Leben getrost saugen und floessen wir ein.
    So erfreuen wir uns der langen Naechte, wir lauschen,
    Busen an Busen gedraengt, Stuermen und Regen und Guss.
    Und so daemmert der Morgen heran; es bringen die Stunden
    Neue Blumen herbei, schmuecken uns festlich den Tag.
    Goennet mir, o Quiriten! das Glueck, und jedem gewaehre
    Aller Gueter der Welt erstes und letztes der Gott!

    19.



    Schwer erhalten wir uns den guten Namen, denn Fama
    Steht mit Amorn, ich weiss, meinem Gebieter, in Streit.
    Wisst ihr auch, woher es entsprang, dass beide sich hassen?
    Alte Geschichten sind das, und ich erzaehle sie wohl.
    Immer die maechtige Goettin, doch war sie fuer die Gesellschaft
    Unertraeglich, denn gern fuehrt sie das herrschende Wort;
    Und so war sie von je, bei allen Goettergelagen,
    Mit der Stimme von Erz, Grossen und Kleinen verhasst.
    So beruehmte sie einst sich uebermuetig, sie habe
    Jovis herrlichen Sohn ganz sich zum Sklaven gemacht.
    “Meinen Herkules fuehr ich dereinst, o Vater der Goetter",
    Rief triumphierend sie aus, “wiedergeboren dir zu.
    Herkules ist es nicht mehr, den dir Alkmene geboren:
    Seine Verehrung fuer mich macht ihn auf Erden zum Gott.
    Schaut er nach dem Olymp, so glaubst du, er schaue nach deinen
    Maechtigen Knieen—vergib! nur in den Aether nach mir
    Blickt der wuerdigste Mann, nur mich zu verdienen, durchschreitet
    Leicht sein maechtiger Fuss Bahnen, die keiner betrat;
    Aber auch ich begegn ihm auf seinen Wegen und preise
    Seinen Namen voraus, eh er die Tat noch beginnt.
    Mich vermaehlst du ihm einst: der Amazonen Besieger
    Werd auch meiner, und ihn nenn ich mit Freuden Gemahl!”
    Alles schwieg; sie mochten nicht gern die Prahlerin reizen:
    Denn sie denkt sich, erzuernt, leicht was Gehaessiges aus.
    Amorn bemerkte sie nicht: er schlich beiseite; den Helden
    Bracht er mit weniger Kunst unter der Schoensten Gewalt.
    Nun vermummt er sein Paar: ihr haengt er die Buerde des Loewen
    Ueber die Schultern und lehnt muehsam die Keule dazu,
    Drauf bespickt er mit Blumen des Helden straeubende Haare,
    Reichet den Rocken der Faust, die sich dem Scherze bequemt.
    So vollendet er bald die neckische Gruppe; dann laeuft er,
    Ruft durch den ganzen Olymp: “Herrliche Taten geschehn!
    Nie hat Erd und Himmel, die unermuedete Sonne
    Hat auf der ewigen Bahn keines der Wunder erblickt.”
    Alles eilte: sie glaubten dem losen Knaben, denn ernstlich
    Hatt er gesprochen; und auch Fama, sie blieb nicht zurueck.
    Wer sich freute, den Mann so tief erniedrigt zu sehen,
    Denkt ihr? Juno. Es galt Amorn ein freundlich Gesicht.
    Fama daneben, wie stand sie beschaemt, verlegen, verzweifelnd!
    Anfangs lachte sie nur: “Masken, ihr Goetter, sind das!
    Meinen Helden, ich kenn ihn zu gut! Es haben Tragoeden
    Uns zum besten!” Doch bald sah sie mit Schmerzen: er wars!—
    Nicht den tausendsten Teil verdross es Vulkanen, sein Weibchen
    Mit dem ruestigen Freund unter den Maschen zu sehn,
    Als das verstaendige Netz im rechten Moment sie umfasste,
    Rasch die Verschlungnen umschlang, fest die Geniessenden hielt.
    Wie sich die Juenglinge freuten, Merkur und Bacchus! sie beide
    Mussten gestehn: es sei, ueber dem Busen zu ruhn
    Dieses herrlichen Weibes, ein schoener Gedanke. Sie baten:
    Loese, Vulkan, sie noch nicht! Lass sie noch einmal besehn!
    Und der Alte war so Hahnrei, und hielt sie nur fester.—
    Aber Fama, sie floh rasch und voll Grimmes davon.
    Seit der Zeit ist zwischen den Zweien der Fehde nicht Stillstand:
    Wie sie sich Helden erwaehlt, gleich ist der Knabe danach.
    Wer sie am hoechsten verehrt, den weiss er am besten zu fassen,
    Und den Sittlichsten greift er am gefaehrlichsten an.
    Will ihm einer entgehn, den bringt er vom Schlimmen ins Schlimmste.
    Maedchen bietet er an: wer sie ihm toericht verschmaeht,
    Muss erst grimmige Pfeile von seinem Bogen erdulden;
    Mann erhitzt er auf Mann, treibt die Begierden aufs Tier,
    Wer sich seiner schaemt, der muss erst leiden; dem Heuchler
    Streut er bittern Genuss unter Verbrechen und Not.
    Aber auch sie, die Goettin, verfolgt ihn mit Augen und Ohren:
    Sieht sie ihn einmal bei dir, gleich ist sie feindlich gesinnt,
    Schreckt dich mit ernstem Blick, verachtenden Mienen, und heftig
    Strenge verruft sie das Haus, das er gewoehnlich besucht.
    Und so geht es auch mir: schon leid ich ein wenig; die Goettin,
    Eifersuechtig, sie forscht meinem Geheimnisse nach.
    Doch es ist ein altes Gesetz: ich schweig und verehre:
    Denn der Koenige Zwist buessten die Griechen wie ich.

    20.



    Zieret Staerke den Mann und freies mutiges Wesen,
    O! so ziemet ihm fast tiefes Geheimnis noch mehr.
    Staedtebezwingerin du, Verschwiegenheit! Fuerstin der Voelker!
    Teure Goettin, die mich sicher durchs Leben gefuehrt,
    Welches Schicksal erfahr ich! Es loeset scherzend die Muse,
    Amor loeset, der Schalk, mir den verschlossenen Mund.
    Ach, schon wird es so schwer, der Koenige Schande verbergen!
    Weder die Krone bedeckt, weder ein phrygischer Bund
    Midas verlaengertes Ohr: der naechste Diener entdeckt es,
    Und ihm aengstet und drueckt gleich das Geheimnis die Brust,
    In die Erde vergrueb er es gern, um sich zu erleichtern;
    Doch die Erde verwahrt solche Geheimnisse nicht,
    Rohre spriessen hervor und rauschen und lispeln im Winde:
    Midas! Midas, der Fuerst traegt ein verlaengertes Ohr!
    Schwerer wird es nun mir, ein schoenes Geheimnis zu wahren,
    Ach, den Lippen entquillt Fuelle des Herzens so leicht!
    Keiner Freundin darfs ich vertraun: sie moechte mich schelten;
    Keinem Freunde: vielleicht braechte der Freund mir Gefahr.
    Mein Entzuecken dem Hain, den schallenden Felsen zu sagen,
    Bin ich endlich nicht jung, bin ich nicht einsam genug.
    Dir, Hexameter, dir, Pentameter, sei es vertrauet,
    Wie sie des Tags mich erfreut, wie sie des Nachts mich beglueckt.
    Sie, von vielen Maennern gesucht, vermeidet die Schlingen,
    Die ihr der Kuehnere frech, heimlich der Listige legt;
    Klug und zierlich schluepft sie vorbei und kennet die Wege,
    Wo sie der Liebste gewiss lauschend begierig empfaengt.
    Zaudre, Luna, sie kommt! damit sie der Nachbar nicht sehe;
    Rausche, Lueftchen, im Laub! niemand vernehme den Tritt.
    Und ihr, wachset und blueht, geliebte Lieder, und wieget
    Euch im leisesten Hauch lauer und liebender Luft,
    Und entdeckt den Quiriten, wie jene Rohre geschwaetzig,
    Eines gluecklichen Paars schoenes Geheimnis zuletzt.