Romanzero

Heinrich Heine

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  • Erstes Buch
  • Zweites Buch
  • Drittes Buch

  • Gedichte (Erstdruck 1851)

    Erstes Buch

    Historien




            Wenn man an dir Verrat geübt,

            Sei du um so treuer;

            Und ist deine Seele zu Tode betrübt,

            So greife zur Leier.


            Die Saiten klingen! Ein Heldenlied,

            Voll Flammen und Gluten!

            Da schmilzt der Zorn, und dein Gemüt

            Wird süß verbluten.




        Rhampsenit


    Als der König Rhampsenit
    Eintrat in die goldne Halle
    Seiner Tochter, lachte diese,
    Lachten ihre Zofen alle.


    Auch die Schwarzen, die Eunuchen,
    Stimmten lachend ein, es lachten
    Selbst die Mumien, selbst die Sphinxe,
    Daß sie schier zu bersten dachten.


    Die Prinzessin sprach: Ich glaubte
    Schon den Schatzdieb zu erfassen,
    Der hat aber einen toten
    Arm in meiner Hand gelassen.


    Jetzt begreif ich, wie der Schatzdieb
    Dringt in deine Schatzhauskammern
    Und die Schätze dir entwendet,
    Trotz den Schlössern, Riegeln, Klammern.


    Einen Zauberschlüssel hat er,
    Der erschließet allerorten
    Jede Türe, widerstehen
    Können nicht die stärksten Pforten.


    Ich bin keine starke Pforte
    Und ich hab nicht widerstanden,
    Schätzehütend diese Nacht
    Kam ein Schätzlein mir abhanden.


    So sprach lachend die Prinzessin
    Und sie tänzelt im Gemache,
    Und die Zofen und Eunuchen
    Hoben wieder ihre Lache.


    An demselben Tag ganz Memphis
    Lachte, selbst die Krokodile
    Reckten lachend ihre Häupter
    Aus dem schlammig gelben Nile,


    Als sie Trommelschlag vernahmen
    Und sie hörten an dem Ufer
    Folgendes Reskript verlesen
    Von dem Kanzelei-Ausrufer:


    Rhampsenit von Gottes Gnaden
    König zu und in Ägypten,
    Wir entbieten Gruß und Freundschaft
    Unsern Vielgetreun und Liebden.


    In der Nacht vom dritten zu dem
    Vierten Junius des Jahres
    Dreizehnhundertvierundzwanzig
    Vor Christi Geburt, da war es,


    Daß ein Dieb aus unserm Schatzhaus
    Eine Menge von Juwelen
    Uns entwendet; es gelang ihm
    Uns auch später zu bestehlen.


    Zur Ermittelung des Täters
    Ließen schlafen wir die Tochter
    Bei den Schätzen—doch auch jene
    Zu bestehlen schlau vermocht er.


    Um zu steuern solchem Diebstahl
    Und zu gleicher Zeit dem Diebe
    Unsre Sympathie zu zeigen,
    Unsre Ehrfurcht, unsre Liebe,


    Wollen wir ihm zur Gemahlin
    Unsre einzge Tochter geben
    Und ihn auch als Thronnachfolger
    In den Fürstenstand erheben.


    Sintemal uns die Adresse
    Unsres Eidams noch zur Stunde
    Unbekannt, soll dies Reskript ihm
    Bringen Unsrer Gnade Kunde.


    So geschehn den dritten Jenner
    Dreizehnhundert zwanzig sechs
    Vor Christi Geburt.—Signieret
    Von Uns: Rhampsenitus Rex.


    Rhampsenit hat Wort gehalten,
    Nahm den Dieb zum Schwiegersohne,
    Und nach seinem Tode erbte
    Auch der Dieb Ägyptens Krone.


    Er regierte wie die Andern,
    Schützte Handel und Talente;
    Wenig, heißt es, ward gestohlen
    Unter seinem Regimente.




        Der weiße Elefant


    Der König von Siam, Mahawasant,
    Beherrscht das halbe Indienland,
    Zwölf Könge, der große Mogul sogar,
    Sind seinem Szepter tributar.


    Alljährlich mit Trommeln,"Posauneo und Falnen
    Ziehen nach Siam die Zinskarawanen;
    Viel tausend Kamele, hochberuckte,
    Schleppen die kostbarsten Landesprodukte.


    Sieht er die schwerbepackten Kamele,
    So schmunzelt heimlich des Königs Seele;
    Öffentlich freilich pflegt er zu jammern,
    Es fehle an Raum in seinen Schatzkammern.


    Doch diese Schatzkammern sind so weit,
    So groß und voller Herrlichkeit;
    Hier überflügelt der Wirklichkeit Pracht
    Die Märchen von Tausend und Eine Nacht.


    »Die Burg des Indra« heißt die Halle,
    Wo aufgestellt die Götter alle,
    Bildsäulen von Gold, fein ziselieret,
    Mit Edelsteinen inkrustieret.


    Sind an der Zahl wohl dreißig Tausend,
    Figuren abenteuerlich grausend,
    Mischlinge von Menschen- und Tiergeschöpfen,
    Mit vielen Händen und vielen Köpfen.


    Im »Purpursaale« sieht man verwundert
    Korallenbäume dreizehnhundert,
    Wie Palmen groß, seltsamer Gestalt,
    Geschnörkelt die Äste, ein roter Wald.


    Das Estrich ist vom reinsten Kristalle
    Und widerspiegelt die Bäume alle.
    Fasanen vom buntesten Glanzgefieder
    Gehn gravitätisch dort auf und nieder.


    Der Lieblingsaffe des Mahawasant
    Trägt an dem Hals ein seidenes Band,
    Dran hängt der Schlüssel, welcher erschleußt
    Die Halle, die man den Schlafsaal heißt.


    Die Edelsteine vom höchsten Wert
    Die liegen wie Erbsen hier auf der Erd
    Hochaufgeschüttet; man findet dabei
    Diamanten so groß wie ein Hühnerei.


    Auf grauen, mit Perlen gefüllten Säcken
    Pflegt hier der König sich hinzustrecken;
    Der Affe legt sich zum Monarchen,
    Und beide schlafen ein und schnarchen.


    Das Kostbarste aber von allen Schätzen
    Des Königs, sein Glück, sein Seelenergötzen,
    Die Lust und der Stolz von Mahawasant,
    Das ist sein weißer Elefant.


    Als Wohnung für diesen erhabenen Gast
    Ließ bauen der König den schönsten Palast;
    Es wird das Dach, mit Goldblech beschlagen,
    Von lotosknäufigen Säulen getragen.


    Am Tore stehen dreihundert Trabanten
    Als Ehrenwache des Elefanten,
    Und knieend, mit gekrümmtem Rucken,
    Bedienen ihn hundert schwarze Eunucken.


    Man bringt auf einer güldnen Schüssel
    Die leckersten Bissen für seinen Rüssel;
    Er schlürft aus silbernen Eimern den Wein,
    Gewürzt mit den süßesten Spezerein.


    Man salbt ihn mit Ambra und Rosenessenzen,
    Man schmückt sein Haupt mit Blumenkränzen;
    Als Fußdecke dienen dem edlen Tier
    Die kostbarsten Schals aus Kaschimir.


    Das glücklichste Leben ist ihm beschieden,
    Doch Niemand auf Erden ist zufrieden.
    Das edle Tier, man weiß nicht wie,
    Versinkt in tiefe Melancholie.


    Der weiße Melancholikus
    Steht traurig mitten im Überfluß.
    Man will ihn ermuntern, man will ihn erheitern,
    Jedoch die klügsten Versuche scheitern.


    Vergebens kommen mit Springen und Singen
    Die Bajaderen; vergebens erklingen
    Die Zinken und Pauken der Musikanten,
    Doch nichts erlustigt den Elefanten.


    Da täglich sich der Zustand verschlimmert,
    Wird Mahawasantes Herz bekümmert;
    Er läßt vor seines Thrones Stufen
    Den klügsten Astrologen rufen.


    »Sterngucker, ich laß dir das Haupt abschlagen«,
    Herrscht er ihn an, »kannst du mir nicht sagen,
    Was meinem Elefanten fehle,
    Warum so verdüstert seine Seele?«


    Doch jener wirft sich dreimal zur Erde,
    Und endlich spricht er mit ernster Gebärde:
    »O König, ich will dir die Wahrheit verkünden,
    Du kannst dann handeln nach Gutbefinden.


    »Es lebt im Norden ein schönes Weib
    Von hohem Wuchs und weißem Leib,
    Dein Elefant ist herrlich, unleugbar,
    Doch ist er nicht mit ihr vergleichbar.


    »Mit ihr verglichen, erscheint er nur
    Ein weißes Mäuschen. Es mahnt die Statur
    An Bimha, die Riesin, im Ramajana,
    Und an der Epheser große Diana.


    »Wie sich die Gliedermassen wölben
    Zum schönsten Bau! Es tragen dieselben
    Anmutig und stolz zwei hohe Pilaster
    Von blendend weißem Alabaster.


    »Das ist Gott Amors kolossale
    Domkirche, der Liebe Kathedrale;
    Als Lampe brennt im Tabernakel
    Ein Herz, das ohne Falsch und Makel.


    »Die Dichter jagen vergebens nach Bildern,
    Um ihre weiße Haut zu schildern;
    Selbst Gautier ist dessen nicht kapabel, -
    O diese Weiße ist implacable!


    »Des Himalaya Gipfelschnee
    Erscheint aschgrau in ihrer Näh;
    Die Lilje, die ihre Hand erfaßt,
    Vergilbt durch Eifersucht oder Kontrast.


    »Gräfin Bianka ist der Name
    Von dieser großen weißen Dame;
    Sie wohnt zu Paris im Frankenland,
    Und diese liebt der Elefant.


    »Durch wunderbare Wahlverwandtschaft,
    Im Traume machte er ihre Bekanntschaft,
    Und träumend in sein Herze stahl
    Sich dieses hohe Ideal.


    »Sehnsucht verzehrt ihn seit jener Stund,
    Und er, der vormals so froh und gesund,
    Er ist ein vierfüßiger Werther geworden,
    Und träumt von einer Lotte im Norden.


    »Geheimnisvolle Sympathie!
    Er sah sie nie und denkt an sie.
    Er trampelt oft im Mondschein umher
    Und seufzet: wenn ich ein Vöglein wär!


    »In Siam ist nur der Leib, die Gedanken
    Sind bei Bianka im Lande der Franken;
    Doch diese Trennung von Leib und Seele
    Schwächt sehr den Magen, vertrocknet die Kehle.


    »Die leckersten Braten widern ihn an,
    Er liebt nur Dampfnudeln und Ossian,
    Er hüstelt schon, er magert ab,
    Die Sehnsucht schaufelt sein frühes Grab.


    »Willst du ihn retten, erhalten sein Leben,
    Der Säugetierwelt ihn wiedergeben,
    O König, so schicke den hohen Kranken
    Direkt nach Paris, der Hauptstadt der Franken.


    »Wenn ihn alldort in der Wirklichkeit
    Der Anblick der schönen Frau erfreut,
    Die seiner Träume Urbild gewesen,
    Dann wird er von seinem Trübsinn genesen.


    »Wo seiner Schönen Augen strahlen,
    Da schwinden seiner Seele Qualen;
    Ihr Lächeln verscheucht die letzten Schatten,
    Die hier sich eingenistet hatten;


    »Und ihre Stimme, wie'n Zauberlied,
    Löst sie den Zwiespalt in seinem Gemüt;
    Froh hebt er wieder die Lappen der Ohren,
    Er fühlt sich verjüngt, wie neugeboren.


    »Es lebt sich so lieblich, es lebt sich so süß
    Am Seinestrand, in der Stadt Paris!
    Wie wird sich dorten zivilisieren
    Dein Elefant und amüsieren!


    »Vor allem aber, o König, lasse
    Ihm reichlich füllen die Reisekasse,
    Und gib ihm einen Kreditbrief mit
    Auf Rothschild frères in der rue Lafitte.


    »Ja, einen Kreditbrief von einer Million
    Dukaten etwa;—der Herr Baron
    Von Rothschild sagt von ihm alsdann:
    Der Elefant ist ein braver Mann!«


    So sprach der Astrolog, und wieder
    Warf er sich dreimal zur Erde nieder.
    Der König entließ ihn mit reichen Geschenken,
    Und streckte sich aus, um nachzudenken.


    Er dachte hin, er dachte her;
    Das Denken wird den Königen schwer.
    Sein Affe sich zu ihm niedersetzt,
    Und beide schlafen ein zuletzt.


    Was er beschlossen, das kann ich erzählen
    Erst später; die indischen Mall'posten fehlen.
    Die letzte, welche uns zugekommen,
    Die hat den Weg über Suez genommen.




        Schelm von Bergen


    Im Schloß zu Düsseldorf am Rhein
    wird Mummenschanz gehalten;
    Da flimmern die Kerzen, da rauscht die Musik,
    Da tanzen die bunten Gestalten.


    Da tanzt die schöne Herzogin,
    Sie lacht laut auf beständig;
    Ihr Tänzer ist ein schlanker Fant,
    Gar höfisch und behendig.


    Er trägt eine Maske von schwarzem Samt,
    Daraus gar freudig blicket
    Ein Auge, wie ein blanker Dolch,
    Halb aus der Scheide gezücket.


    Es jubelt die Fastnachtsgeckenschar,
    Wenn jene vorüberwalzen.
    Der Drickes und die Marizzebill
    Grüßen mit Schnarren und Schnalzen.


    Und die Trompeten schmettern drein,
    Der närrische Brummbaß brummet,
    Bis endlich der Tanz ein Ende nimmt
    Und die Musik verstummet.


    »Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,
    Ich muß nach Hause gehen -«
    Die Herzogin lacht: Ich laß dich nicht fort,
    Bevor ich dein Antlitz gesehen.


    »Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,
    Mein Anblick bringt Schrecken und Grauen -«
    Die Herzogin lacht: Ich fürchte mich nicht,
    Ich will dein Antlitz schauen.


    »Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,
    Der Nacht und dem Tode gehör ich -«
    Die Herzogin lacht: Ich lasse dich nicht,
    Dein Antlitz zu schauen begehr ich.


    Wohl sträubt sich der Mann mit finsterm Wort,
    Das Weib nicht zähmen kunnt er;
    Sie riß zuletzt ihm mit Gewalt
    Die Maske vom Antlitz herunter.


    Das ist der Scharfrichter von Bergen! so schreit
    Entsetzt die Menge im Saale
    Und weichet scheusam—die Herzogin
    Stürzt fort zu ihrem Gemahle.


    Der Herzog ist klug, er tilgte die Schmach
    Der Gattin auf der Stelle.
    Er zog sein blankes Schwert und sprach:
    Knie vor mir nieder, Geselle!


    Mit diesem Schwertschlag mach ich dich
    Jetzt ehrlich und ritterzünftig,
    Und weil du ein Schelm, so nenne dich
    Herr Schelm von Bergen künftig.


    So ward der Henker ein Edelmann
    Und Ahnherr der Schelme von Bergen.
    Ein stolzes Geschlecht! es blühte am Rhein.
    Jetzt schläft es in steinernen Särgen.




        Valkyren


    Unten Schlacht. Doch oben schossen
    Durch die Luft auf Wolkenrossen
    Drei Valkyren, und es klang
    Schilderklirrend ihr Gesang:


    Fürsten hadern, Völker streiten,
    Jeder will die Macht erbeuten;
    Herrschaft ist das höchste Gut,
    Höchste Tugend ist der Mut.


    Heisa! vor dem Tod beschützen
    Keine stolzen Eisenmützen,
    Und das Heldenblut zerrinnt
    Und der schlechtre Mann gewinnt.


    Lorbeerkränze, Siegesbogen!
    Morgen kommt er eingezogen,
    Der den Bessern überwand
    Und gewonnen Leut und Land.


    Bürgermeister und Senator
    Holen ein den Triumphator,
    Tragen ihm die Schlüssel vor,
    Und der Zug geht durch das Tor.


    Hei! da böllerts von den Wällen,
    Zinken und Trompeten gellen,
    Glockenklang erfüllt die Luft,
    Und der Pöbel Vivat! ruft.


    Lächelnd stehen auf Balkonen
    Schöne Fraun, und Blumenkronen
    Werfen sie dem Sieger zu.
    Dieser grüßt mit stolzer Ruh.




        Schlachtfeld bei Hastings


    Der Abt von Waltham seufzte tief,
    Als er die Kunde vernommen,
    Daß König Harold elendiglich
    Bei Hastings umgekommen.


    Zwei Mönche, Asgod und Ailrik genannt,
    Die schickt' er aus als Boten,
    Sie sollten suchen die Leiche Harolds
    Bei Hastings unter den Toten.


    Die Mönche gingen traurig fort
    Und kehrten traurig zurücke:
    »Hochwürdiger Vater, die Welt ist uns gram,
    Wir sind verlassen vom Glücke.


    »Gefallen ist der beßre Mann,
    Es siegte der Bankert, der schlechte,
    Gewappnete Diebe verteilen das Land
    Und machen den Freiling zum Knechte.


    »Der lausigste Lump aus der Normandie
    Wird Lord auf der Insel der Britten;
    Ich sah einen Schneider aus Bayeux, er kam
    Mit goldnen Sporen geritten.


    »Weh dem, der jetzt ein Sachse ist!
    Ihr Sachsenheilige droben
    Im Himmelreich, nehmt euch in Acht,
    Ihr seid der Schmach nicht enthoben.


    »Jetzt wissen wir, was bedeutet hat
    Der große Komet, der heuer
    Blutrot am nächtlichen Himmel ritt
    Auf einem Besen von Feuer.


    »Bei Hastings in Erfüllung ging
    Des Unsterns böses Zeichen,
    Wir waren auf dem Schlachtfeld dort
    Und suchten unter den Leichen.


    »Wir suchten hin, wir suchten her,
    Bis alle Hoffnung verschwunden
    Den Leichnam des toten Königs Harold,
    Wir haben ihn nicht gefunden.«


    Asgod und Ailrik sprachen also;
    Der Abt rang jammernd die Hände,
    Versank in tiefe Nachdenklichkeit
    Und sprach mit Seufzen am Ende:


    »Zu Grendelfield am Bardenstein,
    Just in des Waldes Mitte,
    Da wohnet Edith Schwanenhals
    In einer dürftgen Hütte.


    »Man hieß sie Edith Schwanenhals,
    Weil wie der Hals der Schwäne
    Ihr Nacken war; der König Harold,
    Er liebte die junge Schöne.


    »Er hat sie geliebt, geküßt und geherzt,
    Und endlich verlassen, vergessen.
    Die Zeit verfließt; wohl sechzehn Jahr
    Verflossen unterdessen.


    »Begebt euch, Brüder, zu diesem Weib
    Und laßt sie mit euch gehen
    Zurück nach Hastings, der Blick des Weibs
    Wird dort den König erspähen.


    »Nach Waltham-Abtei hierher alsdann
    Sollt ihr die Leiche bringen,
    Damit wir christlich bestatten den Leib
    Und für die Seele singen.«


    Um Mitternacht gelangten schon
    Die Boten zur Hütte im Walde:
    »Erwache, Edith Schwanenhals,
    Und folge uns alsbalde.


    »Der Herzog der Normannen hat
    Den Sieg davongetragen,
    Und auf dem Feld bei Hastings liegt
    Der König Harold erschlagen.


    »Kommt mit nach Hastings, wir suchen dort
    Den Leichnam unter den Toten,
    Und bringen ihn nach Waltham-Abtei,
    Wie uns der Abt geboten.«


    Kein Wort sprach Edith Schwanenhals,
    Sie schürzte sich geschwinde
    Und folgte den Mönchen; ihr greisendes Haar
    Das flatterte wild im Winde.


    Es folgte barfuß das arme Weib
    Durch Sümpfe und Baumgestrüppe.
    Bei Tagesanbruch gewahrten sie schon
    Zu Hastings die kreidige Klippe.


    Der Nebel, der das Schlachtfeld bedeckt
    Als wie ein weißes Lailich,
    Zerfloß allmählig; es flatterten auf
    Die Dohlen und krächzten abscheulich.


    Viel tausend Leichen lagen dort
    Erbärmlich auf blutiger Erde,
    Nackt ausgeplündert, verstümmelt, zerfleischt,
    Daneben die Äser der Pferde.


    Es wadete Edith Schwanenhals
    Im Blute mit nackten Füßen;
    Wie Pfeile aus ihrem stieren Aug
    Die forschenden Blicke schießen.


    Sie suchte hin, sie suchte her,
    Oft mußte sie mühsam verscheuchen
    Die fraßbegierige Rabenschar;
    Die Mönche hinter ihr keuchen.


    Sie suchte schon den ganzen Tag,
    Es ward schon Abend—plötzlich
    Bricht aus der Brust des armen Weibs
    Ein geller Schrei, entsetzlich.


    Gefunden hat Edith Schwanenhals
    Des toten Königs Leiche.
    Sie sprach kein Wort, sie weinte nicht,
    Sie küßte das Antlitz, das bleiche.


    Sie küßte die Stirne, sie küßte den Mund,
    Sie hielt ihn fest umschlossen;
    Sie küßte auf des Königs Brust
    Die Wunde blutumflossen.


    Auf seiner Schulter erblickt sie auch -
    Und sie bedeckt sie mit Küssen -
    Drei kleine Narben, Denkmäler der Lust,
    Die sie einst hinein gebissen.


    Die Mönche konnten mittlerweil
    Baumstämme zusammenfugen;
    Das war die Bahre, worauf sie alsdann
    Den toten König trugen.


    Sie trugen ihn nach Waltham-Abtei,
    Daß man ihn dort begrübe;
    Es folgte Edith Schwanenhals
    Der Leiche ihrer Liebe.


    Sie sang die Totenlitanein
    In kindisch frommer Weise;
    Das klang so schauerlich in der Nacht -
    Die Mönche beteten leise. -




        Karl I.


    Im Wald, in der Köhlerhütte, sitzt
    Trübsinnig allein der König;
    Er sitzt an der Wiege des Köhlerkinds
    Und wiegt und singt eintönig:


    Eiapopeia, was raschelt im Stroh?
    Es blöken im Stalle die Schafe -
    Du trägst das Zeichen an der Stirn
    Und lächelst so furchtbar im Schlafe.


    Eiapopeia, das Kätzchen ist tot -
    Du trägst auf der Stirne das Zeichen -
    Du wirst ein Mann und schwingst das Beil,
    Schon zittern im Walde die Eichen.


    Der alte Köhlerglaube verschwand,
    Es glauben die Köhlerkinder -
    Eiapopeia—nicht mehr an Gott,
    Und an den König noch minder.


    Das Kätzchen ist tot, die Mäuschen sind froh -
    Wir müssen zu Schanden werden -
    Eiapopeia—im Himmel der Gott
    Und ich, der König auf Erden.


    Mein Mut erlischt, mein Herz ist krank,
    Und täglich wird es kränker -
    Eiapopeia—du Köhlerkind,
    Ich weiß es, du bist mein Henker.


    Mein Todesgesang ist dein Wiegenlied -
    Eiapopeia—die greisen
    Haarlocken schneidest du ab zuvor -
    Im Nacken klirrt mir das Eisen.


    Eiapopeia, was raschelt im Stroh?
    Du hast das Reich erworben,
    Und schlägst mir das Haupt vom Rumpf herab -
    Das Kätzchen ist gestorben.


    Eiapopeia, was raschelt im Stroh?
    Es blöken im Stalle die Schafe.
    Das Kätzchen ist tot, die Mäuschen sind froh -
    Schlafe, mein Henkerchen, schlafe!




        Maria Antoinette


    Wie heiter im Tuilerienschloß
    Blinken die Spiegelfenster,
    Und dennoch dort am hellen Tag
    Gehn um die alten Gespenster.


    Es spukt im Pavillon de Flor'
    Maria Antoinette;
    Sie hält dort Morgens ihr Lever
    Mit strenger Etikette.


    Geputzte Hofdamen. Die meisten stehn,
    Auf Tabourets andre sitzen;
    Die Kleider von Atlas und Goldbrokat,
    Behängt mit Juwelen und Spitzen.


    Die Taille ist schmal, der Reifrock bauscht,
    Darunter lauschen die netten
    Hochhackigen Füßchen so klug hervor -
    Ach, wenn sie nur Köpfe hätten!


    Sie haben alle keinen Kopf,
    Der Königin selbst manquieret
    Der Kopf, und Ihro Majestät
    Ist deshalb nicht frisieret.


    Ja, Sie, die mit turmhohem Toupet
    So stolz sich konnte gebaren,
    Die Tochter Maria Theresias,
    Die Enkelin deutscher Cäsaren,


    Sie muß jetzt spuken ohne Frisur
    Und ohne Kopf, im Kreise
    Von unfrisierten Edelfraun,
    Die kopflos gleicherweise.


    Das sind die Folgen der Revolution
    Und ihrer fatalen Doktrine;
    An Allem ist Schuld Jean Jacques Rousseau,
    Voltaire und die Guillotine.


    Doch sonderbar! es dünkt mich schier,
    Als hätten die armen Geschöpfe
    Gar nicht bemerkt, wie tot sie sind
    Und daß sie verloren die Köpfe.


    Ein leeres Gespreize, ganz wie sonst,
    Ein abgeschmacktes Scherwenzen -
    Possierlich sind und schauderhaft
    Die kopflosen Reverenzen.


    Es knixt die erste Dame d'atour
    Und bringt ein Hemd von Linnen;
    Die zweite reicht es der Königin,
    Und beide knixen von hinnen.


    Die dritte Dam und die vierte Dam
    Knixen und niederknieen
    Vor Ihrer Majestät, um Ihr
    Die Strümpfe anzuziehen.


    Ein Ehrenfräulein kommt und knixt
    Und bringt das Morgenjäckchen;
    Ein andres Fräulein knixt und bringt
    Der Königin Unterröckchen.


    Die Oberhofmeisterin steht dabei,
    Sie fächert die Brust, die weiße,
    Und in Ermanglung eines Kopfs
    Lächelt sie mit dem Steiße.


    Wohl durch die verhängten Fenster wirft
    Die Sonne neugierige Blicke,
    Doch wie sie gewahrt den alten Spuk,
    Prallt sie erschrocken zurücke.




        Pomare


        I


    Alle Liebesgötter jauchzen
    Mir im Herzen, und Fanfare
    Blasen sie und rufen: Heil!
    Heil der Königin Pomare!


    Jene nicht von Otahaiti -
    Missionärisiert ist jene -
    Die ich meine, die ist wild,
    Eine ungezähmte Schöne.


    Zweimal in der Woche zeigt sie
    Öffentlich sich ihrem Volke
    In dem Garten Mabill, tanzt
    Dort den Cancan, auch die Polke.


    Majestät in jedem Schritte,
    Jede Beugung Huld und Gnade,
    Eine Fürstin jeder Zoll
    Von der Hüfte bis zur Wade -


    Also tanzt sie—und es blasen
    Liebesgötter die Fanfare
    Mir im Herzen, rufen: Heil!
    Heil der Königin Pomare!


        II


    Sie tanzt. Wie sie das Leibchen wiegt!
    Wie jedes Glied sich zierlich biegt!
    Das ist ein Flattern und ein Schwingen,
    Um wahrlich aus der Haut zu springen.


    Sie tanzt. Wenn sie sich wirbelnd dreht
    Auf einem Fuß, und stille steht
    Am End mit ausgestreckten Armen,
    Mag Gott sich meiner Vernunft erbarmen!


    Sie tanzt. Derselbe Tanz ist das,
    Den einst die Tochter Herodias'
    Getanzt vor dem Judenkönig Herodes.
    Ihr Auge sprüht wie Blitze des Todes.


    Sie tanzt mich rasend—ich werde toll -
    Sprich, Weib, was ich dir schenken soll?
    Du lächelst? Heda! Trabanten! Läufer!
    Man schlage ab das Haupt dem Täufer!


        III


    Gestern noch fürs liebe Brot
    Wälzte sie sich tief im Kot,
    Aber heute schon mit Vieren
    Fährt das stolze Weib spazieren.


    In die seidnen Kissen drückt
    Sie das Lockenhaupt, und blickt
    Vornehm auf den großen Haufen
    Derer, die zu Fuße laufen.


    Wenn ich dich so fahren seh,
    Tut es mir im Herzen weh!
    Ach, es wird dich dieser Wagen
    Nach dem Hospitale tragen,


    Wo der grausenhafte Tod
    Endlich endigt deine Not,
    Und der Carabin mit schmierig
    Plumper Hand und lernbegierig


    Deinen schönen Leib zerfetzt,
    Anatomisch ihn zersetzt -
    Deine Rosse trifft nicht minder
    Einst zu Montfaucon der Schinder.


        IV


    Besser hat es sich gewendet,
    Das Geschick, das dich bedroht' -
    Gott sei Dank, du hast geendet,
    Gott sei Dank, und du bist tot.


    In der Dachstub deiner armen
    Alten Mutter starbest du,
    Und sie schloß dir mit Erbarmen
    Deine schönen Augen zu.


    Kaufte dir ein gutes Lailich,
    Einen Sarg, ein Grab sogar.
    Die Begräbnisfeier freilich
    Etwas kahl und ärmlich war.


    Keinen Pfaffen hört' man singen,
    Keine Glocke klagte schwer;
    Hinter deiner Bahre gingen
    Nur dein Hund und dein Friseur.


    »Ach, ich habe der Pomare«,
    Seufzte dieser, »oft gekämmt
    Ihr langen schwarzen Haare,
    Wenn sie vor mir saß im Hemd.«


    Was den Hund betrifft, so rannt er
    Schon am Kirchhofstor davon,
    Und ein Unterkommen fand er
    Späterhin bei Ros' Pompon,


    Ros' Pompon, der Provenzalin,
    Die den Namen Königin
    Dir mißgönnt und als Rivalin
    Dich verklatscht mit niederm Sinn.


    Arme Königin des Spottes,
    Mit dem Diadem von Kot,
    Bist gerettet jetzt durch Gottes
    Ewge Güte, du bist tot.


    Wie die Mutter, so der Vater
    Hat Barmherzigkeit geübt,
    Und ich glaube, dieses tat er,
    Weil auch du so viel geliebt.




        Der Apollogott


        I


    Das Kloster ist hoch auf Felsen gebaut,
    Der Rhein vorüberrauschet;
    Wohl durch das Gitterfenster schaut
    Die junge Nonne und lauschet.


    Da fährt ein Schifflein, märchenhaft
    Vom Abendrot beglänzet;
    Es ist bewimpelt von buntem Taft,
    Von Lorbeern und Blumen bekränzet.


    Ein schöner blondgelockter Fant
    Steht in des Schiffes Mitte;
    Sein goldgesticktes Purpurgewand
    Ist von antikem Schnitte.


    Zu seinen Füßen liegen da
    Neun marmorschöne Weiber;
    Die hochgeschürzte Tunika
    Umschließt die schlanken Leiber.


    Der Goldgelockte lieblich singt
    Und spielt dazu die Leier;
    Ins Herz der armen Nonne dringt
    Das Lied und brennt wie Feuer.


    Sie schlägt ein Kreuz, und noch einmal
    Schlägt sie ein Kreuz, die Nonne;
    Nicht scheucht das Kreuz die süße Qual,
    Nicht bannt es die bittre Wonne.


        II


    Ich bin der Gott der Musika,
    Verehrt in allen Landen;
    Mein Tempel hat in Gräcia,
    Auf Mont-Parnaß gestanden.


    Auf Mont-Parnaß in Gräcia,
    Da hab ich oft gesessen
    Am holden Quell Kastalia,
    Im Schatten der Zypressen.


    Vokalisierend saßen da
    Um mich herum die Töchter,
    Das sang und klang la-la, la-la!
    Geplauder und Gelächter.


    Mitunter rief tra-ra, tra-ra!
    Ein Waldhorn aus dem Holze;
    Dort jagte Artemisia,
    Mein Schwesterlein, die Stolze.


    Ich weiß es nicht, wie mir geschah:
    Ich brauchte nur zu nippen
    Vom Wasser der Kastalia,
    Da tönten meine Lippen.


    Ich sang—und wie von selbst beinah
    Die Leier klang, berauschend;
    Mir war, als ob ich Daphne sah,
    Aus Lorbeerbüschen lauschend.


    Ich sang—und wie Ambrosia
    Wohlrüche sich ergossen,
    Es war von einer Gloria
    Die ganze Welt umflossen.


    Wohl tausend Jahr aus Gräcia
    Bin ich verbannt, vertrieben
    Doch ist mein Herz in Gräcia,
    In Gräcia geblieben.


        III


    In der Tracht der Beguinen,
    In dem Mantel mit der Kappe
    Von der gröbsten schwarzen Sersche,
    Ist vermummt die junge Nonne.


    Hastig längs des Rheines Ufern
    Schreitet sie hinab die Landstraß,
    Die nach Holland fährt, und hastig
    Fragt sie jeden, der vorbeikommt:


    »Habt ihr nicht gesehn Apollo?
    Einen roten Mantel trägt er,
    Lieblich singt er, spielt die Leier,
    Und er ist mein holder Abgott.«


    Keiner will ihr Rede stehen,
    Mancher dreht ihr stumm den Rücken,
    Mancher glotzt sie an und lächelt,
    Mancher seufzet: Armes Kind!


    Doch des Wegs herangetrottelt
    Kommt ein schlottrig alter Mensch,
    Fingert in der Luft, wie rechnend,
    Näselnd singt er vor sich hin.


    Einen schlappen Quersack trägt er,
    Auch ein klein dreieckig Hütchen;
    Und mit schmunzelnd klugen Äuglein
    Hört er an den Spruch der Nonne:


    »Habt ihr nicht gesehn Apollo?
    Einen roten Mantel trägt er,
    Lieblich singt er, spielt die Leier,
    Und er ist mein holder Abgott.«


    Jener aber gab zur Antwort,
    Während er sein Köpfchen wiegte
    Hin und her, und gar possierlich
    Zupfte an dem spitzen Bärtchen:


    Ob ich ihn gesehen habe?
    Ja, ich habe ihn gesehen
    Oft genug zu Amsterdam,
    In der deutschen Synagoge.


    Denn er war Vorsänger dorten,
    Und da hieß er Rabbi Faibisch,
    Was auf Hochdeutsch heißt Apollo -
    Doch mein Abgott ist er nicht.


    Roter Mantel? Auch den roten
    Mantel kenn ich. Echter Scharlach,
    Kostet acht Florin die Elle,
    Und ist noch nicht ganz bezahlt.


    Seinen Vater Moses Jitscher
    Kenn ich gut. Vorhautabschneider
    Ist er bei den Portugiesen.
    Er beschnitt auch Souveräne.


    Seine Mutter ist Cousine
    Meines Schwagers, und sie handelt
    Auf der Gracht mit sauern Gurken
    Und mit abgelebten Hosen.


    Haben kein Pläsier am Sohne.
    Dieser spielt sehr gut die Leier,
    Aber leider noch viel besser
    Spielt er oft Tarock und L'hombre.


    Auch ein Freigeist ist er, aß
    Schweinefleisch, verlor sein Amt,
    Und er zog herum im Lande
    Mit geschminkten Komödianten.


    In den Buden, auf den Märkten,
    Spielte er den Pickelhering,
    Holofernes, König David,
    Diesen mit dem besten Beifall.


    Denn des Königs eigne Lieder
    Sang er in des Königs eigner
    Muttersprache, tremulierend
    In des Nigens alter Weise.


    Aus dem Amsterdamer Spielhuis
    Zog er jüngst etwelche Dirnen,
    Und mit diesen Musen zieht er
    Jetzt herum als ein Apollo.


    Eine dicke ist darunter,
    Die vorzüglich quiekt und grünzelt;
    Ob dem großen Lorbeerkopfputz
    Nennt man sie die grüne Sau.




        Kleines Volk


    In einem Pißpott kam er geschwommen,
    Hochzeitlich geputzt, hinab den Rhein.
    Und als er nach Rotterdam gekommen,
    Da sprach er: »Juffräuken, willst du mich frein?


    »Ich führe dich, geliebte Schöne,
    Nach meinem Schloß, ins Brautgemach;
    Die Wände sind eitel Hobelspäne,
    Aus Häckerling besteht das Dach.


    »Da ist es so puppenniedlich und nette,
    Da lebst du wie eine Königin!
    Die Schale der Walnuß ist unser Bette,
    Von Spinnweb sind die Laken drin.


    »Ameiseneier, gebraten in Butter,
    Essen wir täglich, auch Würmchengemüs,
    Und später erb ich von meiner Frau Mutter
    Drei Nonnenfürzchen, die schmecken so süß.


    »Ich habe Speck, ich habe Schwarten,
    Ich habe Fingerhüte voll Wein,
    Auch wächst eine Rübe in meinem Garten,
    Du wirst wahrhaftig glücklich sein!«


    Das war ein Locken und ein Werben!
    Wohl seufzte die Braut: ach Gott! ach Gott!
    Sie war wehmütig, wie zum Sterben -
    Doch endlich stieg sie hinab in den Pott.


        *


    Sind Christenleute oder Mäuse
    Die Helden des Lieds? Ich weiß es nicht mehr.
    Im Beverland hört ich die schnurrige Weise,
    Es sind nun dreißig Jahre her.




        Zwei Ritter


    Crapülinski und Waschlapski,
    Polen aus der Polackei,
    Fochten für die Freiheit, gegen
    Moskowiter-Tyrannei.


    Fochten tapfer und entkamen
    Endlich glücklich nach Paris -
    Leben bleiben, wie das Sterben
    Für das Vaterland, ist süß.


    Wie Achilles und Patroklus,
    David und sein Jonathan,
    Liebten sich die beiden Polen,
    Küßten sich: »Kochan! Kochan!«


    Keiner je verriet den Andern,
    Blieben Freunde, ehrlich, treu,
    Ob sie gleich zwei edle Polen,
    Polen aus der Polackei.


    Wohnten in derselben Stube,
    Schliefen in demselben Bette;
    Eine Laus und eine Seele,
    Kratzten sie sich um die Wette.


    Speisten in derselben Kneipe,
    Und da keiner wollte leiden,
    Daß der Andre für ihn zahle,
    Zahlte keiner von den Beiden.


    Auch dieselbe Henriette
    Wäscht für beide edle Polen;
    Trällernd kommt sie jeden Monat,
    Um die Wäsche abzuholen.


    Ja, sie haben wirklich Wäsche,
    Jeder hat der Hemden zwei,
    Ob sie gleich zwei edle Polen,
    Polen aus der Polackei.


    Sitzen heute am Kamine,
    Wo die Flammen traulich flackern;
    Draußen Nacht und Schneegestöber
    Und das Rollen von Fiakern.


    Eine große Bowle Punsch
    (Es versteht sich, unverzückert,
    Unversäuert, unverwässert)
    Haben sie bereits geschlückert.


    Und von Wehmut wird beschlichen
    Ihr Gemüte; ihr Gesicht
    Wird befeuchtet schon von Zähren,
    Und der Crapülinski spricht:


    »Hätt ich doch hier in Paris
    Meinen Bärenpelz, den lieben
    Schlafrock und die Katzfell-Nachtmütz,
    Die im Vaterland geblieben!«


    Ihm erwiderte Waschlapski:
    »O du bist ein treuer Schlachzitz,
    Denkest immer an der Heimat
    Bärenpelz und Katzfell-Nachtmütz.


    »Polen ist noch nicht verloren,
    Unsre Weiber, sie gebären,
    Unsre Jungfraun tun dasselbe,
    Werden Helden uns bescheren,


    »Helden, wie der Held Sobieski,
    Wie Schelmufski und Uminski,
    Eskrokewitsch, Schubiakski,
    Und der große Eselinski.«




        Das goldne Kalb


    Doppelflöten, Hörner, Geigen
    Spielen auf zum Götzenreigen,
    Und es tanzen Jakobs Töchter
    Um das goldne Kalb herum -
    Brum—brum—brum -
    Paukenschläge und Gelächter!


    Hochgeschürzt bis zu den Lenden
    Und sich fassend an den Händen,
    Jungfraun edelster Geschlechter
    Kreisen wie ein Wirbelwind
    Um das Rind -
    Paukenschläge und Gelächter!


    Aron selbst wird fortgezogen
    Von des Tanzes Wahnsinnwogen,
    Und er selbst, der Glaubenswächter,
    Tanzt im Hohenpriesterrock,
    Wie ein Bock -
    Paukenschläge und Gelächter!




         König David


    Lächelnd scheidet der Despot,
    Denn er weiß, nach seinem Tod
    Wechselt Willkür nur die Hände,
    Und die Knechtschaft hat kein Ende.


    Armes Volk! wie Pferd und Farrn
    Bleibt es angeschirrt am Karrn,
    Und der Nacken wird gebrochen,
    Der sich nicht bequemt den Jochen.


    Sterbend spricht zu Salomo
    König David: Apropos,
    Daß ich Joab dir empfehle,
    Einen meiner Generäle.


    Dieser tapfre General
    Ist seit Jahren mir fatal,
    Doch ich wagte den Verhaßten
    Niemals ernstlich anzutasten.


    Du, mein Sohn, bist fromm und klug,
    Gottesfürchtig, stark genug,
    Und es wird dir leicht gelingen,
    Jenen Joab umzubringen.




         König Richard


    Wohl durch der Wälder einödige Pracht
    Jagt ungestüm ein Reiter;
    Er bläst ins Horn, er singt und lacht
    Gar seelenvergnügt und heiter.


    Sein Harnisch ist von starkem Erz,
    Noch stärker ist sein Gemüte,
    Das ist Herr Richard Löwenherz,
    Der christlichen Ritterschaft Blüte.


    Willkommen in England! rufen ihm zu
    Die Bäume mit grünen Zungen
    Wir freuen uns, o König, daß du
    Östreichischer Haft entsprungen.


    Dem König ist wohl in der freien Luft,
    Er fühlt sich wie neugeboren,
    Er denkt an Östreichs Festungsduft -
    Und gibt seinem Pferde die Sporen.




        Der Asra


    Täglich ging die wunderschöne
    Sultanstochter auf und nieder
    Um die Abendzeit am Springbrunn,
    Wo die weißen Wasser plätschern.


    Täglich stand der junge Sklave
    Um die Abendzeit am Springbrunn,
    Wo die weißen Wasser plätschern;
    Täglich ward er bleich und bleicher.


    Eines Abends trat die Fürstin
    Auf ihn zu mit raschen Worten:
    Deinen Namen will ich wissen,
    Deine Heimat, deine Sippschaft!


    Und der Sklave sprach: Ich heiße
    Mohamet, ich bin aus Yemmen,
    Und mein Stamm sind jene Asra,
    Welche sterben, wenn sie lieben.




        Himmelsbräute


    Wer dem Kloster geht vorbei
    Mitternächtlich, sieht die Fenster
    Hell erleuchtet. Ihren Umgang
    Halten dorten die Gespenster.


    Eine düstre Prozession
    Toter Ursulinerinnen;
    Junge, hübsche Angesichter
    Lauschen aus Kapuz und Linnen.


    Tragen Kerzen in der Hand,
    Die unheimlich blutrot schimmern;
    Seltsam widerhallt im Kreuzgang
    Ein Gewisper und ein Wimmern.


    Nach der Kirche geht der Zug,
    Und sie setzen dort sich nieder
    Auf des Chores Buchsbaumstühle
    Und beginnen ihre Lieder.


    Litaneienfromme Weisen,
    Aber wahnsinnswüste Worte;
    Arme Seelen sind es, welche
    Pochen an des Himmels Pforte.


    »Bräute Christi waren wir,
    Doch die Weltlust uns betörte,
    Und da gaben wir dem Cäsar,
    Was dem lieben Gott gehörte.


    »Reizend ist die Uniform
    Und des Schnurrbarts Glanz und Glätte;
    Doch verlockend sind am meisten
    Cäsars goldne Epaulette.


    »Ach, der Stirne, welche trug
    Eine Dornenkrone weiland,
    Gaben wir ein Hirschgeweihe
    Wir betrogen unsern Heiland.


    »Jesus, der die Güte selbst,
    Weinte sanft ob unsrer Fehle,
    Und er sprach: Vermaledeit
    Und verdammt sei eure Seele!


    »Grabentstiegner Spuk der Nacht,
    Müssen büßend wir nunmehre
    Irre gehn in diesen Mauern
    Miserere! Miserere!


    »Ach, im Grabe ist es gut,
    Ob es gleich viel besser wäre
    In dem warmen Himmelreiche -
    Miserere! Miserere!«


    »Süßer Jesus, o vergib
    Endlich uns die Schuld, die schwere,
    Schließ uns auf den warmen Himmel -
    Miserere! Miserere!«


    Also singt die Nonnenschar,
    Und ein längst verstorbner Küster
    Spielt die Orgel. Schattenhände
    Stürmen toll durch die Register.




        Pfalzgräfin Jutta


    Pfalzgräfin Jutta fuhr über den Rhein,
    Im leichten Kahn, bei Mondenschein.
    Die Zofe rudert, die Gräfin spricht:
    »Siehst du die sieben Leichen nicht,
    Die hinter uns kommen
    Einhergeschwommen -
    So traurig schwimmen die Toten!


    »Das waren Ritter voll Jugendlust -
    Sie sanken zärtlich an meine Brust
    Und schwuren mir Treue—Zur Sicherheit,
    Daß sie nicht brächen ihren Eid,
    Ließ ich sie ergreifen
    Sogleich und ersäufen -
    So traurig schwimmen die Toten!«


    Die Zofe rudert, die Gräfin lacht.
    Das hallt so höhnisch durch die Nacht!
    Bis an die Hüfte tauchen hervor
    Die Leichen und strecken die Finger empor,
    Wie schwörend—Sie nicken
    Mit gläsernen Blicken -
    So traurig schwimmen die Toten!




        Der Mohrenkönig


    Ins Exil der Alpuxarren
    Zog der junge Mohrenkönig;
    Schweigsam und das Herz voll Kummer
    Ritt er an des Zuges Spitze.


    Hinter ihm auf hohen Zeltern
    Oder auch in güldnen Sänften
    Saßen seines Hauses Frauen;
    Schwarze Mägde trägt das Maultier.


    Hundert treue Diener folgen
    Auf arabisch edlen Rappen;
    Stolze Gäule, doch die Reiter
    Hängen schlottrig in den Sätteln.


    Keine Zymbel, keine Pauke,
    Kein Gesangeslaut ertönte;
    Nur des Maultiers Silberglöckchen
    Wimmern schmerzlich in der Stille.


    Auf der Höhe, wo der Blick
    Ins Duero-Tal hinabschweift,
    Und die Zinnen von Granada
    Sichtbar sind zum letzten Male:


    Dorten stieg vom Pferd der König
    Und betrachtete die Stadt,
    Die im Abendlichte glänzte,
    Wie geschmückt mit Gold und Purpur.


    Aber, Allah! Welch ein Anblick!
    Statt des vielgeliebten Halbmonds,
    Prangen Spaniens Kreuz und Fahnen
    Auf den Türmen der Alhambra.


    Ach, bei diesem Anblick brachen
    Aus des Königs Brust die Seufzer,
    Tränen überströmten plötzlich
    Wie ein Sturzbach seine Wangen.


    Düster von dem hohen Zelter
    Schaut' herab des Königs Mutter,
    Schaut' auf ihres Sohnes Jammer,
    Und sie schalt ihn stolz und bitter.


    »Boabdil el Chico«, sprach sie,
    »Wie ein Weib beweinst du jetzo
    Jene Stadt, die du nicht wußtest
    Zu verteidgen wie ein Mann.«


    Als des Königs liebste Kebsin
    Solche harte Rede hörte,
    Stürzte sie aus ihrer Sänfte
    Und umhalste den Gebieter.


    »Boabdil el Chico,« sprach sie,
    »Tröste dich, mein Heißgeliebter,
    Aus dem Abgrund deines Elends
    Blüht hervor ein schöner Lorbeer.


    »Nicht allein der Triumphator,
    Nicht allein der sieggekrönte
    Günstling jener blinden Göttin,
    Auch der blutge Sohn des Unglücks,


    »Auch der heldenmütge Kämpfer,
    Der dem ungeheuren Schicksal
    Unterlag, wird ewig leben
    In der Menschen Angedenken.«


    »Berg des letzten Mohrenseufzers«
    Heißt bis auf den heutgen Tag
    Jene Höhe, wo der König
    Sah zum letzten Mal Granada.


    Lieblich hat die Zeit erfüllet
    Seiner Liebsten Prophezeiung,
    Und des Mohrenkönigs Name
    Ward verherrlicht und gefeiert.


    Nimmer wird sein Ruhm verhallen,
    Ehe nicht die letzte Saite
    Schnarrend losspringt von der letzten
    Andalusischen Gitarre.




        Geoffroy Rudèl und Melisande von Tripoli


    In dem Schlosse Blay erblickt man
    Die Tapete an den Wänden,
    So die Gräfin Tripolis
    Einst gestickt mit klugen Händen.


    Ihre ganze Seele stickte
    Sie hinein, und Liebesträne
    Hat gefeit das seidne Bildwerk,
    Welches darstellt jene Szene:


    Wie die Gräfin den Rudèl
    Sterbend sah am Strande liegen,
    Und das Urbild ihrer Sehnsucht
    Gleich erkannt' in seinen Zügen.


    Auch Rudèl hat hier zum ersten
    Und zum letzten Mal erblicket
    In der Wirklichkeit die Dame,
    Die ihn oft im Traum entzücket.


    Über ihn beugt sich die Gräfin,
    Hält ihn liebevoll umschlungen,
    Küßt den todesbleichen Mund,
    Der so schön ihr Lob gesungen!


    Ach! der Kuß des Willkomms wurde
    Auch zugleich der Kuß des Scheidens,
    Und so leerten sie den Kelch
    Höchster Lust und tiefsten Leidens.


    In dem Schlosse Blay allnächtlich
    Gibts ein Rauschen, Knistern, Beben,
    Die Figuren der Tapete
    Fangen plötzlich an zu leben.


    Troubadour und Dame schütteln
    Die verschlafnen Schattenglieder,
    Treten aus der Wand und wandeln
    Durch die Säle auf und nieder.


    Trautes Flüstern, sanftes Tändeln,
    Wehmutsüße Heimlichkeiten,
    Und posthume Galantrie
    Aus des Minnesanges Zeiten:


    »Geoffroy! Mein totes Herz
    Wird erwärmt von deiner Stimme,
    In den längst erloschnen Kohlen
    Fühl ich wieder ein Geglimme!«


    »Melisande! Glück und Blume!
    Wenn ich dir ins Auge sehe,
    Leb ich auf—gestorben ist
    Nur mein Erdenleid und -Wehe.«


    »Geoffroy! Wir liebten uns
    Einst im Traume, und jetzunder
    Lieben wir uns gar im Tode
    Gott Amour tat dieses Wunder!«


    »Melisande! Was ist Traum?
    Was ist Tod? Nur eitel Töne.
    In der Liebe nur ist Wahrheit,
    Und dich lieb ich, ewig Schöne.«


    »Geoffroy! Wie traulich ist es
    Hier im stillen Mondscheinsaale,
    Möchte nicht mehr draußen wandeln
    In des Tages Sonnenstrahle.«


    »Melisande! teure Närrin,
    Du bist selber Licht und Sonne,
    Wo du wandelst, blüht der Frühling,
    Sprossen Lieb und Maienwonne!«


    Also kosen, also wandeln
    Jene zärtlichen Gespenster
    Auf und ab, derweil das Mondlicht
    Lauschet durch die Bogenfenster.


    Doch den holden Spuk vertreibend,
    Kommt am End die Morgenröte -
    Jene huschen scheu zurück
    In die Wand, in die Tapete.




        Der Dichter Firdusi


        I


    Goldne Menschen, Silbermenschen!
    Spricht ein Lump von einem Thoman,
    Ist die Rede nur von Silber,
    Ist gemeint ein Silberthoman.


    Doch im Munde eines Fürsten,
    Eines Schaches, ist ein Thoman
    Gülden stets; ein Schach empfängt
    Und er gibt nur goldne Thoman.


    Also denken brave Leute,
    Also dachte auch Firdusi,
    Der Verfasser des berühmten
    Und vergötterten Schach Nameh.


    Dieses große Heldenlied
    Schrieb er auf Geheiß des Schaches,
    Der für jeden seiner Verse
    Einen Thoman ihm versprochen.


    Siebzehnmal die Rose blühte,
    Siebzehnmal ist sie verwelket,
    Und die Nachtigall besang sie
    Und verstummte siebzehnmal -


    Unterdessen saß der Dichter
    An dem Webstuhl des Gedankens,
    Tag und Nacht, und webte emsig
    Seines Liedes Riesenteppich -


    Riesenteppich, wo der Dichter
    Wunderbar hineingewebt
    Seiner Heimat Fabelchronik,
    Farsistans uralte Könge,


    Lieblingshelden seines Volkes,
    Rittertaten, Aventüren,
    Zauberwesen und Dämonen,
    Keck umrankt von Märchenblumen -


    Alles blühend und lebendig,
    Farbenglänzend, glühend, brennend,
    Und wie himmlisch angestrahlt
    Von dem heilgen Lichte Irans,


    Von dem göttlich reinen Urlicht,
    Dessen letzter Feuertempel,
    Trotz dem Koran und dem Mufti,
    In des Dichters Herzen flammte.


    Als vollendet war das Lied,
    Überschickte seinem Gönner
    Der Poet das Manuskript,
    Zweimalhunderttausend Verse.


    In der Badestube war es,
    In der Badestub zu Gasna,
    Wo des Schaches schwarze Boten
    Den Firdusi angetroffen -


    Jeder schleppte einen Geldsack,
    Den er zu des Dichters Füßen
    Knieend legte, als den hohen
    Ehrensold für seine Dichtung.


    Der Poet riß auf die Säcke
    Hastig, um am lang entbehrten
    Goldesanblick sich zu laben -
    Da gewahrt er mit Bestürzung,


    Daß der Inhalt dieser Säcke
    Bleiches Silber, Silberthomans,
    Zweimalhunderttausend etwa -
    Und der Dichter lachte bitter.


    Bitter lachend hat er jene
    Summe abgeteilt in drei
    Gleiche Teile, und jedwedem
    Von den beiden schwarzen Boten


    Schenkte er als Botenlohn
    Solch ein Drittel, und das dritte
    Gab er einem Badeknechte,
    Der sein Bad besorgt, als Trinkgeld.


    Seinen Wanderstab ergriff er
    Jetzo und verließ die Hauptstadt;
    Vor dem Tor hat er den Staub
    Abgefegt von seinen Schuhen.


        II


    »Hätt er menschlich ordinär
    Nicht gehalten, was versprochen,
    Hätt er nur sein Wort gebrochen,
    Zürnen wollt ich nimmermehr.


    »Aber unverzeihlich ist,
    Daß er mich getäuscht so schnöde
    Durch den Doppelsinn der Rede
    Und des Schweigens größte List.


    »Stattlich war er, würdevoll
    Von Gestalt und von Gebärden,
    Wen'ge glichen ihm auf Erden,
    War ein König jeder Zoll.


    »Wie die Sonn am Himmelsbogen,
    Feuerblicks, sah er mich an,
    Er, der Wahrheit stolzer Mann -
    Und er hat mich doch belogen.«


        III


    Schach Mahomet hat gut gespeist,
    Und gut gelaunet ist sein Geist.


    Im dämmernden Garten, auf purpurnem Pfühl,
    Am Springbrunnen sitzt er. Das plätschert so kühl!


    Die Diener stehen mit Ehrfurchtsmienen;
    Sein Liebling Ansari ist unter ihnen.


    Aus Marmorvasen quillt hervor
    Ein üppig brennender Blumenflor.


    Gleich Odalisken anmutiglich
    Die schlanken Palmen fächern sich.


    Es stehen regungslos die Zypressen,
    Wie himmelträumend, wie weltvergessen.


    Doch plötzlich erklingt bei Lautenklang
    Ein sanft geheimnisvoller Gesang.


    Der Schach fährt auf, als wie behext -
    Von wem ist dieses Liedes Text?


    Ansari, an welchen die Frage gerichtet,
    Gab Antwort: Das hat Firdusi gedichtet.


    Firdusi?—rief der Fürst betreten -
    Wo ist er? Wie geht es dem großen Poeten?


    Ansari gab Antwort: In Dürftigkeit
    Und Elend lebt er seit langer Zeit


    Zu Thus, des Dichters Vaterstadt,
    Wo er ein kleines Gärtchen hat.


    Schach Mahomet schwieg, eine gute Weile,
    Dann sprach er: Ansari, mein Auftrag hat Eile -


    Geh nach meinen Ställen und erwähle
    Dort hundert Maultiere und funfzig Kamele.


    Die sollst du belasten mit allen Schätzen,
    Die eines Menschen Herz ergötzen,


    Mit Herrlichkeiten und Raritäten,
    Kostbaren Kleidern und Hausgeräten


    Von Sandelholz, von Elfenbein,
    Mit güldnen und silbernen Schnurrpfeiferein,


    Kannen und Kelchen, zierlich gehenkelt,
    Lepardenfellen, groß gesprenkelt,


    Mit Teppichen, Schals und reichen Brokaten,
    Die fabriziert in meinen Staaten -


    Vergiß nicht, auch hinzuzupacken
    Glänzende Waffen und Schabracken,


    Nicht minder Getränke jeder Art
    Und Speisen, die man in Töpfen bewahrt,


    Auch Konfitüren und Mandeltorten,
    Und Pfefferkuchen von allen Sorten.


    Füge hinzu ein Dutzend Gäule,
    Arabischer Zucht, geschwind wie Pfeile,


    Und schwarze Sklaven, gleichfalls ein Dutzend,
    Leiber von Erz, strapazentrutzend.


    Ansari, mit diesen schönen Sachen
    Sollst du dich gleich auf die Reise machen.


    Du sollst sie bringen nebst meinem Gruß
    Dem großen Dichter Firdusi zu Thus.


    Ansari erfüllte des Herrschers Befehle,
    Belud die Mäuler und Kamele


    Mit Ehrengeschenken, die wohl den Zins
    Gekostet von einer ganzen Provinz.


    Nach dreien Tagen verließ er schon
    Die Residenz, und in eigner Person,


    Mit einer roten Führerfahne,
    Ritt er voran der Karawane.


    Am achten Tage erreichten sie Thus;
    Die Stadt liegt an des Berges Fuß.


    Wohl durch das Westtor zog herein
    Die Karawane mit Lärmen und Schrein.


    Die Trommel scholl, das Kuhhorn klang,
    Und laut aufjubelt Triumphgesang.


    La Illa Il Allah! aus voller Kehle
    Jauchzten die Treiber der Kamele.


    Doch durch das Osttor, am andern End
    Von Thus, zog in demselben Moment


    Zur Stadt hinaus der Leichenzug,
    Der den toten Firdusi zu Grabe trug.




        Nächtliche Fahrt


    Es wogte das Meer, aus dem dunklen Gewölk
    Der Halbmond lugte scheu;
    Und als wir stiegen in den Kahn,
    Wir waren unsrer drei.


    Es plätschert' im Wasser des Ruderschlags
    Verdrossenes Einerlei;
    Weißschäumende Wellen rauschten heran,
    Bespritzten uns alle drei.


    Sie stand im Kahn so blaß, so schlank,
    Und unbeweglich dabei,
    Als wär sie ein welsches Marmorbild,
    Dianens Konterfei.


    Der Mond verbirgt sich ganz. Es pfeift
    Der Nachtwind kalt vorbei;
    Hoch über unsern Häuptern ertönt
    Plötzlich ein gellender Schrei.


    Die weiße, gespenstische Möwe wars,
    Und ob dem bösen Schrei,
    Der schauerlich klang wie Warnungsruf,
    Erschraken wir alle drei.


    Bin ich im Fieber? Ist das ein Spuk
    Der nächtlichen Phantasei?
    Äfft mich ein Traum? Es träumet mir
    Grausame Narretei.


    Grausame Narretei! Mir träumt,
    Daß ich ein Heiland sei,
    Und daß ich trüge das große Kreuz
    Geduldig und getreu.


    Die arme Schönheit ist schwer bedrängt,
    Ich aber mache sie frei
    Von Schmach und Sünde, von Qual und Not,
    Von der Welt Unfläterei.


    Du arme Schönheit, schaudre nicht
    Wohl ob der bittern Arznei;
    Ich selber kredenze dir den Tod,
    Bricht auch mein Herz entzwei.


    O Narretei, grausamer Traum,
    Wahnsinn und Raserei!
    Es gähnt die Nacht, es kreischt das Meer,
    O Gott! o steh mir bei!


    O steh mir bei, barmherziger Gott!
    Barmherziger Gott Schaddey!
    Da schollerts hinab ins Meer—O Weh -
    Schaddey! Schaddey! Adonay! -


    Die Sonne ging auf, wir fuhren ans Land,
    Da blühte und glühte der Mai!
    Und als wir stiegen aus dem Kahn,
    Da waren wir unsrer _zwei_.




        Vitzliputzli


        Präludium


    Dieses ist Amerika!
    Dieses ist die neue Welt!
    Nicht die heutige, die schon
    Europäisieret abwelkt. -


    Dieses ist die neue Welt!
    Wie sie Christoval Kolumbus
    Aus dem Ozean hervorzog.
    Glänzet noch in Flutenfrische,


    Träufelt noch von Wasserperlen,
    Die zerstieben, farbensprühend,
    Wenn sie küßt das Licht der Sonne.
    Wie gesund ist diese Welt!


    Ist kein Kirchhof der Romantik,
    Ist kein alter Scherbenberg
    Von verschimmelten Symbolen
    Und versteinerten Perucken.


    Aus gesundem Boden sprossen
    Auch gesunde Bäume—keiner
    Ist blasiert und keiner hat
    In dem Rückgratmark die Schwindsucht.


    Auf den Baumesästen schaukeln
    Große Vögel. Ihr Gefieder
    Farbenschillernd. Mit den ernsthaft
    Langen Schnäbeln und mit Augen,


    Brillenartig schwarz umrändert,
    Schaun sie auf dich nieder, schweigsam -
    Bis sie plötzlich schrillend aufschrein
    Und wie Kaffeeschwestern schnattern.


    Doch ich weiß nicht, was sie sagen,
    Ob ich gleich der Vögel Sprachen
    Kundig bin wie Salomo,
    Welcher tausend Weiber hatte


    Und die Vögelsprachen kannte,
    Die modernen nicht allein,
    Sondern auch die toten, alten,
    Ausgestopften Dialekte.


    Neuer Boden, neue Blumen!
    Neue Blumen, neue Düfte!
    Unerhörte, wilde Düfte,
    Die mir in die Nase dringen,


    Neckend, prickelnd, leidenschaftlich -
    Und mein grübelnder Geruchsinn
    Quält sich ab: Wo hab ich denn
    Je dergleichen schon gerochen?


    Wars vielleicht auf Regentstreet,
    In den sonnig gelben Armen
    Jener schlanken Javanesin,
    Die beständig Blumen kaute?


    Oder wars zu Rotterdam,
    Neben des Erasmi Bildsäul,
    In der weißen Waffelbude
    Mit geheimnisvollem Vorhang?


    Während ich die neue Welt
    Solcher Art verdutzt betrachte,
    Schein ich selbst ihr einzuflößen
    Noch viel größre Scheu—Ein Affe,


    Der erschreckt ins Buschwerk forthuscht,
    Schlägt ein Kreuz bei meinem Anblick,
    Angstvoll rufend: »Ein Gespenst!
    Ein Gespenst der alten Welt!«


    Affe! fürcht dich nicht, ich bin
    Kein Gespenst, ich bin kein Spuk;
    Leben kocht in meinen Adern,
    Bin des Lebens treuster Sohn.


    Doch durch jahrelangen Umgang
    Mit den Toten, nahm ich an
    Der Verstorbenen Manieren
    Und geheime Seltsamkeiten.


    Meine schönsten Lebensjahre,
    Die verbracht ich im Kyffhäuser,
    Auch im Venusberg und andern
    Katakomben der Romantik.


    Fürcht dich nicht vor mir, mein Affe!
    Bin dir hold, denn auf dem haarlos
    Ledern abgeschabten Hintern
    Trägst du Farben, die ich liebe.


    Teure Farben! Schwarz-rot-goldgelb!
    Diese Affensteißcouleuren
    Sie erinnern mich mit Wehmut
    An das Banner Barbarossas.


        I


    Auf dem Haupt trug er den Lorbeer,
    Und an seinen Stiefeln glänzten
    Goldne Sporen—dennoch war er
    Nicht ein Held und auch kein Ritter.


    Nur ein Räuberhauptmann war er,
    Der ins Buch des Ruhmes einschrieb,
    Mit der eignen frechen Faust,
    Seinen frechen Namen: Cortez.


    Unter des Kolumbus Namen
    Schrieb er ihn, ja dicht darunter,
    Und der Schulbub auf der Schulbank
    Lernt auswendig beide Namen -


    Nach dem Christoval Kolumbus,
    Nennt er jetzt Fernando Cortez
    Als den zweiten großen Mann
    In dem Pantheon der Neuwelt.


    Heldenschicksals letzte Tücke:
    Unser Name wird verkoppelt
    Mit dem Namen eines Schächers
    In der Menschen Angedenken.


    Wärs nicht besser, ganz verhallen
    Unbekannt, als mit sich schleppen
    Durch die langen Ewigkeiten
    Solche Namenskameradschaft?


    Messer Christoval Kolumbus
    War ein Held, und sein Gemüte,
    Das so lauter wie die Sonne,
    War freigebig auch wie diese.


    Mancher hat schon viel gegeben,
    Aber jener hat der Welt
    Eine ganze Welt geschenket,
    Und sie heißt Amerika.


    Nicht befreien konnt er uns
    Aus dem öden Erdenkerker,
    Doch er wußt ihn zu erweitern
    Und die Kette zu verlängern.


    Dankbar huldigt ihm die Menschheit,
    Die nicht bloß europamüde,
    Sondern Afrikas und Asiens
    Endlich gleichfalls müde worden—-


    Einer nur, ein einzger Held,
    Gab uns mehr und gab uns Beßres
    Als Kolumbus, das ist jener,
    Der uns einen Gott gegeben.


    Sein Herr Vater, der hieß Amram,
    Seine Mutter hieß Jochebeth,
    Und er selber, Moses heißt er,
    Und er ist mein bester Heros.


    Doch, mein Pegasus, du weilest
    Viel zu lang bei dem Kolumbus -
    Wisse, unser heutger Flugritt
    Gilt dem gringern Mann, dem Cortez.


    Breite aus den bunten Fittig,
    Flügelroß! und trage mich
    Nach der Neuwelt schönem Lande,
    Welches Mexiko geheißen.


    Trage mich nach jener Burg,
    Die der König Montezuma
    Gastlich seinen spanschen Gästen
    Angewiesen zur Behausung.


    Doch nicht Obdach bloß und Atzung,
    In verschwenderischer Fülle,
    Gab der Fürst den fremden Strolchen -
    Auch Geschenke reich und prächtig,


    Kostbarkeiten kluggedrechselt,
    Von massivem Gold, Juwelen,
    Zeugten glänzend von der Huld
    Und der Großmut des Monarchen.


    Dieser unzivilisierte,
    Abergläubisch blinde Heide
    Glaubte noch an Treu und Ehre
    Und an Heiligkeit des Gastrechts.


    Er willfahrte dem Gesuche,
    Beizuwohnen einem Feste,
    Das in ihrer Burg die Spanier
    Ihm zu Ehren geben wollten -


    Und mit seinem Hofgesinde,
    Arglos, huldreich, kam der König
    In das spanische Quartier,
    Wo Fanfaren ihn begrüßten.


    Wie das Festspiel war betitelt,
    Weiß ich nicht. Es hieß vielleicht:
    »Spansche Treue!« doch der Autor
    Nannt sich Don Fernando Cortez.


    Dieser gab das Stichwort—plötzlich
    Ward der König überfallen,
    Und man band ihn und behielt ihn
    In der Burg als eine Geisel.


    Aber Montezuma starb,
    Und da war der Damm gebrochen,
    Der die kecken Abenteurer
    Schützte vor dem Zorn des Volkes.


    Schrecklich jetzt begann die Brandung -
    Wie ein wild empörtes Meer
    Tosten, rasten immer näher
    Die erzürnten Menschenwellen.


    Tapfer schlugen zwar die Spanier
    Jeden Sturm zurück. Doch täglich
    Ward berennt die Burg aufs neue,
    Und ermüdend war das Kampfspiel.


    Nach dem Tod des Königs stockte
    Auch der Lebensmittel Zufuhr;
    Kürzer wurden die Rationen,
    Die Gesichter wurden länger.


    Und mit langen Angesichtern
    Sahn sich an Hispaniens Söhne,
    Und sie seufzten und sie dachten
    An die traute Christenheimat,


    An das teure Vaterland,
    Wo die frommen Glocken läuten
    Und am Herde friedlich brodelt
    Eine Ollea-Potrida,


    Dick verschmoret mit Garbanzos,
    Unter welchen, schalkhaft duftend,
    Auch wohl kichernd, sich verbergen
    Die geliebten Knoblauchwürstchen.


    Einen Kriegsrat hielt der Feldherr,
    Und der Rückzug ward beschlossen;
    In der nächsten Tagesfrühe
    Soll das Heer die Stadt verlassen.


    Leicht gelangs hineinzukommen
    Einst durch List dem klugen Cortez,
    Doch die Rückkehr nach dem Festland
    Bot fatale Schwierigkeiten.


    Mexiko, die Inselstadt,
    Liegt in einem großen See,
    Inder Mitte, flutumrauscht:
    Eine stolze Wasserfestung,


    Mit dem Uferland verkehrend
    Nur durch Schiffe, Flöße, Brücken,
    Die auf Riesenpfählen ruhen;
    Kleine Inseln bilden Furten.


    Noch bevor die Sonne aufging,
    Setzten sich in Marsch die Spanier;
    Keine Trommel ward gerühret,
    Kein Trompeter blies Reveille.


    Wollten ihre Wirte nicht
    Aus dem süßen Schlafe wecken -
    (Hunderttausend Indianer
    Lagerten in Mexiko).


    Doch der Spanier machte diesmal
    Ohne seinen Wirt die Rechnung;
    Noch frühzeitger aufgestanden
    Waren heut die Mexikaner.


    Auf den Brücken, auf den Flößen,
    Auf den Furten harrten sie,
    Um den Abschiedstrunk alldorten
    Ihren Gästen zu kredenzen.


    Auf den Brücken, Flößen, Furten,
    Hei! da gabs ein toll Gelage!
    Rot in Strömen floß das Blut,
    Und die kecken Zecher rangen -


    Rangen Leib an Leib gepreßt,
    Und wir sehn auf mancher nackten
    Indianerbrust den Abdruck
    Spanscher Rüstungsarabesken.


    Ein Erdrosseln wars, ein Würgen,
    Ein Gemetzel, das sich langsam,
    Schaurig langsam, weiter wälzte,
    Über Brücken, Flöße, Furten.


    Die Indianer sangen, brüllten,
    Doch die Spanier fochten schweigend;
    Mußten Schritt für Schritt erobern
    Einen Boden für die Flucht.


    In gedrängten Engpaßkämpfen
    Boten gringen Vorteil heute
    Alteuropas strenge Kriegskunst,
    Feuerschlünde, Harnisch, Pferde.


    Viele Spanier waren gleichfalls
    Schwer bepackt mit jenem Golde,
    Das sie jüngst erpreßt, erbeutet -
    Ach, die gelbe Sündenlast


    Lähmte, hemmte sie im Kampfe,
    Und das teuflische Metall
    Ward nicht bloß der armen Seele,
    Sondern auch dem Leib verderblich.


    Mittlerweile ward der See
    Ganz bedeckt von Kähnen, Barken;
    Schützen saßen drin und schossen
    Nach den Brücken, Flößen, Furten.


    Trafen freilich im Getümmel
    Viele ihrer eignen Brüder,
    Doch sie trafen auch gar manchen
    Hochvortrefflichen Hidalgo.


    Auf der dritten Brücke fiel
    Junker Gaston, der an jenem
    Tag die Fahne trug, worauf
    Konterfeit die heilge Jungfrau.


    Dieses Bildnis selber trafen
    Die Geschosse der Indianer;
    Sechs Geschosse blieben stecken
    Just im Herzen—blanke Pfeile,


    Ähnlich jenen güldnen Schwertern,
    Die der Mater dolorosa
    Schmerzenreiche Brust durchbohren
    Bei Karfreitagsprozessionen.


    Sterbend übergab Don Gaston
    Seine Fahne dem Gonzalvo,
    Der zu Tod getroffen gleichfalls
    Bald dahinsank.—Jetzt ergriff


    Cortez selbst das teure Banner,
    Er, der Feldherr, und er trug es
    Hoch zu Roß bis gegen Abend,
    Wo die Schlacht ein Ende nahm.


    Hundertsechzig Spanier fanden
    Ihren Tod an jenem Tage;
    Über achtzig fielen lebend
    In die Hände der Indianer.


    Schwer verwundet wurden viele,
    Die erst später unterlagen.
    Schier ein Dutzend Pferde wurde
    Teils getötet, teils erbeutet.


    Gegen Abend erst erreichten
    Cortez und sein Heer das sichre
    Uferland, ein Seegestade,
    Karg bepflanzt mit Trauerweiden.


        II


    Nach des Kampfes Schreckenstag
    Kommt die Spuknacht des Triumphes;
    Hunderttausend Freudenlampen
    Lodern auf in Mexiko.


    Hunderttausend Freudenlampen,
    Waldharzfackeln, Pechkranzfeuer
    Werfen grell ihr Tageslicht
    Auf Paläste, Götterhallen,


    Gildenhäuser und zumal
    Auf den Tempel Vitzliputzlis,
    Götzenburg von rotem Backstein,
    Seltsam mahnend an ägyptisch,


    Babylonisch und assyrisch
    Kolossalen Bauwerk-Monstren,
    Die wir schauen auf den Bildern
    Unsers Britten Henri Martin.


    Ja, das sind dieselben breiten
    Rampentreppen, also breit,
    Daß dort auf und nieder wallen
    Viele tausend Mexikaner,


    Während auf den Stufen lagern
    Rottenweis die wilden Krieger,
    Welche lustig bankettieren,
    Hochberauscht von Sieg und Palmwein.


    Diese Rampentreppen leiten,
    Wie ein Zickzack, nach der Plattform,
    Einem balustradenartgen
    Ungeheuern Tempeldach.


    Dort auf seinem Thronaltar
    Sitzt der große Vitzliputzli,
    Mexikos blutdürstger Kriegsgott.
    Ist ein böses Ungestüm,


    Doch sein Äußres ist so putzig,
    So verschnörkelt und so kindisch,
    Daß er trotz des innern Grausens
    Dennoch unsre Lachlust kitzelt -


    Und bei seinem Anblick denken
    Wir zu gleicher Zeit etwa
    An den blassen Tod von Basel
    Und an Brüssels Mannke-Piß.


    An des Gottes Seite stehen
    Rechts die Laien, links die Pfaffen;
    Im Ornat von bunten Federn
    Spreizt sich heut die Klerisei.


    Auf des Altars Marmorstufen
    Hockt ein hundertjährig Männlein,
    Ohne Haar an Kinn und Schädel;
    Trägt ein scharlach Kamisölchen.


    Dieses ist der Opferpriester,
    Und er wetzet seine Messer,
    Wetzt sie lächelnd, und er schielet
    Manchmal nach dem Gott hinauf.


    Vitzliputzli scheint den Blick
    Seines Dieners zu verstehen,
    Zwinkert mit den Augenwimpern
    Und bewegt sogar die Lippen.


    Auf des Altars Stufen kauern
    Auch die Tempelmusici,
    Paukenschläger, Kuhhornbläser -
    Ein Gerassel und Getute -


    Ein Gerassel und Getute,
    Und es stimmet ein des Chores
    Mexikanisches Tedeum -
    Ein Miaulen wie von Katzen -


    Ein Miaulen wie von Katzen,
    Doch von jener großen Sorte,
    Welche Tigerkatzen heißen
    Und statt Mäuse Menschen fressen!


    Wenn der Nachtwind diese Töne
    Hinwirft nach dem Seegestade,
    Wird den Spaniern, die dort lagern,
    Katzenjämmerlich zu Mute.


    Traurig unter Trauerweiden,
    Stehen diese dort noch immer
    Und sie starren nach der Stadt,
    Die im dunkeln Seegewässer


    Widerspiegelt, schier verhöhnend,
    Alle Flammen ihrer Freude -
    Stehen dort wie im Parterre
    Eines großen Schauspielhauses,


    Und des Vitzliputzli-Tempels
    Helle Plattform ist die Bühne,
    Wo zur Siegesfeier jetzt
    Ein Mysterium tragiert wird.


    »Menschenopfer« heißt das Stück.
    Uralt ist der Stoff, die Fabel;
    In der christlichen Behandlung
    Ist das Schauspiel nicht so gräßlich.


    Denn dem Blute wurde Rotwein,
    Und dem Leichnam, welcher vorkam,
    Wurde eine harmlos dünne
    Mehlbreispeis transsubstituieret -


    Diesmal aber, bei den Wilden,
    War der Spaß sehr roh und ernsthaft
    Aufgefaßt: man speiste Fleisch,
    Und das Blut war Menschenblut.


    Diesmal war es gar das Vollblut
    Von Altchristen, das sich nie,
    Nie vermischt hat mit dem Blute
    Der Moresken und der Juden.


    Freu dich, Vitzliputzli, freu dich,
    Heute gibt es Spanierblut,
    Und am warmen Dufte wirst du
    Gierig laben deine Nase.


    Heute werden dir geschlachtet
    Achtzig Spanier, stolze Braten
    Für die Tafel deiner Priester,
    Die sich an dem Fleisch erquicken.


    Denn der Priester ist ein Mensch,
    Und der Mensch, der arme Fresser,
    Kann nicht bloß vom Riechen leben
    Und vom Dufte, wie die Götter.


    Horch! die Todespauke dröhnt schon,
    Und es kreischt das böse Kuhhorn!
    Sie verkünden, daß heraufsteigt
    Jetzt der Zug der Sterbemänner.


    Achtzig Spanier, schmählich nackend,
    Ihre Hände auf dem Rücken
    Festgebunden, schleppt und schleift man
    Hoch hinauf die Tempeltreppe.


    Vor dem Vitzliputzli-Bilde
    Zwingt man sie das Knie zu beugen
    Und zu tanzen Possentänze,
    Und man zwingt sie durch Torturen,


    Die so grausam und entsetzlich,
    Daß der Angstschrei der Gequälten
    Überheulet das gesamte
    Kannibalen-Charivari. -


    Armes Publikum am See!
    Cortez und die Kriegsgefährten
    Sie vernahmen und erkannten
    Ihrer Freunde Angstrufstimmen -


    Auf der Bühne, grellbeleuchtet,
    Sahen sie auch ganz genau
    Die Gestalten und die Mienen -
    Sahn das Messer, sahn das Blut -


    Und sie nahmen ab die Helme
    Von den Häuptern, knieten nieder,
    Stimmten an den Psalm der Toten,
    Und sie sangen: De profundis!


    Unter jenen, welche starben,
    War auch Raimond de Mendoza,
    Sohn der schönen Abbatissin,
    Cortez' erste Jugendliebe.


    Als er auf der Brust des Jünglings
    Jenes Medaillon gewahrte,
    Das der Mutter Bildnis einschloß,
    Weinte Cortez helle Tränen -


    Doch er wischt' sie ab vom Auge
    Mit dem harten Büffelhandschuh,
    Seufzte tief und sang im Chore
    Mit den Andern: miserere!


        III


    Blasser schimmern schon die Sterne,
    Und die Morgennebel steigen
    Aus der Seeflut, wie Gespenster,
    Mit hinschleppend weißen Laken.


    Fest und Lichter sind erloschen
    Auf dem Dach des Götzentempels,
    Wo am blutgetränkten Estrich
    Schnarchend liegen Pfaff und Laie.


    Nur die rote Jacke wacht.
    Bei dem Schein der letzten Lampe,
    Süßlich grinsend, grimmig schäkernd,
    Spricht der Priester zu dem Gotte:


    »Vitzliputzli, Putzlivitzli,
    Liebstes Göttchen Vitzliputzli!
    Hast dich heute amüsieret,
    Hast gerochen Wohlgerüche!


    »Heute gab es Spanierblut -
    O, das dampfte so apptitlich,
    Und dein feines Leckernäschen
    Sog den Duft ein, wollustglänzend.


    »Morgen opfern wir die Pferde,
    Wiehernd edle Ungetüme,
    Die des Windes Geister zeugten,
    Buhlschaft treibend mit der Seekuh.


    »Willst du artig sein, so schlacht ich
    Dir auch meine beiden Enkel,
    Hübsche Bübchen, süßes Blut,
    Meines Alters einzge Freude.


    »Aber artig mußt du sein,
    Mußt uns neue Siege schenken -
    Laß uns siegen, liebes Göttchen,
    Putzlivitzli, Vitzliputzli!


    »O verderbe unsre Feinde,
    Diese Fremden, die aus fernen
    Und noch unentdeckten Ländern
    Zu uns kamen übers Weltmeer -


    »Warum ließen sie die Heimat?
    Trieb sie Hunger oder Blutschuld?
    Bleib im Land und nähr dich redlich,
    Ist ein sinnig altes Sprüchwort.


    »Was ist ihr Begehr? Sie stecken
    Unser Gold in ihre Taschen,
    Und sie wollen, daß wir droben
    Einst im Himmel glücklich werden!


    »Anfangs glaubten wir, sie wären
    Wesen von der höchsten Gattung,
    Sonnensöhne, die unsterblich
    Und bewehrt mit Blitz und Donner.


    »Aber Menschen sind sie, tötbar
    Wie wir Andre, und mein Messer
    Hat erprobet heute Nacht
    Ihre Menschensterblichkeit.


    »Menschen sind sie und nicht schöner
    Als wir Andre, manche drunter
    Sind so häßlich wie die Affen;
    Wie bei diesen sind behaart


    »Die Gesichter, und es heißt,
    Manche trügen in den Hosen
    Auch verborgne Affenschwänze -
    Wer kein Aff, braucht keine Hosen.


    »Auch moralisch häßlich sind sie,
    Wissen nichts von Pietät,
    Und es heißt, daß sie sogar
    Ihre eignen Götter fräßen!


    »O vertilge diese ruchlos
    Böse Brut, die Götterfresser -
    Vitzliputzli, Putzlivitzli,
    Laß uns siegen, Vitzliputzli!« -


    Also sprach zum Gott der Priester,
    Und des Gottes Antwort tönt
    Seufzend, röchelnd, wie der Nachtwind,
    Welcher koset mit dem Seeschilf:


    Rotjack, Rotjack, blutger Schlächter,
    Hast geschlachtet viele Tausend,
    Bohre jetzt das Opfermesser
    In den eignen alten Leib.


    Aus dem aufgeschlitzten Leib
    Schlüpft alsdann hervor die Seele;
    Über Kiesel, über Wurzel
    Trippelt sie zum Laubfroschteiche.


    Dorten hocket meine Muhme
    Rattenkönigin—sie wird sagen:
    »Guten Morgen, nackte Seele,
    Wie ergeht es meinem Neffen?


    »Vitzliputzlelt er vergnügt
    In dem honigsüßen Goldlicht?
    Wedelt ihm das Glück die Fliegen
    Und die Sorgen von der Stirne?


    »Oder kratzt ihn Katzlagara,
    Die verhaßte Unheilsgöttin
    Mit den schwarzen Eisenpfoten,
    Die in Otterngift getränket?«


    Nackte Seele, gib zur Antwort:
    Vitzliputzli läßt dich grüßen,
    Und er wünscht dir Pestilenz
    In den Bauch, Vermaledeite!


    Denn du rietest ihm zum Kriege,
    Und dein Rat, es war ein Abgrund -
    In Erfüllung geht die böse,
    Uralt böse Prophezeiung


    Von des Reiches Untergang
    Durch die furchtbar bärtgen Männer,
    Die auf hölzernem Gevögel
    Hergeflogen aus dem Osten.


    Auch ein altes Sprüchwort gibt es:
    Weiberwille, Gotteswille -
    Doppelt ist der Gotteswille,
    Wenn das Weib die Mutter Gottes.


    Diese ist es, die mir zürnet,
    Sie, die stolze Himmelsfürstin,
    Eine Jungfrau sonder Makel,
    Zauberkundig, wundertätig.


    Sie beschützt das Spaniervolk,
    Und wir müssen untergehen,
    Ich, der ärmste aller Götter,
    Und mein armes Mexiko.


    Nach vollbrachtem Auftrag, Rotjack,
    Krieche deine nackte Seele
    In ein Sandloch—Schlafe wohl!
    Daß du nicht mein Unglück schauest!


    Dieser Tempel stürzt zusammen,
    Und ich selber, ich versinke
    In dem Qualm—nur Rauch und Trümmer -
    Keiner wird mich wiedersehen.


    Doch ich sterbe nicht; wir Götter
    Werden alt wie Papageien,
    Und wir mausern nur und wechseln
    Auch wie diese das Gefieder.


    Nach der Heimat meiner Feinde,
    Die Europa ist geheißen,
    Will ich flüchten, dort beginn ich
    Eine neue Karriere.


    Ich verteufle mich, der Gott
    Wird jetzund ein Gottseibeiuns;
    Als der Feinde böser Feind,
    Kann ich dorten wirken, schaffen.


    Quälen will ich dort die Feinde,
    Mit Phantomen sie erschrecken -
    Vorgeschmack der Hölle, Schwefel
    Sollen sie beständig riechen.


    Ihre Weisen, ihre Narren
    Will ich ködern und verlocken;
    Ihre Tugend will ich kitzeln,
    Bis sie lacht wie eine Metze.


    Ja, ein Teufel will ich werden,
    Und als Kameraden grüß ich
    Satanas und Belial,
    Astaroth und Belzebub.


    Dich zumal begrüß ich, Lilis,
    Sündenmutter, glatte Schlange!
    Lehr mich deine Grausamkeiten
    Und die schöne Kunst der Lüge!


    Mein geliebtes Mexiko,
    Nimmermehr kann ich es retten,
    Aber rächen will ich furchtbar
    Mein geliebtes Mexiko.






    Zweites Buch



        Lamentationen




            Das Glück ist eine leichte Dirne,

            Und weilt nicht gern am selben Ort;

            Sie streicht das Haar dir von der Stirne

            Und küßt dich rasch und flattert fort.


            Frau Unglück hat im Gegenteile

            Dich liebefest ans Herz gedrückt;

            Sie sagt, sie habe keine Eile,

            Setzt sich zu dir ans Bett und strickt.




        Waldeinsamkeit


    Ich hab in meinen Jugendtagen
    Wohl auf dem Haupt einen Kranz getragen;
    Die Blumen glänzten wunderbar,
    Ein Zauber in dem Kranze war.


    Der schöne Kranz gefiel wohl Allen,
    Doch der ihn trug hat Manchem mißfallen;
    Ich floh den gelben Menschenneid,
    Ich floh in die grüne Waldeinsamkeit.


    Im Wald, im Wald! da konnt ich führen
    Ein freies Leben mit Geistern und Tieren;
    Feen und Hochwild von stolzem Geweih,
    Sie nahten sich mir ganz ohne Scheu.


    Sie nahten sich mir ganz ohne Zagnis,
    Sie wußten, das sei kein schreckliches Wagnis;
    Daß ich kein Jäger, wußte das Reh,
    Daß ich kein Vernunftmensch, wußte die Fee.


    Von Feenbegünstigung plaudern nur Toren -
    Doch wie die übrigen Honoratioren
    Des Waldes mir huldreich gewesen, fürwahr
    Ich darf es bekennen offenbar.


    Wie haben mich lieblich die Elfen umflattert!
    Ein luftiges Völkchen! das plaudert und schnattert!
    Ein bißchen stechend ist der Blick,
    Verheißend ein süßes, doch tödliches Glück.


    Ergötzten mich mit Maitanz und Maispiel,
    Erzählten mir Hofgeschichten, zum Beispiel:
    Die skandalose Chronika
    Der Königin Titania.


    Saß ich am Bache, so tauchten und sprangen
    Hervor aus der Flut, mit ihrem langen
    Silberschleier und flatterndem Haar,
    Die Wasserbacchanten, die Nixenschar.


    Sie schlugen die Zither, sie spielten auf Geigen,
    Das war der famose Nixenreigen;
    Die Posituren, die Melodei,
    War klingende, springende Raserei.


    Jedoch zu Zeiten waren sie minder
    Tobsüchtig gelaunt, die schönen Kinder;
    Zu meinen Füßen lagerten sie,
    Das Köpfchen gestützt auf meinem Knie.


    Trällerten, trillerten welsche Romanzen,
    Zum Beispiel das Lied von den drei Pomeranzen,
    Sangen auch wohl ein Lobgedicht
    Auf mich und mein nobeles Menschengesicht.


    Sie unterbrachen manchmal das Gesinge
    Lautlachend, und frugen bedenkliche Dinge,
    Zum Beispiel: »Sag uns, zu welchem Behuf
    Der liebe Gott den Menschen schuf?


    »Hat eine unsterbliche Seele ein Jeder
    Von euch? Ist diese Seele von Leder
    Oder von steifer Leinwand? Warum
    Sind eure Leute meistens so dumm?«


    Was ich zur Antwort gab, verhehle
    Ich hier, doch meine unsterbliche Seele,
    Glaubt mirs, ward nie davon verletzt,
    Was eine kleine Nixe geschwätzt.


    Anmutig und schalkhaft sind Nixen und Elfen;
    Nicht so die Erdgeister, sie dienen und helfen
    Treuherzig den Menschen. Ich liebte zumeist
    Die, welche man Wichtelmännchen heißt.


    Sie tragen Rotmäntelchen, lang und bauschig,
    Die Miene ist ehrlich, doch bang und lauschig;
    Ich ließ nicht merken, daß ich entdeckt,
    Warum sie so ängstlich die Füße versteckt.


    Sie haben nämlich Entenfüße
    Und bilden sich ein, daß Niemand es wisse.
    Das ist eine tiefgeheime Wund,
    Worüber ich nimmermehr spötteln kunnt.


    Ach Himmel! wir Alle, gleich jenen Zwergen,
    Wir haben ja Alle etwas zu verbergen;
    Kein Christenmensch, wähnen wir, hätte entdeckt,
    Wo unser Entenfüßchen steckt.


    Niemals verkehrt ich mit Salamandern,
    Und über ihr Treiben erfuhr ich von andern
    Waldgeistern sehr wenig. Sie huschten mir scheu
    Des Nachts wie leuchtende Schatten vorbei.


    Sind spindeldürre, von Kindeslänge,
    Höschen und Wämschen anliegend enge,
    Von Scharlachfarbe, goldgestickt;
    Das Antlitz kränklich, vergilbt und bedrückt.


    Ein güldnes Krönlein, gespickt mit Rubinen,
    Trägt auf dem Köpfchen ein jeder von ihnen;
    Ein jeder von ihnen bildet sich ein,
    Ein absoluter König zu sein.


    Daß sie im Feuer nicht verbrennen,
    Ist freilich ein Kunststück, ich will es bekennen;
    Jedoch der unentzündbare Wicht,
    Ein wahrer Feuergeist ist er nicht.


    Die klügsten Waldgeister sind die Alräunchen,
    Langbärtige Männlein mit kurzen Beinchen,
    Ein fingerlanges Greisengeschlecht;
    Woher sie stammen, man weiß es nicht recht.


    Wenn sie im Mondschein kopfüber purzeln,
    Das mahnt bedenklich an Pissewurzeln;
    Doch da sie mir nur Gutes getan,
    So geht mich nichts ihr Ursprung an.


    Sie lehrten mir kleine Hexereien,
    Feuer besprechen, Vögel beschreien,
    Auch pflücken in der Johannisnacht
    Das Kräutlein, das unsichtbar macht.


    Sie lehrten mich Sterne und Zeichen deuten,
    Sattellos auf dem Winde reiten,
    Auch Runensprüche, womit man ruft
    Die Toten hervor aus ihrer Gruft.


    Sie haben mir auch den Pfiff gelehrt,
    Wie man den Vogel Specht betört
    Und ihm die Springwurz abgewinnt,
    Die anzeigt, wo Schätze verborgen sind.


    Die Worte, die man beim Schätzegraben
    Hinmurmelt, lehrten sie mich, sie haben
    Mir alles expliziert—umsunst!
    Hab nie begriffen die Schatzgräberkunst.


    Wohl hatt ich derselben nicht nötig dermalen,
    Ich brauchte wenig, und konnt es bezahlen,
    Besaß auch in Spanien manch luftiges Schloß,
    Wovon ich die Revenüen genoß.


    O, schöne Zeit! wo voller Geigen
    Der Himmel hing, wo Elfenreigen
    Und Nixentanz und Koboldscherz
    Umgaukelt mein märchentrunkenes Herz!


    O, schöne Zeit! wo sich zu grünen
    Triumphespforten zu wölben schienen
    Die Bäume des Waldes—ich ging einher,
    Bekränzt, als ob ich der Sieger wär!


    Die schöne Zeit, sie ist verschlendert,
    Und Alles hat sich seitdem verändert,
    Und ach! mir ist der Kranz geraubt,
    Den ich getragen auf meinem Haupt.


    Der Kranz ist mir vom Haupt genommen,
    Ich weiß es nicht, wie es gekommen;
    Doch seit der schöne Kranz mir fehlt,
    Ist meine Seele wie entseelt.


    Es glotzen mich an unheimlich blöde
    Die Larven der Welt! Der Himmel ist öde,
    Ein blauer Kirchhof, entgöttert und stumm.
    Ich gehe gebückt im Wald herum.


    Im Walde sind die Elfen verschwunden,
    Jagdhörner hör ich, Gekläffe von Hunden;
    Im Dickicht ist das Reh versteckt,
    Das tränend seine Wunden leckt.


    Wo sind die Alräunchen? Ich glaube, sie halten
    Sich ängstlich verborgen in Felsenspalten.
    Ihr kleinen Freunde, ich komme zurück,
    Doch ohne Kranz und ohne Glück.


    Wo ist die Fee mit dem langen Goldhaar,
    Die erste Schönheit, die mir hold war?
    Der Eichenbaum, worin sie gehaust,
    Steht traurig entlaubt, vom Winde zerzaust.


    Der Bach rauscht trostlos gleich dem Styxe;
    Am einsamen Ufer sitzt eine Nixe,
    Todblaß und stumm, wie 'n Bild von Stein,
    Scheint tief in Kummer versunken zu sein.


    Mitleidig tret ich zu ihr heran -
    Da fährt sie auf und schaut mich an,
    Und sie entflieht mit entsetzten Mienen,
    Als sei ihr ein Gespenst erschienen.




        Spanische Atriden


    Am Hubertustag des Jahres
    Dreizehnhundert drei und achtzig
    Gab der König uns ein Gastmahl
    Zu Segovia im Schlosse.


    Hofgastmähler sind dieselben
    Überall, es gähnt dieselbe
    Souveräne Langeweile
    An der Tafel aller Fürsten.


    Prunkgeschirr von Gold und Silber,
    Leckerbissen aller Zonen,
    Und derselbe Bleigeschmack,
    Mahnend an Lokustes Küche.


    Auch derselbe seidne Pöbel,
    Buntgeputzt und vornehm nickend,
    Wie ein Beet von Tulipanen;
    Nur die Saucen sind verschieden.


    Und das ist ein Wispern, Sumsen,
    Das wie Mohn den Sinn einschläfert,
    Bis Trompetenstöße wecken
    Aus der kauenden Betäubnis.


    Neben mir, zum Glücke, saß
    Don Diego Albuquerque,
    Dem die Rede unterhaltsam
    Von den klugen Lippen floß.


    Ganz vorzüglich gut erzählte
    Er die blutgen Hofgeschichten
    Aus den Tagen des Don Pedro,
    Den man »König Grausam« nannte.


    Als ich frug, warum Don Pedro
    Seinen Bruder Don Fredrego
    Insgeheim enthaupten ließ,
    Sprach mein Tischgenosse seufzend:


    Sennor! glaubt nicht was sie klimpern
    Auf den schlottrigen Gitarren,
    Bänkelsänger, Maultiertreiber,
    In Posaden, Kneipen, Schenken.


    Glaubet nimmer, was sie faseln
    Von der Liebe Don Fredregos
    Und Don Pedros schöner Gattin,
    Donna Blanka von Bourbon.


    Nicht der Eifersucht des Gatten,
    Nur der Mißgunst eines Neidharts
    Fiel als Opfer Don Fredrego,
    Calatravas Ordensmeister.


    Das Verbrechen, das Don Pedro
    Nicht verzieh, das war sein Ruhm,
    Jener Ruhm, den Donna Fama
    Mit Entzücken ausposaunte.


    Auch verzieh ihm nicht Don Pedro
    Seiner Seele Hochgefühle
    Und die Wohlgestalt des Leibes,
    Die ein Abbild solcher Seele.


    Blühend blieb mir im Gedächtnis
    Diese schlanke Heldenblume;
    Nie vergeß ich dieses schöne
    Träumerische Jünglingsantlitz.


    Das war eben jene Sorte,
    Die geliebt wird von den Feen,
    Und ein märchenhaft Geheimnis
    Sprach aus allen diesen Zügen.


    Blaue Augen, deren Schmelz
    Blendend wie ein Edelstein, -
    Aber auch der stieren Härte
    Eines Edelsteins teilhaftig.


    Seine Haare waren schwarz,
    Bläulichschwarz, von seltnem Glanze,
    Und in üppig schönen Locken
    Auf die Schulter niederfallend.


    In der schönen Stadt Coimbra,
    Die er abgewann den Mohren,
    Sah ich ihn zum letzten Male
    Lebend—unglückselger Prinz!


    Eben kam er vom Alkanzor,
    Durch die engen Straßen reitend;
    Manche junge Mohrin lauschte
    Hinterm Gitter ihres Fensters.


    Seines Hauptes Helmbusch wehte
    Frei galant, jedoch des Mantels
    Strenges Calatrava-Kreuz
    Scheuchte jeden Buhlgedanken.


    Ihm zur Seite, freudewedelnd,
    Sprang sein Liebling, Allan hieß er,
    Eine Bestie stolzer Rasse,
    Deren Heimat die Sierra.


    Trotz der ungeheuern Größe
    War er wie ein Reh gelenkig,
    Nobel war des Kopfes Bildung,
    Ob sie gleich dem Fuchse ähnlich.


    Schneeweiß und so weich wie Seide
    Flockten lang herab die Haare;
    Mit Rubinen inkrustieret
    War das breite goldne Halsband.


    Dieses Halsband, sagt man, barg
    Einen Talisman der Treue;
    Niemals wich er von der Seite
    Seines Herrn, der treue Hund.


    O der schauerlichen Treue!
    Mir erbebet das Gemüte,
    Denk ich dran, wie sie sich hier
    Offenbart vor unsern Augen.


    O des schreckenvollen Tages!
    Hier in diesem Saale war es,
    Und wie heute saß ich hier
    An der königlichen Tafel.


    An dem obern Tafelende,
    Dort, wo heute Don Henrico
    Fröhlich bechert mit der Blume
    Kastilianscher Ritterschaft -


    Jenes Tags saß dort Don Pedro
    Finster stumm, und neben ihm,
    Strahlend stolz wie eine Göttin,
    Saß Maria de Padilla.


    Hier am untern End der Tafel,
    Wo wir heut die Dame sehen,
    Deren große Linnenkrause
    Wie ein weißer Teller aussieht -


    Während ihr vergilbt Gesichtchen
    Mit dem säuerlichen Lächeln
    Der Zitrone gleichet, welche
    Auf besagtem Teller ruht:


    Hier am untern End der Tafel
    War ein leerer Platz geblieben;
    Eines Gasts von hohem Range
    Schien der goldne Stuhl zu harren.


    Don Fredrego war der Gast,
    Dem der goldne Stuhl bestimmt war -
    Doch er kam nicht -ach, wir wissen
    Jetzt den Grund der Zögerung.


    Ach, zur selben Stunde wurde
    Sie vollbracht, die dunkle Untat,
    Und der arglos junge Held
    Wurde von Don Pedros Schergen


    Hinterlistig überfallen
    Und gebunden fortgeschleppt
    In ein ödes Schloßgewölbe,
    Nur von Fackelschein beleuchtet.


    Dorten standen Henkersknechte,
    Dorten stand der rote Meister,
    Der, gestützt auf seinem Richtbeil,
    Mit schwermütger Miene sprach:


    Jetzt, Großmeister von San Jago,
    Müßt Ihr Euch zum Tod bereiten,
    Eine Viertelstunde sei
    Euch bewilligt zum Gebete.


    Don Fredrego kniete nieder,
    Betete mit frommer Ruhe,
    Sprach sodann: ich hab vollendet,
    Und empfing den Todesstreich.


    In demselben Augenblicke,
    Als der Kopf zu Boden rollte,
    Sprang drauf zu der treue Allan,
    Welcher unbemerkt gefolgt war.


    Er erfaßte, mit den Zähnen,
    Bei dem Lockenhaar das Haupt,
    Und mit dieser teuern Beute
    Schoß er zauberschnell von dannen.


    Jammer und Geschrei erscholl
    Überall auf seinem Wege,
    Durch die Gänge und Gemächer,
    Treppen auf und Treppen ab.


    Seit dem Gastmahl des Belsazar
    Gab es keine Tischgesellschaft,
    Welche so verstöret aussah
    Wie die unsre in dem Saale,


    Als das Ungetüm hereinsprang
    Mit dem Haupte Don Fredregos,
    Das er mit den Zähnen schleppte
    An den träufend blutgen Haaren.


    Auf den leer gebliebnen Stuhl,
    Welcher seinem Herrn bestimmt war,
    Sprang der Hund und, wie ein Kläger,
    Hielt er uns das Haupt entgegen.


    Ach, es war das wohlbekannte
    Heldenantlitz, aber blässer,
    Aber ernster, durch den Tod,
    Und umringelt gar entsetzlich


    Von der Fülle schwarzer Locken,
    Die sich bäumten wie der wilde
    Schlangenkopfputz der Meduse,
    Auch wie dieser schreckversteinernd.


    Ja, wir waren wie versteinert,
    Sahn uns an mit starrer Miene,
    Und gelähmt war jede Zunge
    Von der Angst und Etikette.


    Nur Maria de Padilla
    Brach das allgemeine Schweigen;
    Händeringend, laut aufschluchzend,
    Jammerte sie ahndungsvoll:


    »Heißen wird es jetzt, ich hätte
    Angestiftet solche Mordtat,
    Und der Groll trifft meine Kinder,
    Meine schuldlos armen Kinder!«


    Don Diego unterbrach hier
    Seine Rede, denn wir sahen,
    Daß die Tafel aufgehoben
    Und der Hof den Saal verlassen.


    Höfisch fein von Sitten, gab
    Mir der Ritter das Geleite,
    Und wir wandelten selbander
    Durch das alte Gotenschloß.


    Indem Kreuzgang, welcher leitet
    Nach des Königs Hundeställen,
    Die durch Knurren und Gekläffe
    Schon von fernher sich verkündgen,


    Dorten sah ich, in der Wand
    Eingemauert und nach außen
    Fest mit Eisenwerk vergattert,
    Eine Zelle wie ein Käfig.


    Menschliche Gestalten zwo
    Saßen drin, zwei junge Knaben;
    Angefesselt bei den Beinen,
    Hockten sie auf fauler Streu.


    Kaum zwölfjährig schien der Eine,
    Wenig älter war der Andre;
    Die Gesichter schön und edel,
    Aber fahl und welk von Siechtum.


    Waren ganz zerlumpt, fast nackend,
    Und die magern Leibchen trugen
    Wunde Spuren der Mißhandlung;
    Beide schüttelte das Fieber.


    Aus der Tiefe ihres Elends
    Schauten sie zu mir empor,
    Wie mit weißen Geisteraugen,
    Daß ich schier darob erschrocken.


    Wer sind diese Jammerbilder?
    Rief ich aus, indem ich hastig
    Don Diegos Hand ergriff,
    Die gezittert, wie ich fühlte.


    Don Diego schien verlegen,
    Sah sich um, ob Niemand lausche,
    Seufzte tief und sprach am Ende,
    Heitern Weltmannston erkünstelnd:


    Dieses sind zwei Königskinder,
    Früh verwaiset, König Pedro
    Hieß der Vater, und die Mutter
    War Maria de Padilla.


    Nach der großen Schlacht bei Narvas,
    Wo Henrico Transtamare
    Seinen Bruder, König Pedro,
    Von der großen Last der Krone


    Und zugleich von jener größern
    Last, die Leben heißt, befreite:
    Da traf auch die Bruderskinder
    Don Henricos Siegergroßmut.


    Hat sich ihrer angenommen,
    Wie es einem Oheim ziemet,
    Und im eignen Schlosse gab er
    Ihnen freie Kost und Wohnung.


    Enge freilich ist das Stübchen,
    Das er ihnen angewiesen,
    Doch im Sommer ist es kühlig,
    Und nicht gar zu kalt im Winter.


    Ihre Speis ist Roggenbrot,
    Das so schmackhaft ist, als hätt es
    Göttin Ceres selbst gebacken
    Für ihr liebes Proserpinchen.


    Manchmal schickt er ihnen auch
    Eine Kumpe mit Garbanzos,
    Und die Jungen merken dann,
    Daß es Sonntag ist in Spanien.


    Doch nicht immer ist es Sonntag,
    Und nicht immer gibts Garbanzos,
    Und der Oberkoppelmeister
    Regaliert sie mit der Peitsche.


    Denn der Oberkoppelmeister,
    Der die Ställe mit der Meute
    Sowie auch den Neffenkäfig
    Unter seiner Aufsicht hat,


    Ist der unglückselge Gatte
    Jener sauren Zitronella
    Mit der weißen Tellerkrause,
    Die wir heut bei Tisch bewundert,


    Und sie keift so frech, daß oft
    Ihr Gemahl zur Peitsche greift -
    Und hierher eilt und die Hunde
    Und die armen Knaben züchtigt.


    Doch der König hat mißbilligt
    Solch Verfahren und befahl,
    Daß man künftig seine Neffen
    Nicht behandle wie die Hunde.


    Keiner fremden Mietlingsfaust
    Wird er ferner anvertrauen
    Ihre Zucht, die er hinfüro
    Eigenhändig leiten will.


    Don Diego stockte plötzlich,
    Denn der Seneschall des Schlosses
    Kam zu uns und frug uns
    Höflich: ob wir wohlgespeist?—-




        Der Ex-Lebendige


    Brutus, wo ist dein Cassius,
    Der Wächter, der nächtliche Rufer,
    Der einst mit dir, im Seelenerguß,
    Gewandelt am Seineufer?


    Ihr schautet manchmal in die Höh,
    Wo die dunklen Wolken jagen -
    Viel dunklere Wolke war die Idee,
    Die Ihr im Herzen getragen.


    Brutus, wo ist dein Cassius?
    Er denkt nicht mehr ans Morden!
    Es heißt, er sei am Neckarfluß
    Tyrannenvorleser geworden.


    Doch Brutus erwidert: Du bist ein Tor,
    Kurzsichtig wie alle Poeten -
    Mein Cassius liest dem Tyrannen vor,
    Jedoch um ihn zu töten.


    Er liest ihm Gedichte von Matzerath -
    Ein Dolch ist jede Zeile!
    Der arme Tyrann, früh oder spat
    Stirbt er vor Langeweile.




        Der Ex-Nachtwächter


    Mißgelaunt, sagt man, verließ er
    Stuttgart an dem Neckarstrand,
    Und zu München an der Isar
    Ward er Schauspielintendant.


    Das ist eine schöne Gegend
    Ebenfalls, es schäumet hier,
    Geist- und phantasieerregend,
    Holder Bock, das beste Bier.


    Doch der arme Intendante,
    Heißt es, gehet dort herum
    Melancholisch wie ein Dante,
    Wie Lord Byron gloomy, stumm.


    Ihn ergötzen nicht Komödien,
    Nicht das schlechteste Gedicht,
    Selbst die traurigsten Tragödien
    Liest er—doch er lächelt nicht.


    Manche Schöne möcht erheitern
    Dieses gramumflorte Herz,
    Doch die Liebesblicke scheitern
    An dem Panzer, der von Erz.


    Nannerl mit dem Riegelhäubchen
    Girrt ihn an so muntern Sinns -
    Geh ins Kloster, armes Täubchen,
    Spricht er wie ein Dänenprinz.


    Seine Freunde sind vergebens
    Zu erlustgen ihn bemüht,
    Singen: Freue dich des Lebens,
    Weil dir noch dein Lämpchen glüht!


    Kann dich nichts zum Frohsinn reizen
    Hier in dieser hübschen Stadt,
    Die an amüsanten Käuzen
    Wahrlich keinen Mangel hat?


    Zwar hat sie in jüngsten Tagen
    Eingebüßt so manchen Mann,
    Manchen trefflichen Choragen,
    Den man schwer entbehren kann.


    Wär der Maßmann nur geblieben!
    Dieser hätte wohl am End
    Jeden Trübsinn dir vertrieben
    Durch sein Burzelbaumtalent.


    Schelling, der ist unersetzlich!
    Ein Verlust vom höchsten Wert!
    War als Philosoph ergötzlich
    Und als Mime hochgeehrt.


    Daß der Gründer der Walhalla
    Fortging und zurücke ließ
    Seine Manuskripte alle,
    Gleichfalls ein Verlust war dies!


    Mit Corneljus ging verloren
    Auch des Meisters Jüngerschaft;
    Hat das Haar sich abgeschoren,
    Und im Haar war ihre Kraft.


    Denn der kluge Meister legte
    Einen Zauber in das Haar,
    Drin sich sichtbar oft bewegte
    Etwas das lebendig war.


    Tot ist Görres, die Hyäne.
    Ob des heiligen Offiz
    Umsturz quoll ihm einst die Träne
    Aus des Auges rotem Schlitz.


    Dieses Raubtier hat ein Sühnchen
    Hinterlassen, doch es ist
    Nur ein giftiges Kaninchen,
    Welches Nonnenfürzchen frißt.


    Apropos! Der erzinfame
    Pfaffe Dollingerius -
    Das ist ungefähr sein Name -
    Lebt er noch am Isarfluß?


    Dieser bleibt mir unvergeßlich!
    Bei dem reinen Sonnenlicht!
    Niemals schaut ich solch ein häßlich
    Armesünderangesicht.


    Wie es heißt, ist er gekommen
    Auf die Welt gar wundersam,
    Hat den Afterweg genommen,
    Zu der Mutter Schreck und Scham.


    Sah ihn am Karfreitag wallen
    In dem Zug der Prozession,
    Von den dunkeln Männern allen
    Wohl die dunkelste Person.


    Ja, Monacho Monachorum
    Ist in unsrer Zeit der Sitz
    Der Virorum obscurorum,
    Die verherrlicht Huttens Witz.


    Wie du zuckst beim Namen Hutten!
    Ex-Nachtwächter, wache auf!
    Hier die Pritsche, dort die Kutten,
    Und wie ehmals schlage drauf!.


    Geißle ihre Rücken blutig,
    Wie einst tat der Ullerich;
    Dieser schlug so rittermutig,
    Jene heulten fürchterlich.


    Der Erasmus mußte lachen
    So gewaltig ob dem Spaß,
    Daß ihm platzte in dem Rachen
    Sein Geschwür und er genas.


    Auf der Ebersburg desgleichen
    Lachte Sickingen wie toll,
    Und in allen deutschen Reichen
    Das Gelächter widerscholl.


    Alte lachten wie die Jungen -
    Eine einzge Lache nur
    War ganz Wittenberg, sie sungen
    Gaudeamus igitur!


    Freilich, klopft man faule Kutten,
    Fängt man Flöh im Überfluß,
    Und es mußte sich der Hutten
    Manchmal kratzen vor Verdruß.


    Aber alea est jacta!
    War des Ritters Schlachtgeschrei,
    Und er knickte und er knackte
    Pulices und Klerisei.


    Ex-Nachtwächter, Stundenrufer,
    Fühlst du nicht dein Herz erglühn?
    Rege dich am Isarufer,
    Schüttle ab den kranken Spleen.


    Deine langen Fortschrittsbeine,
    Heb sie auf zu neuem Lauf -
    Kutten grobe, Kutten feine,
    Sind es Kutten, schlage drauf!


    Jener aber seufzt, und seine
    Hände ringend er versetzt:
    Meine langen Fortschrittsbeine
    Sind europamüde jetzt.


    Meine Hühneraugen jücken,
    Habe deutsche enge Schuh,
    Und wo mich die Schuhe drücken,
    Weiß ich wohl—laß mich in Ruh!




        Plateniden


    Iliaden, Odysseen
    Kündigst du uns prahlend an,
    Und wir wollen in dir sehen
    Deutscher Zukunft größten Mann.


    Eine große Tat in Worten,
    Die du einst zu tun gedenkst! -
    O, ich kenne solche Sorten
    Geistger Schuldenmacher längst.


    Hier ist Rhodus, komm und zeige
    Deine Kunst, hier wird getanzt!
    Oder trolle dich und schweige,
    Wenn du heut nicht tanzen kannst.


    Wahre Prinzen aus Genieland
    Zahlen bar was sie verzehrt,
    Schiller, Goethe, Lessing, Wieland
    Haben nie Kredit begehrt.


    Wollten keine Ovationen
    Von dem Publiko auf Pump,
    Keine Vorschuß-Lorbeerkronen,
    Rühmten sich nicht keck und plump.


    Tot ist längst der alte Junker,
    Doch sein Same lebt noch heut -
    O, ich kenne das Geflunker
    Künftiger Unsterblichkeit.


    Das sind Platens echte Kinder,
    Echtes Platenidenblut -
    Meine teuern Hallermünder,
    O, ich kenn euch gar zu gut!




        Mythologie


    Ja, Europa ist erlegen -
    Wer kann Ochsen widerstehen?
    Wir verzeihen auch Danäen -
    Sie erlag dem goldnen Regen!


    Semele ließ sich verführen -
    Denn sie dachte: eine Wolke,
    Ideale Himmelswolke,
    Kann uns nicht kompromittieren.


    Aber tief muß uns empören
    Was wir von der Leda lesen -
    Welche Gans bist du gewesen,
    Daß ein Schwan dich konnt betören!




        In Mathildens Stammbuch


    Hier, auf gewalzten Lumpen, soll ich
    Mit einer Spule von der Gans
    Hinkritzeln ernsthaft halb, halb drollig,
    Versifizierten Firlefanz -


    Ich, der gewohnt mich auszusprechen
    Auf deinem schönen Rosenmund,
    Mit Küssen, die wie Flammen brechen
    Hervor aus tiefstem Herzensgrund!


    O Modewut! Ist man ein Dichter,
    Quält uns die eigne Frau zuletzt,
    Bis man, wie andre Sangeslichter,
    Ihr einen Reim ins Album setzt.




        An die Jungen


    Laß dich nicht kirren, laß dich nicht wirren
    Durch goldne Äpfel in deinem Lauf!
    Die Schwerter klirren, die Pfeile schwirren,
    Doch halten sie nicht den Helden auf.


    Ein kühnes Beginnen ist halbes Gewinnen,
    Ein Alexander erbeutet die Welt!
    Kein langes Besinnen! Die Königinnen
    Erwarten schon knieend den Sieger im Zelt.


    Wir wagen, wir werben! besteigen als Erben
    Des alten Darius Bett und Thron.
    O süßes Verderben! o blühendes Sterben!
    Berauschter Triumphtod zu Babylon!




        Der Ungläubige


    Du wirst in meinen Armen ruhn!
    Von Wonnen sonder Schranken
    Erbebt und schwillt mein ganzes Herz
    Bei diesem Zaubergedanken.


    Du wirst in meinen Armen ruhn!
    Ich spiele mit den schönen
    Goldlocken! Dein holdes Köpfchen wird
    An meine Schulter lehnen.


    Du wirst in meinen Armen ruhn!
    Der Traum will Wahrheit werden,
    Ich soll des Himmels höchste Lust
    Hier schon genießen auf Erden.


    O, heilger Thomas! Ich glaub es kaum!
    Ich zweifle bis zur Stunde,
    Wo ich den Finger legen kann
    In meines Glückes Wunde.




        K.-Jammer


    Diese graue Wolkenschar
    Stieg aus einem Meer von Freuden;
    Heute muß ich dafür leiden,
    Daß ich gestern glücklich war.


    Ach, in Wermut hat verkehrt
    Sich der Nektar! Ach, wie quälend
    Katzenjammer, Hundeelend
    Herz und Magen mir beschwert!




        Zum Hausfrieden


    Viele Weiber, viele Flöhe,
    Viele Flöhe, vieles Jucken -
    Tun sie heimlich dir ein Wehe,
    Darfst du dennoch dich nicht mucken.


    Denn sie rächen, schelmisch lächelnd,
    Sich zur Nachtzeit—Willst du drücken
    Sie ans Herze, lieberöchelnd,
    Ach, da drehn sie dir den Rücken.




        Jetzt wohin?


    Jetzt wohin? Der dumme Fuß
    Will mich gern nach Deutschland tragen;
    Doch es schüttelt klug das Haupt
    Mein Verstand und scheint zu sagen:


    Zwar beendigt ist der Krieg,
    Doch die Kriegsgerichte blieben,
    Und es heißt, du habest einst
    Viel Erschießliches geschrieben.


    Das ist wahr, unangenehm
    Wär mir das Erschossenwerden.
    Bin kein Held, es fehlen mir
    Die pathetischen Gebärden.


    Gern würd ich nach England gehn,
    Wären dort nicht Kohlendämpfe
    Und Engländer—schon ihr Duft
    Gibt Erbrechen mir und Krämpfe.


    Manchmal kommt mir in den Sinn
    Nach Amerika zu segeln,
    Nach dem großen Freiheitstall,
    Der bewohnt von Gleichheitsflegeln -


    Doch es ängstet mich ein Land,
    Wo die Menschen Tabak käuen,
    Wo sie ohne König kegeln,
    Wo sie ohne Spucknapf speien.


    Rußland, dieses schöne Reich,
    Würde mir vielleicht behagen,
    Doch im Winter könnte ich
    Dort die Knute nicht ertragen.


    Traurig schau ich in die Höh,
    Wo viel tausend Sterne nicken -
    Aber meinen eignen Stern
    Kann ich nirgends dort erblicken.


    Hat im güldnen Labyrinth
    Sich vielleicht verirrt am Himmel,
    Wie ich selber mich verirrt
    In dem irdischen Getümmel. -




        Altes Lied


    Du bist gestorben und weißt es nicht,
    Erloschen ist dein Augenlicht,
    Erblichen ist dein rotes Mündchen,
    Und du bist tot, mein totes Kindchen.


    In einer schaurigen Sommernacht
    Hab ich dich selber zu Grabe gebracht;
    Klaglieder die Nachtigallen sangen,
    Die Sterne sind mit zur Leiche gegangen.


    Der Zug, der zog den Wald vorbei,
    Dort widerhallt die Litanei;
    Die Tannen, in Trauermänteln vermummt,
    Sie haben Totengebete gebrummt.


    Am Weidensee vorüber gings,
    Die Elfen tanzten inmitten des Rings;
    Sie blieben plötzlich stehn und schienen
    Uns anzuschaun mit Beileidsmienen.


    Und als wir kamen zu deinem Grab,
    Da stieg der Mond vom Himmel herab.
    Er hielt eine Rede. Ein Schluchzen und Stöhnen,
    Und in der Ferne die Glocken tönen.




        Solidität


    Liebe sprach zum Gott der Lieder,
    Sie verlange Sicherheiten,
    Ehe sie sich ganz ergebe,
    Denn es wären schlechte Zeiten.


    Lachend gab der Gott zur Antwort:
    Ja, die Zeiten sich verändern,
    Und du sprichst jetzt wie ein alter
    Wuchrer, welcher leiht auf Pfändern.


    Ach, ich hab nur eine Leier,
    Doch sie ist von gutem Golde.
    Wieviel Küsse willst du borgen
    Mir darauf, o meine Holde?




        Alte Rose


    Eine Rosenknospe war
    Sie, für die mein Herze glühte;
    Doch sie wuchs, und wunderbar
    Schoß sie auf in voller Blüte.


    Ward die schönste Ros im Land,
    Und ich wollt die Rose brechen,
    Doch sie wußte mich pikant
    Mit den Dornen fortzustechen.


    Jetzt, wo sie verwelkt, zerfetzt
    Und verklatscht von Wind und Regen -
    Liebster Heinrich bin ich jetzt,
    Liebend kommt sie mir entgegen.


    Heinrich hinten, Heinrich vorn,
    Klingt es jetzt mit süßen Tönen;
    Sticht mich jetzt etwa ein Dorn,
    Ist es an dem Kinn der Schönen.


    Allzu hart die Borsten sind,
    Die des Kinnes Wärzchen zieren -
    Geh ins Kloster, liebes Kind,
    Oder lasse dich rasieren.




        Auto-da-fé


    Welke Veilchen, stäubge Locken,
    ein verblichen blaues Band,
    Halb zerrissene Billette,
    Längst vergeßner Herzenstand -


    In die Flammen des Kamines
    Werf ich sie verdroßnen Blicks;
    Ängstlich knistern diese Trümmer
    Meines Glücks und Mißgeschicks.


    Liebeschwüre, flatterhafte
    Falsche Eide, in den Schlot
    Fliegen sie hinauf—es kichert
    Unsichtbar der kleine Gott.


    Bei den Flammen des Kamines
    Sitz ich träumend, und ich seh,
    Wie die Fünkchen in der Asche
    Still verglühn—Gut Nacht—Ade!




        Lazarus


        I. Weltlauf


    Hat man viel, so wird man bald
    Noch viel mehr dazu bekommen.
    Wer nur wenig hat, dem wird
    Auch das Wenige genommen.


    Wenn du aber gar nichts hast,
    Ach, so lasse dich begraben -
    Denn ein Recht zum Leben, Lump,
    Haben nur die etwas haben.


        II. Rückschau


    Ich habe gerochen alle Gerüche
    In dieser holden Erdenküche;
    Was man genießen kann in der Welt,
    Das hab ich genossen wie je ein Held!
    Hab Kaffee getrunken, hab Kuchen gegessen.
    Hab manche schöne Puppe besessen;
    Trug seidne Westen, den feinsten Frack,
    Mir klingelten auch Dukaten im Sack.
    Wie Gellert ritt ich auf hohem Roß;
    Ich hatte ein Haus, ich hatte ein Schloß.
    Ich lag auf der grünen Wiese des Glücks,
    Die Sonne grüßte goldigsten Blicks;
    Ein Lorbeerkranz umschloß die Stirn,
    Er duftete Träume mir ins Gehirn,
    Träume von Rosen und ewigem Mai -
    Es ward mir so selig zu Sinne dabei,
    So dämmersüchtig, so sterbefaul -
    Mir flogen gebratne Tauben ins Maul,
    Und Englein kamen, und aus den Taschen
    Sie zogen hervor Champagnerflaschen -
    Das waren Visionen, Seifenblasen -
    Sie platzten—Jetzt lieg ich auf feuchtem Rasen,
    Die Glieder sind mir rheumatisch gelähmt,
    Und meine Seele ist tief beschämt.
    Ach, jede Lust, ach, jeden Genuß
    Hab ich erkauft durch herben Verdruß;
    Ich ward getränkt mit Bitternissen
    Und grausam von den Wanzen gebissen;
    Ich ward bedrängt von schwarzen Sorgen,
    Ich mußte lügen, ich mußte borgen
    Bei reichen Buben und alten Vetteln -
    Ich glaube sogar, ich mußte betteln.
    Jetzt bin ich müd vom Rennen und Laufen,
    Jetzt will ich mich im Grabe verschnaufen.
    Lebt wohl! Dort oben, ihr christlichen Brüder,
    Ja, das versteht sich, dort sehn wir uns wieder.


        III. Auferstehung


    Posaunenruf erfüllt die Luft,
    Und furchtbar schallt es wider;
    Die Toten steigen aus der Gruft,
    Und schütteln und rütteln die Glieder.


    Was Beine hat, das trollt sich fort,
    Es wallen die weißen Gestalten
    Nach Josaphat, dem Sammelort,
    Dort wird Gericht gehalten.


    Als Freigraf sitzet Christus dort
    In seiner Apostel Kreise.
    Sie sind die Schöppen, ihr Spruch und Wort
    Ist minniglich und weise.


    Sie urteln nicht vermummten Gesichts;
    Die Maske läßt jeder fallen
    Am hellen Tage des jüngsten Gerichts,
    Wenn die Posaunen schallen.


    Das ist zu Josaphat im Tal,
    Da stehn die geladenen Scharen,
    Und weil zu groß der Beklagten Zahl,
    Wird hier summarisch verfahren.


    Das Böcklein zur Linken, zur Rechten das Schaf,
    Geschieden sind sie schnelle;
    Der Himmel dem Schäfchen fromm und brav,
    Dem geilen Bock die Hölle!


        IV. Sterbende


    Flogest aus nach Sonn und Glück,
    Nackt und schlecht kommst du zurück.
    Deutsche Treue, deutsche Hemde,
    Die verschleißt man in der Fremde.


    Siehst sehr sterbebläßlich aus,
    Doch getrost, du bist zu Haus.
    Warm wie an dem Flackerherde
    Liegt man in der deutschen Erde.


    Mancher leider wurde lahm
    Und nicht mehr nach Hause kam -
    Streckt verlangend aus die Arme,
    Daß der Herr sich sein erbarme!


        V. Lumpentum


    Die reichen Leute, die gewinnt
    Man nur durch platte Schmeichelein -
    Das Geld ist platt, mein liebes Kind,
    Und will auch platt geschmeichelt sein.


    Das Weihrauchfaß, das schwinge keck
    Vor jedem göttlich goldnen Kalb;
    Bet an im Staub, bet an im Dreck,
    Vor allem aber lob nicht halb.


    Das Brot ist teuer dieses Jahr,
    Jedoch die schönsten Worte hat
    Man noch umsonst—Besinge gar
    Mäcenas' Hund, und friß dich satt!


        VI. Erinnerung


    Dem Einen die Perle, dem Andern die Truhe,
    O Wilhelm Wisetzki, du starbest so fruhe -
    Doch die Katze, die Katz ist gerettet.


    Der Balken brach, worauf er gekommen,
    Da ist er im Wasser umgekommen -
    Doch die Katze, die Katz ist gerettet.


    Wir folgten der Leiche, dem lieblichen Knaben,
    Sie haben ihn unter Maiblumen begraben, -
    Doch die Katze, die Katz ist gerettet.


    Bist klug gewesen, du bist entronnen
    Den Stürmen, hast früh ein Obdach gewonnen -
    Doch die Katze, die Katz ist gerettet.


    Bist früh entronnen, bist klug gewesen,
    Noch eh du erkranktest, bist du genesen -
    Doch die Katze, die Katz ist gerettet.


    Seit langen Jahren, wie oft, o Kleiner,
    Mit Neid und Wehmut gedenk ich deiner -
    Doch die Katze, die Katz ist gerettet.


        VII. Unvollkommenheit


    Nichts ist vollkommen hier auf dieser Welt.
    Der Rose ist der Stachel beigesellt;
    Ich glaube gar, die lieben holden Engel
    Im Himmel droben sind nicht ohne Mängel.


    Der Tulpe fehlt der Duft. Es heißt am Rhein:
    Auch Ehrlich stahl einmal ein Ferkelschwein.
    Hätte Lucretia sich nicht erstochen,
    Sie wär vielleicht gekommen in die Wochen.


    Häßliche Füße hat der stolze Pfau.
    Uns kann die amüsant geistreichste Frau
    Manchmal langweilen wie die Henriade
    Voltaires, sogar wie Klopstocks Messiade.


    Die bravste, klügste Kuh kein Spanisch weiß,
    Wie Maßmann kein Latein—Der Marmorsteiß
    Der Venus von Canova ist zu glatte,
    Wie Maßmanns Nase viel zu ärschig platte.


    Im süßen Lied ist oft ein saurer Reim,
    Wie Bienenstachel steckt im Honigseim.
    Am Fuß verwundbar war der Sohn der Thetis,
    Und Alexander Dumas ist ein Metis.


    Der strahlenreinste Stern am Himmelzelt
    Wenn er den Schnupfen kriegt, herunterfällt.
    Der beste Äpfelwein schmeckt nach der Tonne,
    Und schwarze Flecken sieht man in der Sonne.


    Du bist, verehrte Frau, du selbst sogar
    Nicht fehlerfrei, nicht aller Mängel bar.
    Du schaust mich an—du fragst mich, was dir fehle?
    Ein Busen, und im Busen eine Seele.


        VIII. Fromme Warnung


    Unsterbliche Seele, nimm dich in Acht,
    Daß du nicht Schaden leidest,
    Wenn du aus dem Irdischen scheidest;
    Es geht der Weg durch Tod und Nacht.


    Am goldnen Tore der Hauptstadt des Lichts,
    Da stehen die Gottessoldaten;
    Sie fragen nach Werken und Taten,
    Nach Namen und Amt fragt man hier nichts.


    Am Eingang läßt der Pilger zurück
    Die staubigen, drückenden Schuhe -
    Kehr ein, hier findest du Ruhe,
    Und weiche Pantoffeln und schöne Musik.


        IX. Der Abgekühlte


    Und ist man tot, so muß man lang
    Im Grabe liegen; ich bin bang,
    Ja, ich bin bang, das Auferstehen
    Wird nicht so schnell von Statten gehen.


    Noch einmal, eh mein Lebenslicht
    Erlöschet, eh mein Herze bricht -
    Noch einmal möcht ich vor dem Sterben
    Um Frauenhuld beseligt werben.


    Und eine Blonde müßt es sein,
    Mit Augen sanft wie Mondenschein -
    Denn schlecht bekommen mir am Ende
    Die wild brünetten Sonnenbrände.


    Das junge Volk, voll Lebenskraft
    Will den Tumult der Leidenschaft,
    Das ist ein Rasen, Schwören, Poltern
    Und wechselseitges Seelenfoltern!


    Unjung und nicht mehr ganz gesund,
    Wie ich es bin zu dieser Stund,
    Mögt ich noch einmal lieben, schwärmen
    Und glücklich sein—doch ohne Lärmen.


        X. Salomo


    Verstummt sind Pauken, Posaunen und Zinken.
    An Salomos Lager Wache halten
    Die schwertgegürteten Engelgestalten,
    Sechstausend zur Rechten, sechstausend zur Linken.


    Sie schützen den König vor träumendem Leide,
    Und zieht er finster die Brauen zusammen,
    Da fahren sogleich die stählernen Flammen,
    Zwölftausend Schwerter, hervor aus der Scheide.


    Doch wieder zurück in die Scheide fallen
    Die Schwerter der Engel. Das nächtliche Grauen
    Verschwindet, es glätten sich wieder die Brauen
    Des Schläfers, und seine Lippen lallen:


    O Sulamith! das Reich ist mein Erbe,
    Die Lande sind mir untertänig,
    Bin über Juda und Israel König -
    Doch liebst du mich nicht, so welk ich und sterbe.


        XI. Verlorene Wünsche


    Von der Gleichheit der Gemütsart
    Wechselseitig angezogen,
    Waren wir einander immer
    Mehr als uns bewußt gewogen.


    Beide ehrlich und bescheiden,
    Konnten wir uns leicht verstehen;
    Worte waren überflüssig,
    Brauchten uns nur anzusehen.


    O wie sehnlich wünscht ich immer,
    Daß ich bei dir bleiben könnte
    Als der tapfre Waffenbruder
    Eines dolce far niente.


    Ja, mein liebster Wunsch war immer,
    Daß ich immer bei dir bliebe!
    Alles was dir wohlgefiele,
    Alles tät ich dir zu Liebe.


    Würde essen was dir schmeckte
    Und die Schüssel gleich entfernen,
    Die dir nicht behagt. Ich würde
    Auch Zigarren rauchen lernen.


    Manche polnische Geschichte,
    Die dein Lachen immer weckte,
    Wollt ich wieder dir erzählen
    In Judäas Dialekte.


    Ja, ich wollte zu dir kommen,
    Nicht mehr in der Fremde schwärmen -
    An dem Herde deines Glückes
    Wollt ich meine Kniee wärmen.—-


    Goldne Wünsche! Seifenblasen!
    Sie zerrinnen wie mein Leben -
    Ach, ich liege jetzt am Boden,
    Kann mich nimmermehr erheben.


    Und Ade! sie sind zerronnen,
    Goldne Wünsche, süßes Hoffen!
    Ach, zu tödlich war der Faustschlag,
    Der mich just ins Herz getroffen.


        XII. Gedächtnisfeier


    Keine Messe wird man singen,
    Keinen Kadosch wird man sagen,
    Nichts gesagt und nichts gesungen
    Wird an meinen Sterbetagen.


    Doch vielleicht an solchem Tage,
    Wenn das Wetter schön und milde,
    Geht spazieren auf Montmartre
    Mit Paulinen Frau Mathilde.


    Mit dem Kranz von Immortellen
    Kommt sie mir das Grab zu schmücken,
    Und sie seufzet: Pauvre homme!
    Feuchte Wehmut in den Blicken.


    Leider wohn ich viel zu hoch,
    Und ich habe meiner Süßen
    Keinen Stuhl hier anzubieten;
    Ach! sie schwankt mit müden Füßen.


    Süßes, dickes Kind, du darfst
    Nicht zu Fuß nach Hause gehen;
    An dem Barrieregitter
    Siehst du die Fiaker stehen.


        XIII. Wiedersehen


    Die Geißblattlaube—Ein Sommerabend -
    Wir saßen wieder wie ehmals am Fenster -
    Der Mond ging auf, belebend und labend -
    Wir aber waren wie zwei Gespenster.


    Zwölf Jahre schwanden, seitdem wir beisammen
    Zum letzten Male hier gesessen;
    Die zärtlichen Gluten, die großen Flammen,
    Sie waren erloschen unterdessen.


    Einsilbig saß ich. Die Plaudertasche,
    Das Weib hingegen schürte beständig
    Herum in der alten Liebesasche.
    Jedoch kein Fünkchen ward wieder lebendig.


    Und sie erzählte: wie sie die bösen
    Gedanken bekämpft, eine lange Geschichte,
    Wie wackelig schon ihre Tugend gewesen -
    Ich machte dazu ein dummes Gesichte.


    Als ich nach Hause ritt, da liefen
    Die Bäume vorbei in der Mondenhelle,
    Wie Geister. Wehmütige Stimmen riefen -
    Doch ich und die Toten, wir ritten schnelle.


        XIV. Frau Sorge


    In meines Glückes Sonnenglanz,
    Da gaukelte fröhlich der Mückentanz.
    Die lieben Freunde liebten mich
    Und teilten mit mir brüderlich
    Wohl meinen besten Braten
    Und meinen letzten Dukaten.


    Das Glück ist fort, der Beutel leer,
    Und hab auch keine Freunde mehr;
    Erloschen ist der Sonnenglanz,
    Zerstoben ist der Mückentanz,
    Die Freunde, so wie die Mücke,
    Verschwinden mit dem Glücke.


    An meinem Bett in der Winternacht
    Als Wärterin die Sorge wacht.
    Sie trägt eine weiße Unterjack,
    Ein schwarzes Mützchen, und schnupft Tabak.
    Die Dose knarrt so gräßlich,
    Die Alte nickt so häßlich.


    Mir träumt manchmal, gekommen sei
    Zurück das Glück und der junge Mai
    Und die Freundschaft und der Mückenschwarm -
    Da knarrt die Dose—daß Gott erbarm,
    Es platzt die Seifenblase -
    Die Alte schneuzt die Nase.


        XV. An die Engel


    Das ist der böse Thanatos,
    Er kommt auf einem fahlen Roß,
    Ich hör den Hufschlag, hör den Trab,
    Der dunkle Reiter holt mich ab -
    Er reißt mich fort, Mathilden soll ich lassen,
    O, den Gedanken kann mein Herz nicht fassen!


    Sie war mir Weib und Kind zugleich,
    Und geh ich in das Schattenreich,
    Wird Witwe sie und Waise sein!
    Ich laß in dieser Welt allein
    Das Weib, das Kind, das, trauend meinem Mute,
    Sorglos und treu an meinem Herzen ruhte.


    Ihr Engel in den Himmelshöhn,
    Vernehmt mein Schluchzen und mein Flehn:
    Beschützt, wenn ich im öden Grab,
    Das Weib, das ich geliebet hab;
    Seid Schild und Vögte eurem Ebenbilde,
    Beschützt, beschirmt mein armes Kind, Mathilde.


    Bei allen Tränen, die ihr je
    Geweint um unser Menschenweh,
    Beim Wort, das nur der Priester kennt
    Und niemals ohne Schauder nennt,
    Bei eurer eignen Schönheit, Huld und Milde,
    Beschwör ich euch, ihr Engel, schützt Mathilde.


        XVI. Im Oktober 1849


    Gelegt hat sich der starke Wind,
    Und wieder stille wirds daheime;
    Germania, das große Kind,
    Erfreut sich wieder seiner Weihnachtsbäume.


    Wir treiben jetzt Familienglück -
    Was höher lockt, das ist vom Übel -
    Die Friedensschwalbe kehrt zurück,
    Die einst genistet in des Hauses Giebel.


    Gemütlich ruhen Wald und Fluß,
    Von sanftem Mondlicht übergossen;
    Nur manchmal knallts—Ist das ein Schuß? -
    Es ist vielleicht ein Freund, den man erschossen.


    Vielleicht mit Waffen in der Hand
    Hat man den Tollkopf angetroffen
    (Nicht jeder hat so viel Verstand
    Wie Flaccus, der so kühn davongeloffen).


    Es knallt. Es ist ein Fest vielleicht,
    Ein Feuerwerk zur Goethefeier! -
    Die Sontag, die dem Grab entsteigt,
    Begrüßt Raketenlärm—die alte Leier.


    Auch Liszt taucht wieder auf, der Franz,
    Er lebt, er liegt nicht blutgerötet
    Auf einem Schlachtfeld Ungarlands;
    Kein Russe, noch Kroat hat ihn getötet.


    Es fiel der Freiheit letzte Schanz,
    Und Ungarn blutet sich zu Tode -
    Doch unversehrt blieb Ritter Franz,
    Sein Säbel auch—er liegt in der Kommode.


    Er lebt, der Franz, und wird als Greis
    Vom Ungarkriege Wunderdinge
    Erzählen in der Enkel Kreis -
    »So lag ich und so führt ich meine Klinge!«


    Wenn ich den Namen Ungarn hör,
    Wird mir das deutsche Wams zu enge,
    Es braust darunter wie ein Meer,
    Mir ist als grüßten mich Trompetenklänge!


    Es klirrt mir wieder im Gemüt
    Die Heldensage, längst verklungen,
    Das eisern wilde Kämpenlied -
    Das Lied vom Untergang der Nibelungen.


    Es ist dasselbe Heldenlos,
    Es sind dieselben alten Mären,
    Die Namen sind verändert bloß,
    Doch sinds dieselben »Helden lobebären«.


    Es ist dasselbe Schicksal auch -
    Wie stolz und frei die Fahnen fliegen,
    Es muß der Held, nach altem Brauch,
    Den tierisch rohen Mächten unterliegen.


    Und diesmal hat der Ochse gar
    Mit Bären einen Bund geschlossen -
    Du fällst; doch tröste dich, Magyar,
    Wir Andre haben schlimmre Schmach genossen.


    Anständige Bestien sind es doch,
    Die ganz honett dich überwunden;
    Doch wir geraten in das Joch
    Von Wölfen, Schweinen und gemeinen Hunden.


    Das heult und bellt und grunzt -ich kann
    Ertragen kaum den Duft der Sieger.
    Doch still, Poet, das greift dich an -
    Du bist so krank, und schweigen wäre klüger.


        XVII. Böses Geträume


    Im Traume war ich wieder jung und munter -
    Es war das Landhaus hoch am Bergesrand,
    Wettlaufend lief ich dort den Pfad hinunter,
    Wettlaufend mit Ottiljen Hand in Hand.


    Wie das Persönchen fein formiert! Die süßen
    Meergrünen Augen zwinkern nixenhaft.
    Sie steht so fest auf ihren kleinen Füßen,
    Ein Bild von Zierlichkeit, vereint mit Kraft.


    Der Ton der Stimme ist so treu und innig,
    Man glaubt zu schaun bis in der Seele Grund;
    Und alles was sie spricht ist klug und sinnig;
    Wie eine Rosenknospe ist der Mund.


    Es ist nicht Liebesweh, was mich beschleichet,
    Ich schwärme nicht, ich bleibe bei Verstand; -
    Doch wunderbar ihr Wesen mich erweichet,
    Und heimlich bebend küß ich ihre Hand.


    Ich glaub, am Ende brach ich eine Lilje,
    Die gab ich ihr und sprach ganz laut dabei:
    Heirate mich und sei mein Weib, Ottilje,
    Damit ich fromm wie du und glücklich sei.


    Was sie zur Antwort gab, das weiß ich nimmer,
    Denn ich erwachte jählings—und ich war
    Wieder ein Kranker, der im Krankenzimmer
    Trostlos daniederliegt seit manchem Jahr.—-


        XVIII. Sie erlischt


    Der Vorhang fällt, das Stück ist aus,
    Und Herrn und Damen gehn nach Haus.
    Ob ihnen auch das Stück gefallen?
    Ich glaub, ich hörte Beifall schallen.
    Ein hochverehrtes Publikum
    Beklatschte dankbar seinen Dichter.
    Jetzt aber ist das Haus so stumm,
    Und sind verschwunden Lust und Lichter.
    Doch horch! ein schollernd schnöder Klang
    Ertönt unfern der öden Bühne; -
    Vielleicht daß eine Saite sprang
    An einer alten Violine.
    Verdrießlich rascheln im Parterr
    Etwelche Ratten hin und her,
    Und Alles riecht nach ranzgem Öle.
    Die letzte Lampe ächzt und zischt
    Verzweiflungsvoll, und sie erlischt.
    Das arme Licht war meine Seele.


        XIX. Vermächtnis


    Nun mein Leben geht zu End,
    Mach ich auch mein Testament;
    Christlich will ich drin bedenken
    Meine Feinde mit Geschenken.


    Diese würdgen, tugendfesten
    Widersacher sollen erben
    All mein Siechtum und Verderben,
    Meine sämtlichen Gebresten.


    Ich vermach euch die Koliken,
    Die den Bauch wie Zangen zwicken,
    Harnbeschwerden, die perfiden
    Preußischen Hämorrhoiden.


    Meine Krämpfe sollt ihr haben,
    Speichelfluß und Gliederzucken,
    Knochendarre in dem Rucken,
    Lauter schöne Gottesgaben.


    Kodizill zu dem Vermächtnis:
    In Vergessenheit versenken
    Soll der Herr eur Angedenken,
    Er vertilge eur Gedächtnis.


        XX. Enfant perdu


    Verlorener Posten in dem Freiheitskriege,
    Hielt ich seit dreißig Jahren treulich aus.
    Ich kämpfe ohne Hoffnung, daß ich siege,
    Ich wußte, nie komm ich gesund nach Haus.


    Ich wachte Tag und Nacht—Ich konnt nicht schlafen,
    Wie in dem Lagerzelt der Freunde Schar
    (Auch hielt das laute Schnarchen dieser Braven
    Mich wach, wenn ich ein bißchen schlummrig war).


    In jenen Nächten hat Langweil ergriffen
    Mich oft, auch Furcht—(nur Narren fürchten nichts) -
    Sie zu verscheuchen, hab ich dann gepfiffen
    Die frechen Reime eines Spottgedichts.


    Ja, wachsam stand ich, das Gewehr im Arme,
    Und nahte irgend ein verdächtger Gauch,
    So schoß ich gut und jagt ihm eine warme,
    Brühwarme Kugel in den schnöden Bauch.


    Mitunter freilich mocht es sich ereignen,
    Daß solch ein schlechter Gauch gleichfalls sehr gut
    Zu schießen wußte—ach, ich kanns nicht leugnen -
    Die Wunden klaffen—es verströmt mein Blut.


    Ein Posten ist vakant!—Die Wunden klaffen -
    Der Eine fällt, die Andern rücken nach -
    Doch fall ich unbesiegt, und meine Waffen
    Sind nicht gebrochen—Nur mein Herze brach.






    Drittes Buch



        Hebräische Melodien




            O laß nicht ohne Lebensgenuß

            Dein Leben verfließen!

            Und bist du sicher vor dem Schuß,

            So laß sie nur schießen.


            Fliegt dir das Glück vorbei einmal,

            So faß es am Zipfel.

            Auch rat ich dir, baue dein Hüttchen im Tal

            Und nicht auf dem Gipfel.




        Prinzessin Sabbath


    In Arabiens Märchenbuche
    Sehen wir verwünschte Prinzen,
    Die zu Zeiten ihre schöne
    Urgestalt zurückgewinnen:


    Das behaarte Ungeheuer
    Ist ein Königsohn geworden;
    Schmuckreich glänzend angekleidet,
    Auch verliebt die Flöte blasend.


    Doch die Zauberfrist zerrinnt,
    Und wir schauen plötzlich wieder
    Seine königliche Hoheit
    In ein Ungetüm verzottelt.


    Einen Prinzen solchen Schicksals
    Singt mein Lied. Er ist geheißen
    Israel. Ihn hat verwandelt
    Hexenspruch in einen Hund.


    Hund mit hündischen Gedanken,
    Kötert er die ganze Woche
    Durch des Lebens Kot und Kehricht,
    Gassenbuben zum Gespötte.


    Aber jeden Freitag Abend,
    In der Dämmrungstunde, plötzlich
    Weicht der Zauber, und der Hund
    Wird aufs Neu ein menschlich Wesen.


    Mensch mit menschlichen Gefühlen,
    Mit erhobnem Haupt und Herzen,
    Festlich, reinlich schier gekleidet,
    Tritt er in des Vaters Halle.


    »Sei gegrüßt, geliebte Halle
    Meines königlichen Vaters!
    Zelte Jakobs, eure heilgen
    Eingangspfosten küßt mein Mund!«


    Durch das Haus geheimnisvoll
    Zieht ein Wispern und ein Weben,
    Und der unsichtbare Hausherr
    Atmet schaurig in der Stille.


    Stille! Nur der Seneschall
    (Vulgo Synagogendiener)
    Springt geschäftig auf und nieder,
    Um die Lampen anzuzünden.


    Trostverheißend goldne Lichter,
    Wie sie glänzen, wie sie glimmern!
    Stolz aufflackern auch die Kerzen
    Auf der Brüstung des Almemors.


    Vor dem Schreine, der die Thora
    Aufbewahret und verhängt ist
    Mit der kostbar seidnen Decke,
    Die von Edelsteinen funkelt -


    Dort an seinem Betpultständer
    Steht schon der Gemeindesänger;
    Schmuckes Männchen, das sein schwarzes
    Mäntelchen kokett geachselt.


    Um die weiße Hand zu zeigen,
    Haspelt er am Halse, seltsam
    An die Schläf den Zeigefinger,
    An die Kehl den Daumen drückend.


    Trällert vor sich hin ganz leise,
    Bis er endlich lautaufjubelnd
    Seine Stimm erhebt und singt:
    Lecho Daudi likras Kalle!


    Lecho Daudi likras Kalle -
    Komm, Geliebter, deiner harret
    Schon die Braut, die dir entschleiert
    Ihr verschämtes Angesicht!


    Dieses hübsche Hochzeitkarmen
    Ist gedichtet von dem großen,
    Hochberühmten Minnesinger
    Don Jehuda ben Halevy.


    In dem Liede wird gefeiert
    Die Vermählung Israels
    Mit der Frau Prinzessin Sabbath,
    Die man nennt die stille Fürstin.


    Perl und Blume aller Schönheit
    Ist die Fürstin. Schöner war
    Nicht die Königin von Saba,
    Salomonis Busenfreundin,


    Die, ein Blaustrumpf Äthiopiens,
    Durch Esprit brillieren wollte,
    Und mit ihren klugen Rätseln
    Auf die Länge fatigant ward.


    Die Prinzessin Sabbath, welche
    Ja die personifizierte
    Ruhe ist, verabscheut alle
    Geisteskämpfe und Debatten.


    Gleich fatal ist ihr die trampelnd
    Deklamierende Passion,
    Jenes Pathos, das mit flatternd
    Aufgelöstem Haar einherstürmt.


    Sittsam birgt die stille Fürstin
    In der Haube ihre Zöpfe;
    Blickt so sanft wie die Gazelle,
    Blüht so schlank wie eine Addas.


    Sie erlaubt dem Liebsten alles,
    Ausgenommen Tabakrauchen -
    »Liebster! Rauchen ist verboten,
    Weil es heute Sabbath ist.


    »Dafür aber heute Mittag
    Soll dir dampfen, zum Ersatz,
    Ein Gericht, das wahrhaft göttlich -
    Heute sollst du Schalet essen!«


    Schalet, schöner Götterfunken,
    Tochter aus Elysium!
    Also klänge Schillers Hochlied,
    Hätt er Schalet je gekostet.


    Schalet ist die Himmelspeise,
    Die der liebe Herrgott selber
    Einst den Moses kochen lehrte
    Auf dem Berge Sinai,


    Wo der Allerhöchste gleichfalls
    All die guten Glaubenslehren
    Und die heilgen zehn Gebote
    Wetterleuchtend offenbarte.


    Schalet ist des wahren Gottes
    Koscheres Ambrosia,
    Wonnebrot des Paradieses,
    Und mit solcher Kost verglichen


    Ist nur eitel Teufelsdreck
    Das Ambrosia der falschen
    Heidengötter Griechenlands,
    Die verkappte Teufel waren.


    Speist der Prinz von solcher Speise,
    Glänzt sein Auge wie verkläret,
    Und er knöpfet auf die Weste,
    Und er spricht mit selgem Lächeln:


    »Hör ich nicht den Jordan rauschen?
    Sind das nicht die Brüßelbrunnen
    In dem Palmental von Beth-El,
    Wo gelagert die Kamele?


    »Hör ich nicht die Herdenglöckchen?
    Sind das nicht die fetten Hämmel,
    Die vom Gileathgebirge
    Abendlich der Hirt herabtreibt?«


    Doch der schöne Tag verflittert;
    Wie mit langen Schattenbeinen
    Kommt geschritten der Verwünschung
    Böse Stund—Es seufzt der Prinz.


    Ist ihm doch als griffen eiskalt
    Hexenfinger in sein Herze.
    Schon durchrieseln ihn die Schauer
    Hündischer Metamorphose.


    Die Prinzessin reicht dem Prinzen
    Ihre güldne Nardenbüchse.
    Langsam riecht er—Will sich laben
    Noch einmal an Wohlgerüchen.


    Es kredenzet die Prinzessin
    Auch den Abschiedstrunk dem Prinzen -
    Hastig trinkt er, und im Becher
    Bleiben wen'ge Tropfen nur.


    Er besprengt damit den Tisch,
    Nimmt alsdann ein kleines Wachslicht,
    Und er tunkt es in die Nässe,
    Daß es knistert und erlischt.




        Jehuda ben Halevy


        I


    Lechzend klebe mir die Zunge
    An dem Gaumen, und es welke
    Meine rechte Hand, vergäß ich
    Jemals dein, Jerusalem -«


    Wort und Weise, unaufhörlich
    Schwirren sie mir heut im Kopfe,
    Und mir ist als hört ich Stimmen,
    Psalmodierend, Männerstimmen -


    Manchmal kommen auch zum Vorschein
    Bärte, schattig lange Bärte -
    Traumgestalten, wer von euch
    Ist Jehuda ben Halevy?


    Doch sie huschen rasch vorüber;
    Die Gespenster scheuen furchtsam
    Der Lebendgen plumpen Zuspruch -
    Aber ihn hab ich erkannt -


    Ich erkannt ihn an der bleichen
    Und gedankenstolzen Stirne,
    An der Augen süßer Starrheit -
    Sahn mich an so schmerzlich forschend -


    Doch zumeist erkannt ich ihn
    An dem rätselhaften Lächeln
    Jener schön gereimten Lippen,
    Die man nur bei Dichtern findet.


    Jahre kommen und verfließen.
    Seit Jehuda ben Halevy
    Ward geboren, sind verflossen
    Siebenhundert funfzig Jahre -


    Hat zuerst das Licht erblickt
    Zu Toledo in Kastilien,
    Und es hat der goldne Tajo
    Ihm sein Wiegenlied gelullet.


    Für Entwicklung seines Geistes
    Sorgte früh der strenge Vater,
    Der den Unterricht begann
    Mit dem Gottesbuch, der Thora.


    Diese las er mit dem Sohne
    In dem Urtext, dessen schöne,
    Hieroglyphisch pittoreske,
    Altchaldäische Quadratschrift


    Herstammt aus dem Kindesalter
    Unsrer Welt, und auch deswegen
    Jedem kindlichen Gemüte
    So vertraut entgegenlacht.


    Diesen echten alten Text
    Rezitierte auch der Knabe
    In der uralt hergebrachten
    Singsangweise, Tropp geheißen -


    Und er gurgelte gar lieblich
    Jene fetten Gutturalen,
    Und er schlug dabei den Triller,
    Den Schalscheleth, wie ein Vogel.


    Auch den Targum Onkelos,
    Der geschrieben ist in jenem
    Plattjudäischen Idiom,
    Das wir Aramäisch nennen


    Und zur Sprache der Propheten
    Sich verhalten mag etwa
    Wie das Schwäbische zum Deutschen -
    Dieses Gelbveiglein-Hebräisch


    Lernte gleichfalls früh der Knabe,
    Und es kam ihm solche Kenntnis
    Bald darauf sehr gut zu Statten
    Bei dem Studium des Talmuds.


    Ja, frühzeitig hat der Vater
    Ihn geleitet zu dem Talmud,
    Und da hat er ihm erschlossen
    Die Halacha, diese große


    Fechterschule, wo die besten
    Dialektischen Athleten
    Babylons und Pumpedithas
    Ihre Kämpferspiele trieben.


    Lernen konnte hier der Knabe
    Alle Künste der Polemik;
    Seine Meisterschaft bezeugte
    Späterhin das Buch Cosari.


    Doch der Himmel gießt herunter
    Zwei verschiedne Sorten Lichtes:
    Grelles Tageslicht der Sonne
    Und das mildre Mondlicht—Also,


    Also leuchtet auch der Talmud
    Zwiefach, und man teilt ihn ein
    In Halacha und Hagada.
    Erstre nannt ich eine Fechtschul -


    Letztre aber, die Hagada,
    Will ich einen Garten nennen,
    Einen Garten, hochphantastisch
    Und vergleichbar jenem andern,


    Welcher ebenfalls dem Boden
    Babylons entsprossen weiland -
    Garten der Semiramis,
    Achtes Wunderwerk der Welt.


    Königin Semiramis,
    Die als Kind erzogen worden
    Von den Vögeln, und gar manche
    Vögeltümlichkeit bewahrte,


    Wollte nicht auf platter Erde
    Promenieren wie wir andern
    Säugetiere, und sie pflanzte
    Einen Garten in der Luft -


    Hoch auf kolossalen Säulen
    Prangten Palmen und Zypressen,
    Goldorangen, Blumenbeete,
    Marmorbilder, auch Springbrunnen,


    Alles klug und fest verbunden
    Durch unzählge Hängebrücken,
    Die wie Schlingepflanzen aussahn
    Und worauf sich Vögel wiegten -


    Große, bunte, ernste Vögel,
    Tiefe Denker, die nicht singen,
    Während sie umflattert kleines
    Zeisigvolk, das lustig trillert -


    Alle atmen ein, beseligt,
    Einen reinen Balsamduft,
    Welcher unvermischt mit schnödem
    Erdendunst und Mißgeruche.


    Die Hagada ist ein Garten
    Solcher Luftkindgrillenart,
    Und der junge Talmudschüler,
    Wenn sein Herze war bestäubet


    Und betäubet vom Gezänke
    Der Halacha, vom Dispute
    Über das fatale Ei,
    Das ein Huhn gelegt am Festtag,


    Oder über eine Frage
    Gleicher Importanz—der Knabe
    Floh alsdann sich zu erfrischen
    In die blühende Hagada,


    Wo die schönen alten Sagen,
    Engelmärchen und Legenden,
    Stille Märtyrerhistorien,
    Festgesänge, Weisheitsprüche,


    Auch Hyperbeln, gar possierlich,
    Alles aber glaubenskräftig,
    Glaubensglühend—O, das glänzte,
    Quoll und sproß so überschwenglich -


    Und des Knaben edles Herze
    Ward ergriffen von der wilden,
    Abenteuerlichen Süße,
    Von der wundersamen Schmerzlust


    Und den fabelhaften Schauern
    Jener seligen Geheimwelt,
    Jener großen Offenbarung,
    Die wir nennen Poesie.


    Auch die Kunst der Poesie,
    Heitres Wissen, holdes Können,
    Welches wir die Dichtkunst heißen,
    Tat sich auf dem Sinn des Knaben.


    Und Jehuda ben Halevy
    Ward nicht bloß ein Schriftgelehrter,
    Sondern auch der Dichtkunst Meister,
    Sondern auch ein großer Dichter.


    Ja, er ward ein großer Dichter,
    Stern und Fackel seiner Zeit,
    Seines Volkes Licht und Leuchte,
    Eine wunderbare, große


    Feuersäule des Gesanges,
    Die der Schmerzenskarawane
    Israels vorangezogen
    In der Wüste des Exils.


    Rein und wahrhaft, sonder Makel
    War sein Lied, wie seine Seele -
    Als der Schöpfer sie erschaffen,
    Diese Seele, selbstzufrieden


    Küßte er die schöne Seele,
    Und des Kusses holder Nachklang
    Bebt in jedem Lied des Dichters,
    Das geweiht durch diese Gnade.


    Wie im Leben, so im Dichten
    Ist das höchste Gut die Gnade -
    Wer sie hat, der kann nicht sündgen
    Nicht in Versen, noch in Prosa.


    Solchen Dichter von der Gnade
    Gottes nennen wir Genie:
    Unverantwortlicher König
    Des Gedankenreiches ist er.


    Nur dem Gotte steht er Rede,
    Nicht dem Volke—In der Kunst,
    Wie im Leben, kann das Volk
    Töten uns, doch niemals richten. -


        II


    Bei den Wassern Babels saßen
    Wir und weinten, unsre Harfen
    Lehnten an den Trauerweiden -
    Kennst du noch das alte Lied?


    Kennst du noch die alte Weise,
    Die im Anfang so elegisch
    Greint und sumset, wie ein Kessel,
    Welcher auf dem Herde kocht?


    Lange schon, jahrtausendlange
    Kochts in mir. Ein dunkles Wehe!
    Und die Zeit leckt meine Wunde,
    Wie der Hund die Schwären Hiobs.


    Dank dir, Hund, für deinen Speichel -
    Doch das kann nur kühlend lindern -
    Heilen kann mich nur der Tod,
    Aber, ach, ich bin unsterblich!


    Jahre kommen und vergehen -
    In dem Webstuhl läuft geschäftig
    Schnurrend hin und her die Spule -
    Was er webt, das weiß kein Weber.


    Jahre kommen und vergehen,
    Menschentränen träufeln, rinnen
    Auf die Erde, und die Erde
    Saugt sie ein mit stiller Gier -


    Tolle Sud! Der Deckel springt -
    Heil dem Manne, dessen Hand
    Deine junge Brut ergreifet
    Und zerschmettert an der Felswand.


    Gott sei Dank! die Sud verdampfet
    In dem Kessel, der allmählig
    Ganz verstummt. Es weicht mein Spleen,
    Mein westöstlich dunkler Spleen -


    Auch mein Flügelrößlein wiehert
    Wieder heiter, scheint den bösen
    Nachtalp von sich abzuschütteln,
    Und die klugen Augen fragen:


    Reiten wir zurück nach Spanien
    Zu dem kleinen Talmudisten,
    Der ein großer Dichter worden,
    Zu Jehuda ben Halevy?


    Ja, er ward ein großer Dichter,
    Absoluter Traumweltsherrscher
    Mit der Geisterkönigskrone,
    Ein Poet von Gottes Gnade,


    Der in heiligen Sirventen,
    Madrigalen und Terzinen,
    Kanzonetten und Ghaselen
    Ausgegossen alle Flammen


    Seiner gottgeküßten Seele!
    Wahrlich ebenbürtig war
    Dieser Troubadour den besten
    Lautenschlägern der Provence,


    Poitous und der Guienne,
    Roussillons und aller andern
    Süßen Pomeranzenlande
    Der galanten Christenheit.


    Der galanten Christenheit
    Süße Pomeranzenlande!
    Wie sie duften, glänzen, klingen
    In dem Zwielicht der Erinnrung!


    Schöne Nachtigallenwelt!
    Wo man statt des wahren Gottes
    Nur den falschen Gott der Liebe
    Und der Musen angebeten.


    Clerici mit Rosenkränzen
    Auf der Glatze sangen Psalmen
    In der heitern Sprache d'oc;
    Und die Laien, edle Ritter,


    Stolz auf hohen Rossen trabend,
    Spintisierten Vers und Reime
    Zur Verherrlichung der Dame,
    Der ihr Herze fröhlich diente.


    Ohne Dame keine Minne,
    Und es war dem Minnesänger
    Unentbehrlich eine Dame,
    Wie dem Butterbrot die Butter.


    Auch der Held, den wir besingen,
    Auch Jehuda ben Halevy
    Hatte seine Herzensdame;
    Doch sie war besondrer Art.


    Sie war keine Laura, deren
    Augen, sterbliche Gestirne,
    In dem Dome am Karfreitag
    Den berühmten Brand gestiftet -


    Sie war keine Chatelaine,
    Die im Blütenschmuck der Jugend
    Bei Turnieren präsidierte
    Und den Lorbeerkranz erteilte -


    Keine Kußrechtskasuistin
    War sie, keine Doktrinärrin,
    Die im Spruchkollegium
    Eines Minnehofs dozierte -


    Jene, die der Rabbi liebte,
    War ein traurig armes Liebchen,
    Der Zerstörung Jammerbildnis,
    Und sie hieß Jerusalem.


    Schon in frühen Kindestagen
    War sie seine ganze Liebe;
    Sein Gemüte machte beben
    Schon das Wort Jerusalem.


    Purpurflamme auf der Wange,
    Stand der Knabe, und er horchte,
    Wenn ein Pilger nach Toledo
    Kam aus fernem Morgenlande


    Und erzählte: wie verödet
    Und verunreint jetzt die Stätte,
    Wo am Boden noch die Lichtspur
    Von dem Fuße der Propheten -


    Wo die Luft noch balsamieret
    Von dem ewgen Odem Gottes -
    O des Jammeranblicks! rief
    Einst ein Pilger, dessen Bart


    Silberweiß hinabfloß, während
    Sich das Barthaar an der Spitze
    Wieder schwärzte und es aussah,
    Als ob sich der Bart verjünge -


    Ein gar wunderlicher Pilger
    Mocht es sein, die Augen lugten
    Wie aus tausendjährgem Trübsinn,
    Und er seufzt': »Jerusalem!


    »Sie, die volkreich heilge Stadt
    Ist zur Wüstenei geworden,
    Wo Waldteufel, Werwolf, Schakal
    Ihr verruchtes Wesen treiben -


    »Schlangen, Nachtgevögel nisten
    Im verwitterten Gemäuer;
    Aus des Fensters luftgem Bogen
    Schaut der Fuchs mit Wohlbehagen.


    »Hier und da taucht auf zuweilen
    Ein zerlumpter Knecht der Wüste,
    Der sein höckriges Kamel
    In dem hohen Grase weidet.


    »Auf der edlen Höhe Zions,
    Wo die goldne Feste ragte,
    Deren Herrlichkeiten zeugten
    Von der Pracht des großen Königs:


    »Dort, von Unkraut überwuchert,
    Liegen nur noch graue Trümmer,
    Die uns ansehn schmerzhaft traurig,
    Daß man glauben muß, sie weinten.


    »Und es heißt, sie weinten wirklich
    Einmal in dem Jahr, an jenem
    Neunten Tag des Monats Ab -
    Und mit tränend eignen Augen


    »Schaute ich die dicken Tropfen
    Aus den großen Steinen sickern,
    Und ich hörte weheklagen
    Die gebrochnen Tempelsäulen.«—-


    Solche fromme Pilgersagen
    Weckten in der jungen Brust
    Des Jehuda ben Halevy
    Sehnsucht nach Jerusalem.


    Dichtersehnsucht! ahnend, träumend
    Und fatal war sie, wie jene,
    Die auf seinem Schloß zu Blaye
    Einst empfand der alte Vidam,


    Messer Geoffroi Rudello,
    Als die Ritter, die zurück
    Aus dem Morgenlande kehrten,
    Laut beim Becherklang beteuert:


    Ausbund aller Huld und Züchten,
    Perl und Blume aller Frauen,
    Sei die schöne Melisande,
    Markgräfin von Tripolis.


    Jeder weiß, für diese Dame
    Schwärmte jetzt der Troubadour;
    Er besang sie, und es wurde
    Ihm zu eng im Schlosse Blaye.


    Und es trieb ihn fort. Zu Cette
    Schiffte er sich ein, erkrankte
    Aber auf dem Meer, und sterbend
    Kam er an zu Tripolis.


    Hier erblickt er Melisanden
    Endlich auch mit Leibesaugen,
    Die jedoch des Todes Schatten
    In derselben Stunde deckten.


    Seinen letzten Liebessang
    Singend, starb er zu den Füßen
    Seiner Dame Melisande,
    Markgräfin von Tripolis.


    Wunderbare Ähnlichkeit
    In dem Schicksal beider Dichter!
    Nur daß jener erst im Alter
    Seine große Wallfahrt antrat.


    Auch Jehuda ben Halevy
    Starb zu Füßen seiner Liebsten,
    Und sein sterbend Haupt, es ruhte
    Auf den Knien Jerusalems.


        III


    Nach der Schlacht bei Arabella
    Hat der große Alexander
    Land und Leute des Darius,
    Hof und Harem, Pferde, Weiber,


    Elefanten und Dariken,
    Kron und Szepter, goldnen Plunder,
    Eingesteckt in seine weiten
    Mazedonschen Pluderhosen.


    In dem Zelt des großen Königs,
    Der entflohn, um nicht höchstselbst
    Gleichfalls eingesteckt zu werden,
    Fand der junge Held ein Kästchen,


    Eine kleine güldne Truhe,
    Mit Miniaturbildwerken
    Und mit inkrustierten Steinen
    Und Kameen reich geschmückt -


    Dieses Kästchen, selbst ein Kleinod
    Unschätzbaren Wertes, diente
    Zur Bewahrung von Kleinodien,
    Des Monarchen Leibjuwelen.


    Letztre schenkte Alexander
    An die Tapfern seines Heeres
    Darob lächelnd, daß sich Männer
    Kindisch freun an bunten Steinchen.


    Eine kostbar schönste Gemme
    Schickte er der lieben Mutter;
    War der Siegelring des Cyrus,
    Wurde jetzt zu einer Brosche.


    Seinem alten Weltarschpauker
    Aristoteles, dem sandt er
    Einen Onyx für sein großes
    Naturalienkabinett.


    In dem Kästchen waren Perlen,
    Eine wunderbare Schnur,
    Die der Königin Atossa
    Einst geschenkt der falsche Smerdis -


    Doch die Perlen waren echt -
    Und der heitre Sieger gab sie
    Einer schönen Tänzerin
    Aus Korinth, mit Namen Thais.


    Diese trug sie in den Haaren,
    Die bacchantisch aufgelöst,
    In der Brandnacht, als sie tanzte
    Zu Persepolis und frech


    In die Königsburg geschleudert
    Ihre Fackel, daß laut prasselnd
    Bald die Flammenlohe aufschlug,
    Wie ein Feuerwerk zum Feste.


    Nach dem Tod der schönen Thais,
    Die an einer babylonschen
    Krankheit starb zu Babylon,
    Wurden ihre Perlen dort


    Auf dem Börsensaal vergantert.
    Sie erstand ein Pfaff aus Memphis,
    Der sie nach Ägypten brachte,
    Wo sie später auf dem Putztisch


    Der Kleopatra erschienen,
    Die die schönste Perl zerstampft
    Und mit Wein vermischt verschluckte,
    Um Antonius zu foppen.


    Mit dem letzten Omayaden
    Kam die Perlenschnur nach Spanien,
    Und sie schlängelte am Turban
    Des Chalifen zu Corduba.


    Abderam der Dritte trug sie
    Als Brustschleife beim Turnier,
    Wo er dreißig goldne Ringe
    Und das Herz Zuleimas stach.


    Nach dem Fall der Mohrenherrschaft
    Gingen zu den Christen über
    Auch die Perlen, und gerieten
    In den Kronschatz von Kastilien.


    Die katholischen Majestäten
    Spanscher Königinnen schmückten
    Sich damit bei Hoffestspielen,
    Stiergefechten, Prozessionen,


    So wie auch Autodafés,
    Wo sie, auf Balkonen sitzend,
    Sich erquickten am Geruche
    Von gebratnen alten Juden.


    Späterhin gab Mendizabel,
    Satansenkel, diese Perlen
    In Versatz, um der Finanzen
    Defizit damit zu decken.


    An dem Hof der Tuilerien
    Kam die Schnur zuletzt zum Vorschein,
    Und sie schimmerte am Halse
    Der Baronin Salomon.


    So ergings den schönen Perlen.
    Minder abenteuerlich
    Gings dem Kästchen, dies behielt
    Alexander für sich selber.


    Er verschloß darin die Lieder
    Des ambrosischen Homeros,
    Seines Lieblings, und zu Häupten
    Seines Bettes in der Nacht


    Stand das Kästchen—Schlief der König,
    Stiegen draus hervor der Helden
    Lichte Bilder, und sie schlichen
    Gaukelnd sich in seine Träume.


    Andre Zeiten, andre Vögel -
    Ich, ich liebte weiland gleichfalls
    Die Gesänge von den Taten
    Des Peliden, des Odysseus.


    Damals war so sonnengoldig
    Und so purpurn mir zu Mute,
    Meine Stirn umkränzte Weinlaub,
    Und es tönten die Fanfaren -


    Still davon—gebrochen liegt
    Jetzt mein stolzer Siegeswagen,
    Und die Panther, die ihn zogen,
    Sind verreckt, so wie die Weiber,


    Die mit Pauk und Zimbelklängen
    Mich umtanzten, und ich selbst
    Wälze mich am Boden elend,
    Krüppelelend—still davon -


    Still davon—es ist die Rede
    Von dem Kästchen des Darius,
    Und ich dacht in meinem Sinne:
    Käm ich in Besitz des Kästchens,


    Und mich zwänge nicht Finanznot
    Gleich dasselbe zu versilbern,
    So verschlösse ich darin
    Die Gedichte unsres Rabbi -


    Des Jehuda ben Halevy
    Festgesänge, Klagelieder,
    Die Ghaselen, Reisebilder
    Seiner Wallfahrt—alles ließ ich


    Von dem besten Zophar schreiben
    Auf der reinsten Pergamenthaut,
    Und ich legte diese Handschrift
    In das kleine goldne Kästchen.


    Dieses stellt ich auf den Tisch
    Neben meinem Bett, und kämen
    Dann die Freunde und erstaunten
    Ob der Pracht der kleinen Truhe,


    Ob den seltnen Basrelieffen,
    Die so winzig, doch vollendet
    Sind zugleich, und ob den großen
    Inkrustierten Edelsteinen -


    Lächelnd würd ich ihnen sagen:
    Das ist nur die rohe Schale,
    Die den bessern Schatz verschließet -
    Hier in diesem Kästchen liegen


    Diamanten, deren Lichter
    Abglanz, Widerschein des Himmels,
    Herzblutglühende Rubinen,
    Fleckenlose Turkoasen,


    Auch Smaragde der Verheißung,
    Perlen, reiner noch als jene,
    Die der Königin Atossa
    Einst geschenkt der falsche Smerdis,


    Und die späterhin geschmücket
    Alle Notabilitäten
    Dieser mondumkreisten Erde,
    Thais und Kleopatra,


    Isispriester, Mohrenfürsten,
    Auch Hispaniens Königinnen,
    Und zuletzt die hochverehrte
    Frau Baronin Salomon -


    Diese weltberühmten Perlen,
    Sie sind nur der bleiche Schleim
    Eines armen Austertiers,
    Das im Meergrund blöde kränkelt:


    Doch die Perlen hier im Kästchen
    Sind entquollen einer schönen
    Menschenseele, die noch tiefer,
    Abgrundtiefer als das Weltmeer -


    Denn es sind die Tränenperlen
    Des Jehuda ben Halevy,
    Die er ob dem Untergang
    Von Jerusalem geweinet -


    Perlentränen, die verbunden
    Durch des Reimes goldnen Faden,
    Aus der Dichtkunst güldnen Schmiede
    Als ein Lied hervorgegangen.


    Dieses Perlentränenlied
    Ist die vielberühmte Klage,
    Die gesungen wird in allen
    Weltzerstreuten Zelten Jakobs


    An dem neunten Tag des Monats,
    Der geheißen Ab, dem Jahrstag
    Von Jerusalems Zerstörung
    Durch den Titus Vespasianus.


    Ja, das ist das Zionslied,
    Das Jehuda ben Halevy
    Sterbend auf den heilgen Trümmern
    Von Jerusalem gesungen -


    Barfuß und im Büßerkittel
    Saß er dorten auf dem Bruchstück
    Einer umgestürzten Säule; -
    Bis zur Brust herunter fiel


    Wie ein greiser Wald sein Haupthaar,
    Abenteuerlich beschattend
    Das bekümmert bleiche Antlitz
    Mit den geisterhaften Augen -


    Also saß er und er sang,
    Wie ein Seher aus der Vorzeit
    Anzuschaun—dem Grab entstiegen
    Schien Jeremias, der Alte -


    Das Gevögel der Ruinen
    Zähmte schier der wilde Schmerzlaut
    Des Gesanges, und die Geier
    Nahten horchend, fast mitleidig -


    Doch ein frecher Sarazene
    Kam desselben Wegs geritten,
    Hoch zu Roß, im Bug sich wiegend
    Und die blanke Lanze schwingend -


    In die Brust des armen Sängers
    Stieß er diesen Todesspeer,
    Und er jagte rasch von dannen,
    Wie ein Schattenbild beflügelt.


    Ruhig floß das Blut des Rabbi,
    Ruhig seinen Sang zu Ende
    Sang er, und sein sterbeletzter
    Seufzer war Jerusalem!—-


    Eine alte Sage meldet,
    Jener Sarazene sei
    Gar kein böser Mensch gewesen,
    Sondern ein verkappter Engel,


    Der vom Himmel ward gesendet,
    Gottes Liebling zu entrücken
    Dieser Erde und zu fördern
    Ohne Qual ins Reich der Selgen.


    Droben, heißt es, harrte seiner
    Ein Empfang, der schmeichelhaft
    Ganz besonders für den Dichter,
    Eine himmlische Sürprise.


    Festlich kam das Chor der Engel
    Ihm entgegen mit Musik,
    Und als Hymne grüßten ihn
    Seine eignen Verse, jenes


    Synagogen-Hochzeitkarmen,
    Jene Sabbathhymenäen,
    Mit den jauchzend wohlbekannten
    Melodieen—welche Töne!


    Englein bliesen auf Hoboen,
    Englein spielten Violine,
    Andre strichen auch die Bratsche
    Oder schlugen Pauk und Zimbel.


    Und das sang und klang so lieblich,
    Und so lieblich in den weiten
    Himmelsräumen widerhallt es:
    Lecho Daudi likras Kalle.


        IV


    Meine Frau ist nicht zufrieden
    Mit dem vorigen Kapitel,
    Ganz besonders in Bezug
    Auf das Kästchen des Darius.


    Fast mit Bitterkeit bemerkt sie:
    Daß ein Ehemann, der wahrhaft
    Religiöse sei, das Kästchen
    Gleich zu Gelde machen würde,


    Um damit für seine arme,
    Legitime Ehegattin
    Einen Kaschemir zu kaufen,
    Dessen sie so sehr bedürfe.


    Der Jehuda ben Halevy,
    Meinte sie, der sei hinlänglich
    Ehrenvoll bewahrt in einem
    Schönen Futteral von Pappe


    Mit chinesisch eleganten
    Arabesken, wie die hübschen
    Bonbonnieren von Marquis
    Im Passage Panorama.


    Sonderbar!—setzt sie hinzu -
    Daß ich niemals nennen hörte
    Diesen großen Dichternamen,
    Den Jehuda ben Halevy.


    Liebstes Kind, gab ich zur Antwort,
    Solche holde Ignoranz,
    Sie bekundet die Lakunen
    Der französischen Erziehung,


    Der Pariser Pensionate,
    Wo die Mädchen, diese künftgen
    Mütter eines freien Volkes,
    Ihren Unterricht genießen -


    Alte Mumien, ausgestopfte
    Pharaonen von Ägypten,
    Merovinger Schattenkönge,
    Ungepuderte Perücken,


    Auch die Zopfmonarchen Chinas,
    Porzellanpagodenkaiser -
    Alle lernen sie auswendig,
    Kluge Mädchen, aber Himmel -


    Fragt man sie nach großen Namen
    Aus dem großen Goldzeitalter
    Der arabisch-althispanisch
    Jüdischen Poetenschule,


    Fragt man nach dem Dreigestirn,
    Nach Jehuda ben Halevy,
    Nach dem Salomon Gabirol
    Und dem Moses Iben Esra -


    Fragt man nach dergleichen Namen,
    Dann mit großen Augen schaun
    Uns die Kleinen an—alsdann
    Stehn am Berge die Ochsinnen.


    Raten möcht ich dir, Geliebte,
    Nachzuholen das Versäumte
    Und Hebräisch zu erlernen -
    Laß Theater und Konzerte,


    Widme einge Jahre solchem
    Studium, du kannst alsdann
    Im Originale lesen
    Iben Esra und Gabirol


    Und versteht sich den Halevy,
    Das Triumvirat der Dichtkunst,
    Das dem Saitenspiel Davidis
    Einst entlockt die schönsten Laute.


    Alcharisi—der, ich wette,
    Dir nicht minder unbekannt ist,
    Ober gleich, französ'scher Witzbold,
    Den Hariri überwitzelt


    Im Gebiete der Makame,
    Und ein Voltairianer war
    Schon sechshundert Jahr vor Voltair' -
    Jener Alcharisi sagte:


    »Durch Gedanken glänzt Gabirol
    Und gefällt zumeist dem Denker,
    Iben Esra glänzt durch Kunst
    Und behagt weit mehr dem Künstler -


    »Aber Beider Eigenschaften
    Hat Jehuda ben Halevy,
    Und er ist ein großer Dichter
    Und ein Liebling aller Menschen.«


    Iben Esra war ein Freund
    Und, ich glaube, auch ein Vetter
    Des Jehuda ben Halevy,
    Der in seinem Wanderbuche


    Schmerzlich klagt, wie er vergebens
    In Granada aufgesucht hat
    Seinen Freund, und nur den Bruder
    Dorten fand, den Medikus,


    Rabbi Meyer, auch ein Dichter
    Und der Vater jener Schönen,
    Die mit hoffnungsloser Flamme
    Iben Esras Herz entzunden -


    Um das Mühmchen zu vergessen,
    Griff er nach dem Wanderstabe,
    Wie so mancher der Kollegen;
    Lebte unstet, heimatlos.


    Pilgernd nach Jerusalem,
    Überfielen ihn Tartaren,
    Die an einen Gaul gebunden
    Ihn nach ihren Steppen schleppten.


    Mußte Dienste dort verrichten,
    Die nicht würdig eines Rabbi
    Und noch wenger eines Dichters,
    Mußte nämlich Kühe melken.


    Einstens, als er unterm Bauche
    Einer Kuh gekauert saß,
    Ihre Euter hastig fingernd,
    Daß die Milch floß in den Zuber -


    Eine Position, unwürdig
    Eines Rabbis, eines Dichters -
    Da befiel ihn tiefe Wehmut,
    Und er fing zu singen an,


    Und er sang so schön und lieblich,
    Daß der Chan, der Fürst der Horde,
    Der vorbeiging, ward gerühret
    Und die Freiheit gab dem Sklaven.


    Auch Geschenke gab er ihm,
    Einen Fuchspelz, eine lange
    Sarazenenmandoline
    Und das Zehrgeld für die Heimkehr.


    Dichterschicksal! böser Unstern,
    Der die Söhne des Apollo
    Tödlich nergelt, und sogar
    Ihren Vater nicht verschont hat,


    Als er, hinter Daphnen laufend,
    Statt des weißen Nymphenleibes
    Nur den Lorbeerbaum erfaßte,
    Er. der göttliche Schlemihl!


    Ja, der hohe Delphier ist
    Ein Schlemihl, und gar der Lorbeer,
    Der so stolz die Stirne krönet,
    Ist ein Zeichen des Schlemihltums.


    Was das Wort Schlemihl bedeutet,
    Wissen wir. Hat doch Chamisso
    Ihm das Bürgerrecht in Deutschland
    Längst verschafft, dem Worte nämlich.


    Aber unbekannt geblieben,
    Wie des heilgen Niles Quellen,
    Ist sein Ursprung; hab darüber
    Nachgegrübelt manche Nacht.


    Zu Berlin vor vielen Jahren
    Wandt ich mich deshalb an unsern
    Freund Chamisso, suchte Auskunft
    Beim Dekane der Schlemihle.


    Doch er konnt mich nicht befriedgen
    Und verwies mich drob an Hitzig,
    Der ihm den Familiennamen
    Seines schattenlosen Peters


    Einst verraten. Alsbald nahm ich
    Eine Droschke und ich rollte
    Zu dem Kriminalrat Hitzig,
    Welcher ehmals Itzig hieß -


    Als er noch ein Itzig war,
    Träumte ihm, er säh geschrieben
    An dem Himmel seinen Namen
    Und davor den Buchstab H.


    »Was bedeutet dieses H?«
    Frug er sich—»etwa Herr Itzig
    Oder Heilger Itzig? Heilger
    Ist ein schöner Titel—aber


    »In Berlin nicht passend«—Endlich
    Grübelnsmüd nannt er sich Hitzig,
    Und nur die Getreuen wußten:
    In dem Hitzig steckt ein Heilger.


    Heilger Hitzig! sprach ich also,
    Als ich zu ihm kam, Sie sollen
    Mir die Etymologie
    Von dem Wort Schlemihl erklären.


    Viel Umschweife nahm der Heilge,
    Konnte sich nicht recht erinnern,
    Eine Ausflucht nach der andern,
    Immer christlich—Bis mir endlich,


    Endlich alle Knöpfe rissen
    An der Hose der Geduld,
    Und ich anfing so zu fluchen,
    So gottlästerlich zu fluchen,


    Daß der fromme Pietist,
    Leichenblaß und beineschlotternd,
    Unverzüglich mir willfahrte
    Und mir Folgendes erzählte:


    »In der Bibel ist zu lesen,
    Als zur Zeit der Wüstenwandrung
    Israel sich oft erlustigt
    Mit den Töchtern Kanaans,


    »Da geschah es, daß der Pinhas
    Sahe, wieder edle Simri
    Buhlschaft trieb mit einem Weibsbild
    Aus dem Stamm der Kananiter,


    »Und alsbald ergriff er zornig
    Seinen Speer und hat den Simri
    Auf der Stelle totgestochen -
    Also heißt es in der Bibel.


    »Aber mündlich überliefert
    Hat im Volke sich die Sage,
    Daß es nicht der Simri war,
    Den des Pinhas Speer getroffen,


    »Sondern daß der Blinderzürnte,
    Statt des Sünders, unversehens
    Einen ganz Unschuldgen traf,
    Den Schlemihl ben Zuri Schadday.« -


    Dieser nun, Schlemihl I.,
    Ist der Ahnherr des Geschlechtes
    Derer von Schlemihl. Wir stammen
    Von Schlemihl ben Zuri Schadday.


    Freilich keine Heldentaten
    Meldet man von ihm, wir kennen
    Nur den Namen und wir wissen,
    Daß er ein Schlemihl gewesen.


    Doch geschätzet wird ein Stammbaum
    Nicht ob seinen guten Früchten,
    Sondern nur ob seinem Alter -
    Drei Jahrtausend zählt der unsre!


    Jahre kommen und vergehen -
    Drei Jahrtausende verflossen,
    Seit gestorben unser Ahnherr,
    Herr Schlemihl ben Zuri Schadday.


    Längst ist auch der Pinhas tot -
    Doch sein Speer hat sich erhalten,
    Und wir hören ihn beständig
    Über unsre Häupter schwirren.


    Und die besten Herzen trifft er -
    Wie Jehuda ben Halevy,
    Traf er Moses Iben Esra
    Und er traf auch den Gabirol -


    Den Gabirol, diesen treuen
    Gottgeweihten Minnesänger,
    Diese fromme Nachtigall,
    Deren Rose Gott gewesen -


    Diese Nachtigall, die zärtlich
    Ihre Liebeslieder sang
    In der Dunkelheit der gotisch
    Mittelalterlichen Nacht!


    Unerschrocken, unbekümmert
    Ob den Fratzen und Gespenstern,
    Ob dem Wust von Tod und Wahnsinn,
    Die gespukt in jener Nacht -


    Sie, die Nachtigall, sie dachte
    Nur an ihren göttlich Liebsten,
    Dem sie ihre Liebe schluchzte,
    Den ihr Lobgesang verherrlicht! -


    Dreißig Lenze sah Gabirol
    Hier auf Erden, aber Fama
    Ausposaunte seines Namens
    Herrlichkeit durch alle Lande.


    Zu Corduba, wo er wohnte,
    War ein Mohr sein nächster Nachbar,
    Welcher gleichfalls Verse machte
    Und des Dichters Ruhm beneidet'.


    Hörte er den Dichter singen,
    Schwoll dem Mohren gleich die Galle,
    Und der Lieder Süße wurde
    Bittre Wehmut für den Neidhart.


    Er verlockte den Verhaßten
    Nächtlich in sein Haus, erschlug ihn
    Dorten und vergrub den Leichnam
    Hinterm Hause in dem Garten.


    Aber siehe! aus dem Boden,
    Wo die Leiche eingescharrt war,
    Wuchs hervor ein Feigenbaum
    Von der wunderbarsten Schönheit.


    Seine Frucht war seltsam länglich
    Und von seltsam würzger Süße,
    Wer davon genoß, versank
    In ein träumerisch Entzücken.


    In dem Volke ging darüber
    Viel Gerede und Gemunkel,
    Das am End zu den erlauchten
    Ohren des Chalifen kam.


    Dieser prüfte eigenzüngig
    Jenes Feigenphänomen,
    Und ernannte eine strenge
    Untersuchungskommission.


    Man verfuhr summarisch. Sechzig
    Bambushiebe auf die Sohlen
    Gab man gleich dem Herrn des Baumes,
    Welcher eingestand die Untat.


    Darauf riß man auch den Baum
    Mit den Wurzeln aus dem Boden,
    Und zum Vorschein kam die Leiche
    Des erschlagenen Gabirol.


    Diese ward mit Pomp bestattet
    Und betrauert von den Brüdern;
    An demselben Tage henkte
    Man den Mohren zu Corduba.


    (Fragment)




        Disputation


    In der Aula zu Toledo
    Klingen schmetternd die Fanfaren;
    Zu dem geistlichen Turnei
    Wallt das Volk in bunten Scharen.


    Das ist nicht ein weltlich Stechen,
    Keine Eisenwaffe blitzet -
    Eine Lanze ist das Wort,
    Das scholastisch scharf gespitzet.


    Nicht galante Paladins
    Fechten hier, nicht Damendiener -
    Dieses Kampfes Ritter sind
    Kapuziner und Rabbiner.


    Statt des Helmes tragen sie
    Schabbesdeckel und Kapuzen;
    Skapulier und Arbekanfeß
    Sind der Harnisch, drob sie trutzen.


    Welches ist der wahre Gott?
    Ist es der Hebräer starrer
    Großer Eingott, dessen Kämpe
    Rabbi Juda. der Navarrer?


    Oder ist es der dreifaltge
    Liebegott der Christianer,
    Dessen Kämpe Frater Jose,
    Gardian der Franziskaner?


    Durch die Macht der Argumente,
    Durch der Logik Kettenschlüsse
    Und Zitate von Autoren,
    Die man anerkennen müsse,


    Will ein jeder Kämpe seinen
    Gegner ad absurdum führen
    Und die wahre Göttlichkeit
    Seines Gottes demonstrieren.


    Festgestellt ist: daß derjenge,
    Der im Streit ward überwunden,
    Seines Gegners Religion
    Anzunehmen sei verbunden,


    Daß der Jude sich der Taufe
    Heilgem Sakramente füge,
    Und im Gegenteil der Christ
    Der Beschneidung unterliege.


    Jedem von den beiden Kämpen
    Beigesellt sind elf Genossen,
    Die zu teilen sein Geschick
    Sind in Freud und Leid entschlossen.


    Glaubenssicher sind die Mönche
    Von des Gardians Geleitschaft,
    Halten schon Weihwasserkübel
    Für die Taufe in Bereitschaft,


    Schwingen schon die Sprengelbesen
    Und die blanken Räucherfässer -
    Ihre Gegner unterdessen
    Wetzen die Beschneidungsmesser.


    Beide Rotten stehn schlagfertig
    Vor den Schranken in dem Saale,
    Und das Volk mit Ungeduld
    Harret drängend der Signale.


    Unterm güldnen Baldachin
    Und umrauscht vom Hofgesinde
    Sitzt der König und die Köngin;
    Diese gleichet einem Kinde.


    Ein französisch stumpfes Näschen,
    Schalkheit kichert in den Mienen,
    Doch bezaubernd sind des Mundes
    Immer lächelnde Rubinen.


    Schöne, flatterhafte Blume -
    Daß sich ihrer Gott erbarme -
    Von dem heitern Seineufer
    Wurde sie verpflanzt, die arme,


    Hierher in den steifen Boden
    Der hispanischen Grandezza;
    Weiland hieß sie Blanch' de Bourbon,
    Donna Blanka heißt sie jetzo.


    Pedro wird genannt der König
    Mit dem Zusatz der Grausame;
    Aber heute, milden Sinnes,
    Ist er besser als sein Name.


    Unterhält sich gut gelaunt
    Mit des Hofes Edelleuten;
    Auch den Juden und den Mohren
    Sagt er viele Artigkeiten.


    Diese Ritter ohne Vorhaut
    Sind des Königs Lieblingsschranzen,
    Sie befehlgen seine Heere,
    Sie verwalten die Finanzen.


    Aber plötzlich Paukenschläge,
    Und es melden die Trompeten,
    Daß begonnen hat der Maulkampf,
    Der Disput der zwei Athleten.


    Der Gardian der Franziskaner
    Bricht hervor mit frommem Grimme;
    Polternd roh und widrig greinend
    Ist abwechselnd seine Stimme.


    In des Vaters und des Sohnes
    Und des heilgen Geistes Namen
    Exorzieret er den Rabbi,
    Jakobs maledeiten Samen.


    Denn bei solchen Kontroversen
    Sind oft Teufelchen verborgen
    In dem Juden, die mit Scharfsinn,
    Witz und Gründen ihn versorgen.


    Nun die Teufel ausgetrieben
    Durch die Macht des Exorzismus,
    Kommt der Mönch auch zur Dogmatik,
    Kugelt ab den Katechismus.


    Er erzählt, daß in der Gottheit
    Drei Personen sind enthalten,
    Die jedoch zu einer einzgen,
    Wenn es passend, sich gestalten -


    Ein Mysterium, das nur
    Von demjengen wird verstanden,
    Der entsprungen ist dem Kerker
    Der Vernunft und ihren Banden.


    Er erzählt: wie Gott der Herr
    Ward zu Bethlehem geboren
    Von der Jungfrau, welche niemals
    Ihre Jungferschaft verloren;


    Wie der Herr der Welt gelegen
    In der Krippe, und ein Kühlein
    Und ein Öchslein bei ihm stunden,
    Schier andächtig, zwei Rindviehlein.


    Er erzählte: wie der Herr
    Vor den Schergen des Herodes
    Nach Ägypten floh, und später
    Litt die herbe Pein des Todes


    Unter Pontio Pilato,
    Der das Urteil unterschrieben,
    Von den harten Pharisäern,
    Von den Juden angetrieben.


    Er erzählte: wie der Herr,
    Der entstiegen seinem Grabe
    Schon am dritten Tag, gen Himmel
    Seinen Flug genommen habe;


    Wie er aber, wenn es Zeit ist,
    Wiederkehren auf die Erde
    Und zu Josaphat die Toten
    Und Lebendgen richten werde.


    »Zittert, Juden!« rief der Mönch,
    »Vor dem Gott, den ihr mit Hieben
    Und mit Dornen habt gemartert,
    Den ihr in den Tod getrieben.


    »Seine Mörder, Volk der Rachsucht,
    Juden, das seid ihr gewesen -
    Immer meuchelt ihr den Heiland,
    Welcher kommt, euch zu erlösen.


    »Judenvolk, du bist ein Aas,
    Worin hausen die Dämonen;
    Eure Leiber sind Kasernen
    Für des Teufels Legionen.


    »Thomas von Aquino sagt es,
    Den man nennt den großen Ochsen
    Der Gelehrsamkeit, er ist
    Licht und Lust der Orthodoxen.


    »Judenvolk, ihr seid Hyänen,
    Wölfe, Schakals, die in Gräbern
    Wühlen, um der Toten Leichnam'
    Blutfraßgierig aufzustöbern.


    »Juden, Juden, ihr seid Säue,
    Paviane, Nashorntiere,
    Die man nennt Rhinozerosse,
    Krokodile und Vampire.


    »Ihr seid Raben, Eulen, Uhus,
    Fledermäuse, Wiedehöpfe,
    Leichenhühner, Basilisken,
    Galgenvögel, Nachtgeschöpfe.


    »Ihr seid Vipern und Blindschleichen,
    Klapperschlangen, giftge Kröten,
    Ottern, Nattern—Christus wird
    Eur verfluchtes Haupt zertreten.


    »Oder wollt ihr, Maledeiten,
    Eure armen Seelen retten?
    Aus der Bosheit Synagoge
    Flüchtet nach den frommen Stätten,


    »Nach der Liebe lichtem Dome,
    Wo im benedeiten Becken
    Euch der Quell der Gnade sprudelt -
    Drin sollt ihr die Köpfe stecken -


    »Wascht dort ab den alten Adam
    Und die Laster, die ihn schwärzen;
    Des verjährten Grolles Schimmel,
    Wascht ihn ab von euren Herzen!


    »Hört ihr nicht des Heilands Stimme?
    Euren neuen Namen rief er -
    Lauset euch an Christi Brust
    Von der Sünde Ungeziefer!


    »Unser Gott, der ist die Liebe,
    Und er gleichet einem Lamme;
    Um zu sühnen unsre Schuld,
    Starb er an des Kreuzes Stamme.


    »Unser Gott, der ist die Liebe,
    Jesus Christus ist sein Name;
    Seine Duldsamkeit und Demut
    Suchen wir stets nachzuahmen.


    »Deshalb sind wir auch so sanft,
    So leutselig, ruhig, milde,
    Hadern niemals, nach des Lammes,
    Des Versöhners, Musterbilde.


    »Einst im Himmel werden wir
    Ganz verklärt zu frommen Englein,
    Und wir wandeln dort gottselig,
    In den Händen Liljenstenglein.


    »Statt der groben Kutten tragen
    Wir die reinlichsten Gewänder
    Von Moußlin, Brokat und Seide,
    Goldne Troddeln, bunte Bänder.


    »Keine Glatze mehr! Goldlocken
    Flattern dort um unsre Köpfe;
    Allerliebste Jungfraun flechten
    Uns das Haar in hübsche Zöpfe.


    »Weinpokale wird es droben
    Von viel weiterm Umfang geben
    Als die Becher sind hier unten,
    Worin schäumt der Saft der Reben.


    »Doch im Gegenteil viel enger
    Als ein Weibermund hienieden,
    Wird das Frauenmündchen sein,
    Das dort oben uns beschieden.


    »Trinkend, küssend, lachend wollen
    Wir die Ewigkeit verbringen,
    Und verzückt Halleluja,
    Kyrie Eleison singen.«


    Also schloß der Christ. Die Mönchlein
    Glaubten schon, Erleuchtung träte
    In die Herzen, und sie schleppten
    Flink herbei das Taufgeräte.


    Doch die wasserscheuen Juden
    Schütteln sich und grinsen schnöde.
    Rabbi Juda, der Navarrer,
    Hub jetzt an die Gegenrede:


    »Um für deine Saat zu düngen
    Meines Geistes dürren Acker,
    Mit Mistkarren voll Schimpfwörter
    Hast du mich beschmissen wacker.


    »So folgt jeder der Methode,
    Dran er nun einmal gewöhnet,
    Und anstatt dich drob zu schelten,
    Sag ich Dank dir, wohlversöhnet.


    »Die Dreieinigkeitsdoktrin
    Kann für unsre Leut nicht passen,
    Die mit Regula-de-tri
    Sich von Jugend aufbefassen.


    »Daß in deinem Gotte drei,
    Drei Personen sind enthalten,
    Ist bescheiden noch, sechstausend
    Götter gab es bei den Alten.


    »Unbekannt ist mir der Gott,
    Den ihr Christum pflegt zu nennen;
    Seine Jungfer Mutter gleichfalls
    Hab ich nicht die Ehr zu kennen.


    »Ich bedaure, daß er einst,
    Vor etwa zwölfhundert Jahren,
    Einge Unannehmlichkeiten
    Zu Jerusalem erfahren.


    »Ob die Juden ihn getötet,
    Das ist schwer jetzt zu erkunden,
    Da ja das Corpus Delicti
    Schon am dritten Tag verschwunden.


    »Daß er ein Verwandter sei
    Unsres Gottes, ist nicht minder
    Zweifelhaft; so viel wir wissen,
    Hat der letztre keine Kinder.


    »Unser Gott ist nicht gestorben
    Als ein armes Lämmerschwänzchen
    Für die Menschheit, ist kein süßes
    Philantröpfchen, Faselhänschen.


    »Unser Gott ist nicht die Liebe;
    Schnäbeln ist nicht seine Sache,
    Denn er ist ein Donnergott
    Und er ist ein Gott der Rache.


    »Seines Zornes Blitze treffen
    Unerbittlich jeden Sünder,
    Und des Vaters Schulden büßen
    Oft die späten Enkelkinder.


    »Unser Gott, der ist lebendig,
    Und in seiner Himmelshalle
    Existieret er drauf los
    Durch die Ewigkeiten alle.


    »Unser Gott, und der ist auch
    Ein gesunder Gott, kein Mythos
    Bleich und dünne wie Oblaten
    Oder Schatten am Cocytos.


    »Unser Gott ist stark. In Händen
    Trägt er Sonne, Mond, Gestirne;
    Throne brechen, Völker schwinden,
    Wenn er runzelt seine Stirne.


    »Und er ist ein großer Gott.
    David singt: Ermessen ließe
    Sich die Größe nicht, die Erde
    Sei der Schemel seiner Füße.


    »Unser Gott liebt die Musik,
    Saitenspiel und Festgesänge;
    Doch wie Ferkelgrunzen sind
    Ihm zuwider Glockenklänge.


    »Leviathan heißt der Fisch,
    Welcher haust im Meeresgrunde;
    Mit ihm spielet Gott der Herr
    Alle Tage eine Stunde -


    »Ausgenommen an dem neunten
    Tag des Monats Ab, wo nämlich
    Eingeäschert ward sein Tempel;
    An dem Tag ist er zu grämlich.


    »Des Leviathans Länge ist
    Hundert Meilen, hat Floßfedern
    Groß wie König Ok von Basan,
    Und sein Schwanz ist wie ein Zedern.


    »Doch sein Fleisch ist delikat,
    Delikater als Schildkröten,
    Und am Tag der Auferstehung
    Wird der Herr zu Tische beten.


    »Alle frommen Auserwählten,
    Die Gerechten und die Weisen -
    Unsres Herrgotts Lieblingsfisch
    Werden sie alsdann verspeisen,


    »Teils mit weißer Knoblauchbrühe,
    Teils auch braun in Wein gesotten,
    Mit Gewürzen und Rosinen,
    Ungefähr wie Matelotten.


    »In der weißen Knoblauchbrühe
    Schwimmen kleine Schäbchen Rettich -
    So bereitet, Frater Jose,
    Mundet dir das Fischlein, wett ich!


    »Auch die braune ist so lecker,
    Nämlich die Rosinensauce,
    Sie wird himmlisch wohl behagen
    Deinem Bäuchlein, Frater Jose.


    »Was Gott kocht, ist gut gekocht!
    Mönchlein, nimm jetzt meinen Rat an,
    Opfre hin die alte Vorhaut
    Und erquick dich am Leviathan.«


    Also lockend sprach der Rabbi,
    Lockend, ködernd, heimlich schmunzelnd,
    Und die Juden schwangen schon
    Ihre Messer wonnegrunzelnd,


    Um als Sieger zu skalpieren
    Die verfallenen Vorhäute,
    Wahre spolia opima
    In dem wunderlichen Streite.


    Doch die Mönche hielten fest
    An dem väterlichen Glauben
    Und an ihrer Vorhaut, ließen
    Sich derselben nicht berauben.


    Nach dem Juden sprach aufs neue
    Der katholische Bekehrer;
    Wieder schimpft er, jedes Wort
    Ist ein Nachttopf, und kein leerer.


    Darauf repliziert der Rabbi
    Mit zurückgehaltnem Eifer;
    Wie sein Herz auch überkocht,
    Doch verschluckt er seinen Geifer.


    Er beruft sich auf die Mischna,
    Kommentare und Traktate;
    Bringt auch aus dem Tausves-Jontof
    Viel beweisende Zitate.


    Aber welche Blasphemie
    Mußt er von dem Mönche hören!
    Dieser sprach: der Tausves-Jontof
    Möge sich zum Teufel scheren.


    »Da hört alles auf, o Gott!«
    Kreischt der Rabbi jetzt entsetzlich;
    Und es reißt ihm die Geduld,
    Rappelköpfig wird er plötzlich.


    »Gilt nichts mehr der Tausves-Jontof,
    Was soll gelten? Zeter! Zeter!
    Räche, Herr, die Missetat,
    Strafe, Herr, den Übeltäter!


    »Denn der Tausves-Jontof, Gott,
    Das bist du! Und an dem frechen
    Tausvesjontof-Leugner mußt du
    Deines Namens Ehre rächen.


    »Laß den Abgrund ihn verschlingen,
    Wie des Korah böse Rotte,
    Die sich wider dich empört
    Durch Emeute und Komplotte.


    »Donnre deinen besten Donner!
    Strafe, o mein Gott, den Frevel -
    Hattest du doch zu Sodoma
    Und Gomorrha Pech und Schwefel!


    »Treffe, Herr, die Kapuziner,
    Wie du Pharaon getroffen,
    Der uns nachgesetzt, als wir
    Wohl bepackt davongeloffen.


    »Hunderttausend Ritter folgten
    Diesem König von Mizrayim,
    Stahlbepanzert, blanke Schwerter
    In den schrecklichen Jadayim.


    »Gott! da hast du ausgestreckt
    Deine Jad, und samt dem Heere
    Ward ertränkt, wie junge Katzen,
    Pharao im roten Meere.


    »Treffe, Herr, die Kapuziner,
    Zeige den infamen Schuften,
    Daß die Blitze deines Zorns
    Nicht verrauchten und verpufften.


    »Deines Sieges Ruhm und Preis
    Will ich singen dann und sagen,
    Und dabei, wie Mirjam tat,
    Tanzen und die Pauke schlagen.«


    In die Rede grimmig fiel
    Jetzt der Mönch dem Zornentflammten:
    »Mag dich selbst der Herr verderben,
    Dich Verfluchten und Verdammten!


    »Trotzen kann ich deinen Teufeln,
    Deinem schmutzgen Fliegengotte,
    Luzifer und Belzebube,
    Belial und Astarothe.


    »Trotzen kann ich deinen Geistern,
    Deinen dunkeln Höllenpossen,
    Denn in mir ist Jesus Christus,
    Habe seinen Leib genossen.


    »Christus ist mein Leibgericht,
    Schmeckt viel besser als Leviathan
    Mit der weißen Knoblauchsauce,
    Die vielleicht gekocht der Satan.


    »Ach! anstatt zu disputieren,
    Lieber möcht ich schmoren, braten
    Auf dem wärmsten Scheiterhaufen
    Dich und deine Kameraden.«


    Also tost in Schimpf und Ernst
    Das Turnei für Gott und Glauben,
    Doch die Kämpen ganz vergeblich
    Kreischen, schelten, wüten, schnauben.


    Schon zwölf Stunden währt der Kampf,
    Dem kein End ist abzuschauen;
    Müde wird das Publikum,
    Und es schwitzen stark die Frauen.


    Auch der Hof wird ungeduldig,
    Manche Zofe gähnt ein wenig.
    Zu der schönen Königin
    Wendet fragend sich der König:


    »Sagt mir, was ist Eure Meinung?
    Wer hat Recht von diesen beiden?
    Wollt Ihr für den Rabbi Euch
    Oder für den Mönch entscheiden?«


    Donna Blanka schaut ihn an,
    Und wie sinnend ihre Hände
    Mit verschränkten Fingern drückt sie
    An die Stirn und spricht am Ende:


    »Welcher Recht hat, weiß ich nicht -
    Doch es will mich schier bedünken,
    Daß der Rabbi und der Mönch,
    Daß sie alle beide stinken.«






        Nachwort zum »Romanzero«

    Ich habe dieses Buch Romanzero genannt, weil der Romanzenton vorherrschend in den Gedichten, die hier gesammelt. Mit wenigen Ausnahmen schrieb ich sie während der letzten drei Jahre, unter mancherlei körperlichen Hindernissen und Qualen. Gleichzeitig mit dem Romanzero lasse ich in derselben Verlagshandlung ein Büchlein erscheinen, welches »Der Doktor Faust, ein Tanzpoem, nebst kuriosen Berichten über Teufel, Hexen und Dichtkunst« betitelt ist. Ich empfehle solches einem verehrungswürdigen Publiko, das sich gern ohne Kopfanstrengung über dergleichen Dinge belehren lassen möchte; es ist eine leichte Goldarbeit, worüber gewiß mancher Grobschmied den Kopf schütteln wird. Ich hegte ursprünglich die Absicht, dieses Produkt dem Romanzero einzuverleiben, was ich aber unterließ, um nicht die Einheit der Stimmung, die in letzterem waltet und gleichsam sein Kolorit bildet, zu stören. Jenes Tanzpoem schrieb ich nämlich im Jahre 1847, zu einer Zeit, wo mein böses Siechtum bereits bedenklich vorgeschritten war, aber doch noch nicht seine grämlichen Schatten über mein Gemüt warf. Ich hatte damals noch etwas Fleisch und Heidentum an mir, und ich war noch nicht zu dem spiritualistischen Skelette abgemagert, das jetzt seiner gänzlichen Auflösung entgegenharrt. Aber existiere ich wirklich noch? Mein Leib ist so sehr in die Krümpe gegangen, daß schier nichts übrig geblieben als die Stimme, und mein Bett mahnt mich an das tönende Grab des Zauberers Merlinus, welches sich im Walde Brozeliand in der Bretagne befindet, unter hohen Eichen, deren Wipfel wie grüne Flammen gen Himmel lodern. Ach, um diese Bäume und ihr frisches Wehen beneide ich dich, Kollege Merlinus, denn kein grünes Blatt rauscht herein in meine Matratzengruft zu Paris, wo ich früh und spat nur Wagengerassel, Gehämmer, Gekeife und Klaviergeklimper vernehme. Ein Grab ohne Ruhe, der Tod ohne die Privilegien der Verstorbenen, die kein Geld auszugeben und keine Briefe oder gar Bücher zu schreiben brauchen— das ist ein trauriger Zustand. Man hat mir längst das Maß genommen zum Sarg, auch zum Nekrolog, aber ich sterbe so langsam, daß solches nachgerade langweilig wird für mich, wie für meine Freunde. Doch Geduld, alles hat sein Ende. Ihr werdet eines Morgens die Bude geschlossen finden, wo euch die Puppenspiele meines Humors so oft ergötzten.

    Was soll aber, wenn ich tot bin, aus den armen Hauswürsten werden, die ich seit Jahren bei jenen Darstellungen employiert hatte? Was soll z. B. aus Maßmann werden? Ungern verlaß ich ihn, und es erfaßt mich schier eine tiefe Wehmut, wenn ich denke an die Verse:


        Ich sehe die kurzen Beinchen nicht mehr,
        Nicht mehr die platte Nase;
        Er schlug wie ein Pudel frisch, fromm, fröhlich, frei,
        Die Purzelbäume im Grase.

    Und er versteht Latein. Ich habe freilich in meinen Schriften so oft das Gegenteil behauptet, daß Niemand mehr meine Behauptung bezweifelte, und der Ärmste ein Stichblatt der allgemeinen Verhöhnung ward. Die Schulbuben frugen ihn, in welcher Sprache der Don Quixote geschrieben sei? und wenn mein armer Maßmann antwortete: in spanischer Sprache—erwiderten sie, er irre sich, derselbe sei lateinisch geschrieben und das käme ihm so spanisch vor. Sogar die eigene Gattin war grausam genug, bei häuslichen Mißverständnissen auszurufen, sie wundere sich, daß ihr Mann sie nicht verstehe, da sie doch Deutsch und kein Latein gesprochen habe. Die Maßmännische Großmutter, eine Wäscherin von unbescholtener Sittlichkeit und die einst für Friedrich den Großen gewaschen, hat sich über die Schmach ihres Enkels zu Tode gegrämt; der Onkel, ein wackerer altpreußischer Schuhflicker, bildete sich ein, die ganze Familie sei schimpfiert, und vor Verdruß ergab er sich dem Trunk.

    Ich bedaure, daß meine jugendliche Unbesonnenheit solches Unheil angerichtet. Die würdige Waschfrau kann ich leider nicht wieder ins Leben zurückrufen, und den zartfühlenden Oheim, der jetzt zu Berlin in der Gosse liegt, kann ich nicht mehr des Schnapses entwöhnen; aber ihn selbst, meinen armen Hanswurst Maßmann, will ich in der öffentlichen Meinung wieder rehabilitieren, indem ich alles was ich über seine Lateinlosigkeit, seine lateinische Impotenz, seine magna linguae romanae ignorantia jemals geäußert habe, feierlich widerrufe.

    So hätte ich denn mein Gewissen erleichtert. Wenn man auf dem Sterbebette liegt, wird man sehr empfindsam und weichselig, und möchte Frieden machen mit Gott und der Welt. Ich gestehe es, ich habe Manchen gekratzt, Manchen gebissen, und war kein Lamm. Aber glaubt mir, jene gepriesenen Lämmer der Sanftmut würden sich minder frömmig gebärden, besäßen sie die Zähne und die Tatzen des Tigers. Ich kann mich rühmen, daß ich mich solcher angebornen Waffen nur selten bedient habe. Seit ich selbst der Barmherzigkeit Gottes bedürftig, habe ich allen meinen Feinden Amnestie erteilt; manche schöne Gedichte, die gegen sehr hohe und sehr niedrige Personen gerichtet waren, wurden deshalb in vorliegender Sammlung nicht aufgenommen. Gedichte, die nur halbweg Anzüglichkeiten gegen den lieben Gott selbst enthielten, habe ich mit ängstlichstem Eifer den Flammen überliefert. Es ist besser, daß die Verse brennen als der Versifex. Ja, wie mit der Kreatur, habe ich auch mit dem Schöpfer Frieden gemacht, zum größten Ärgernis meiner aufgeklärten Freunde, die mir Vorwürfe machten über dieses Zurückfallen in den alten Aberglauben, wie sie meine Heimkehr zu Gott zu nennen beliebten. Andere, in ihrer Intoleranz, äußerten sich noch herber. Der gesamte hohe Klerus des Atheismus hat sein Anathema über mich ausgesprochen, und es gibt fanatische Pfaffen des Unglaubens, die mich gerne auf die Folter spannten, damit ich meine Ketzereien bekenne. Zum Glück stehen ihnen keine andern Folterinstrumente zu Gebote als ihre Schriften. Aber ich will auch ohne Tortur alles bekennen. Ja, ich bin zurückgekehrt zu Gott, wie der verlorene Sohn, nachdem ich lange Zeit bei den Hegelianern die Schweine gehütet. War es die Misère, die mich zurücktrieb? Vielleicht ein minder miserabler Grund. Das himmlische Heimweh überfiel mich und trieb mich fort durch Wälder und Schluchten, über die schwindlichsten Bergpfade der Dialektik. Auf meinem Wege fand ich den Gott der Pantheisten, aber ich konnte ihn nicht gebrauchen. Dies arme träumerische Wesen ist mit der Welt verwebt und verwachsen, gleichsam in ihr eingekerkert, und gähnt dich an, willenlos und ohnmächtig. Um einen Willen zu haben, muß man eine Person sein, und, um ihn zu manifestieren, muß man die Ellbogen frei haben. Wenn man nun einen Gott begehrt, der zu helfen vermag— und das ist doch die Hauptsache—so muß man auch seine Persönlichkeit, seine Außerweltlichkeit und seine heiligen Attribute, die Allgüte, die Allweisheit, die Allgerechtigkeit u.s.w. annehmen. Die Unsterblichkeit der Seele, unsre Fortdauer nach dem Tode, wird uns alsdann gleichsam mit in den Kauf gegeben, wie der schöne Markknochen, den der Fleischer, wenn er mit seinen Kunden zufrieden ist, ihnen unentgeltlich in den Korb schiebt. Ein solcher schöner Markknochen wird in der französischen Küchensprache la réjouissance genannt, und man kocht damit ganz vorzügliche Kraftbrühen, die für einen armen schmachtenden Kranken sehr stärkend und labend sind. Daß ich eine solche réjouissance nicht ablehnte und sie mir vielmehr mit Behagen zu Gemüte führte, wird jeder fühlende Mensch billigen.

    Ich habe vom Gott der Pantheisten geredet, aber ich kann nicht umhin zu bemerken, daß er im Grunde gar kein Gott ist, so wie überhaupt die Pantheisten eigentlich nur verschämte Atheisten sind, die sich weniger vor der Sache als vor dem Schatten, den sie an die Wand wirft, vor dem Namen, fürchten. Auch haben die meisten in Deutschland während der Restaurationszeit mit dem lieben Gotte dieselbe funfzehnjährige Komödie gespielt, welche hier in Frankreich die konstitutionellen Royalisten, die größtenteils im Herzen Republikaner waren, mit dem Königtume spielten. Nach der Juliusrevolution ließ man jenseits wie diesseits des Rheines die Maske fallen. Seitdem, besonders aber nach dem Sturz Ludwig Philipps, des besten Monarchen, der jemals die konstitutionelle Dornenkrone trug, bildete sich hier in Frankreich die Meinung: daß nur zwei Regierungsformen, das absolute Königtum und die Republik, die Kritik der Vernunft oder der Erfahrung aushielten, daß man Eins von Beiden wählen müsse, daß alles dazwischen liegende Mischwerk unwahr, unhaltbar und verderblich sei. In derselben Weise tauchte in Deutschland die Ansicht auf, daß man wählen müsse zwischen der Religion und der Philosophie, zwischen dem geoffenbarten Dogma des Glaubens und der letzten Konsequenz des Denkens, zwischen dem absoluten Bibelgott und dem Atheismus.

    Je entschiedener die Gemüter, desto leichter werden sie das Opfer solcher Dilemmen. Was mich betrifft, so kann ich mich in der Politik keines sonderlichen Fortschritts rühmen; ich verharrte bei denselben demokratischen Prinzipien, denen meine früheste Jugend huldigte und für die ich seitdem immer flammender erglühte. In der Theologie hingegen muß ich mich des Rückschreitens beschuldigen, indem ich, was ich bereits oben gestanden, zu dem alten Aberglauben, zu einem persönlichen Gotte, zurückkehrte. Das läßt sich nun einmal nicht vertuschen, wie es mancher aufgeklärte und wohlmeinende Freund versuchte. Ausdrücklich widersprechen muß ich jedoch dem Gerüchte, als hätten mich meine Rückschritte bis zur Schwelle irgend einer Kirche oder gar in ihren Schoß geführt. Nein, meine religiösen Überzeugungen und Ansichten sind frei geblieben von jeder Kirchlichkeit; kein Glockenklang hat mich verlockt, keine Altarkerze hat mich geblendet. Ich habe mit keiner Symbolik gespielt und meiner Vernunft nicht ganz entsagt. Ich habe nichts abgeschworen, nicht einmal meine alten Heidengötter, von denen ich mich zwar abgewendet, aber scheidend in Liebe und Freundschaft. Es war im Mai 1848, an dem Tage, wo ich zum letzten Male ausging, als ich Abschied nahm von den holden Idolen, die ich angebetet in den Zeiten meines Glücks. Nur mit Mühe schleppte ich mich bis zum Louvre, und ich brach fast zusammen, als ich in den erhabenen Saal trat, wo die hochgebenedeite Göttin der Schönheit, Unsere liebe Frau von Milo, auf ihrem Postamente steht. Zu ihren Füßen lag ich lange, und ich weinte so heftig, daß sich dessen ein Stein erbarmen mußte. Auch schaute die Göttin mitleidig auf mich herab, doch zugleich so trostlos, als wollte sie sagen: siehst du denn nicht, daß ich keine Arme habe und also nicht helfen kann?

    Ich breche hier ab, denn ich gerate in einen larmoyanten Ton, der vielleicht überhandnehmen kann, wenn ich bedenke, daß ich jetzt auch von Dir, teurer Leser, Abschied nehmen soll. Eine gewisse Rührung beschleicht mich bei diesem Gedanken; denn ungern trenne ich mich von Dir. Der Autor gewöhnt sich am Ende an sein Publikum, als wäre es ein vernünftiges Wesen. Auch dich scheint es zu betrüben, daß ich Dir Valet sagen muß; du bist gerührt, mein teurer Leser, und kostbare Perlen fallen aus deinen Tränensäckchen. Doch beruhige Dich, wir werden uns wiedersehen in einer besseren Welt, wo ich dir auch bessere Bücher zu schreiben gedenke. Ich setze voraus, daß sich dort auch meine Gesundheit bessert und daß mich Swedenborg nicht belogen hat. Dieser erzählt nämlich mit großer Zuversicht, daß wir in der andern Welt das alte Treiben, ganz wie wir es in dieser Welt getrieben, ruhig fortsetzen, daß wir dort unsere Individualität unverändert bewahren und daß der Tod in unserer organischen Entwickelung gar keine sonderliche Störung hervorbringe. Swedenborg ist eine grundehrliche Haut, und glaubwürdig sind seine Berichte über die andere Welt, wo er mit eigenen Augen die Personen sah, die auf unserer Erde eine Rolle gespielt. Die meisten, sagt er, blieben unverändert und beschäftigen sich mit denselben Dingen, mit denen sie sich auch vormals beschäftigt; sie blieben stationär, waren veraltet, rokoko, was sich mitunter sehr lächerlich ausnahm. So z. B. unser teurer Doktor Martinus Luther war stehen geblieben bei seiner Lehre von der Gnade, über die er während dreihundert Jahren tagtäglich dieselben verschimmelten Argumente niederschrieb—ganz in derselben Weise wie der verstorbene Baron Eckstein, der während zwanzig Jahren in der Allgemeinen Zeitung einen und denselben Artikel drucken ließ, den alten jesuitischen Sauerteig beständig wiederkäuend. Aber, wie gesagt, nicht alle Personen, die hienieden eine Rolle gespielt, fand Swedenborg in solcher fossilen Erstarrung; sie hatten im Guten wie im Bösen ihren Charakter weidlich ausgebildet in der anderen Welt, und da gab es sehr wunderliche Erscheinungen. Helden und Heilige dieser Erde waren dort zu Lumpen und Taugenichtsen herabgesunken, während auch das Gegenteil stattfand. So z. B. stieg dem heiligen Antonius der Hochmut in den Kopf, als er erfuhr, welche ungeheure Verehrung und Anbetung ihm die ganze Christenheit zollt, und er, der hienieden den furchtbarsten Versuchungen widerstanden, ward jetzt ein ganz impertinenter Schlingel und liederlicher Galgenstrick, der sich mit seinem Schweine um die Wette in den Kot wälzt. Die keusche Susanne brachte der Dünkel ihrer Sittlichkeit, die sie unbesiegbar glaubte, gar schmählich zu Falle, und sie, die einst den Greisen so glorreich widerstanden, erlag der Verlockung des jungen Absalon, Sohn Davids. Die Töchter Lots hingegen hatten sich im Verlauf der Zeit sehr vertugendhaftet und gelten in der andern Welt für Muster der Anständigkeit; der Alte verharrte leider bei der Weinflasche.

    So närrisch sie auch klingen, so sind doch diese Nachrichten eben so bedeutsam wie scharfsinnig. Der große skandinavische Seher begriff die Einheit und Unteilbarkeit unserer Existenz, so wie er auch die unveräußerlichen Individualitätsrechte des Menschen ganz richtig erkannte und anerkannte. Die Fortdauer nach dem Tode ist bei ihm kein idealer Mummenschanz, wo wir neue Jacken und einen neuen Menschen anziehen; Mensch und Kostüm bleiben bei ihm unverändert. In der anderen Welt des Swedenborg werden sich auch die armen Grönländer behaglich fühlen, die einst, als die dänischen Missionäre sie bekehren wollten, an diese die Frage richteten: ob es im christlichen Himmel auch Seehunde gäbe? Auf die verneinende Antwort erwiderten sie betrübt: der christliche Himmel passe alsdann nicht für Grönländer, die nicht ohne Seehunde existieren könnten.

    Wie sträubt sich unsere Seele gegen den Gedanken des Aufhörens unserer Persönlichkeit, der ewigen Vernichtung! Der horror vacui, den man der Natur zuschreibt, ist vielmehr dem menschlichen Gemüte angeboren. Sei getrost, teurer Leser, es gibt eine Fortdauer nach dem Tode, und in der anderen Welt werden wir auch unsere Seehunde wiederfinden.

    Und nun, lebe wohl, und wenn ich Dir etwas schuldig bin, so schicke mir Deine Rechnung.—

    Geschrieben zu Paris, den 30. September 1851.                      Heinrich Heine.