Huttens Letzte Tage

C.F. Meyer

This page copyright © 2002 Blackmask Online.

http://www.blackmask.com

  • Eine Dichtung
  • Die Ufenau
  • Das Buch der Vergangenheit
  • Die Einsamkeit
  • Huttens Gast
  • Menschen
  • Das Todesurteil
  • Daemonen
  • Das Sterben

  • This etext was prepared by Michelle Mokowska, micaela@poczta.wp.pl
    and Mike Pullen, globaltraveler5565@yahoo.com, and proofread by Dr.
    Mary Cicora, mcicora@yahoo.com.





    Eine Dichtung





    Franz Wille und Eliza Wille
    zu eigen



    Da mir's zum ersten Mal das Herz bewegt,
    Hab' ich das Buch auf euern Herd gelegt,

    Und nun, so oft es tritt ans Tageslicht,
    Vergisst es seine alten Wege nicht.

    ... ich bin kein ausgekluegelt Buch,
    Ich bin ein Mensch mit seinem Widerspruch...




    Die Ufenau




    I Die Landung



    Schiffer! Wie nennst du dort im Wellenblau
    Das Eiland?—"Herr, es ist die Ufenau!"
    Ein gruener Ort. Dank, Zwingli, fuer die Rast,
    Die du, der Gute, mir bereitet hast!

    In braunen Woelklein wirbelt auf ein Rauch,
    Bewohnt von Menschen scheint das Eiland auch.

    Willkommen, mein gewuenschtes Ithaka!
    Ein irrender Odysseus bin ich ja.

    Viel kaempften, edler Dulder, beide wir;
    In andern Stuecken gleich' ich wenig dir

    Und nicht im Eignen werd' ich wohnen dort,
    Ich bleibe Gast auf Erden immerfort.

    Dir, Vielgewandter, ward ein besser Los,
    Der du im Fabeln und im Luegen gross!

    Auch ohne deine Goettin fahr' ich hier...
    Ein Kirchlein winkt herueber still zu mir

    Und dort! Ein Mann erwartet mich am Strand.
    Er gruesst. Den Priester kuendet das Gewand.

    Es ist der Arzt, den Zwingli mir verhiess...
    Hier waltet Friede wie im Paradies!

    Die Wache haelt ein Eichbaum duesterkuehn
    Und faerbt den kleinen Hafen dunkelgruen.

    Der Ferge maessigt seinen Ruderschwung
    In breiter Abendschatten Daemmerung.

    Mein Wirt, der Pfarrer, hat ein mild Gesicht,
    Mit diesem Antlitz disputier' ich nicht...

    —"Die Hand, Herr Hutten! Tretet aus dem Kahn!
    Ihr seid's. Das Falkenauge zeigt es an."

    Wes ist der Boden?—"Klostergut. Doch jetzt
    Schier herrenlos; hier wohnt Ihr unverletzt."

    Wie stark ist, Pfarrer, die Besatzung hier?
    —"Der Schaffner drueben, ich und, Ritter, Ihr."

    Du gibst mir Herberg unter deinem Dach?
    —"Ihr habt in meinem Haus das Gastgemach.

    Hierdurch! Jetzt, Ritter, bueckt Euch, tretet ein!
    Die Tuer ist niedrig, das Gemach ist klein;

    Doch steht der Bau nach allen Seiten frei,
    Ihr schluerfet Bergluft ein als Arzenei

    Und schauet auf den hellsten See der Schweiz,
    Blickt aus! Er ist nicht ohne Augenreiz.

    Dem einen Ufer fern, dem andern nah,
    Haust, Ritter, Ihr nicht allzu einsam da.

    Macht's Euch bequem! Hier werdet Ihr gesund!"
    Ich glaub's. So oder so! Wahr spricht dein Mund.



    II Die erste Nacht



    Ich hoert's im Traum und hoer' es noch erwacht:
    Ein Glockenreigen wandert durch die Nacht.

    Nicht Domesglocken sind es dumpf und schwer,
    Des Schaffners Herde weidet um mich her.

    Sie laeutete vom nahen Wiesenrain
    In die Gefilde meines Traums herein.

    Mir traeumte von der Ahnen Burg so schoen,
    Die auch umklungen wird von Herdgetoen.

    Vor zwanzig Jahren aus der Vaeter Haus
    Zog ich mit leichtem Wanderbuendel aus.

    Ein redlich Stueck von Arbeit ist getan,
    Nun hebt das Herdelaeuten wieder an.

    Der Reigen, der die Wiege mir umfing,
    Hallt wieder hell und schliesst den Schicksalsring.


    III Huttens Hausrat



    Ich schau' mich um in meinem Kaemmerlein
    Und raeume meine Siebensachen ein.
    Ich gebe jedem seinen eignen Ort,
    Die Klinge lehn' ich in den Winkel dort.

    Die Feder leg' ich, meinen besten Stolz,
    Auf diesen Tisch von rohem Tannenholz.

    Mein ganzes knappes Hausgeraet ist hier,
    Mit Schwert und Feder half und riet ich mir.

    In einer schwertgewohnten Hand begehrt
    Die Feder ihre Fehde, wie das Schwert.

    Erst flog sie wie der Pfeil in Feindes Heer,
    Doch meine Feder wuchs und ward zum Speer!

    Frohlockend stiess ich sie, ein toetend Erz,
    Der Priesterluege mitten durch das Herz.

    Und Schwert und Feder, wenn mein Arm erschlafft,
    Sind Huttens ganze Hinterlassenschaft.

    Mein Schwert, das laenger ich nicht fuehren kann,
    Ergreifen mag's getrost ein andrer Mann—

    Von keinem Finger werde sie beruehrt,
    Die Feder, welche Huttens Hand gefuehrt!

    Die streitet fort. Sie streitet doppelt kuehn,
    Wann ich vermodert bin im Inselgruen.



    IV "Ritter, Tod und Teufel"



    Weil etwas kahl mein Kaemmerlein ich fand,
    Sprach ich zum Pfarrer: Ziere mir die Wand.
    —"Da meine Brief' und Helgen! Hutten, schaut,
    Was Euch belustigt oder auferbaut!

    Ergoetzt Euch "Ritter, Tod und Teufel"1 hier?
    Nehmt hin das Blatt! Der Ritter, Herr, seid Ihr."

    Das sagst du, Pfarrer, gut. Ich haeng' es auf
    Und nagl' es an mit meines Schwertes Knauf.

    Dem garst'gen Paar, davor den Memmen graut,
    Hab' immerdar ich fest ins Aug geschaut.

    Mit diesen beiden starken Knappen reit'
    Ich auf des Lebens Strassen allezeit,

    Bis ich den einen zwing' mit tapferm Sinn
    Und von dem andern selbst bezwungen bin.


    1. Der beruehmte Kupferstich Albrecht Duerers.


    V Consultation



    Gib deine Weisheit kund! Was ist der Schluss,
    Mein Gastfreund, Seelenhirt und Medicus?
    Berichtet hab' ich dir, was ich vermocht,
    Du hast mir lauschend an die Brust gepocht.

    Wie steht's? Sag an!—"Herr Hutten, Eure Kraft
    Erliegt dem Stoss der Herzensleidenschaft

    Und Euer Geist, das scharfe Schwert, zerstoert
    Den Leib, die Scheide, die zum Schwert gehoert.

    Des Leibes strengstes Fasten tut es nicht,
    Solang die Seele noch die Fasten bricht.

    Beschraenket Euch auf dieses Eiland hier!
    Horcht nicht hinaus, horcht nicht hinueber mir!

    Vergesset, Ritter, was die Welt bewegt
    Und Euch in jeder Fiber aufgeregt!

    In dieser Bucht erstirbt der Sturm der Zeit:
    Vergesset, Hutten, dass Ihr Hutten seid!"

    Fuer deinen weisen Ratschlag habe Dank!
    Ich sehe schon, ich bin zum Sterben krank.

    Wie? Wenn der Papst die Christenheit betruegt,
    So ruf' ich nicht: Der arge Roemer luegt?

    Wie? Wirft die Wahrheit auf ihr kuehn Panier,
    So jubl' ich nicht auf meiner Insel hier?

    Wie? Springt ein deutsches Heer in heissen Kampf,
    So atm' und schluerf' ich nicht den Pulverdampf?

    Wie? Sinkt der Sickingen, bedeckt mit Blut,
    So brennt mich's nicht, wie eigner Wunde Glut?

    Freund, was du mir verschreibst, ist wundervoll:
    Nicht leben soll ich, wenn ich leben soll!




    Das Buch der Vergangenheit




    VI Das Gefluester



    Erinnrung plaudert leise hinter mir
    Auf diesen stillen Inselpfaden hier.
    Sie rauscht im Eichenlaub, im Buchenhag,
    Am Ufer plaetschert sie im Wellenschlag,

    Und mag ich schreiten oder stille stehn,
    So kann ich ihrem Fluestern nicht entgehn.

    Da streck' ich lieber gleich mich aus ins Gras!
    Erinnrung, rede laut! Erzaehle was!

    Hier lagre dich, zeig dein Geschichtenbuch!
    Und wir ergoetzen uns an Bild und Spruch.



    VII Gloriola



    Wir malten eine Sonnenuhr zum Spass,
    Als ich in Fuldas Klosterschule sass.
    Ringsum ein Spruch gedankentief und fein
    Und schlagend musste nun ersonnen sein.

    Herr Abbas sprach: "Zwei Worte sind gegoennt,
    Ihr Schueler, sucht und eifert, ob ihr's koennt!"

    Hell traeumend ging ich um, mich mied der Schlaf,
    Bis mich wie Blitzesstrahl das Rechte traf:

    "Ultima latet." Stund um Stunde zeigt
    Die Uhr, die doch die letzte dir verschweigt.

    Herr Abbas sprach: "Das hast du klug gemacht.
    Es ist antik und christlich ist's gedacht."

    Manch Kraenzlein hab' ich spaeter noch erjagt,
    Wie dieses erste hat mir keins behagt;

    Denn Suessres gibt es auf der Erde nicht
    Als ersten Ruhmes zartes Morgenlicht.



    VIII Der Stoff



    Als ich von hoher Schule Weisheit troff,
    Bat ich die Muse: Jungfrau, gib mir Stoff.
    "Wohlan, Herr Ritter", sagte sie, "bedenkt,
    Ob etwa jemand Euch das Herz gekraenkt?"

    Ich sprach: Die Loetze schenkten mir Gewand
    Und nahmen's wieder mir mit Raeuberhand.

    Zornmuetiger Querelen zweimal zehn
    Liess gegen Sohn und Vater ich ergehn.

    Was, Muse, nun? Gib Stoff! Hilf ab der Not!
    Sie sang: "In Schwaben rinnt ein Baechlein rot."

    Da rannt' ich wuetend Herzog Ulrich an,
    Der Vetter Hansen schimpflich abgetan.

    Und wieder sprach ich zu der Muse nun:
    Ich bin der starke Knecht. Frau, gib zu tun!

    Sie lachte. "Ritter, maessigt Euren Sturm!
    Sonst singt Ihr um den Steckelbergerturm."

    Gib, Muse, Stoff! Erhoere mein Gesuch!
    Gib Stoff! Ein starkes, dauerhaftes Tuch!

    "Ein saechsisch Moenchlein aus der Kutte schloff.
    Da, Ritter, habt Ihr einen guten Stoff!"



    IX Epistolae obscurorum virorum



    Wir scharten uns zu lust'gem Mummenschanz,
    Kapuzen ueber vollem Lockenkranz!
    Wir trugen Pfaffenlarven heuchlerisch
    Und blitzten draus mit Augen jugendfrisch.

    Wir schlurften tappig mit Sandalentritt,
    Wir aefften nach bis auf der Kutte Schnitt.

    Gruendlich studierten wir beim Becherklang
    Der Moenchlein naerrischen Gedankengang.

    Die Dummheit haben wir mit Witz verziert,
    Die Torheit mit Sentenzen ausstaffiert!

    Wir haben sie zum Spott der Welt gemacht,
    Wir haben uns und sie zu Tod gelacht!

    Zu Tode? Nein. Wir haben sie geweiht
    Aristophanischer Unsterblichkeit.

    Schleiferius! Caprimulgius! Ochsenhorn!
    Schlaraff! Der saubre Taeufling Pfefferkorn!

    Wir brachen keck in ihre Zellen ein
    Und hausten schlimm in ihrem Buecherschrein.

    Wir sprachen ihr Latein—ergoetzlich Spiel—
    Und Briefe schrieben wir im Klosterstil:

    "Laetificor archiangelice
    Cum una speciosa virgine!"

    Hellauf! Der Narrengloecklein schriller Schall!
    Und heissa, hussa, Jagd und Peitschenknall!

    Die Pfaffen sprangen ueber Stock und Stein,
    Der Esel bockte, grunzend lief das Schwein.

    Du Fest der jugendlichen Grausamkeit,
    Verklungen bist du laengst! Streng ward die Zeit.

    Als wir im losen Mummenschanz getobt,
    Da hat man unsres Witzes Salz gelobt;

    Doch als die Wahrheit wir im Ernst gesagt,
    Da wurden wir, die Jaeger, selbst gejagt.

    Wir irren heimatlos, geaechtet, arm
    Und essen fremdes Brot in Not und Harm.

    Die Pfaefflein, denen unsre Hetze galt,
    Sie tafeln alle noch gesund und alt.

    Die Moenchlein, die wir kniffen bis aufs Blut,
    Sie bechern alle wieder wohlgemut;

    Und schneidet eines apfelschaelend sich
    Und quillt ein Tropfen Bluts bescheidentlich,

    So stoehnt es: "Wuerd'ge Brueder, schauet hier!
    Das blut'ge Maertertum erleiden wir!"


    X Der Vetter Hans



    Ein schoener Mensch, mit dem das Glueck gedahlt,
    Hat dunklem Schicksal schweren Zoll bezahlt.
    Fortunens Liebling war der Vetter Hans,
    Der mich an Lebenskraft verdunkelt ganz.

    Oft dacht' ich, dem die Wange frueh gebleicht:
    In einem solchen Koerper lebt sich's leicht!

    Das Haupt mit dem gepflegten Bart, er trug's
    Siegreich und war von schlankem Edelwuchs.

    Er ritt und focht und tanzte meisterhaft,
    War aller Fraun und Maedchen Leidenschaft.

    Er freite flink. Das junge Weib gefiel
    Dem Herzog und der Teufel trat ins Spiel.

    Der Herzog sank vor Vetter Hans aufs Knie:
    "Dein Weib! Nicht leben kann ich ohne sie!"

    Das fand der Vetter Hans ein komisch Wort
    Und er bespottet's weidlich hier und dort:

    "Der Herzog wendet an den Rechten sich!
    Den Mann ums Weib zu bitten! Laecherlich."

    Das Lachen ward dem Herzog hinterbracht
    Und Vetter Hans hat sich zu Tod gelacht.


    XI Der Ritter ohne Furcht und Tadel



    Als in Pavia ich studierte, ward
    Mir dort gezeigt der tapfre Held Bayard.
    Der "Ritter ohne Furcht", der nie geflohn,
    Befehligte die welsche Garnison.

    Nach laengst verschollnen Moden trug er sich,
    Er und sein Knappe schritten feierlich.

    Die abgekommne Cortesie erhob
    Er hoch und seufzt': "Das junge Volk ist grob!"

    Entgegen hielt den Spiegel zuecht'ger Zeit
    Er unsrer heut'gen Ungebundenheit.

    Zu Grabe werde, gab er zu verstehn,
    Mit ihm der letzte wahre Ritter gehn.

    Lang, hager, wuerdevoll, galant mit Fraun,
    Dabei ein bisschen komisch anzuschaun,

    Hob er den Zeigefinger, wann er schalt,
    Als eine unvergleichliche Gestalt.

    Man gruesste tief und raunte sich ins Ohr,
    Der "Ritter ohne Tadel" sei ein Tor.

    Doch, dass ich sein gespottet, reut mich schwer;
    Denn, Hutten, bist du nicht ein Tor wie er?

    Ins Abendgold hat er zurueckgeschaut—
    Dein Auge spaeht, wo kaum der Morgen graut.

    Dein Ohr vernimmt durch Nebel und durch Nacht
    Den Siegesjubel einer kuenft'gen Schlacht.

    Wie Mittagsglut hast du den Strahl verspuert,
    Der kaum der Berge Spitzen noch beruehrt.

    Bayard sah das Entschwundene verschoent,
    Bayard, den du mit manchem Witz verhoehnt!

    Er war ein Narr der eignen Phantasie—
    Die Zukunft aber, Hutten, kennst du die?

    Wer weiss, erlebst du noch die neue Welt,
    Ob sie dem fraenk'schen Edelblut gefaellt!

    Wer weiss, ob nicht das Ziel, drob du verscherzt
    Der Erde Gueter, ist's errreicht, dich schmerzt?

    Bayard, der ohne Furcht und Tadel war,
    Vergib! Reich mir die Hand! Wir sind ein Paar.

    Wir sind ein fahrend Ritterpaar, Bayard,
    Und taugen beide nicht zur Gegenwart.



    XII Romfahrt



    Erwerben wollt' ich fremder Muse Gunst,
    Den edlen Kranz der alten Redekunst.
    Latein gedrechselt hab' ich manches Jahr
    Und ein Latein, das schlank und zierlich war.

    Nun blieb mir die Rotunde noch zu sehn,
    Als Pilger auf das Capitol zu gehn.

    Am Wege traf ich manchen Lorbeerstrauch
    Und Myrtenbusch und manchen Fladen auch.

    Gewoelk und schneid'ger Wind und Tannenduft
    Bekommt mir besser als die welsche Luft.

    Die Truemmer sah ich alter Roemerpracht
    Zur Festung dienen einer Priestermacht.

    Entartet und verheuchelt sah ich da
    Den Kopf des Claudiers und der Claudia.

    Ich sah ein Weib, das mit sich handeln liess,
    Die man die "allgemeine Kirche" hiess.

    Ich fand von feiler Schreiberschar entweiht
    Die ciceronische Beredsamkeit.

    Ich sah, wie man in dieser Pfaffenstadt
    Uns ohne grosse Kunst zum Narren hat,

    Sah unsrer Vaeter Glauben in der Hand
    Unglaeub'ger Priester als ein Gaengelband.

    Sag' ich es kurz und klassisch, was ich sah
    Am Tiberstrom? Cloaca maxima!

    Mich freute Tempel nicht, noch Monument.
    Mein Volk verachtet sehn! Das wuergt und brennt!

    Mir den Geschmack zu bilden hofft' ich dort
    Und bitter war der Mund mir immerfort.

    Mir gor das Blut, die Galle regte sich,
    Ich sprach: Jetzt, Hutten, schilt! sonst toetet's dich.

    Vor Petri neuem Tempel hoehnt' ich laut:
    Der Simon hat's mit unserm Geld gebaut!

    Was soll die uebermuet'ge Pfarre da
    Mit Zinne, Porticus und Statua?

    Wir wissen es, wer hier zu Miete sass:
    Der unverschaemten Hoelle frechster Spass!

    Der Stier im Wappen sagt: Hie hat gehaust
    Der Borgia Lust, davor's dem Teufel graust!

    Der zehnte Leo nun verkauft den Geist,
    Der ueber seinem roten Kaeppchen kreist!

    Du malest, Raphael, zu seinem Glanz?
    Freund! Mal ihm einen dreisten Totentanz,

    Damit der Unfehlbare nicht vergisst,
    Dass er, wie wir, ein armer Suender ist.

    Ich ging. Mit einem derben Kohlenstrich
    Beschrieb des Vaticanes Mauer ich:

    "In diesen tausend Kammern thront der Trug!
    Ein Deutscher kam nach Rom und wurde klug."



    XIII Die Ablassbude



    Und, sieh, da waelzte sich das Rad der Zeit,
    Wir traten mit der welschen Macht in Streit.
    Ich schrie: Ihr Maenner, geht mir an die Hand:
    Des Papstes Ablassbude wird berannt!

    Erkaufen Gold und Silber Seelenheil,
    So steht es bald auf allen Maerkten feil.

    Die Ware wird von Jung und Alt gesucht
    Und nur der arme Schlucker bleibt verflucht.

    Die Tasche wende jeder! Ist sie leer,
    So trete keck in unser Lager er!

    Das rat' ich dir, du heilsbeduerft'ger Mann,
    Der keinen Ablasszettel loesen kann!

    Wir greifen nach dem Himmel unverwehrt!
    Uns wird die Seligkeit umsonst beschert!

    Ich sprach ein rauhes Deutsch in Hast und Zorn,
    Es droehnte wie vom Turm das Waechterhorn.

    Antwort erscholl wie Sturm und Meergebraus:
    "Herr Hutten, fasset an und raeumet aus!"


    XIV Luegengeister



    Der Zaubrer Faust erschien am Hof zu Mainz,
    Er liebt der Kardinaele Purpur, scheint's.
    Verhangen ward ein Saal und blass erhellt
    Fuer die Besuche der Gespensterwelt.

    Der Kurfuerst setzte sich. Ihm stand ich links.
    Der bleiche Magier harrte seines Winks.

    Natuerlich ging die erste Frage da
    Nach der erlauchten Buebin Helena.

    Er rief der Leda Kind. Es zeigte sich
    Ein blanker Fuss und tanzte wunderlich.

    Das leere Gaukelspiel, das mich verdross,
    Entzueckte den vernarrten Pfaffentross.

    Was schiert die Metze mich? Herr Nekromant,
    Seid Ihr mit edlern Toten nicht bekannt?

    —"Wen fordert Ihr?" Den Kaiser Constantin!
    Er rief. Ein Purpurtragender erschien.

    Ich frage Majestaet, ob ihr gedenkt,
    Dass sie dem Papst die ew'ge Stadt geschenkt?

    "Ja", nickte das Gespenst. Wie? Wo? Und wann?
    Ein Maerchen ist's, das Eigennutz ersann!

    Es ist Betrug und das beweis' ich stramm
    Mit scharfer Kunst, die nennt man Criticam.

    Du bist ein Pfaffengeist! Zur Hoelle fort!
    Der Luegenkaiser schwand vor meinem Wort.



    XV Das Huetlein



    Es war in Bruessel vor dem Staendehaus.
    Die Sage ging: "Der Kaiser reitet aus!"
    Noch hatt' ich nie das junge Haupt geschaut,
    Dem wir des Reiches hoechstes Amt vertraut.

    Ein edles Ross ist unsre Zeit. Es stampft.
    Es wiehert mutig. Seine Nuester dampft.

    Ob er die Zuegel klug und kuehn ergreift?
    Ob er's bewaeltigt? Ob's ihn wirft und schleift?

    Da wir Poeten aberglaeubisch sind,
    Erdacht' ich ein Orakel mir geschwind:

    Fuer diesen Kaiser gelte fort und fort
    Das erste seinem Mund entfallne Wort!

    Er kam. Ein Huetlein trug er, meiner Treu,
    Mit Reiherfedern, funkelnagelneu!

    Der Himmel macht' ein missvergnuegt Gesicht,
    Sich selber fragend: Regn' ich oder nicht?

    Jetzt klatschten Tropfen auf das Pflaster schwer,
    Die junge Stirne legt' in Falten er

    Und lugte sorgend zu den Wolken auf.
    "Mein altes Huetlein!" rief er, "Kaemmrer, lauf!"

    Ich aber sprach zu mir: Das wird nicht gut!
    Sein erster Ruf geht nach dem alten Hut.



    XVI Das Kindlein in Mainz



    O Mainz, du lust'ger Sitz, du traute Stadt,
    Die Huttens Feder oft belobet hat!
    Der Mainzer Albrecht war mir redlich hold
    Und bot mir manchen Trunk in purem Gold.

    Er lauschte meinen kuehnen Scherzen gern,
    Ich nannt' ihn meinen Freund und meinen Herrn.

    Ich spottete vor seinem Ohre dreist,
    Er zuernte nicht, er ist ein freier Geist;

    Doch in der Stunde der Versuchung, ach,
    Der Geist war willig und das Fleisch war schwach.

    Ihm hielt ich Treue, bis er mich verstiess.
    Wo lebt der Freund, den Hutten je verliess?

    Die Kanzelei von Rom schrieb Brief um Brief,
    Bis mich der Albrecht nicht mehr zu sich rief.

    Geaechtet wurde Luther und gebannt...
    Ich lebte von der Faust und streift' im Land.

    Ein treuer Ruede, stahl ich wieder hin
    Zum Mainzer mich und still umschlich ich ihn.

    Ich blickt' ihm ins Gemach; er sass beim Mahl,
    Landfremden Pfaffen bot er den Pokal.

    Gemunkel ging: mit Luther sei's vorbei,
    Der eingetan und aufgehoben sei.

    Die langen welschen Nasen nickten fein
    Und freuten sich an ihren Schelmerein.

    Er laechelte! Mir gab es einen Stich—
    Mein Edelfalke, Gott behuete dich!

    Ade, mein Albrecht, mein verlorner Hort!...
    Ich schlich betruebt mich in die Krone fort,

    Wo einst bei Becherklang ich manche Nacht
    Mit witzigen Gesellen durchgelacht.

    Hier setzt' ich mich zu einem Kruge Bier,
    Des Wirtes Kind gesellte sich zu mir.

    Das Maegdlein, mein' ich, stand im vierten Jahr,
    Ich fuhr ihm durch das blonde Ringelhaar:

    Sag mir dein Nachtgebetlein, wie du's weisst!
    Das Kind hub an: "Gott Vater, Sohn und Geist,

    Dein Name sei gelobt! Huet uns vor drei:
    Vor Wassernot und Brand und Kriegsgeschrei!

    Den Schiffern gnade Du in Nacht und Sturm!
    Sei Bruder Martins Burg und fester Turm!

    Umschleicht ihn mit dem Dolch ein Moerder wild,
    So deck ihn, Herr, mit Deinem starken Schild!

    Und leidet Dein Gerechter Hungersnot,
    So schick ihm Du durch Deine Raben Brot!"

    Wer lehrte dich, mein Kindlein, dies Gebet?
    —"Die Mutter heisst mich's beten frueh und spaet."

    Nun mein' ich aber, dass kein Leid geschieht
    Dem Mann, fuer den in Mainz ein Kindlein kniet.



    XVII Die Mainzerspiesse



    Sie machten mir ein Kaemmerlein bereit,
    Doch mied der Schlaf mich drinnen lange Zeit.
    Ich hoerte, wie das Pflaster dumpf erklang:
    Die Mainzer Scharwach schritt mit schwerem Gang.

    Mich heimelt's aus den alten Zeiten an,
    Denn oft mit diesem Heer gedieh mir Span,

    Wann naechtlich ich, vom Humpen uebermocht,
    Mit ihnen auf der Gasse klirrend focht.

    Versuchte Maenner sind's von Schluck und Hand,
    Geworben rings in Hoch—und Niederland.

    Ich lauscht' im Finstern heiter und mir schien:
    Die Spiesse sangen etwas vor sich hin.

    Ein alter Bierbass sang gemuetlich vor
    Und zehen Baesse brummten nach im Chor:

    "Das reine Wort sie sollen lassen stan
    Und dafuer keinen Dank noch Loehnung han.

    Gerichtet ist der Fuerste dieser Welt,
    Uns tut er nichts, wie saur er auch sich stellt—"

    Ich, von den Mainzerspiessen auferbaut,
    Sang mit in meiner dunkeln Kammer laut:

    "Drum fuerchten wir uns wahrlich nicht zu sehr,
    Denn unser Gott ist eine starke Wehr."


    XVIII Die Gebaerde



    's war in der Krone, dass mich einer fand,
    Der mich in meinem ersten Flaum gekannt.
    Der Ott von Gemmingen. Er drueckte sich
    Durch das Gelag und rueckte neben mich.

    "He da!" Utz! Lieber Utz! Was ward aus dir?
    Bist du am Hof von Mainz ein grosses Tier?

    Bist Doctor juris utriusque du?
    Des Kaisers Schreiber oder Rat dazu?

    Nein? Nun, was bist du denn? Des Hofgerichts?"
    Ich aber sagte trocken: Ich bin nichts.

    Jetzt mustert' er mein ausgedient Gewand,
    Die hohlen Wangen auch, die magre Hand.

    "Eins bist du: Siech! Das redet dein Gesicht!"
    Ich glaubte mich geheilt und bin es nicht.

    Da streckt' den Finger er und zog damit
    Sich sauber um die Gurgel einen Schnitt.

    Du raetst...? Er nickte. Drob hab' ich gelacht.
    Dann hab' ich der Gebaerde nachgedacht.

    Unleidlich scheint dem frohen Kind der Welt
    Dein Dasein, Hutten—drum verbrauch's als Held!

    Wovor des kuehnsten Mannes Busen zagt,
    Das sei von dir in freier Lust gewagt!


    XIX Missverstaendnis



    Der Vater sprach zu mir mit leisem Hohn:
    "Verstehst du's, bau mir eine Presse, Sohn!"
    (Sie nennen Presse dort im Frankenland,
    Was andern Ortes Kelter wird genannt.)

    Sprach's und verritt. Ich ohne viel Geschrei
    Berief die Meister schwarzer Kunst herbei.

    Da ward gesetzt, gedruckt, gepresst, gedreht,
    Viel tausend Blaetter flogen rings verweht.

    Auf einem ward dem Cajetan gedroht:
    "Schlagt, fromme Leute, den Legaten tot!"

    Hier stand: "Und wuerd' ich drueber Lands verjagt,
    Ich Hutten breche durch, ich hab's gewagt!"

    Und dort: "Die harsche Luft der Freiheit weht,
    Ich Hutten sporn' und stachle frueh und spaet."

    Das war ein heisser und ein zorn'ger Wein,
    Den ich gepresst am Steckelbergerrain.



    XX Jacta est alea



    Nachdem ich meinen grossen Wurf getan,
    Da hub der Vater mich zu schelten an:
    "Du trittst mit Rom in Fehde? Bist du toll?
    Mich wundert's, Ulrich, wie das enden soll!

    Poet war schlimm und klingt erbaermlich schon,
    Doch Ketzer ist noch weit ein schlimmrer Ton!

    Erlebt' ich's nicht! Ein Sohn in Bann und Acht,
    Der meinen grauen Haaren Schande macht!

    So, Ulrich, mehrst du deines Stammes Glanz?
    Jetzt gehst du halb zerlumpt, bald bist du's ganz!

    Was kuemmert dich, ob unser Haus zerfaellt?
    Was kuemmert irgend noch dich auf der Welt?

    Wenn nur in Holzschnitt du und Kupferstich
    Den Lorbeer traegst—was anders kuemmert dich?

    Du laechelst? Du verziehst den Mund zum Scherz?
    Ich wusst' es nicht: du hast ein schlechtes Herz."

    Der Vater sprach's und blickte finster drein,
    Mit Traenen bat das fromme Muetterlein:

    "Mein suesser Ulrich, lass das boese Spiel!"
    Ich gab zur Antwort: Nein! Der Wuerfel fiel.

    Mein Muetterlein, behalt mich lieb und gern!
    Bleib du mir milde wie der Abendstern!

    Du kraenkst mich, Vater, nicht, so herb du bist!
    Hier schlaegt ein Herz, das guter Meinung ist.

    Beleidigt dich mein abgebraucht Gewand,
    So lass mich treten aus des Hauses Band!

    Ich sei ein Fremdling dir! Du bleibst in Ruh,
    Mein Gut, du teilst es meinem Bruder zu.

    Und aergre, Vater, dich am Lorbeer nicht,
    Der nur im Bildnis mir die Stirn umflicht!

    Ich selber trage sonder Prunk und Glanz
    Im Leben einen schlichten Dornenkranz.

    Wozu der Lorbeer? Das hat keinen Sinn.
    Ein jeder weiss, dass ich der Hutten bin,

    Den weder Zeit noch Tod noch Acht noch Bann
    Vom Herzen seines Volkes scheiden kann!

    Burg Steckelberg, die von der Hoehe schaut,
    Von Frankens schoenen Huegeln rings umblaut,

    Die Bruecke nieder! OEffne mir dein Tor!
    Ich reit' aus dir zum letzten Mal hervor.

    Blas, Tuermer, blas mir noch ein tapfer Stueck!
    Ich fahr' in Kampf und kehre nicht zurueck.



    XXI Der Edelstein



    Als ich gen Zuerich ritt im Abendschein,
    Da rief ich aus: "Du schmucker Edelstein!"
    Bei Meister Zwingli lebte man nicht schlecht,
    Er deckte mir den Tisch mit einem Hecht.

    Den hab' ich auf der Bruecke dann verdaut,
    Lustwandelnd nahes Schneegebirg geschaut—

    Da sah ich einen unterm Volke gehn,
    Von dessen Hute Geierfedern wehn.

    Dem bog ich fluchend aus dem Wege schnell,
    Denn Herzog Ulrich war's, der Mordgesell!

    O blaue Flut, o freier Bergeshauch,
    Gibst ein Asyl du dem Tyrannen auch?



    XXII Der Comtur



    Als ich entlang das helle Seegestad
    Nach Pfaeffers ritt ins heisse Felsenbad,
    Wo man in Unterwelt und Wellenguss
    An schwankem Seile niederschweben muss,

    Wo keck zur Hoelle fahren Mann und Weib
    Und wiederkehren mit geheiltem Leib—

    Fand ich in Kuesnach gastlich Nachtquartier
    Und scherzend sagte der Comtur zu mir:

    "Braucht Ihr Moneten? Tuet nicht verschaemt!
    Der Paechter brachte zwanzig Gulden. Nehmt!

    Werft keinen nieder! Hier ist's unerlaubt.
    Nehmt! Und Ihr habet bloss den Staat beraubt!

    Mein teurer Ritter, nehmet ungeziert!
    Wir werden morgen saekularisiert

    Und lieber als dem Staat, der alles frisst,
    Goenn' Euch ich's, der ein Mensch und Wuerfler ist."

    Ich strich es ein und schwang mich in den Sitz
    Und lachte: Herr Comtur, Ihr habet Witz.

    Und weiter oben, wo sich biegt der See
    Und nah und naeher tritt der ew'ge Schnee,

    Bespiegelt' in der Flut ein Eiland sich,
    Daran ich leichten Sinns vorueber strich.

    Ich liess es rechts im fluecht'gen Wellenspiel
    Und ahnte nicht mein letztes Wanderziel.




    Die Einsamkeit




    XXIII Die Flut



    In meine Kammer blickt das blaue Licht
    Der nahen Flut. Ich widerstehe nicht.
    Die Mittagssonne ruestet mir das Bad,
    Ich schleiche mich verstohlen ans Gestad.

    Ich hab' es eilig. Waer' mein Pfleger hier,
    Mich hiess' er Waghals und verwehrt' es mir.

    Zum Strande nieder fuehrt mich diese Schlucht
    Und krause Wellchen plaetschern in der Bucht.

    Hinaus! Hinaus! Du abgrundkuehle Flut,
    Wie tust du meinem heissen Herzen gut.

    Mit blauen Bannern ziehst du weit heran
    Und immer neue Heere seh' ich nahn.

    Die Reihen schlagen mit gelindem Prall
    Mir an die Brust und brechen sich am Wall.

    Noch lob' ich meiner Arme Schwung und Zug—
    Nur etwas sachter—eben Kraft genug.

    Die Kunst des Knaben hab' ich nicht verlernt,
    Doch sind die Ufer weiter hier entfernt.

    Ich schlug als Kind in uebermuet'ger Lust
    Den sanften Main und trat ihn auf die Brust.

    Da hab' ich unter mir zu sehn geglaubt
    Ein schilfbekraenztes, goettlich mildes Haupt.

    Es war mir immer nur zu nah das Land,
    Mich warf der Flussgott scherzend auf den Sand.

    Was einst des Knaben Spiel und Freude war,
    Wird nun dem Mann zur Arbeit und Gefahr.

    Er weiss es, wenn er ringt und wenn er strebt,
    Dass er auf einer Todestiefe schwebt!



    XXIV Was die Glocken sagen



    Heut geht am See ein endlos Glockenspiel,
    Mir scheint, die taufen und begraben viel.
    Wann Menschenblut in neuen Adern kreist,
    Erneuert sich der traege Menschengeist.

    Das Gloecklein sagt, das dort so klaeglich schallt:
    Ein Paepstler steigt ins Grab vergilbt und alt.

    Das Gloecklein sagt, das hier so lustig schellt:
    Es kam ein kleiner Protestant zur Welt.



    XXV Astrologie



    Ihr lieben Sterne troestet allezeit,
    Wer daechte, dass ihr arge Zwingherrn seid!
    Ihr seid's! Als sich die Erde mir erhellt,
    Ward mir ein widrig Horoskop gestellt.

    Weil, als ich kam, der Widder just geglueht,
    Bin ich von unvertraeglichem Gemuet.

    Ein flackernd Himmelsirrlicht traegt die Schuld
    An meiner Wanderlust und Ungeduld.

    Gewissen, lasse fuerder mich in Ruh!
    Den Sternen schreib' ich meine Suenden zu.

    Doch ueberleg es Hutten! Dreimal nein!
    Ein Sklave willst du nie gewesen sein.

    Du bist ein Feind von jeder Tyrannei
    Und deine Suenden auch begingst du frei!


    XXVI Homo sum



    Ich halte Leib und Geist in strenger Zucht
    Und werde doch vom Teufel scharf versucht.
    Ich moechte meiner Seele Seligkeit
    Und bin mit Petri Schluesselamt im Streit.

    Am Tisch der Fugger speist' ich dort und hie
    Und schimpfte weidlich Pfeffersaecke sie.

    Den Staedterhochmut hasst' ich allezeit
    Und haette gern ein staedtisch Kind gefreit.

    Auf ehrenfeste Sitten geb' ich viel
    Und froene dem verdammten Wuerfelspiel.

    Ich bin des Kaisers treuster Untertan
    Und riet dem Sickingen Empoerung an.

    Das plumpe Recht der Faust ist mir verhasst
    Und selber hab' ich wohl am Weg gepasst.

    Ich bete christlich, dass es Friede sei,
    Und mich ergoetzen Krieg und Kriegsgeschrei.

    Der Heiland weidet alle Voelker gleich—
    Nur meinen Deutschen goenn' ich Ruhm und Reich!

    Das heisst: ich bin kein ausgekluegelt Buch,
    Ich bin ein Mensch mit seinem Widerspruch.



    XXVII Ariost



    Die Feder leg' ich weg. Heut ist ein Tag,
    Da keine Zeile mir geraten mag!
    Wie wend' ich ab der langen Weile Fluch?
    Ein Buch, Herr Pfarrer! Ein ergoetzlich Buch!

    —"Zu Dienst, Herr Ritter! Wenn Ihr Welsch versteht?"
    Ich konnt' es einst und meine noch, es geht.

    Woher das Buch?—"Ein welscher Architekt
    Las drinnen hier und hat's nicht eingesteckt."

    Roland in Furie. Verse, welscher Gauch?
    Nun, Verse machen kann der Hutten auch.

    Nur keinen Schwulst, mein Dichter, keinen Frost!
    Dein Name lautet? Ludwig Ariost.

    Mir unbekannt. Dein Erstling, junges Blut?
    Respekt! Ich bin ein Alter! Zieh den Hut!

    Du hoffst, dass ich dich lese? Wahn! mein Kind.
    Ich sause durch die Blaetter, wie der Wind.

    Verwunschene Prinzessen—Drachenbrut—
    Das tolle Zeug ist fuer die Kinder gut.

    Was soll uns noch die bunte Wunderzeit?
    Wir fussen jetzt in harter Wirklichkeit.

    Ein frisches Bild! Nun ja—ein feiner Spruch!
    Ei Zauber! UEppig Gruen entspriesst dem Buch!

    Da setzen zwei Verliebte sich hinein,
    Das Blatt gewendet und sie sind allein.

    Es kracht! Ein Ritterpaar, das Lanzen bricht!
    Die Splitter fliegen auf zum Sonnenlicht

    Und fallen nieder, schwaerzlich angebrannt,
    Auf die Behelmten, die sich umgerannt.

    Hanswurst, gemach! Das lohn' der Teufel dir!
    Verspottest du das loebliche Turnier?

    Wes Geistes Kind? Lass sehen! Blaettre, Hand!
    Ein Feldgeschuetz erobert Held Roland

    Und flucht der Kugel und dem Pulverknall,
    Als waeren sie des Rittertums Verfall—

    Der Sickingen erfuhr's, den, ach, ein scharf
    Gezielter Schuss zum Sterben niederwarf!

    Gewiss, viel aenderte der Pulverblitz!
    Und hier—das ist ein kapitaler Witz—

    Hier laeuft ein Kerl und schwingt die Halebard,
    Der's nicht bemerkt, dass er getoetet ward!

    Bei meinem Bart! Das Bild der alten Zeit,
    Die noch die Waffe fuehrt und schilt und schreit,

    Den jungen Tag bekaempft mit Trutz und List
    Und nicht bemerkt, dass sie verstorben ist!

    Ich wittre, Welscher, deinen Schlich und Brauch,
    Des Witzes scharfen Bolzen schoss ich auch:

    Aus wunderbaren Maeren seh' ich braun
    Und lachend eines Schalkes Augen schaun.

    Vor einer Fabelwelt verbeugst du dich
    Und gruessest huebsch—und machst sie laecherlich.

    Was ich befehdet mit des Herzens Kraft,
    Zerstoerst du mit des Scherzes Meisterschaft.

    Ich reich' dir ueber das Gebirg die Hand,
    Mein Meister Ludowig im welschen Land!

    In deines Maskenscherzes Froehlichkeit
    Bist du, wie ich, ein echtes Kind der Zeit.


    XXVIII Bin ich ein Dichter?



    Das Lied des Welschen wandelt voller Glanz,
    Es schwebt wie Musenschritt und Grazientanz.
    Der Reim des Welschen hat ein hell Gelaeut—
    Ob ich ein Dichter bin? Das plagt mich heut.

    Du zweifelst, Hutten? Hat dich eines Tags
    In Augsburg nicht gekroent der Kaiser Max?

    Das gilt!... Auch neben diesem welschen Lied?
    Waer' ich am Ende bloss ein Verseschmied?

    Ich bin ein Verseschmied! So nenn' ich mich!
    Am Feuer meines Zornes schmiedet' ich

    Ruestung und Waffen zu des Tags Bedarf
    Und wahrlich, meine Schwerter schneiden scharf!



    XXIX Der letzte Humpen



    Herr Konrad der Comtur vergass mich nicht
    Und seine Sendung lacht wie Sonnenlicht.
    Sie ist, ob auch in schlichtes Stroh gehuellt,
    Bis oben an den Rand mit Geist gefuellt.

    Statt eines Briefs hat der Bequeme mir
    Geschickt das Flaeschchen Ruedesheimer hier.

    Dank! Einmal solche wuerz'ge Labe noch!
    Ihr Gutes hat die Pfaffengasse doch.

    Der Arzt verordnet mir den Wasserstrahl,
    Wohlan, ich zeche heut zum letzten Mal!

    Nicht brauch' ich dich zu schwenken, du bist rein,
    Du kommst vom Brunnen, hoelzern Becherlein!

    Herr Ruedesheim, was gibt's am Rhein? Wie geht's
    Der Klerisei von Mainz? Sie durstet stets?

    Erlaucht, auf Schweizerboden keinen Stolz!
    Bequemet Euch in dies Gefaess von Holz!

    Lab' ich allein mich aus dem Zauberquell?
    Liegt nirgend hier im Gras ein Zechgesell?

    Allein zu trinken ist mir schwer verhasst,
    Ein Moenchlein selber waer' mir recht als Gast.

    Ein Moenchlein! Waere nur der Luther hier,
    Mit Feuerzungen spraechen beide wir!

    Ihn traf der Frundsberg auf der Dornenbahn
    Zu Worms mit einem vollen Humpen an

    Und sprach ihm zu: "Mach dir die Kehle nass!
    Dann rede frisch! in vino veritas."

    Im Weine Wahrheit! Doch auch du bist hie,
    Anmut'ge Luege, Traum und Poesie!

    Aus meinem Becher steigt ein Reigen klar
    Und laechelnd gruesst mich eine Geisterschar.

    Voraus die ewig junge Lebenslust,
    Sie legt den Lockenkopf mir an die Brust

    Und schaut zu mir mit hellen Augen auf:
    "Du wirst genesen, Hutten! Zaehle drauf!"

    Und hier die Blasse mit dem suessen Schein
    Der trauten Blicke muss die Liebe sein!

    Sie fluestert das beseligende Wort:
    "Noch huete, Hutten, ich dir einen Hort!"

    Mit beiden Armen winkt sie Heil mir zu:
    "Es ist die Schoenste, Hutten! Traue du!"

    Und der Poet in meinem Herzen singt,
    Von holder Erdefreuden Chor umringt,

    In tausend Melodieen ein Getoen:
    O Erde, du bist lustig, du bist schoen!...

    Verbleiche, Reigen! Sinnentanz, erlisch!
    Herr Reformator Hutten, auf vom Tisch!

    Des Weines Haelfte blieb, die heb' ich auf
    Dem Freunde, kehrt er mued vom Arzteslauf.

    Drei Zuege noch, das ist die heil'ge Zahl!
    Drei Sprueche noch und sonder lange Wahl!

    Den ersten Trunk dem heil'gen roem'schen Reich!
    Moecht' es ein weltlich deutsches sein zugleich!

    Den zweiten meinem Kaiser! Moecht' er sein,
    Der fuenfte Karl, so echt, wie dieser Wein!

    Den dritten bring' ich jedem auf der Welt,
    Der sich und seinen Becher wacker haelt!



    XXX Der Uli



    Gelassen schreitet dort im Ackerfeld
    Ein ruest'ger Mann, der spaete Saat bestellt.
    Schoen ist ein jedes Werk, das Jahr entlang,
    Am liebsten doch ist mir des Saeers Gang...

    Mein wackrer Albrecht Duerer, mal mir heut
    Den lieben Heiland, wie er Koerner streut,

    Mit einem deutschen Himmel frisch und klar
    Und deutscher Landschaft—fuer den Fronaltar...

    Als ich mit Zwingli juengst am Mahle sass,
    Erzaehlt' er etwas, das ich nicht vergass.

    Er sprach: "Das wilde Tal, das mich gebar,
    Bringt weder Wein noch Frucht im waermsten Jahr.

    So kam's, dass ich gelebt der Jahre zehn,
    Bevor ich Egge, Pflug und Saat gesehn.

    Da nahm der Vater mich zu Tale mit,
    Die Saeer drunten zaehlten Schritt um Schritt

    Und streuten edeln Wurfs, geheimen Winks
    Die wundersamen Koerner rechts und links.

    Ich schaute die Gebaerden allesamt,
    Streng und gemessen, wie beim heil'gen Amt,

    Und endlich frug ich mit erstauntem Wort:
    'Vater! Was tun die Maenner Frommes dort?'

    Er lachte: 'Solches sahst du nie zu Haus!
    Sie streun das Brot des lieben Gottes aus.

    Was ist dir, Uli? Weinst du? Schaeme dich!'
    'Ei, Vater, es ist gar so feierlich.'"



    XXXI Die deutsche Bibel



    Ein frommer Tag, da ich, gestreckt ins Gras,
    Die "Schrift, verdeutscht durch Martin Luther" las.
    Gern hoer' ich deiner Sprache, Luther, zu,
    Wer braucht das Wort gewaltiger als du?

    Auf einer gruen umwachsnen Burg versteckt,
    Hast du die Bibel und das Deutsch entdeckt.

    Ich las und alte Maer aus Morgenland
    In Fleisch und Blut verwandelt vor mir stand.

    Den Heiland hoer' ich, der mich traulich lehrt,
    Aus einem Fischerboot mir zugekehrt.

    Und plaudert' hier am Brunn im Schattenraum
    Mit einem Weiblein er, mich wundert's kaum.

    Vielleicht dortueben wandelt am Gestad
    Durchs hohe Korn er auf verdecktem Pfad...

    Der Rittersmann, der Knecht im Bauerkleid
    Vernimmt von ihm den Weg zur Seligkeit—

    Auch seine Henker tragen deutsche Tracht,
    Zu Koeln wird er im Dornenkranz verlacht

    Und spottend geht an seinem Kreuz vorbei
    Ein Chorherr aus der Mainzerklerisei....

    Leer steht das Holz. Ein Zettel flattert dran
    Mit got'scher Schrift. Es hebt die Predigt an.

    Die Feuerzungen wehn. Fest Pfingsten flammt.
    Martinus tritt in das Apostelamt.

    Der Sturm erbraust und jede Sprache toent—
    Wie tief das Erz der deutschen Zunge droehnt!



    XXXII Luther



    Je schwerer sich ein Erdensohn befreit,
    Je maecht'ger ruehrt er unsre Menschlichkeit.
    Der selber ich der Zelle frueh entsprang,
    Mir graut, wie lang der Luther drinnen rang!

    Er trug in seiner Brust den Kampf verhuellt,
    Der jetzt der Erde halben Kreis erfuellt.

    Er brach in Todesnot den Klosterbann—
    Das Grosse tut, nur wer nicht anders kann!

    Er fuehlt der Zeiten ungeheuren Bruch
    Und fest umklammert er sein Bibelbuch.

    In seiner Seele kaempft, was wird und war,
    Ein keuchend hart verschlungen Ringerpaar.

    Sein Geist ist zweier Zeiten Schlachtgebiet—
    Mich wundert's nicht, dass er Daemonen sieht!


    XXXIII Die Vorrede



    Heut uebermochte mich—seit langer Zeit
    Zum ersten Mal—ein Sturm von Lustigkeit.
    Ich lag im Gras. Da blitzt' mir durch den Sinn,
    Wie mit dem Papst ich umgesprungen bin.

    Unbaendig lacht' ich in der gruenen Saat
    Und freute mich der frechen Jugendtat.

    In einer Widmung und Praefatio
    Schrieb ich an unsern heil'gen Vater so:

    "Die dir im Amt vorangegangen sind,
    Die taugten nichts. Das weiss ein jedes Kind.

    Sie faelschten, stahlen, raubten allezeit,
    Ein bessrer Mensch ist deine Heiligkeit.

    Sie waren Schelme. Meinst du nicht? Verglich'
    Ich dich mit ihnen, es betruebte dich!

    Du billigst meine Rede, weiss ich schon,
    Doch gib es, bitt' ich, schriftlich deinem Sohn!

    Verkuend es aller Christenheit und gib
    Ein Breve: "'Ulrich Hutten ist mir lieb!'"

    Ich muss es mir bekennen dann und wann:
    Nicht voellig ungerecht bin ich im Bann.



    XXXIV Erasmus



    Frau Schwermut setzt sich heute neben mich
    Und raunt mir zu: "Die Menschen lassen dich.
    Du bist ein halbzertruemmert Kriegsgeraet,
    An dem man achtungslos voruebergeht.

    Die Freunde wenden sich von dir mit Scheu,
    Nur deine Feinde bleiben dir getreu.

    Du warst zu kuehn und, streckst du dich erbleicht,
    So wird es dir und wird den andern leicht"...

    Der Schiffer kommt. Freund! Was ist dein Gesuch?
    —"Hier, Ritter, bring' ich etwas wie ein Buch."

    Versiegelt ist's. Von wem? Ich weiss es nicht.
    Die Hand, sie zaudert, die das Siegel bricht.

    Schickt, Buechlein, dich ein Freund, mich zu erfreun?
    Ein Feind, mir alte Wunden zu erneun?

    Ich, sonst so kampfgewoehnt und wetterhart,
    Auf dieser stillen Insel werd' ich zart

    Und dessen Hand so rasch zum Schwerte fuhr,
    Friedselig werd' ich hier wie die Natur.

    Wie? Hutten zagt? Enthieltst du Gottes Spruch
    Und Urtel selbst, ans Licht, verhuelltes Buch!

    "Erasmus gegen Hutten. Offner Brief."
    Recht! Hutten und Erasmus waere schief.

    Latein ist gut! Latein verdient ein Lob!
    Glatt, elegant... Potz Blitz, da wird es grob!

    "Zerlumpter Ritter!" redest du mich an,
    Betitelst mich "verkommener Kumpan!"

    "Zerlumpter Ritter!" Ein erbaulich Bild!
    Missgoennt der Bankert mir das Wappenschild?

    Ich Hutten weiss, wieviel die Tinte tut,
    Doch mehr vermag ein dreister Reutersmut!

    Der Roemling, der in unsern Landen haust,
    Erbleicht vor der geschienten Edelfaust!

    "Potator, aleator"... Geht's auf mich?
    Du munkelst, deutelst, heuchelst—schaeme dich!

    Und hier... und hier—nicht moeglich! Buechlein, schweig!
    Ein Musenliebling! Und so schlecht und feig!

    Erasmus raet den Zuerchern—niedrig Tun—
    Mir zu verbieten, hier mich auszuruhn.

    Mich aufzunehmen in des Gastes Recht,
    Gefaehrlich sei's! Du kennst die Zuercher schlecht!

    Das alles, weil ich, der du brav mir schienst,
    Dich werben wollte fuer der Freiheit Dienst.

    Mann, waeren nicht gezaehlt die Tage mir,
    Zu Basel auf die Bude stieg' ich dir!

    Ich zoege dich mit diesen Armen, glaub
    Es mir, hervor aus deinem Buecherstaub.

    Doch zittre nicht! dir sollte nichts geschehn,
    Ich wuerde nur dir Aug in Auge sehn.

    Dein edles Wissen, spraech' ich, liegt dir tot,
    Du bietest Gold und wir beduerfen Brot!

    Die Menge hungert, ahntest du es nie?
    Hervor mit deinen Schaetzen! Saett'ge sie!

    Dein Denken, spraech' ich, ist ein eitler Traum,
    Waechst drangvoll nicht daraus ein Lebensbaum...

    Was willst du? Weihrauch? Ehrerbietung? Gern.
    Du bist ein grosses Licht, ein heller Stern!

    Vor deinem Ruhme beugt der Hutten sich—
    Nun aber, grosser Mann, ermanne dich!

    Die Satyrmaske lege sie beiseit—
    Ein offnes Antlitz fordert unsre Zeit.

    Freund—alles ist vergeben, rede frei!
    Ich schuetze dich vor Papst und Klerisei!

    Du kennst die Wahrheit, uebe nicht Verrat,
    Gib Zeugnis! Wage eine Mannestat!

    Bekenn, Erasme, ob du ein Papist,
    Ein Roemer oder evangelisch bist!

    Kein Drittes! Gib in grossem Stile dich!
    Du kneifst die Lippen—bist du unser? Sprich!...

    Dein schlaues Auge blickt mich spoettisch an?...
    Vale, Erasme! Tot und abgetan!



    XXXV Das Huttenlied



    Der Ufenau vorueber glitt ein Kahn
    Ganz nah. Fast stiess er an das Ufer an.
    Von fahrnden Schuelern war der Nachen voll,
    Ein Lied aus zwanzig jungen Kehlen scholl.

    Im Buchenlaub verborgen, unsichtbar,
    Lag nahe zum Beruehren ich der Schar.

    Das Ruder schlug den Takt der Melodie,
    Entlang das Inselufer sangen sie:

    "Behuete Christ das edel fraenkisch Blut!
    Es schreibet uns viel kostlich Buecher gut!

    Aus Treuen tut's der Ritter, ohne Lohn,
    Die Treu verspuert die deutsche Nation!

    Der Roemer schickt dir Moerder vor die Tuer,
    Ach edler Hut aus Franken, sieh dich fuer!"1

    Sie brachen Zweiglein ab vom Buchenhag
    Und keiner ahnte, wer dahinter lag.


    1. Huttenlied.


    XXXVI Deutsche Libertaet



    Ein lustig Trommeln zieht den Strand entlang
    Mit gellen Pfeifen und mit Kriegsgesang.
    Sie loesen ihre Stuecke. Rauch und Dampf.
    Er lichtet sich. Standarten, Rossgestampf.

    Gewalt'ge Koerper! Es ist eine Lust,
    Wie sie daher stolzieren selbstbewusst.

    's ist Schwyzerboden. UEppig fliesst der Sold,
    Wild, immer wilder brennt der Durst nach Gold.

    Die AElpler haben Lebensueberfluss
    Und starkes Blut, dass man sie schroepfen muss.

    Wem ziehn sie bei? Die Lilien seh' ich wehn,
    Zu Koenig Franz wird dieser Reislauf gehn.

    Nicht treibt der Schweizer seinen boesen Lauf
    Allein. Der Landsknecht nimmt es mit ihm auf.

    Der deusche Ritter auch, er ficht und rauft
    Fuer jeden fremdem Koenig, der ihn kauft.

    Fuerst, Pfaffe, Bauer, Staedte, Ritterschaft,
    Ein jedes trotzt auf eigne Lebenskraft!

    Zum Henker eine Freiheit, die vergisst,
    Was sie der Reichesehre schuldig ist!

    Zum Teufel eine deutsche Libertaet,
    Die prahlerisch in Feindeslager steht!

    Geduld! Es kommt der Tag, da wird gespannt
    Ein einig Zelt ob allem deutschen Land!

    Geduld! Wir stehen einst um ein Panier
    Und wer uns scheiden will, den morden wir!

    Geduld! Ich kenne meines Volkes Mark!
    Was langsam waechst, das wird gedoppelt stark.

    Geduld! Was langsam reift, das altert spat!
    Wann andre welken, werden wir ein Staat.



    XXXVII Der Schmied



    Am Ufer drueben seh' aus einem Schlot
    Ich lust'ge Funken wirbeln purpurrot
    Und Schmied und Amboss kommt mir in den Sinn,
    Davor ich einst erstaunt gestanden bin.

    Als ein vom Weg Verirrter macht' ich Halt:
    Es war um Mitternacht im schwarzen Wald.

    Ein riesenhafter Schmied am Amboss stand
    Und hob den Hammer mit berusster Hand.

    Zum ersten schlug er nieder, dass es scholl
    Ringsum in finsterm Forst geheimnisvoll,

    Und rief: "Mach, erster Streich, den Teufel fest,
    Dass ihn die Hoelle nicht entfahren laesst!"

    Den Hammer er zum andern Male hob,
    Den Amboss schlug er, dass es Funken stob,

    Und schrie: "Triff du den Reichsfeind, zweiter Schlag,
    Dass ihn der Fuss nicht fuerder tragen mag!"

    Den Hammer hob er noch zum dritten Mal,
    Der niederfuhr wie blanker Wetterstrahl,

    Und lachte: "Schmiede, dritter, du die Treu
    Und unsre alte Kaiserkrone neu!"




    Huttens Gast




    XXXVIII Der Pilger



    Mich drueckt der Foehn. Er atmet schwer und schwuel.
    Dort im Kapellendunkel ist es kuehl.
    Zu einer Abendruhe kehr' ich ein
    Und werde wohl der einz'ge Beter sein.

    Gruess Gott, mein schwaeb'scher Nachbar Adalrich!1
    Du laechelst bloed. Ein Stuemper malte dich.

    Ein Kirchlein traegst du sittig in der Hand:
    Du schufst ein Kloster, merk' ich, hie zu Land!

    Du gingest im Geleite deiner Zeit
    Und hast's getan in Herzenslauterkeit.

    Mir sinkt das Haupt... Wer da? Bin ich belauscht?
    Am Fuss des Altars hat Gewand gerauscht.

    Ein Pilger kniet, der stumm die Lippen regt
    Und betend seinen Rosenkranz bewegt.

    Ein kuehner Wuchs, geduckt in Moenchsgewand!
    Und—mein' ich—eine schwertgewohnte Hand—

    Was haucht mich an? Wie faellt mir ploetzlich bei,
    Dass dieser Moench ein boeses Wesen sei?...

    Was fluestert mir im Ohr, dass dieser still
    Versunkne Mensch mir an das Leben will?...

    Ein Moerder ist's, gesendet gegen mich!
    Nein. Ruhig kniet und edel hebt er sich.

    Er wendet sich der Uferbrandung zu—
    Du bist ein Ritter! Warum pilgerst du?


    1. Der Kirchenheilige der Ufenau



    XXXIX Die Mahlzeit



    Er steht am Strand und scheint hinauszusehn,
    Als wollt' er auf dem Kamm der Wogen gehn.
    Ein Blitz! Er stuerzte prasselnd in die Flut!
    Das Ufer glomm in bleicher Schwefelglut...

    Das leidenvolle Schwaermerangesicht
    Umgab ein Heil'genschein von Hoellenlicht...

    Mein armer Hutten—du bist leibesschwach!
    Ruf du den Pilger lieber unter Dach!

    Ins Trockne, Pilger, eh' der Regen wogt!
    Des Hauses Herr ist fort. Ich bin der Vogt.

    Was stehet Ihr verzueckt? Ihr werdet nass!
    Gebt mir die Hand! Wir treten ins Gelass.

    Seid hier willkommen! Machet's Euch bequem!
    Wohin die Reise? "Nach Jerusalem."

    Das, ruest'ger Pilgrim, liegt meerueber schon.
    Ich fragte nach der naechsten Station.

    "Dort hinterm Berg Einsiedelns Gnadenhaus."
    Leer ist das Nest. Die Voegel flogen aus.

    Ihr schlagt ein Kreuz, als waer' der Boese hier?
    Erlaubt! Mit einem Christen redet Ihr!

    (Die welsche Froemmelei behagt mir schlecht...
    Sei freundlich, Hutten! Er hat Gastes Recht!)

    Ich wette, Herr, Ihr trugt Soldatentracht,
    Nennt mir den Feldzug, den Ihr mitgemacht!

    "Pamplonas Waelle, Herr, verteidigt' ich."
    Das ehrt. Die Festung hielt sich ritterlich.

    Und kaempftet Ihr in keinem neuern Krieg?
    "Ich kaempfe stets. Maria gibt den Sieg."

    Sein redlich Buendel traegt ein jeder Christ.
    "Maria rettet uns vor Satanslist."

    (Mit solchen Nonnenspruechlein sticht er mich!
    Potz Blut und Wunden... Hutten, zaehme dich!)

    Pilger, ich hol' Euch einen Becher Wein?
    Ihr weigert Euch? So schenkt Euch Wasser ein.

    (Er murmelt, exorziert den lautern Quell
    In Ketzerland... Unheimlicher Gesell!

    Rasch dunkelt's. Lodre, Laempchen... Ein Gesicht,
    Das meinem tiefsten Wesen widerspricht!

    Weltfremde Augen voller Traum und Wahn—
    Und doch der Mund Entschluss... die Stirne Plan!)

    —Hidalgo, Ihr beginget wilde Tat
    Und suchet jetzt an heil'gen Orten Rat?

    Ihr buesst? (Er kreuzt die Haende auf der Brust
    Und schweigt. Auch mir erstirbt der Rede Lust.

    's ist besser so, uns duerfte Streit entstehn,
    Am kluegsten ist es, wenn wir schlafen gehn.)

    Seht, Pilger, wie der naecht'ge Himmel loht!
    Heut abend faendet schwerlich Ihr ein Boot.

    Nehmt hier vorlieb, ist auch der Raum beschraenkt!
    Wir suchen jetzt die Ruhe, wenn Ihr denkt.

    Ihr wollet lagern auf dem nackten Stein?
    Das duld' ich nicht. Ihr werdet muede sein.

    Da meine Decke! Hier den Mantel auch!
    Ihr bettet Euch nach schlichtem Feldgebrauch!

    Gut' Nacht! Ihr seid ein Spanier? "Ritter, ja."
    Und nennet Euch? "Inigo Loyola."1


    1. Die Pilgerfahrt Loyolas nach Jerusalem faellt in diese Zeit



    XL Das Gebet



    Ein grauser Wetterschlag! Der Donner kracht.
    Was sah ich dort in blitzerhellter Nacht?
    Und wieder jetzt! Ein Ruecken—schauerlich,
    Der Spanier geisselt mit dem Guertel sich!

    An seinen hagern Schultern rieselt Blut!
    Zu beten hebt er an in Andachtsglut.

    Gezwungen lauschend hoer' ich jedes Wort
    Auf jenen qualberauschten Lippen dort:

    "Maria, makellos empfangne Magd,
    Zu Deinen Knie'n hab' ich der Welt entsagt.

    Dem ird'schen Rittertum ersterb' ich hier
    Und zeichne mich zum ew'gen Knechte Dir.

    Wo darf ich bluten? Gib das Feldgeschrei!
    Du deutest schmerzlich auf die Ketzerei—

    Sie haben Dir die Krone von dem Haupt
    Und aus der Hand die Lilie Dir geraubt.

    Du weinest? Deine Traenen brennen mich—
    Ich fuehre Deine Sache. Troeste Dich!

    Ein Wink von Dir—so stuerz' ich in die Schlacht.
    Nicht kennst Du selbst die Groesse Deiner Macht!

    Im Bibelbuche spricht der eigne Sohn
    Zu Dir, Du Hohe, nicht in wuerd'gem Ton.

    Die heil'gen Schriften sind der Ketzer Hort—
    Du laechelst und besiegst das Bibelwort.

    Der ein'ge Richter Christus schreckt die Zeit,
    Gern folgt sie eines Weibes Lieblichkeit.

    Wenn sich der Sohn zu Martin Luther kehrt,
    Dich kroenen wir, die nicht der Wonne wehrt!

    Du bebst in aller Abendglocken Erz,
    Du fuellst die Seele, Du beglueckst das Herz.

    Wir decken Dich mit duft'gen Rosen zu,
    Gen Himmel schwebest ungekreuzigt Du!

    Die Du dem glaeub'gen Spanier oft erschienst,
    Ihm glueht der Busen noch von Deinem Dienst.

    Dir, Fuerstin, werb' ich eine Companie
    Und fuehre gegen Deine Feinde sie.

    Ein unbarmherzig Heer, das nie erschlafft,
    Versamml' ich unter meiner Hauptmannschaft.

    Die Ketzer toetend, doch den Suendern mild,
    Bekehren wir die Welt zu Deinem Bild.

    Wo wir zerstoerte Tempel wieder weihn,
    Besteige, Goettin, den Altar allein!

    Und wer zum Erdenweibe Dich entweiht,
    Gerichtet sei er und vermaledeit!...

    Tauch unter, Schwan, und aus der Welle Schoss
    Erstehe doppelt blank und makellos!...

    Du laechelst Deinem Knecht belohnend zu,
    In goldne Himmelsglorie schwindest Du..."


    XLI Fiebernacht



    Der Morgen graut—des Pilgers Staette leer?
    Beim Hahnenruf verschwand gespenstisch er!
    Was ich geschaut, ist's Wahrheit? War es Traum?
    Schlief mit dem Teufel ich im gleichen Raum?

    Es war ein Spuk! Es war ein Fieberwahn!
    Die welsche Fratze hat mir's angetan!

    Nein, Wahrheit war's! Kein Morgenwind verweht
    Das andachtsvoll irrsinnige Gebet!...

    Was quael' ich mich? Unfaehig ist der Tat
    Ein Froemmler! Doch ein Spanier? Ein Soldat?

    Kein Moenchlein ist's, in Muessiggang erschlafft,
    Er hat des Kriegers Zucht und Willenskraft.

    Er ist ein Schwaermer! Voller Selbstbetrug!
    Daneben ist er wie die Hoelle klug!

    Ein Weib vergoettern—Aberwitz und Schmach—
    Von Even stammend, die den Apfel brach!

    Dem Weibe schmeicheln ist der Schlange List!
    Ich Hutten weiss, was an den Weibern ist!

    Der Wahrheit Trotz und Zorn und Fehdelust
    Hat keinen Raum in einer runden Brust.

    Zutulich naht die uepp'ge welsche Kunst,
    Andacht verkuppelnd mit der Sinne Brunst.

    Die Kirche steigt phantastisch wieder auf
    Und guertet sich zu neuem Siegeslauf;

    Mit feiger Fuerstentyrannei gepaart,
    Steht sie um ihre Goetzen fest geschart;

    Der Drache Rom, getroffen bis ins Mark,
    Durch seine Wunde wird er wieder stark

    Und von der Wahrheit Schwert des Kopfs beraubt,
    Waechst er empor mit einem gift'gern Haupt.

    O Menschheit, qualenvoller Sisyphus,
    Der seinen Felsen ewig waelzen muss!

    Ein fluechtig Vorgefecht hat mich genarrt,
    Jetzt erst erblick' ich meinen Widerpart.

    Nun ich auf Erden meinen Tag vertan,
    Faengt sich der grimmste Feind zu zeigen an.

    Verruchter Moerdername: "Loyola!"
    Blut klebt an diesen roten Silben da.

    Der Hoellensendling wird die Welt durchziehn!
    Was stiess ich nieder nicht im Beten ihn?

    Pfui, Hutten, Meucheltat! Das Fieber plagt
    Und ruettelt dich. Gottlob, der Morgen tagt...

    Vielleicht war's eine Ausgeburt der Nacht?
    Und doch! Haett' ich den Spanier umgebracht!




    Menschen




    XLII Die Bilderstuermer



    Ich sprach: So, Hutten, kann's nicht laenger gehn,
    Heut musst du wieder einmal Menschen sehn!
    Und sprang ins Boot und bahnte mir den Pfad
    Mit Ruderschlag ans rechte Seegestad.

    Ein stattlich Dorf erzielt' ich mit dem Boot—
    Da regte sich's, als waere Feuersnot.

    Wo sich der Dorfbach in den See ergoss,
    Laermt' eine Maennerschar, ein Kindertross.

    Aus ihrem Kirchlein schleppten mit Geschrei
    Die Bilder ihrer Heil'gen sie herbei

    Und warfen in die Flut den ganzen Hort
    Mit manchem schnoeden Witz und frechen Wort.

    Der Strudel fuehrte weg den alten Graus
    Und wusch der Maertrer blut'ge Wunden aus.

    Wachsherz, Votivgeschenk, Reliquienschrein
    Flog alles lustig in den Bach hinein—

    Da werd' ich eines Steingebilds gewahr,
    Mit schwiel'gen Haenden hob's ein Maennerpaar

    Und ich erschrak. Es war ein zart Gebild:
    Die Magd Maria laechelte so mild

    Und sah das grobe Volk so ruehrend an,
    Als spraeche sie: Was hab' ich euch getan!

    Wie kam das Werk in dieses Kirchleins Raum?
    In Nuernberg selber sah ich Bessres kaum.

    Man fuehlte, dass ein Meister spaet und frueh
    Daran gewendet lauter Lieb und Mueh.

    Zerstoeren, was ein glaeubig Herze schuf,
    Gehorsam einem leisen Engelruf,

    Vernichten eine fromme Schoepferlust,
    Ein Frevel ist's! Ich fuehlt's in tiefer Brust...

    Gebiet' ich Halt? Ich? Ulrich Hutten? Nein...
    Ihr Maenner, stuerzt das Goetzenbild hinein!

    Ich trat hervor und rief's mit strengem Mund.
    Sie warfen. Etwas Edles ging zu Grund.


    XLIII Der Trunk



    Blaufarbne Kruege brachten her sie dann,
    Sie schenkten ein und das Gelag begann.
    —"Dem fremden Herrn ein Glas! Tut uns Bescheid,
    Wenn Ihr nicht einer von den Stolzen seid!

    Stosst an, Herr Ritter!... Ihr verzieht den Mund?
    Trinkt! Unser Wein ist sueffig und gesund!

    Potz Hagel! Ist Euch unser Wein zu schlecht?
    Seid Ihr ein Paepstler oder Fuerstenknecht?

    Schmeckt's?"—Koestlich.—"Noch ein Glas, und eines noch!
    Der deutsche Herr auf Ufnau lebe hoch!"

    Ich trank und wuergt'—es war ein saurer Schluck—
    Und schied mit einem biedern Haendedruck.

    Ich machte mich davon mit guter Art
    Und lachte still ergoetzt in meinen Bart:

    Der ich dem Kaiser und dem Papst gedreut,
    Dem Volke zu Gefallen log ich heut.



    XLIV Der Schaffner



    Im Paradiese selber traefe man
    Wohl einen an, den man nicht leiden kann.
    So geht es mir auf diesem gruenen Platz.
    Der Schaffner ist ein Schelm und ist ein Fratz.

    Ich moechte hoechstens in der Lese sehn
    Gekruemmt ihn unter einer Buette gehn.

    Ich Ketzer bin dem Klosterknecht verhasst
    Und seinen Geiz verdriesst der arme Gast.

    Er schielt. Er blinzelt gegen's Sonnenlicht
    Und meinen graden Blick vertraegt er nicht.

    Er wuenscht mir: "Euch gedeih' der Aufenthalt!"
    Und betet: "Hole dich der Teufel bald!"

    Ein Schurke, wer mir so ins Angesicht
    Und hinter meinem Ruecken anders spricht!

    Nun hab' ich ihn gelobt und damit gut!
    Sein wackrer Junge hat gesundes Blut.

    Hier wandeln die Geschlechter sich geschwind
    Und anders als der Vater blickt das Kind.

    Natur ist in den Hochgebirgen stark
    Und ihre Luefte staehlen Herz und Mark:

    Der Junge, der mit Hutten sass im Boot,
    Wird brav und treu und bleibt's bis in den Tod!



    XLV Der kleine Ferge



    Lass, Ruodi, deinen Nachen sachter gehn!
    In klare Gruende lass mich niedersehn!
    Hier im kristallnen Spiegel farbenmild
    Erscheint ein Mann und eines Knaben Bild.

    Du schaust empor in Ringellockenzier,
    Vor zwanzig Sommern, Knabe, glich ich dir.

    Und noch ein ander Bildnis schaut empor,
    Das tief gefurchte kommt bekannt mir vor!

    Nun, diese schwer beschriebne Stirn ist mein—
    Fuehrwahr, ich moechte nicht ein andrer sein!

    Die Flaeche kraeuselt sich im Abendwind,
    Zergangen beide Bilder! Rudre, Kind!



    XLVI Schweizer und Landsknechte



    Heut hat man mit Soldaten mir getischt.
    Ein ungebunden Volk. Mich hat's erfrischt.
    Paepstler und Ketzer sassen im Verein
    Bei unsrer lieben Frauen Klosterwein.

    Sie kamen eben braun und beuteschwer
    Bergueber aus der welschen Sonne her.

    Gleich frug ich einen, der ein Pflaster trug:
    Bekenn, dass dich ein frommer Landsknecht schlug!

    Unsinn, dass ihr euch taeglich reizt und rauft,
    Landsknecht und Schweizer, beide deutsch getauft!

    —"Warum, Herr Ritter, ich vom Leder zog?
    Weil Heini Wolleb mein Gefuehl betrog.

    Zum Imbiss sassen unser zwanzig da
    In den 'Drei Koenigen' von Mantua.

    Rings Pfuhl und Wall. Das Fieber hauchte schwuel.
    Am Seelisberge, dacht' ich, weht es kuehl.

    Da bruellt's. Ein langgezogen ehrlich Muh.
    Mich denkt's der braunen Lisli, unsrer Kuh.

    Und wieder bruellt's. Nun kommt mir in den Sinn
    Die andre Lisli auch, die Melkerin.

    Zum dritten muht's. Aufblinkt der UErnersee,
    Scharf blitzt am Himmel ein Gezack von Schnee.

    Mir tropft das Aug. Da lacht der Jauch: 'Du Stier,
    Ein Landsknecht bruellt. Kein Rindlein graset hier.'

    Ich fuhr empor: 'Bei meinem Eid und Schwur!
    So taeuschend muht der Heini Wolleb nur!'

    Ins Freie rannt' ich. Um die Ecke strich
    Der Heini grinsend und verhoehnte mich.

    'Steh, Heinz!' Er stand und ehrlich fochten wir,
    Wie Zeugnis gibt das schwarze Pflaster hier.

    In sumpf'gem Mantovanerboden ruht
    Der Heini, der so trefflich hat gemuht.

    Ehrbarer Ritter, reichet mir die Hand,
    Und waere sie geaechtet und gebannt!

    Hier haust Ihr ungekraenkt im Firnelicht,
    Nur muhet, Herr, auf Eurer Insel nicht!"1


    1. Das Muhen, womit der Landsknecht den Schweizer
    verspottete, hat in jenen Tagen viel Blut gekostet.



    XLVII Vermaechtnis



    Der Florentiner brummte vor sich her:
    "Der Fremde Treppen, ach wie steil, wie schwer!"
    Hier sing' ich ausserm Reich und doch im Reich:
    Der Schweizerrasen tritt sich leicht und weich!

    Deutschland, vergiss nicht, wer dem Hutten bot
    Den letzten Boden und das letzte Brot!

    Zu arm bin ich zu einem Gastgeschenk,
    So bleibe meiner Schuld du eingedenk!



    XLVIII Abendstimmung



    Des Morgens lacht wie eine junge Frau,
    Streng blickt am Abend meine Ufenau,
    Durch Flutendunkel geisterhaft gestreckt,
    Von nahen Bergesschatten zugedeckt.

    Lang hat sich das Soldatenschiff ergetzt
    An einem Echo. Beide schweigen jetzt.

    Verklungen ist der Vesperglocke Schall,
    Ein dunkler Friede waltet ueberall.

    Waer' ich ein Juengling voller Leidenschaft,
    Beaengstigt von der eignen Lebenskraft,

    In Traenen loeste sich, was bang und wild
    Ein junges Herz bestuermt, vor diesem Bild.

    Nun hab' ich handelnd meine Glut gedaempft,
    Den Vesperfrieden hab' ich mir erkaempft

    Und schreite, wann du, Sonne, dich entfernst,
    Getrost durch diesen tiefen Abendernst.

    In den gestrengen Zuegen der Natur
    Empfind' ich die verwandte Seele nur.



    XLIX Nachtgespraech



    Mit gluehnden Spuren ist der Tag entflohn,
    Am Himmel blitzen fruehe Sterne schon.
    Der Alte sitzt auf seiner Lieblingsbank:
    Du traeumest Pfarrer? Rueck ein wenig! Dank.

    Was schaust verzueckt du auf zum Himmelszelt?
    Was siehst du droben?—"Ritter, Welt an Welt!

    Erfahrt, dass unter uns, die wir bemueht
    Um die Natur sind, ein Geheimnis glueht!

    Mir hat's ein fahrnder Schueler anvertraut.
    Neigt Euch zu mir! Man sagt's nicht gerne laut.

    Ein Chorherr lebt in Thorn, der hat gewacht,
    Bis er die Raetsel deutete der Nacht.

    Herr Koepernik beweist mit buend'gem Schluss,
    Dass—staunet—unsre Erde wandern muss!

    Wisst, um die Fuerstin Sonne kreisen wir
    Und glaubten dienend uns umkreist von ihr!

    Ihr meint, wir sitzen ruhig hier? Erlaubt—
    Wir schweben, wie von Adlerkraft geraubt!

    Nicht wandern, Ritter, wir allein! Erhebt
    Das Haupt! Der ganze Himmel zieht und lebt!

    Ein Kreis von Pilgern ist's, der uns umringt,
    Von denen jeder sanft den andern zwingt,

    Und unser Sternlein ist in dieser Schar
    Wohl einer der geringsten Pilger gar.

    Wir nahmen Welt und Himmel uns zum Raub,
    Wir waehnten uns das All und sind ein Staub.

    Doch besser als ein Koenig und allein
    Ist Buerger eines grossen Reichs zu sein.

    Mit hoehern Welten bringt uns unser Gang
    In einen leuchtenden Zusammenhang!

    Ein neues Leben wird uns aufgetan
    Auf hellern Stufen nach durchlaufner Bahn.

    Ich lieb' Euch, Hutten, und ich moechte gern
    Euch wiedersehn auf einem schoenern Stern.

    Je naeher dem Gestirn, das ewig ruht,
    Um desto reiner wird die Liebesglut.

    Die Leiter ist's, die Jakob einst erblickt.
    Ihr laechelt, Ritter? Red' ich ungeschickt?

    Ist's zu begehrlich, was mir ahnen will?
    Ins Dunkle blicket Ihr und bleibet still..."

    —Auf Ufnau, Pfarrer, ist der Abend kuehl.
    Ruhsame Nacht! Ich suche meinen Pfuehl

    Und lass Euch mit den Sternen jetzt allein,
    Ich moechte morgen wieder wacker sein.

    Erst dien' ich aus auf Erden meine Zeit
    Und bin ich dannzumal nicht dienstbefreit,

    Verteilt man auf den Sternen neues Lehn—
    Wohlan! ich denke meinen Mann zu stehn.


    L Mythos



    "Herr Ritter, habt Ihr, sagt mir's im Vertraun,
    Juengst eines Moenchleins Ohren abgehaun?
    Ist's wahr, wo blieb der feine Humanist
    Bei der Zyklopentat? Wo blieb der Christ?

    Ihr seid ein praecht'ger Hausgeselle zwar,
    Doch habt Ihr ein gefaehrlich Augenpaar:

    Im Zwiegespraeche leuchtet's heiter mild,
    Derweil Ihr sinnt und bruetet, droht es wild.

    Sagt, tapfrer Ritter, wispert mir ins Ohr,
    Ob jenes arme Pfaefflein seins verlor?"

    —Pfarrer, Kritik! Bin ich ein Polyphem?
    Nie hab' ein Glied gekappt ich irgendwem.

    Erwirbt ein Erdensohn sich Lob und Preis,
    Gleich bildet sich um ihn ein Sagenkreis.

    Dem Pfaffen, merkt, hab' ich das Haar gerupft,
    Den fetten Ohrenlappen auch gezupft—

    Das, Pfarrer, ist geschichtlich aufgehellt,
    Das andre spielt in schwanker Fabelwelt.


    LI Der Pfarrer—



    Ein muedes Ruder rauscht. Der Pfarrer kehrt
    Zurueck, mit einem Pflanzenbund bewehrt.
    Hier hoch am Etzel waechst ein kraeftig Kraut,
    Davon er mir ein heilsam Traenklein braut.

    Noch weht die Abendluft nicht allzu frisch—
    Im Freien ruest' ich beiden uns den Tisch.

    Hieher! Dir ist gedeckt! Nimm's nicht genau!
    Noch fehlt die Wirtin auf der Ufenau.

    Trotz deinem grauen Barte muss du frein!
    So reihst du dich der neuen Pfaffheit ein!

    Ob diese neue Pfaffenart gedeiht
    Und was sie taugt, ist ein Problem der Zeit...

    —"Der neuen Pfaffheit wuensch' ich alles Heil,
    Mir selbst erkuer' ich doch ein ander Teil.

    Mich treibt's aus meinem kirchlichen Beruf
    Hinaus zu Dem, der mich ernaehrt und schuf,

    Der heute noch gelind auf Erden geht,
    Von seinem blauen Mantel weit umweht.

    Der Kirche schwere Fragen sind verwirrt,
    Und ewiglich verdammt ist, wer sich irrt.

    Die lass ich ohne Harm auf sich beruhn
    Und halte mich zu meinen Pflanzen nun.

    Die Koerper heilen sei mein kuenftig Amt,
    Zur Suehne, dass ich Seelen einst verdammt!

    Ein grosser Arzt, der hier im Land verkehrt,
    Hat mich der Kraeuter stille Kraft gelehrt.

    Von Paracelso habt Ihr, Ritter, schon
    Gehoert, der Mutter Erde Lieblingssohn,

    Dem sie geschaeftig Ihre Horte zeigt,
    Dem plaudernd kein Geheimnis sie verschweigt?

    Unfern von hier am Etzel haelt er Haus.
    Ich sandte neulich einen Boten aus

    Und lud nach Ufenau den Wundermann
    Und troeste mich, dass er Euch helfen kann.

    Ihr zuckt die Achseln... Seine Kunst ist gross,
    Und, Ritter, Ihr seid gar zu glaubenslos!"




    Das Todesurteil




    LII Paracelsus



    Gibt's auf der Welt ein Herz so maennlich fest,
    Das sich von Hoffnung nicht betoeren laesst?
    Was mir der Freund von Paracelsus sprach,
    Das flog mir wie ein lichter Falter nach,

    Das senkte sich, mir selber unbewusst,
    Ein treibend Keimlein in die sieche Brust.

    Ich sehnte mich, bis der Gewuenschte kam,
    Wie Maegdlein blicken nach dem Braeutigam.

    Heut war er da. Ich lag erbaermlich krank
    Im Eichenschatten auf der Rasenbank.

    Er tat, als wuerd' er meiner nicht gewahr,
    Doch streifte mich sein scharfes Augenpaar.

    Er nahm den Pfarrer dort am Strand beiseit
    Und sprach zu ihm geheim mit Heftigkeit.

    Er hat ein abenteuerlich Gesicht,
    So denk' ich mir den ernsten Forscher nicht.

    Ich lauschte hin. Ob er mir Rettung schafft?
    Und ich vernahm: "Es fehlt die Lebenskraft!"...

    Mein feines Ohr hat fluestern ihn gehoert:
    "Hier ist ein edles Organon zerstoert"...

    Indem verstohlen er herueber sah,
    Raunt' schnell er: "Facies hippocratica!"...

    Was spricht der Geck das liebe Deutsch nicht rein
    Und mischt so garst'ge fremde Brocken ein!

    Er trat heran, er bot die Rechte mir,
    Er sprach mit Pomp: "Ich gruesse Deutschlands Zier!"

    Er nannte mich der Freiheit Turm und Hort,
    Von meiner Krankheit redet' er kein Wort.

    Mir deucht', dass sich ein Seufzer ihm entwand,
    Als seinen Finger ich am Puls empfand.

    Drauf hat er meine Verse mir geruehmt,
    Der Narr. Er hiess sie "stolz" und "reich bebluemt".

    "Die Ufnau", sprach er, "wird durch Euch bekannt
    Und noch von Kind und Kindeskind genannt.

    Nicht einsam lebt Ihr auf dem Eiland hier,
    Bevoelkert mit Gedanken habt es Ihr!"

    Ich dachte: Wie zu dir dein Name passt!
    Bombastus nennst du dich—und sprichst Bombast!

    Ihm gab ich das Geleit bis an den Kahn,
    Dann stieg den Huegel langsam ich hinan.

    Es war ein goldner Morgen im August,
    Das zweite Gras gedieh mit Kraft und Lust!

    Die ganze dichte bluehnde Wiese klang
    Und wogt' und schwirrt' und flattert', zirpt' und sang.

    Ich schritt in Halm und Blumen, ueberflammt
    Von suessem Sonnenlicht—zum Tod verdammt!

    Da warf ich in die duft'ge Wiese mich,
    Verbarg das Haupt und weinte bitterlich

    Und lange lag ich still im gruenen Tal,
    Mein eigen Bildnis oder Grabesmal.



    LIII Die Beichte



    Hier schreit' ich ueber meinem Grabe nun—
    Hei Hutten, willst du deine Beichte tun?
    's ist Christenbrauch. Ich schlage mir die Brust.
    Wer ist ein Mensch und ist nicht schuldbewusst?

    Mich reut mein allzuspaet erkanntes Amt!
    Mich reut, dass mir zu schwach das Herz geflammt!

    Mich reut, dass ich in meine Fehden trat—
    Mit schaerfren Streichen nicht und kuehnrer Tat!

    Mich reut die Stunde, die nicht Harnisch trug!
    Mich reut der Tag, der keine Wunde schlug!

    Mich reut—ich streu' mir Aschen auf das Haupt—
    Dass nicht ich fester noch an Sieg geglaubt!

    Mich reut, dass ich nur einmal bin gebannt!
    Mich reut, dass oft ich Menschenfurcht gekannt!

    Mich reut—ich beicht' es mit zerknirschtem Sinn—
    Dass nicht ich Hutten stets gewesen bin!



    LIV Goettermord



    Heut aber tat ich, was die Frommen freut:
    Entgoettert meine Schriften hab' ich heut.
    Wo "Zeus" und "Herakles" zu lesen stand,
    Schrieb "Jesus Christus" ich mit fester Hand.

    Statt "Nectarkruegen" und statt "Bacchanal"
    Setzt' stracks ich "Abrams Schoss" und "Himmelssaal".

    Kein einz'ger Griechenschwur und Roemerfluch
    Prangt mehr in meinem Dialogenbuch.

    Ich loege, sagt' ich, wenn mir Bann und Acht
    Des Heidenhimmels grossen Kummer macht.

    Das Wiesenbaechlein flutet leicht und hell,
    Was braucht's, dass eine Nymphe bad' im Quell?

    Brennt Herz und Stirn dem Zecher minder heiss,
    Der nichts vom Kranz des Dionysos weiss?

    Schiert's, ob man einen Sohn des Mars ihn tauft,
    Den deutschen Knecht, der todeslustig rauft?

    Was heisst: "Ich weihe dich der Furienschar?"
    "Der Teufel hole dich!" ist kurz und klar.

    Heut komm' ich heim aus einer tapfern Schlacht:
    Ich habe Goetz und Goetzin umgebracht!



    LV Das fallende Laub



    Heut klang ein Beil den ganzen Morgen laut
    Und bis zum Abend fort. Der Schaffner baut.
    Ein Vordach nur, doch mocht' ich's gerne sehn,
    Ist's doch ein Werden, ist's doch ein Entstehn!

    Da war ein Zimmrer, der es wacker trieb
    Und seinen Balken saeuberlich behieb.

    In guten Treuen muehte sich der Mann,
    Dass ihm das Wasser von der Stirne rann.

    Am Abend kam der Zimmermeister leis,
    Mit langgelocktem Bart ein guet'ger Greis,

    Und ruehrt' dem Knecht, der nimmer wollte ruhn,
    Die Schulter mahnend: "Lieber, feire nun!"

    Jetzt ward die Staette leer; ich aber schlich
    Hinaus und auf den Balken setzt' ich mich.

    Betrachtend das behaune Tannenstueck,
    Dacht' ich ans eigne Tagewerk zurueck...

    Ich starrte nieder, der Gedanken Raub,
    Da traf die Schulter mir ein fallend Laub.

    Mich schauerte, da ich das Blatt gespuert,
    Als haette mich des Meisters Hand beruehrt

    Und mich gemahnt: Genug! Die Sonn ist fern,
    Geh ein, du Knecht, zur Ruhe deines Herrn!



    LVI Reife



    Es wendet sich das Jahr, die Welle raucht,
    Mein Eiland ist in Morgenduft getaucht.
    Vor mir in herbstlicher Verschleierung
    Bewegt sich einer Barke Ruderschwung.

    Herueber glaenzt durch schwankes Nebelspiel
    Die hochgetuermte Burg von Rapperswyl.

    Zu Haeupten mir durch hellre Schleier bricht
    Das suesse Blau, das warme Sonnenlicht;

    Und schwerer hangt die Traube schon am Schaft,
    Sie schwillt und laeutert ihren Purpursaft,

    Sie foerdert ihre Reife frueh und spat—
    Was meinst du, Hutten? Auch die deine naht!




    Daemonen



    LVII Der wilde Hutten



    Glueckselig schreit' ich hier im Abendglanz,
    In klaren Lueften zittert Mueckentanz.
    Das Heute war so sonnig, wolkenrein,
    Das Morgen wird noch wolkenloser sein.

    Ein Zug von Tagen warm und wonniglich
    Geleitet zu den Todesschatten mich.

    So heiter glaubt' ich nicht davon zu ziehn,
    Der wilde Hutten faehrt in Frieden hin.

    Nicht allzu koestlich, reiche Erde, hast
    Du mich bewirtet, deinen armen Gast!

    Nun nehm' ich Urlaub und zur Scheidezeit
    Erweisest du mir alle Lieblichkeit.

    Nun geh' ich und du sprichst mit leichtem Sinn:
    Du wanderst, Hutten? Sieh, wie schoen ich bin!



    LVIII Herzog Ulrich



    Er war's! Mir pocht das Herz von Groll bewegt
    Und jede Fiber zittert aufgeregt.
    Er war's! Er stand auf meiner Friedensstatt,
    Der mir den Vetter Hans erschlagen hat,

    Der ihm, zu seinem Weib entbrannt in Lust,
    Den Degen meuchlings rannte durch die Brust,

    Der ihm, da bang er mit dem Tode rang,
    Ein Henker! um den Hals den Guertel schlang,

    Den ich vertrieb von seiner Vaeter Herd
    Mit meines Gurts und meiner Rede Schwert,

    Auf dessen Spur ich wies den Furienchor,
    Auf dessen Scheitel ich die Acht beschwor...

    Ich sass im Hauskleid still am Huegelrand,
    Ein philosophisch Buechlein in der Hand,

    Da hoert' ich einen Fremden halb bezecht
    Den Schaffner loben, wie man lobt den Knecht.

    Ich kannte dieser hohen Stimme Schrein!
    Er lachte widrig—er gewahrte mein.

    Der Trunkne trat mit vollem Humpen vor—
    Mir straeubte sich vor Graus das Haar empor;

    Mich starr betrachtend, zweifelnd, ungewiss:
    "Trink", schrie er, "siecher Bettler, und vergiss!"

    Ich bin der Hutten, rief ich, den du kennst!
    Er lallte: "Grabentstiegenes Gespenst!"

    Ihn stiess ich weg, dass er den Wein vergoss,
    Der purpurn ueber seine Haende floss.

    Mit roten Haenden, wie im Walde dort
    Von meines Vetters Leiche, stuerzt' er fort.

    Verschollen bin ich auf der Erde schon!
    Er wusste nicht, dass ich hieher geflohn.

    Warum betrat er meine Friedensflur,
    Der Boesewicht, dem ich Verderben schwur?

    Der Schaffner wirbt! Schon lange weiss ich drum!
    Es treibt sich oefter hier Gesindel um.

    Zum Lachen ist's! An meinem Sterbehaus
    Hangt Herzog Ulrichs Werbefaehnlein aus!

    Um Blut gefeilscht wird neben meiner Gruft
    Und Schweizerlanzen fuehren heim den Schuft.

    Es scheint, er ist in Zuerich angesehn,
    Man sieht ihn fleissig in die Predigt gehn.

    Doch Ulrich Zwinglis lautres Auge kennt
    Den Mann, in dessen Blick die Hoelle brennt.

    Er weiss, dass dieser wohlbeschaffne Christ
    Ein Moerder und ein Ehebrecher ist.

    Ich tat Bekenntnis meinem Glueck zum Trutz,
    Der schnoede Bube tut's aus Eigennutz!

    Was mir aus tiefstem Herzen quoll empor,
    Haelt dieser Heuchler sich als Larve vor!

    Mit Christi Juengern sitzt im Tischverband
    Wie Judas er, den Beutel in der Hand.

    Der Schurke nahm den reinen Glauben an;
    Potz Blut und Wunden, er hat wohl getan!

    Der Meuchler hat das reine Wort bekannt!
    Darueber jubiliert das Schwabenland!

    Der Gleisner Ulrich zahlt—es ist bequem—
    Nicht fuer den Ulrich mehr von ehedem!

    "Rom oder Luther", spottet er beim Wein,
    "Schuh oder Stiefel—Herzog will ich sein!"

    Ich glaub's, dass er in Stuttgart Einzug haelt—
    Wer thront im Himmel? Wer regiert die Welt?

    Wir stehn in gleichem Lebensalter schier,
    Um zehen Jahre schien er juenger mir!

    Er ist in voller Manneskraft erblueht,
    Ich welke mit verbittertem Gemuet!

    Ich buesse leichte Jugendsuende schwer,
    Den Fluch des Boesen ueberwindet er!

    Er atmet unbeklommen, altert heil,
    Und ich? Mir keucht die Brust—das Grab mein Teil!

    Er wird von einem guten Sohn geehrt,
    Wann laengst mich ekles Erdgewuerm verzehrt...

    Dort gleitet durch die Flut des Moerders Boot—
    Kein Wetter bruetet, keine Wolke droht!

    Gerechtigkeit, bist du nicht ausser Amt,
    Wirf einen Blitz, der toetend niederflammt!

    Dort faehrt ein Moerder! Hoer, Gerechtigkeit,
    Was dir der Hutten in die Ohren schreit!

    Der Himmel lacht in unverwoelktem Licht—
    He, hast du Ferien, himmlisch Hofgericht?

    Die Waage falsch! Gefaelscht das Schuldenbuch!
    Wie Wetterlaunen walten Heil und Fluch—

    Halt! Frevle nicht! Die Laestrung sei verweht!
    Beleid'ge, Hutten, nicht die Majestaet!



    LIX Sturm und Schilf



    Mit Gott zu hadern ist nicht wohlgetan,
    Es lockt Gesellschaft von Daemonen an.
    Durch meine Fensterluke spaeh' ich vor,
    Der Wurf der Welle sprueht zu mir empor.

    Den schwarzen Riesenbaum am Inselhorn
    Umlodert flammender Gewitterzorn.

    Aufrauscht's im Schilf, wild faehrt der Sturm einher,
    An tiefsten Lebenswurzeln ruettelt er.

    Der Teufel saust im Wind und pfeift und lacht
    Und meinen Namen ruft er durch die Nacht.

    "Hei Hutten, der, von Wellenschaum umspritzt,
    Auf einer oeden Klosterinsel sitzt!

    Du gleichst dem Helden deines Scherzgedichts,
    Du bist der Niemand und zerinnst in nichts!

    Der du gedurstet und gehungert hast,
    Hinweg! Mach Raum fuer einen kluegern Gast!

    Dir schlag' ich eine Grabesinschrift vor:
    'Er focht fuer Wolken und er war ein Tor.'

    Fahr hin! Doch eh' du stirbst, der Welt ein Spott,
    Erleichtre dir das Herz und laestre Gott!"

    —Gebaerde, Teufel, dich nicht allzu wild!
    Entgegen halt' ich dir des Glaubens Schild!

    Den lichten Helm des Heils zerspellst du nicht
    Mit deinen Feuerpfeilen, Boesewicht!

    Ein Gutes gibt's! Du bist mir aergerlich—
    Und eine Wahrheit! Teufel, hebe dich!

    Gesaettigt wird das menschliche Geschlecht
    Mit Wahrheit werden und getraenkt mit Recht!

    Der Sturm verstummt. Der Hohn des Boesen schweigt...
    Dort! Ein Gebilde, das dem Schilf entsteigt!

    Es ringt die Haende, wie ein Geist in Pein!
    Gebueckt und jammernd, wie mein Muetterlein!

    "Was wandeltest den Frieden du in Streit?
    Warum zerstoertest du die alte Zeit?

    Wo dich die Kirche liebevoll umfing
    Mit ihrer sieben Gaben heil'gem Ring!

    Wo dich die Kirche muetterlich begrub
    Und triumphierend in die Himmel hub!

    Der den erprobten Segenskreis zerriss,
    Bist, Hutten, du des neuen Pfads gewiss?"

    —Wer fluestert mir so traute Worte zu?
    Verschlagner Daemon, wieder bist es du!

    Ich glaube nicht an alter Zeiten Glueck!
    Ich breche durch und schaue nicht zurueck!

    Hinueber retten wir in neue Zeit
    Und edle Form den Hort der Froemmigkeit...

    Wir ziehn! Die Trommel schlaegt! Die Fahne weht!
    Nicht weiss ich, welchen Weg die Heerfahrt geht.

    Genug, dass ihn der Herr des Krieges weiss—
    Sein Plan und Losung! Unser Kampf und Schweiss!

    Gesiegt! Doch schwer! Mir keucht die Brust so bang
    Wie einem Menschen, der mit Riesen rang.



    LX Die Menschheit



    Ich schaute—wundersamer Morgentraum—
    In eines Kampfs gestaltenvollen Raum.
    Ein maechtig Ringen war's der Geisterwelt,
    Von wehnden Flammen wechselvoll erhellt.

    In Welschland, wenn ich mich besinnen mag,
    Sah schier ich so gemalt den juengsten Tag:

    Wo, streng gerichtet, was von Even stammt,
    Zur Haelfte steigt, zur Haelfte sinkt verdammt.

    Doch nein! Die letzte Scheidung war es nicht.
    Es war ein mut'ger Sturm empor ins Licht!

    Sie rangen alle mit vereinter Kraft,
    Beseelt von eines Kranzes Leidenschaft.

    Wankt' einer wie gelaehmt von Pfeilgeschoss—
    Den riss empor ein staerkrer Kampfgenoss

    Und mancher Kuehne stieg in schwerem Flug,
    Der einen Wunden auf der Schulter trug.

    Da hab' ich eines Fuehrers Ruf gehoert:
    "Der Kerker", schrie er, "Geister, ist zerstoert!

    Das Tor gebrochen! Offen ist die Bahn!
    Befreit die Brueder! Auf! Empor! Hinan!"

    Aus lichten Wolken scholl Posaunenton,
    Doch war's ein Siegesjubel, nicht ein Drohn.

    Da ploetzlich stund ich im Gewoelke vorn
    Und stiess aus voller Brust ins Jaegerhorn.

    Aufschwebt' der sel'ge Zug in maecht'gem Drang,
    Ich stiess ins Horn, dass mir das Herz zersprang.




    Das Sterben




    LXI Feldmann



    Land, Wasser, Himmel—rings dasselbe Grau!
    Wer ahnte deine Anmut, Ufenau?
    Im Schilfe schwadert eine Entenschar
    Und kuendet fruehen Winter diesem Jahr.

    Des Schaffners "Feldmann" stellt zur Jagd sich dort.
    Noch eine Birsch, bei meinem Ritterwort!

    Mir hangt ein laendlich Armbrust an der Wand...
    Hier ist's! Der Spanner fehlt, ich spann' von Hand...

    Gehorche, Ding! Schon manches Seil gestrafft
    Hat diese Faust... Verdammt! Mir fehlt die Kraft!

    Wie? eine Traene?... Nieder, taeppisch Tier!
    Der wackre Koeter leckt die Wange mir.

    Gelt, wer die Armbrust nicht mehr spannen kann,
    In deinen Augen ist's ein armer Mann!

    Die wilde Jagd des Lebens geht zu End...
    Komm! Sehn wir, ob im Herd ein Feuer brennt.



    LXII "Der arme Heinrich"



    Heut sass ich armer Ulrich still daheim
    Und las den "armen Heinrich", Reim an Reim.
    Des siechen Ritters Abenteuer las
    Ich gerne, der durch Wunderwerk genas.

    Ihr braven Heil'gen, koenntet—frag' ich nun—
    Am Hutten ihr ein schliesslich Wunder tun?

    Am Hutten? Nein. Da fuehlt er selber, wisst,
    Wie das von euch zu viel gefordert ist.



    LXIII Anzeige



    Mein Ende steht bevor! Mir hat geahnt.
    Mich hat mein Franz der Sickingen gemahnt.
    Ich sass im abendstillen Kaemmerlein
    Just zwischen Tageslicht und Ampelschein—

    Stracks ging ein Reutersmann durch mein Gelass.
    Er trug ein rot Barett. So schien er blass...

    Ha, Sickingen, du bist's, mein Kampfgespan!
    An meine Brust, du redlicher Kumpan!

    Da log Frau Fama wieder einmal dreist!
    Sie rief ins Land, dass du getoetet seist.

    Du lebst, mein Vielgetreuer! Du entrannst!
    Ich goenne dir's, dass du noch fechten kannst...

    Er schwieg. Ich sah des Auges mindre glut,
    Das sonst so trutzig drohte unterm Hut.

    Doch schaut' er selig, da die Schattenwelt
    Fuer einen Helden keine Schmach enthaelt.

    An mir vorueber schritt er ohne Wort
    Und wandte noch sich an der Schwelle dort

    Und winkte mir gelassen mit der Hand,
    Als wollt' er sagen: Komm nun!—und verschwand.



    LXIV Der letzte Brief



    Mein lieber und gewogner Prugner, merk
    Es dir und schick mir etwas Feuerwerk!
    Die Lese naht. Da blitzt und pufft und knallt
    Es rings um meinen Inselaufenthalt.

    Raketen kreuzen sich. Der Boeller kracht.
    Lodernde Raeder rollen in der Nacht.

    Nicht was sich dreht und schwingt und spritzt und sprueht,
    Schick eine Leuchte mir, die stetig glueht!

    Schick eine Kugel mir, die ruhig steigt
    Und meiner Insel ganzen Umriss zeigt!

    An meinem letzten Feste kost' im Schein
    Der Geisterfackel ich den neuen Wein.



    LXV Die Traube



    Freund Holbein, fehlt im Totentanze dir
    Der Dichter noch, so komm und mal mich hier,
    In meinem Sessel schlummernd ausgestreckt,
    Das Angesicht mit stillem Blass bedeckt!

    Daneben trete leis der Tod ins Haus,
    Doch lass mir lieber weg der Sense Graus!

    Am Bogenfenster siehst die Traube du?
    Die male goldig angehaucht hinzu!

    Ein blitzend Winzermesser gibst du dann
    In die verdorrte Hand dem Knochenmann!

    Und der Verstaend'ge merkt des Bildes Sinn,
    Dass ich die Edeltraube selber bin,

    Die heut gekeltert wird und morgen kreist
    In Deutschlands Adern als ein Feuergeist.



    LXVI Das Kreuz



    Heut ist der erste leidenvolle Tag,
    Da ich mich nicht vom Lager heben mag!
    Auf seiner Meeresinsel stoehnt' und fleht'
    Und wimmerte der wunde Philoktet;

    Mir geht das Jammern wider die Natur,
    Weit eher noch entfuehre mir ein Schwur.

    Doch beiss' ich schweigend nur die Lippe mir;
    Denn als ein Christ und Ritter lieg' ich hier.

    Fernab die Welt. Im Reiche meines Blicks
    An nackter Wand allein das Kruzifix.

    An hellen Tagen liebt' in Hof und Saal
    Ich nicht das Bild des Schmerzes und der Qual;

    Doch Qual und Schmerz ist auch ein irdisch Teil,
    Das wusste Christ und schuf am Kreuz das Heil.

    Je laenger ich's betrachte, wird die Last
    Mir abgenommen um die Haelfte fast,

    Denn statt des einen leiden unser zwei:
    Mein dorngekroenter Bruder steht mir bei.



    LXVII Ein christlich Spruechlein



    In meinen Leidensnaechten ohne Stern
    Erlab' ich mich an guter Sprueche Kern.
    Sankt Paule, der du mir zu jeder Frist
    Aus dem Apostelbund der liebste bist,

    Eins deiner Spruechlein so von ungefaehr
    In bittern Noeten bet' ich vor mich her:

    "Es aengstet sich, es sehnt sich allezeit
    Die Kreatur in ihrer Endlichkeit."

    Oft wird der edle Leib, das schoene Sein
    Zum dumpfen Kerker ohne Licht und Schein.

    Dann ist es nicht ein hergebracht Gebet
    Es ist der Geist, der in uns seufzt und fleht,

    Und waerst du, Gott und Herr, nicht ewiglich,
    Ein solches Stossgebet erschuefe dich.



    LXVIII Ein heidnisches Spruechlein



    Heut fiel mir wieder ein—ich weiss nicht wie—
    Ein Spruch aus Sokrates' Apologie:
    "Was wartet unser, wann des Erdeseins
    Unruhig Licht erlischt—von zweien eins:

    Fuer sel'gen Wandel ein bequemer Raum?
    Ein ungekraenkter Schlummer ohne Traum?"

    Wir Christen haben ein gewisses Licht,
    Doch auch ein Heidenspruechlein schadet nicht.



    LXIX Der Strom des Lebens



    Mir war: ich fuhr in halber Finsternis
    Auf einem Strom, der mich von dannen riss.
    Unwiderstehlich, ohne Frist und Halt
    Entfuehrte mich die jaehe Stromgewalt.

    Vorueber glitten dunkel Stadt und Schloss.
    Ein ferner Donner scholl. Der Nachen schoss.

    Und ich erriet, dass ich den Rhein befuhr
    Ein wenig ueber seinem Sturze nur.


    LXX Scheiden im Licht



    Verschaerfte Schmerzen foltern mein Gebein,
    Doch, soll ich sterben, muss es Morgen sein!
    Doch, soll ich aus der Welt von hinnen gehn,
    So muss ich erst erhellte Pfade sehn!

    In meine Todesschauer sei gemischt
    Der Fruehe Schauer, der das All erfrischt!

    Verstoehnen lass mich hier im Dunkel nicht,
    Befreie deinen Kaempfer, starkes Licht!

    Auf deinen goldnen Schwingen traegst du Heil,
    Erlege mich mit deinem ersten Pfeil!



    LXXI Abfahrt



    Ich reise. Freund, ein Boot! Ich reise weit.
    Mein letztes Wort... ein Wort der Dankbarkeit...
    Auch dir, du Insel, meine gruene Haft!
    Den Hutten treibt es auf die Wanderschaft.

    Noch gibt's zu tun. Geschwind! Wo bleibt der Kahn?
    Die Welle draengt! Ein Segel wallt heran!

    Die Firne starren mir ins Angesicht...
    Das bleiche Geisterland erschreckt mich nicht...

    Ein langer hagrer Ferge rudert dort...
    Hehe! Hierher! Es will ein Wandrer fort!

    Was haeltst du, Freund, mich an die Brust gepresst?
    Bin ich ein Sklave, der sich fesseln laesst?

    Gib frei! Gib frei! Zurueck! Ich spring' ins Boot...
    Faehrmann, ich kenne dich! Du bist—der Tod.